Sie sind hier : Startseite →  Hifi Hersteller (8) Lautsprecher→  Wahrheit und Kalkulation

Wahrheit und Kalkulation - die unsichtbaren Grundgedanken

Damals - wir rechneten noch in DM
Über 50 DM sprach man schon gar nicht mehr, es waren "hunderte"

von Gert Redlich im März 2017 - Unstreitig ist in der gesamten Wirtschaft, die Firmen und die Gewerbetreibenden wollen, (sollen,) und müssen Geld verdienen. Unstreitig ist auch, daß das deutsche Finanzamt einem Unternehmer bzw. einem Unternehmen per Gesetz vorschreibt, daß der Sinn und Zweck eines Gewerbes, egal wie klein oder wie groß, der Zweck des (wortwörtlichen !!) "Gewinnstrebens" sei.

Und damit ist die - sooft von bestimmten politischen oder ideologisch beeinflußten gesellschaftlichen Gruppen angeprangerte - "Profit-Gier" vom eigenen Gesetzgeber, und das sind (oder waren) wir ja nunmal alle, zwingend vorgegeben.

Bestreiten Sie - bei einer Steuerprüfung zum Beispiel -, daß Sie ja gar keinen "Profit" anstreben, macht Ihnen das Finanzamt den Laden einfach dicht.

Ist bei Ihrer - fiktiven und künstlich dümmlichen - Anmerkung - "gar keinen Profit erstreben zu wollen" -, noch ein zweiter Finanzbeamter als Zeuge dabei, kann es sogar strafrechtlich sehr eng und vor allem recht teuer werden. Also aufpassen und deutlich genauer hinsehen, was da so passiert.
.

Aber es gibt da schon noch ein paar Fragen . . . .
Was ist "Ertrag" oder "Gewinn", was "Profit" und was "Gier" ?

also so viel war es nun mal nicht
Zeitzeugen bei mir in der Redaktion

In den letzten Jahren ab etwa 2010 habe ich mit vielen Ex-Redakteuren von Audio- und Hifi- Magazinen, sowie langjährigen Importeuren wie Herrmann Hoffmann, ehemaligen Gebietsverkaufsleitern und pensionierten Inhabern von Hifi-Studios gesprochen.

Viele meiner Gesprächspartner sind inzwischen im "Un-Ruhe"- stand wie zum Beispiel Karl Breh, ehemaliger Chefredakteur der Hifi-Stereophonie und später dann auch von Stereoplay, andere sind bereits verstorben wie Wolfgang Mattiolius, so hieß unser "Mr. Thorens", später war er der "Mr. Tandberg".

Von fast allen habe ich die mehrstündigen Interviews und Sprachaufzeichnungen gespeichert, die erst jetzt - aber erst in der Summe der Aussagen - zu erhellenden und schlüssigen Erkenntnissen führen.
.

zurück zum Thema :
Bei Lautsprechern gab es exorbitante Gewinnspannen . . . .

350 Watt Musik im Nov 2016
eine hochwertige Box
ein Bausatz
HECO B230/8
das Primitivste an Weiche
und Hauruck gelötet

Unsere Hifi-Komponenten reich(t)en von Mikrofonen über Plattenspieler, Bandgeräte, Tuner, Verstärker, Receiver bis hin zu Lautsprechern und Kopfhörern und "diversestem" Zubehör wie Ersatznadeln, Tonbändern, Leerkassetten und Reinigungs- utensilien und vielem mehr. Doch nirgends konnte man so schnell und so viel Geld verdienen wie bei Lautsprecherboxen.

Man sprach damals sinngemäß von "1:10".

Das Verhältnis 1:10 war in etwa das Verhältnis von Material- und Herstellungskosten zum Endkundenpreis. Nicht ganz klar kam aus den Gesprächen heraus, in wieweit der Anteil der Entwicklungskosten bei den Herstellungskosten enthalten war. Auch war bei diesem Vergleich nicht klar, ob die (damalige) Mehrwertsteuer berücksichtigt war oder nicht.

Diese "Kalkulation" 1:10 stammt von einem Insider des ursprünglichen Lautsprecherherstellers ARCUS Berlin, ist aber auf fast alle weltweiten Hersteller von Lautsprechern zu übertragen. Es gibt da - wie immer - auch Ausnahmen. Max Grundig zum Beispiel ist eine dieser Ausnahmen. Dort bei Max Grundig wurde schon immer professionell knallhart kalkuliert. Doch die erstaunlich günstigen Preise der gesamten XSM Serie (zum Beispiel der aktiven XSM 3000 Boxen für knappe DM 800.-) kamen nicht nur über die eigene Chassis- und Gehäusefertigung bei Grundig, sondern auch über die eigene Philosophie des Max Grundig von den jeweils geplanten, kakulierten und dann auch durchgezogenen enormen Stückzahlen.
.

Aber zurück zu den Passiv-Boxen :

Also seien in einer 3-Wege Box - zum Beispiel der Arcus TM 60 - für DM 500.- pro Stück (angeblich sogar nur 700.- DM pro Paar) gerade mal Teile für DM 50.- enthalten, also

  1. die 3 Chassis,
  2. die Frequenzweiche,
  3. das komplette in Echtholz furnierte Gehäuse,
  4. das Anschluß-Panel und
  5. der Front-Rahmen samt
  6. der Bespannung und natürlich
  7. die Montage der Box samt
  8. Verpackung.


Wenn das mit den 350.- pro Stück stimmen sollte, wären es sogar nur 35.- DM als sogenannter "Gestehungspreis".
.

Argument : Den Amerikanern bei den Preisen paroli bieten

Natürlich gab es Argumente, warum das so war. Bei so gut wie allen ausländischen Produkten gab es im Ursprungsland einen vom Hersteller beauftragten Export-Agenten und im Zielland wiederum einen Importeur. Jeder wollte von dem lukrativen Kuchen etwas abhaben. Herrmann Hoffman von Audio Intl. kann ganze Gschichten darüber erzählen. Boxen, die in den USA im Laden 99.- Dollar kosteten, standen bei uns für DM 799.- im Regal. Die Werbung, die der Hersteller in den USA selbst machte, sollte oder mußte hier bei uns der lokale Vertreter, der Importeur machen. Und das war insbesondere vom finanziellen Aufwand - Anzeigen, Prospekte und Messen - nicht wenig.
.
Und so orientierten sich deutsche (Hersteller-) Newcomer an den hohen US-Preisen auf dem deutschen Markt und konnten sehr großzügig kalkuieren.
.
Und als dann in Berlin vor der Firma ARCUS die ersten italienischen Sportwagen vor der Tür neidische Blicke erzeugten, war quasi der Beweis erbracht - es funktioniert.
.

In der Regel sei der Verkäufer die eigentliche (große) Verkaufs-Bremse

Kennen Sie das Produkt noch ? BOSE 901

"Der Verkäufer ist die größte Bremse unseres Produktes auf dem Weg zum Kunden" - sagte mal ein erfolgreicher Verkaufsleiter (eines großen amerikanischen Herstellers hier in Deutschland). Also mußte man die Hifi-Verkäufer locken und ködern.

Die freien oder fest angestellten Verkäufer bekamen zur "Motivation" spezielle Provisionen für die verkauften Boxen eines (oder mehrerer) bestimmten Hersteller(s). Dafür bekam das Hifi-Studio (oder der "Boxenschieber" - das ist der Discount- Abholmarkt) über 50% Rabatt auf den UVP, den angeblich "unverbindlichen" Verkaufs-Preis.

Aber auch hier wurde getrickst, was das Zeug hielt. Damals gab es Händler-Preislisten, da wurde mit diesen 50% oder gar 60% Rabatt vom Endkundenpreis (also incl. Mwst) ganz groß und fett gedruckt geworben, dann aber - in der allerletzen Zeile ganz hinten - auf den Einkaufspreis die Mwst. (zwischen 11 bis 15%) doch wieder drauf geschlagen. - Wie auch immer, der "Berater" bzw. Verkäufer im Hifi-Laden bekam seinen Bonus von 5% oder 8% oder gar 10% vom Ladenpreis und das läpperte sich am Monatsende ganz gut zusammen. Also faire neutrale Beratung beim Boxenkauf ? Durchweg Fehlanzeige.
.

Und es gab da noch einen (oder sogar mehrere) "Verkäufer"

Auch die Firma ARCUS als deutscher Hersteller arbeitete in Deutschland mit Handelsvertretern oder sogenannten (freien) Gebietsverkaufsleitern. Einer davon war der damalige Hifi-Vertrieb Michael Gießen, der auch die OHM Lautsprecher-Produkte aus den USA importierte. Auch diese Aktivität mußte in der Kalkulation drinnen sein.

War der Vertrieb eine Ein-Mann Show, kamen dennoch die Fracht- und die Lagerkosten hinzu. Bei Lautsprechern brauchte man eine Menge Platz, wenn dann ein ganzer Container Lautsprecher aus Übersee ankam.
.

Erstaunlich ist aber, es blieb "immer noch" eine Menge "übrig".

In dieser goldenen Zeitspanne ab 1971 konnte man sich als Hersteller wirklich eine goldene Nase verdienen - wenn man genau aufpaßte und grobe Fehler vermied. Nach meiner Erfahrung und meinem bisherigen Wissen haben aber nur ganz ganz wenige Hersteller die kommenden 10 Jahre überlebt. Der Wettbewerb war mit Eintreten der Marktsättigung etwa ab 1979/1980 gnadenlos und auch nicht immer fair.
.

Ein ganz besonders erfolgreiches Beispiel war die BOSE 901

Auf den BOSE Seiten hatte ich es bereits erläutert, die Marketingleute bei BOSE in USA waren kluge Strategen. Sowohl in den USA wie auch welweit hatte BOSE die (Endkunden-) Preise fest im Griff und damit auch die gesamte volle Kontrolle über die Margen der einzelnen Vertriebs-Stufen.

Und wenn man in die BOSE 901 - also wirklich alle Serien - rein schaut, staunt man immer wieder über das 1:20 Konzept, also nicht nur 1:10 wie im Titel oben angeführt.

JBL Ti 250 - auch ein Musterbeispiel für den "gesunden Ertrag"

Auch ein Beispiel sehr ähnlich zu den BOSE 901 ist die große JBL Ti 250, die ursprünglich für ca. 6.500.- bis 6.990.-DM pro Stück in den angeblich elitären Hifi-Studios stand. Später rutschte der Verkaufs-Preis sowohl für die originale 250Ti wie auch für eine etwas abgemagerte Ti 250 Jubilee auf unter DM 2000.- pro Stück. Das müsste doch Jedem zu denken geben.
.

Ausnahmen gab es natürlich bei den kleinen Spezialisten

Die Membrane der OHM F

Die Entwicklung der Ohm F (bzw. der Ohm A) als genialer Rundumstrahler mit der mechanisch physikalischen Frequenzweiche - als elektrischer Breitbandstrahler ohne Frequenzweiche zum Beispiel - das war nicht trivial und bestimmt langwierig und teuer.

Die Entwicklung des nahezu trägheitslosen Air-Motion Transformers
von Oskar Heil war ganz bestimmt auch nicht einfach. Bei den allerersten Elektrostaten von Infinity - der Servostatic 1 - muß es auch eine Menge Ausschuß mit verbrannten Folien gegeben haben.

Gleichermaßen war auch die Entwicklung des Ionenhochtöners aus dem Hifi-Studio Otto Braun nicht trivial und spiegelte sich nie in den Verkaufserlösen der kleinen Saarbrücker Firma wieder. Auch die Entwicklung von gut klingenden Hoch- und Mittelton-Hörnern war anfänglich aufwendig. Bei den extrem leistungsfähigen Bass-Chassis der großen Bühnenlautsprecher war auch jede Menge an Entwicklungsarbeit bezüglich hocheffizienter stabiler und dennoch belastbarer Schwingspulen enthalten, die bezahlt werden wollte.

Doch hier sind wir sowieso in einer ganz anderen Preisregion. Hier könnte man noch ein Verständnis für eine üppige Kalkulation aufbringen, es sind eben nur kleine Serien - wenn überhaupt - gebaut worden. Von der Infinity Servostatic 1 sollen es weniger als 200 Systeme gewesen sein.
.

Die Gewinnspannen sanken später auf etwa 1:5 und darunter

Die anfänglichen Übertreibungen lösten sich ganz von selbst auf. Die Hersteller konnten dem Wettbewerbsdruck mit dieser extremen Preis-Qualitäts-Relation nicht standhalten. Die Lautsprecher wurden in den 1990er Jahren doch erheblich besser und das Material verteuerte sich dazu erheblich und Preis-Leistung kam alsbald auf einem realitätsnahen Niveau an.

Eine Menge bedeutender Firmen verabschiedete sich um 1980 herum bis Ende der 1980er Jahre - wie zum Beispiel BRAUN-Hifi, SABA, WEGA und auch DUAL. Auch gab es Firmen wie ITT/SEL, die gigantische Mengen an guten Chassis produzierten und auf einmal auch gut klingende OEM (noname-) Boxen im Lowcost-Bereich aus diesem Material herstellten und zu erstaunlichen Preisen über Kaufhäuser, Ketten und Großmärkte anboten.

Da mußten die bis dahin etablierten Lautsprecher-Hersteller wie zum Beispiel Magnat, HECO und CANTON im Massenbereich mit den Preisen deutlich runter (oder aber erheblich besser werden), denn die Hifi-Magazine hatten schon herausgefunden, daß es auf dem Markt erstaunliche und preiswerte Qualitäten gab.
.

- Werbung Dezent -
Zurück zur Startseite © 2007/2024 - Deutsches Hifi-Museum - Copyright by Dipl. Ing. Gert Redlich Filzbaden - DSGVO - Privatsphäre - Zum Telefon der Redaktion - Zum Flohmarkt
Bitte einfach nur lächeln: Diese Seiten sind garantiert RDE / IPW zertifiziert und für Leser von 5 bis 108 Jahren freigegeben - kostenlos natürlich.

Privatsphäre : Auf unseren Seiten werden keine Informationen an google, twitter, facebook oder andere US-Konzerne weitergegeben.