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Editorial 1983-Heft 2 "Chauvinismus ?"

Chefredakteur Karl Breh schreibt zum GRUNDIG Verkaufsangebot :
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Karl Breh in 1983

In einem Memorandum der Grundig AG, das im Dezember den Vertretern der politischen Parteien, den Vertretern der Gewerkschaften, der Wirtschaft und der Presse zugestellt wurde, lautet ein Kernsatz: „... es gibt keine deutsche Alternative, und es wird keine geben, weil bei den divergierenden Interessen der deutschen Unternehmen, die als Beteiligte bei Grundig genannt werden, weder eine einheitliche Meinung über das Zustandekommen einer solchen Beteiligungsgruppe noch viel weniger eine Konzeption über den weiteren Weg der Grundig AG erwartet werden kann."

Soweit ich informiert bin, betreffen die entscheidenden Auffassungsunterschiede die Höhe des Preises, der für den Kauf der Grundig AG oder eine mehrheitliche Beteiligung zu entrichten ist. Keiner der in Frage kommenden deutschen Partner ist offenbar bereit, die Summe auf den Tisch zu legen, die Thomson-Brandt aus der französischen Staatskasse aufzubringen vermag. Warum das so ist, wäre allein schon des Nachdenkens wert.

  • Anmerkung : Das war nicht der Grund für das Nichtzustandekommen, der alte Max hatte sich das Sagen in diesem Konsortium ausbedungen und das stieß bei den anderen inzwischen finanziell klammen aber dennoch eifersüchtigen "Kollegen" auf Widerstand. Jeder der alten Männer wollte mitregieren wie bisher. Keiner gönnte dem alten aber erfolgreichen Max den Triumpf und keiner wollte dem Max zugestehen, daß, solange er Alleinherrscher in seinem Konzern war, alles absolut bestens geklapppt hatte. In keinem der anderen größeren Konzerne hatte irgend eine Art von Demokratie geklappt.


An anderer Stelle dieser Verlautbarung - und hauptsächlich derentwegen komme ich nochmals auf das Thema zurück - heißt es: „Es ist für diejenigen, die Verhandlungen mit Thomson-Brandt geführt haben, erschreckend, welche nationalistischen Gefühle mobilisiert werden, die mit dem Geist und Inhalt des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages überhaupt nicht in Übereinstimmung gebracht werden können. Die Tatsache, daß Thomson-Brandt verstaatlicht worden ist, gab manchem, der hierüber berichtete, Anlaß, eine ideologisch geführte Polemik darüber in Gang zu setzen, daß damit die Grundsätze der Marktwirtschaft außer Kraft gesetzt werden."

Ja ist es denn nicht wirklich so?

In der Bundesrepublik Deutschland hat sich sogar eine von der SPD geführte Regierung aus Furcht, die Grundsätze der freien Marktwirtschaft zu verletzen, geziert, dem maroden AEG-Konzern durch die Ermöglichung eines Vergleichs wieder notdürftig auf die Beine zu helfen.

Der französische Staatspräsident scheute sich aber keineswegs, der deutschen Regierung zu bedeuten, daß man im anstehenden Geschäft einen Prüfstein für die deutsch-französische Kooperationsbereitschaft erblicke. Bedenkt man in diesem Kontext, daß die französische Staatskasse offenbar bereit ist, einen Preis zu bezahlen, den sogar ziemlich direkt vom angestrebten Geschäft negativ betroffene potentielle deutsche Partner für zu hoch halten, ist die Frage wohl erlaubt, was das mit freier Marktwirtschaft noch zu tun hat.

Max Grundigs Erschrecken über die angebliche Mobilisierung nationalistischer Gefühle und seine Sorge um den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag treiben mir Tränen der Rührung in die Augen.
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Chefredakteur Karl Breh führt weiter aus : Ich habe sechs wichtige Jahre meines Lebens in Frankreich zugebracht.

Ich habe dort 1950/51 die beiden Teile des Baccalaureat (das entspricht etwa dem deutschen Abitur) abgelegt, in einer Zeit, da Deutsche in Frankreich aus nur allzu verständlichen Gründen sehr kritisch beobachtet wurden.

Ich bin zu einem guten Teil in französischem Geist erzogen. Ich liebe Frankreich und die Franzosen. Ich habe dort Freunde, wie ich sie hier vielleicht nicht habe, aber eben darum weiß ich um so besser, daß Franzosen als Einzelne und als Volk bei aller Freundschaft mit Ausländern oder zu anderen Völkern ihre nationalen Interessen sehr wohl zu wahren wissen.

Seit wann haben Geschäfte der angestrebten Art etwas mit Freundschaft zwischen Völkern zu tun, inwiefern tangiert dieses Geschäft den deutsch-französischen Vertrag? Da wären offene Handelsgrenzen schon wichtiger.

Wer aber seine heimischen Märkte dadurch schützen zu müssen glaubt, daß er die Zollabfertigung für ungeliebte Fremdprodukte - auch deutsche - über 300 km ins Landesinnere verlegt, liefert damit weder ein Musterbeispiel für freie Marktwirtschaft noch einen Beweis für weitblickende, dem Wohle der EG dienende Wirtschaftspolitik.

Die deutsch-französische Freundschaft ist millionenfach gefestigt - zwischen Menschen - und würde, dessen darf man ganz sicher sein, vom Zustandekommen des Grundig-Verkaufs nur dann partiell getrübt, wenn in Fürth eines Tages Ähnliches passierte wie vor nicht allzu langer Zeit mit Videocolor in Ulm.

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