Über die "richtigen" guten Lautsprecherkabel gibt es in der "Gemeinde" viele Mythen.
von Gert Redlich im April 2011 - In der Audiotechnik, analog wie auch digital gibt es zu diesem Thema zwei meßbare Größen: die Physik und die Psyche.
1.) Beginnen wir mit der Physik.
Die von der Leistungsendstufe bereits in elektrische Spannungen und Ströme umgewandelten (verstärkten) Töne sollen so verlustarm wie nur möglich zu den Boxen und dort zu den Lautsprecherchassis transportiert werden.
Bei passiven Lautsprechern kommt man um vernünftige widerstandsarme Zuleitungen zu den Boxen und eine vernünftige Innenverkabelung den Boxen nicht herum. Bei aktiven Lautsprechern sind diese inneren Zuleitungen in den Boxen mit 0,3m bis 0,8m vernachlässigbar kurz.
Bei den sogenannten ELA Anlagen gibt es die 100Volt Technik, bei der die Spannungen für Leitungslängen von mehreren 100 Metern nochmals (mit Verlusten) hochtransformiert werden und in der Box oder kurz davor wieder runter transformiert werden. Das hat aber mit Hifi fast nichts zu tun.
Bei normalem Wohnraum-Hifi und passiven Boxen sind die Leitungen manchmal bis zu 15 oder mehr Meter lang. Unterhalb von 2m Länge ist die ganze Aufregung um das Verstehen der Grundlagen sowieso "umsonst", besser formuliert : von sehr geringem physikalischen Einfluß.
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Die Lautsprecherkabel bei Wohnraum Hifi
Der Aufwand bei den Lautsprecherkabeln sollte erst einmal mit der vorhandenen Verstärkeranlage überprüft und relativiert werden. Aus den Schaltplänen der Verstärker (besser : der Leistungs-Endstufen der Verstärker) geht hervor, welche inneren Widerstände bereits überwunden werden müssen, um mit der Leistung bis zum eigentlichen Verstärkerausgang zu kommen.
Bei 4 Ohm Boxen zum Beispiel ist ein innerer Kollektor- Reihen- Widerstand von 0,3 oder 0,5 Ohm schon recht bedeutend. Hochwertige Verstärker haben da nur 0,1 oder 0,15 Ohm eingesetzt.
In der Box selbst geht über die Frequenzweiche verhältnismäßig sehr sehr viel, oft nochmal 20% oder mehr an Leistung verloren. Da spielen dann 0,1 Ohm Leitungswiderstand auf 10 Metern überhaupt keine Rolle mehr.
Habe ich einen zwar guten Hifi-Verstärker aber mit weniger als 30 Watt Nennleistung (pro Kanal), dann ist ein 1,5 mm² Querschnitt für die Zuleitungen vollkommen ausreichend.
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Ein Wort zur Grundlagen-Theorie der Übertragungstechnik
Die Lautsprecherkabel unterliegen natürlich auch der "Grundlagen-Theorie der Leitungen" als solche. Doch ist die übertragene Frequenz relativ niedrig, sodaß die berechneten "Probleme" marginalisiert werden. Nach genauem Studium der Grundlagen-Theorie wird man immer wieder über extrem hohe Frequenzen oder extrem niedrige Pegel "stolpern".
Bei beiden Größen liegen wir bei unseren Lautsprecherkabeln jeweils am unkritischen Ende der Skala. Darum konzentrieren wir uns hauptsächlich auf die 98% der groben Fehler und das sind die Kontakt- und Leitungswiderstände.
Dicke Leitungen und Querschnitte bei hohen Leistungen
Bei hohen Leistungen und hochoptimierten Endstufen muß man jetzt sorgfältig aufaddieren, welche Übergangswiderstände da zusammenkommen. Darum zuerst ein Blick auf die Kabel an sich. Hier ein Rechenbeispiel, welche Übergangswiderstände bei einer BOSE 901 zusammenkommen.
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Grundsätzlich ist Kupfer-Kabel vom Typ Litze zu empfehlen. Von "Litze" spricht man, wenn in einer "Leitung" nicht eine einzelne Ader wohnt, sondern eine Vielzahl von ganz dünne Äderchen gemeinsam den Strom leitet. Und bei den Litzen gibt es Teils in Baumärkten oder bei Spezialversand- häusern unterschiedlich starke Querschnitte von 0,75 mm² bis 16mm². Kabel unter 0,75mm² sollten Sie generell meiden. Das macht auch preislich keinen Sinn.
Bei fast allen Querschnitten gibt es auch bei den Litzen noch mehrere Qualitäten. In der Physik fließt der Strom an der Oberfläche des jeweiligen Leiters. Je mehr Oberfläche ein Kabel hat, desto geringer ist der Leitungswiderstand. Und der ist bei unseren niedrigen Spannungen weit unterhalb von 230 Volt~ Netzspannung schon eine zu beachtende Größe.
Rechts im Bild haben Sie einen Vergleich von 2 normalen 0,75mm² Lautsprecherkabeln fast aller gängigen bekannten Hersteller und dann ein sogenanntes hochflexibles Kabel (im mittleren Bild ganz links) mit extrem feinadriger Litze.
Wann braucht man die dicken Leitungen wirklich ?
Wenn Sie Ihre Musik bei gedämpfter Zimmerlautstärke spielen, werden Spitzenimpulse fast nicht hörbar !! wiedergegeben. - Erst, wenn Sie etwas lauter spielen, kommt auch die Dynamik zum Zug. Hat der Verstärker aber sowieso nur ca. 30 Watt Sinus, geht er bei diesen ganz kurzen Impulsen ins sogenannte Clipping und die Impulse werden nahezu unhörbar abgeschnitten.
Der Verstärker sollte also schon die dreifache Nennleistung haben, als Sie zum guten Zimmersound benötigen (je nach Lautsprecher). Dann kann er die Spitzenimpulse (einer CD oder digitalen Quelle) mindestens überhaupt erstmal sauber erzeugen. Damit diese Impulse beim Lautsprecher auch ankommen, sollen alle vermeidbaren und meßbaren ohmschen Widerstände vermieden werden.
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Musik von analogen Plattenspielern
Spielen Sie Ihre kostbaren Platten sogar von einem vermeintlich hochwertigen analogen Plattenspieler, so gelten da immer noch andere Maßstäbe. Die Vinylplatte hatte sowieso nur 55dB Dynamik. Alles, das da mehr war, wurde bereits bei der DGG, Philips, EMI, RCA oder bei Decca usw. im Studio abgeschnippelt bzw. weggefiltert oder reduziert. Hatten Sie teuerste Direktschnitt-Platten mit extrem guten dynamischen Aufnahmen, so ist spätestens nach dem 10. Male Abspielen ein großer Teil der ehemaligen Dynamik ebenfalls futsch, wie uns der Herr Brüggemann vom Schneidstudio Brüggemann nachweislich vorführte. Damit ist der mögliche Qualitäts-Anspruch und damit der zu treibende Aufwand bei analogen Quellen in der Realität "überschaubar" - nicht so in der (eigenen) Psyche.
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Musik aus dem UKW Radio
Hören Sie heute UKW-Radio von den öffentlich rechtlichen und/oder privaten Sendern aus den gängigen Quellen, so fällt auf, daß fast alles an populärer Musik über den sogenannten Begrenzer "gejagt" wird und daß der ganze Schmus fast immer volle Pulle raus kommt. Es ist ein Gematsche und Gemixe von Höchstlautstäken, um sich von der Konkurrenz abzuheben und im Auto den Corsa oder Polo Motor zu übertrumpfen bzw. zu "übertönen". Diese Quellen scheiden als Maßstab für edle Hifi-Quailitäten absolut aus.
Hören Sie HR2 Kultur (oder SWR2 oder BR2 oder WDR2) und dort Klassik-Konzerte, nähern wir uns wieder dieser künstlichen 55 Dezibel Dynamik-Grenze (ist vom IRT vorgegeben) und auch hier kann eine wirklich gute Anlage ihre Fähigkeiten nicht voll ausfahren. Es gab schon Live-Konzerte in Stereo, die waren deutlich besser als die vergleichbaren Schallplatten.
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Hochausgesteuerte Musik aus modernen digitalen Quellen
Bei digitalen Quellen (mal unabhängig von der Glaubens- richtung) sind 80dB (achtzig Dezibel !!) an Dynamik mindestens überhaupt erst mal machbar. Jetzt kann man sehr wohl hören und auch messen, ob der Verstärker diese Dynamikspitzen verstärkt - und auch an die Boxen weiter gibt - bzw., ob diese davon etwas abbekommen und ob die Boxen diese Dynamik überhaupt in Schall umwandlen "können". "Wollen" ist hier kein Kriterium.
Wie sprach der Herr im vorgerückten Alter zu seiner jungen Geliebten : O Herr, das "Können" hast Du mir genommen, bitte nimm mir auch das "Wollen".
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Achten Sie auf die Summe der Unzulänglichkeiten
Sowohl die Klemmen (bzw. Steckverbinder/Stecker) am Verstärker als auch an der Box sind wichtig. Billige Teile haben primitive Klemmen mit geringer Klemmkraft sowie innen drinnen oft nur feste 0,25mm² Drähte billigster Bauart. Also 0,5mm² Litze sollten es schon sein.
Mehr dazu steht auf der BOSE Serie 4 Seite. Billige Verstärker haben innen auch noch erstaunlich große Last-Ausgleichs- widerstände in Reihe zu den End-Transistoren, und das kann so nicht optimal funktionieren.
Qualität kostet Geld - ohne Ausnahmen. Eine gute Verdrahtung und ein sauberer Aufbau eines Verstärkers kostet mehr als der Blödmarkt Super Power Soundkraftprotz für 99.- Euro. Auch bei den Boxen ist es ähnlich. Erst wenn diese Voraussetzungen stimmen, sollten Sie über 1,5 Quadrat Kabel und aufwärts nachdenken. Und Lautsprecherleitungen sollten Sie möglichst nie stückeln oder verlängern.
Auf den Verstärkerseiten haben wir über die inneren Qualitäten von Endstufen geschrieben. Bei den Lautsprecherkonzepten haben wir über die Geheimnisse der Innenverkabelung und der Frequenzweichen (und deren Verluste) geschreiben.
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Und erst, wenn das oben gesagte alles schon mal stimmt, dann erst geht es weiter zum "perfekten" High-End Sound.
High-End bedeutet wirklich höchste Wiedergabetreue. Bei der Auswahl wirklich guter Programmquellen, und da kommen wirklich nur wenige analoge Vinyl-Scheiben in Fage, von den digitalen Scheiben (CD, DVD, SACD) schon deutlich mehr, lohnt sich eine weitere Verbesserung in Richtung edelster Wiedergabe.
Doch jetzt sind wir in einer "Flughöhe" angekommen, bei der das (geschulte) Ohr der Maßstab ist und die (kontrollierte) Psyche. Die Meinungen von Magazinen und Testern sollten Sie da völlig raus lassen, es sei denn, Sie "schalten" dort auch Anzeigen.
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Bei manchen Verbesserungen müssten Sie 2 Std lang lauschen
Das erste Beispiel ist der unterschiedliche Klang von Verstärkern, den es angeblich ja gar nicht gibt bzw. geben kann oder geben sollte. Doch das stimmt so nicht. Es gibt da erhebliche Unterschiede in der Kombination mit schwierigen bzw. unterschiedlichen Lautsprecherboxen.
Wesentlich ist, es gibt für solche Unterschiede immer nachweisbare Gründe oder Ursachen. Eine der Ursachen sind die Verbindungskabel vom CD-Player zum Vorverstärker und von dort zur Endstufe, sofern es kein Vollverstärker ist. Erst am Ende stehen die Lautsprecherkabel.
Doch Vorsicht:
Ist der Unterschied erst nach 60 Minuten "intensivstem" Lauschen (vermutlich) erkannt, sind Sie auf dem besten Weg zum Voodoo Glauben. Richtig dicke Konfigurations-Fehler hören Sie auf Anhieb.
Sind Sie jetzt reif für "Höheres" und für eine "Vorlesung der besonderen Art", dann lesen Sie bitte hier weiter . . . .
Hier stehen 3 Artikel über die Theorie der Signal-Übertragung auf Leitungen und Kabeln. Ich bin der Meinung, man sollte das nur mal - im Ansatz - gelesen haben. Es ist nämlich nur die komplexe Theorie für das letzte halbe Prozent der verfälschenden Einflüsse, die in der Praxis recht schnell wiederlegt wird.
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