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20 Jahre DHFI und Hifi-Stereophonie - von Karl Breh

Editorial aus Heft 6/1964 !!
"Zwischen Scylla und Charybdis"

(Incidit in Scyllam qui vult vitare Charybdim)

Die Hannover-Messe 1964 brachte auch für den uneingeweihten Besucher die Erkenntnis
, daß High Fidelity begonnen hat, ein interessanter Markt zu werden. Für uns, die wir uns anfänglich fast wie Prediger in der Wüste für dieses junge Gebiet eingesetzt haben, ist das eine erfreuliche Tatsache, Die Charybdis - auf unseren Ruf kein Echo zu erhalten und eines Tages als unverbesserliche Illusionisten belächelt zu werden - hätten wir demnach dank entschlossener Navigation unter günstigen Sternen umschifft. Allein, just dieser Umstand schafft neue Gefahr, der wir aus eigener Kraft nicht begegnen können.

Die Morgenröte aufsteigender Konjunktur lockt in zunehmendem Maße Hersteller, Importeure und Fachhändler zum Kampf um einen Platz an der Sonne. Dies verschärft die Konkurrenzsituation, was durchaus erfreulich, natürlich und im Hinblick auf Qualitätsselektion und Preisbewegung gesund ist.

Jeder Kampf um einen Markt, der noch gar nicht ist, was er werden könnte, birgt jedoch auch den Keim der Entartung in sich. Als Beispiel hierfür genügt es, an die Zustände auf dem Markte konventioneller Radio-, Phono-und Fernsehgeräte zu erinnern. Die Folgen: Die durch unbesonnene Produktionspolitik an der Misere hauptschuldige Industrie wurde durch Verluste bestraft, die Hunderte von Millionen DM erreichen, der Einzelhandel, genötigt, zum Teil sagenhafte Rabatte einzuräumen, richtete sein Augenmerk auf den Verkauf um jeden Preis und vernachlässigt darob zunehmend die Kundenberatung und den Service, was wiederum dem zunächst lachenden Dritten, dem Endverbraucher, auf die Dauer viel Ärger und manche Enttäuschung einbringt.

Für den HiFi-Markt wäre eine ähnliche Entartung des Konkurrenzkampfes tödlich.
Da in zunehmendem Umfange Fachhändler sich in diesen Markt einschalten, die nicht, wie die wenigen Schrittmacher, auf den Handel mit HiFi-Geräten spezialisiert sind, sondern aus der verdorbenen Radio- und Fernsehbranche die Flucht nach oben suchen, besteht die Gefahr, daß der Dschungel des Preiskampfes auf den HiFi-Markt übergreift. Die Gefahr des Übergreifens ist um so größer, als die HiFi-Geräte bekanntlich teuer sind und die damit verbundenen Gewinnspannen zum Rabattieren gegenüber dem Endverbraucher verlocken.

Der spezialisierte HiFi-Händler weiß, daß er diese Gewinnspanne benötigt, weil er sonst weder in der Lage ist, sich eine ausreichende Auswahl von Geräten im Lager zu halten, noch den sehr viel höheren Aufwand an Kundenberatung und Service zu unterhalten. Er wird daher auch gegenüber hartnäckig vorgebrachten Rabattforderungen von selten des durch die Chancen in der Radio-, Phono- und Fernsehbranche verwöhnten Endverbrauchers mit Recht unnachgiebig bleiben.

Nun häufen sich bereits die Fälle, daß Kunden sich in stundenlangen Gesprächen von einem spezialisierten Fachmann zwar beraten lassen, dann aber wegen abgewiesener Rabattforderungen die Geräte bei einem Händler kaufen, der seine mangelnde Fachkenntnis durch großzügiges Rabattieren ersetzt. Kommt der Kunde dann mit dem Zusammenbau der Geräte nicht zurecht, so begibt er sich wieder zum Spezialisten, von dem er nun naiv erwartet, weiter beraten zu werden. Da von kostenloser Beratung niemand leben kann, am allerwenigsten der spezialisierte HiFi-Händler, führt dies zwangsläufig zu höchst unerfreulichen Reaktionen.

Der HiFi-Händler macht nun ebenfalls Rabattkonzessionen und versucht den Verlust dadurch wettzumachen, daß er sich die für den Kunden unentbehrliche Beratung teuer bezahlen läßt. Die Optik aber ist verbogen. Nach außen dringt die Kunde des Preiskampfes, denn der Käufer vergißt meistens, das, das er für Beratung und Zusammenbau bezahlen mußte, dem Kaufpreis hinzuzurechnen. Er erliegt seiner Wahnvorstellung, mit Rabatt einkaufen zu müssen, auch wenn er im Endeffekt dazubezahlt.

Enttäuschung und Verbitterung stellen sich erst später ein. Sie wiegen um so schwerer, je mehr Geld der Kunde in der Absicht, eine optimale Anlage zu erstehen, ausgegeben hat. Wenn der HiFi-Markt in den Sog des Discount-Geschäftes gerät, wird er verkümmern, noch ehe er richtig entstanden ist.

HiFi-Geräte sind teuer, manche, sagen wir es offen, sogar überteuert. Das hat drei Gründe: Qualität kostet Geld, daran ist nichts zu ändern. Bei ausländischen Geräten kommen die Zuschläge für Zoll und Versand sowie die für uns ungünstige Umrechnung der Währungen hinzu. Manche deutschen Geräte schwimmen kräftig im Kielwasser des durch ausländische Geräte gesetzten Preisniveaus. Auch daran ist nicht viel zu ändern.

Der letzte Grund für eine gewisse Überteuerung besteht darin, daß in die unverbindlichen Richtpreise überhöhte Händlerrabatte einkalkuliert sind, die der Händler, je nach Hartnäckigkeit des Kunden, zu durchaus unterschiedlichen Prozentsätzen an diesen wettergibt. Das Ergebnis ist eine Verwirrung und Beunruhigung des Marktes, die bis zu Discount-Unsitten führen können. Wenn es der Industrie nicht möglich ist, für HiFi-Erzeugnisse die Preisbindung einzuführen, was sofort klare und saubere Verhältnisse schaffen würde, so gibt es nur einen Ausweg.

Die Preise für HiFi-Geräte müssen auf Kosten der Händlerrabatte gesenkt werden. Die Händlerrabatte müssen so kalkuliert sein, daß der HiFi-Händler einerseits in der Lage ist, ein umfangreiches Lager zu halten, seine Kunden eingehend zu beraten und einen gut funktionierenden Service einzurichten, daß er es sich andererseits jedoch nicht mehr leisten kann, dem Endverbraucher Rabatte einzuräumen. Sogenannte Fachhändler, welche die obengenannten Voraussetzungen für einen soliden Handel mit HiFi-Geräten nicht erfüllen, dürften von der Industrie oder den Importeuren nicht beliefert werden, selbst dann nicht, wenn es zunächst auf Kosten des Umsatzes geht.

Diese Maßnahmen würden sofort zu ehrlichen Preisen führen, vor allem aber zu Preisen, die für alle Kunden, unabhängig von ihrer Geschicklichkeit, Rabatte herauszuschlagen, gleich wären. Das Vertrauensverhältnis zwischen Endverbraucher und Fachhandel, ohne das ein gesunder HiFi-Markt undenkbar ist, würde sich allmählich wieder einstellen. Nur ein gewisses Maß an Disziplin bei allen Beteiligten, bei Industrie, Importeuren, Fachhandel und Endverbrauchern, wird den HiFi-Markt dauerhaft davor bewahren, die Charybdis einer zu kleinen Expansion zu umgehen, ohne der tödlichen Scylla eines Rabattgemetzels zum Opfer zu fallen.

von Karl Breh im Jahr 1964
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