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In der Zeitschrift AUDIO Heft 05/1986 :
Ein Sonderkasten bezüglich der Regelung (weiter unten)

In dieser Ausgabe von AUDIO und auch ein paar Ausgaben weiter wurden die Canton CA Boxen beschrieben und "getestet". Auch in anderen Zeitschriften wurden zwischen 1986 und 1989 die aktiven Canton CA Boxen getestet. Alle "Tester" oder Redakteure beschrieben die Funktion dieser Regelungen sehr sehr "unterschiedlich" (eine wohlwollende Umschreibung von "Nichtwissen"), teilweise mit sehr mangelhaftem Fachwissen.
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Doch dazu erst mal ein Vorwort.

von Gert Redlich im Aug. 2015 - Es gibt einen guten und wichtigen Grund, warum Regelungstechnik bei den Elektronikern, Elektro- mechanikern wie auch bei den Maschinenbauern ein eigenes Studienfach ist. Es ist nämlich wirklich nicht trival. Auch in der Nachrichtentechnik waren Regelungen mit und ohne Computer bereits ganz am Anfang ein komplexes Thema. Als ich um 1969 in der Fachhochschule damit konfrontiert wurde, schien das alles noch ziemlich trivial zu sein. Später 1973 an der Technischen Hochschule Darmstadt dagegen war es wiederum viel zu komplex und damit praxisfremd.
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Ein Beispiel:
Regelungstechnik pur : Das Vorderrad und der Bordstein

Diese vermeintlich simple Aufgabe war nur vordergründig einfach. Ein Autofahrer fährt mit dem Vorderrad (dummerweise) direkt auf einen Bordstein. Was passiert dort "mathematisch" physikalisch ?

Na, sagen wir, es ballert und die Felge und die Achse sind kaputt. Doch das wollte der Dozent so und eigentlich überhaupt nicht wissen und "jagte" uns wieder Nachhause.

Wir sollten diesen scheinbar simplen Vorgang nämlich aufschlüsseln und in eine oder mehrere mathematische Formeln (Integrale und Differentiale) packen.
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Also was hatten wir dann da :

Die Felge mit dem Bremssystem und dem Achslenker sowie mit dem Gürtel-Reifen mit seiner Stahleinlage - das war die schwingende Masse.

Wir hatten auch noch einen Stoßdämpfer - also ein Dämpfungslied und wir hatten die Höhe des Bordsteins und die Geschwindigkeit des Aufpralls und die Zeit, in der das alles stattfand.

Das sind die grundlegenden Regelkreis-Variablen. Der Rest kommt erst noch.

Eigentlich ging es dem Dozenten um das Überschwingen des Rades nach dem Aufprall. Wir sollten nämlich den Stoßdämpfer optimieren, also eine Formel entwickeln, die diese Überschwing-Bewegung mathematisch darstellt und uns so (bereits vorab errechnet) den optimalen Stoßdämpfer liefert.

Heutzutage lacht man über solch eine primitve Frage, die man mit dem Smartphone ausrechnet. Damals um 1970 herum hatten wir gerade mal einen unglaublich teuren Analog-Rechner. Das war alles. Auch Opel in Rüsselsheim (bei uns nebenan) hatte noch nichts Besseres.

Ein weiteres uraltes Beispiel von den Tonbandgeräten

Bei den Tonbandgeräten war der Bandzug immer kritisch. Das Magnetband kann nicht beliebig gezerrt oder gezogen werden, dann reißt es, es soll aber stramm am Magnetkopf anliegen. Das müßte man doch regeln können. Die Mechaniker haben also links und rechts des Kopfträgers Fühlhebel konstruiert, um die das Band herum läuft und die mit einem recht langen Hebelarm ein Bremsband um die Bremsbacken am jeweiligen Wickelteller steuern.

Ist der Bandzug zu groß,wird die Bremse "etwas" gelockert, ist der Bandzug zu gering, wird wieder "etwas" gebremst. Irgendwann "schwingt" sich das Sytem (hoffentlich) ein (je nach Dämpfungsglied) und das Band läuft gleichmäßig stramm am Kopfträger vorbei. Stimmt eine der Regelgrößen nicht, so z.B. bei UHER, fängt die Regelung an, zu rappeln und zu rupfen. Sie schwingt oder resoniert. Es war nur eine Frage des Preises, daß das sanft und problemlos funktionierte.
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Und jetzt kommen wir zum Lautsprecher bzw. zu dem Chassis

Am Anfang einer späteren Korrekturregelung muß ich erstmal ermitteln, wie ich an meine sogenannte Istgröße heran komme, ausgehend von der Ausgangslage (Null-Lage) wäre das die momentane Bewegung oder die aktuelle Auslenkung.

Zwei Werte sind einleuchtend. Das ist die minimale Frequenz und die maximale Frequenz des Lautsprecher-Chassis, die mein Sensor zu verarbeiten hat. Auch der Regelweg, also die maximale Auslenkung der Membrane (der maximale Hub) hat ja Grenzen, die ich aber komplett erreichen (oder besser : abdecken) muß.

Das ist fast wie beim Auto: Die 4 Räder machen auch dort Bewegungen aus der sogenanten Null-Lage (wenn das Auto steht) heraus - in beiden Richtungen, und zwar solange oder so intensiv, bis sie an den Gummipuffern des Fahrzeug-Chassis hart anschlagen.
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Auch meine Membrane hat einen (oder besser 3) Stoßdämpfer, die Zentriersicke mit der äußeren Schaumstoff- oder Gummi- oder Leinensicke und als zweites natürlich die Luft (dazu auch noch unterschiedlich innen im Gehäuse und draußen vor dem Gehäuse) und drittens die elektrischen Zuleitungen (die beiden Litzen) vom starren Korb zur schwingenden Membrane, die die Bewegung abbremsen.

Und meine Membrane hat eine Masse (ein Gewicht)
, die speziell im Bassbereich nicht zu vernachlässigen ist. Diese Masse der Membrane konterkariert später meine Regelungs- bzw. Korrekturanstrengungen erheblich.
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Der Sensor muß irgendwo angebracht sein

Egal, für welche Lösung oder Methode (oder für welches Patent) ich mich entscheide, der Sensor ist nicht unendlich klein und er wiegt auch etwas.

Wenn der Hauptteil zum Beispiel an der beweglichen Membrane angebracht wird, braucht er natürlich auch seine Zuleitungskabel. All das macht die Membrane schwerer.
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Die Kernfrage Nummer 1

1985 - Die Canton CA Lösung mit einem Hall-Sensor

Also mit welcher Technik erkenne bzw. melde ich die aktuelle Membranauslenkung an meinen Regelverstärker ? - Das alles haben kluge Geister lange vor meinen Überlegungen auch schon bedacht und sich auf diverse - sehr unterschiedliche - Technologien ihre diversen Patente eintragen lassen. (Canton habe ja angeblich auch zwei davon.)

Wenn die Methode der Erkennung des Istzustandes ausgewählt ist, kann der Elektroniker an die Korrektur in Richtung des Sollzustandes gehen. Es ist absolut einleuchtend, daß eine Korrektur eines 40Hz Baß-Signales sehr sehr schnell gehen muß, damit das Lautsprecherchassis den auf den Sollwert korrigierten Istwert abstrahlt.

2 Beispiele

Stereo-Beipiel für Überschwinger

Beipiel 1 - (zuviel Power) : z.B. Überschwinger
Die Membranauslenkung schickt sich an, über den Sollwert hinaus zu schwingen, also (egal, in welche Richtung) weiter auszulenken, als es der Sollwert (das Signal vom Verstärker) vorgibt. Das kann die Regelung aber erst nach dem Erkennen des "Zuviel" korrigieren. Also zumindest für die erste Sinusschwingung funktioniert diese Regelung gar nicht. Auch sonst ist das Überschwingen ein großes Problem.
 
Beipiel 2 - (zuwenig Power) : z.B. Unterschwinger
Die Membranauslenkung schickt sich an, unter dem Sollwert zu bleiben, also weniger auszulenken, als es der Sollwert vorgibt. (Beispiel: Sie halten den Finger auf den Konus.) Jetzt kann die Regelung das während des Erkennens bereits korrigieren und den Strom vom Verstärker ganz gezielt erhöhen.

Weitere Beispiele mit Grafiken kommen noch.
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1985 - Das Wissen über die Überschwinger - Heinz Sahm

Im Nachlass des BRAUN Entwicklungschefs Wolfgang Hasselbach habe ich auch ein scheinbar unscheinbares Büchlein von Heinz Sahm (1985) gefunden - Hifi-Lautsprecher - Grundlagen der elektro- dynamischen Lautsprecher in unendlicher Schallwand und im Gehäuse.

Dort beschreibt er und belegt er mit massenweisen mathematischen Formeln, daß man sowohl die Güte eines Lautsprecher-Chassis mathematisch bescheiben kann und auch, daß man das messen kann. Auf über 70 Seiten bringt er viele Beispiele, wie sich die Güte auf diese Überschwinger auswirkt. Während man ja die Unterschwinger mit einer geschickten Regelung verbessern kann, habe ich bezüglich der Überschwinger nur Vorschläge für extrem gute (also besonders hochwertige) Chassis gefunden.

Also das Wissen darum war in 1985 bereits bekannt !

Moderne Intelligenz könnte es schaffen

Aus diesen beiden Beispielen sieht man, problematisch sind bei einer "dummen" Regelung die Überschwinger. In der modernen "Computerei" kann man solche Probleme mit einer intelligenten "selbstlernenden" vorausschauenden Fuzzi-Logic angehen. Doch das läßt sich um 1985 noch nicht realisieren.

Sehr anschauliche Beispiele kommen aus der Computer-Technik - aus dem Bereich der Festplatten. Der kleine Magnetkopf, der an einem Arm drehbar befestigt ist, soll so schnell wie möglich von ganz außen nach ganz innen schwingen (drehen).

Da er aber (absichlich) keine Dämpfung hat, wird er nicht automatisch gebremst, wenn kurz vor dem Ziel das Signal (der Antrieb) weg ist. Er würde gegen den Anschlag knallen. Das Bremsen muß also der "Antrieb" über die dortige "Schwing-" Spule (die Voice Coil) machen. Bei dieser Technik kann man vorsorgend mit Bremsströmen (also umgepolten Antrieben) arbeiten, weil man ja die Spurzahl mitzählt und vorher weiß, wann er über sein Ziel hinaus rasen würde.

Doch solche hochintelligenten Steuerungen oder Regelungen gibt es erst seit den späten 1990er Jahren.
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Erinnern wir uns an das Füllschriftverfahren (nach E. Rhein)

Die Lage der Rille optimieren
Vorausschauend das Band lesen

1954 - Ein ganz prägnantes Beispiel für solch eine damals bereits machbare Vorausschau samt Regelung ist das sogenannte Rheinsche Füllschrift-Verfahren beim Schneiden von analogen schwarzen Vinylplatten.

Auf dem Chassis des abspielenden Studio- magnetbandgerätes wurde links am Abspielteller ein zusätzlicher Wiedergabekopf (zeitlich weit vorauseilend) - an einer variablen Schiene gleitend - montiert, der mit einigen Tricks die Amplitude (Auslenkung) der als nächstes kommenden Rille anzeigte. Wonach der große Schlitten des Neumann-Schneidkopfes mal mehr oder mal weniger viel Vortrieb (also Bewegung) bekam und so Rille an Rille optimal dicht nebeneinander angepaßt wurde.

Folgende Artikel mit Bezug auf das Füllschriftverfahren sind hier bereits enthalten:
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Jetzt aber zurück ins Jahr 1987 und dem Vergleich von aktiven Lautsprecherboxen, teils mit Regelung.

Der folgende Text stand in der AUDIO vom Mai 1986 :
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Klingen geregelte Lautsprecher besser ?

von Michael Swoboda in 1986

Er ist in 1986 noch AUDIO-Testredakteur.

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Völlig konträr zu den Sprüchen in den einzelnen Artikeln - hier ein ernsthafter und anschaulicher Vergleich einer Regelung

Einen typischen Regelungsvorgang verdeutlicht das Antiblockiersystem (ABS): Sensoren an den einzelnen Rädern des Fahrzeuges melden dem Bordcomputer - er übernimmt die Funktion eines Reglers -, daß einer oder mehrere Reifen bei einer Vollbremsung gerade blockieren. Blitzschnell greift der Computer ein und lockert den gesamten Bremsdruck. Die Räder drehen wieder. Der Sensor meldet „Blockade der Räder behoben", und der Computer gibt Befehle, den Bremsgegendruck wieder aufzuheben - das Spielchen kann von vorn beginnen.

  • Anmerkung : Genauer gesagt erkennen die Sensoren nur, daß sich "etwas"bewegt oder nicht bewegt und da es zwei Sensoren sind, in welche Richtung sich "etwas" bewegt und in welchem zeitlichen Abstand die beiden Sensoren nacheinander ansprechen. Alleine daraus kann man mit einem Micro-Computer über die Drehzahl und den Umfang des Reifens die etwaige Geschwindigkeit des Fahrzeugs errechnen. Ist der Reifen abgefahren, stimmt zumindest die Geschwindigkeit nur noch teilweise.

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Der geregelte Lautsprecher - (besser das geregelte Chassis)

Ähnlich verhält es sich bei einem geregelten Lautsprecher. Auch hier müssen Sensoren zunächst einmal ein Ausgangssignal (das aktuelle Signal) des Chassis messen (abnehmen). Das kann der Membranweg oder die Geschwindigkeit, die Beschleunigung oder direkt der erzeugte Schalldruck sein.

Das ermittelte Signal des Lautsprecher-Chassis wird nun mit den Musiksignalen, die ein Vorverstärker liefert, verglichen. Sind diese beiden Signale nicht vollkommen identisch, greift eine elektronische Schaltung (Regler) ein - und korrigiert das Lautsprechersignal. Die Elektronik hat also alles fest unter Kontrolle - "sollte man meinen".

  • Anmerkung : In der obigen Beschreibung wird ein wichtiger Begriff übersehen, die sogenannte Regel-Differenz zwischen Ist- und Soll-Wert. Die Elektronik soll ja das erkannte oder ermittelte Differenz-Signal benutzen, um die Ausgangsgröße (Istgröße) auf die Sollgröße nachzuregeln.


In der Praxis tauchen dabei aber vor allem zwei Probleme auf, die entscheidenden Einfluß auf die Klangqualität des Chassis haben: zum einen muß der Sensor ein möglichst exaktes Kontrollsignal liefern können, und zwar mit großer Dynamik.

Klappt das nicht, so erhält der Regler (Anmerkung : also der Differenzverstärker) von vornherein falsche Informationen, die ihm ein präzises Arbeiten unmöglich machen.

Und jetzt noch die Elektronik . . .

Das zweite Problem ist die Reglerschaltung selbst. Hier gibt es mehrere Arten und Typen, die sich in den Korrekturfähigkeiten (Einschwingen, Frequenzgang) auf das Chassis drastisch unterscheiden. Ein Regler kann nämlich das Impulsverhalten eines Chassis nicht nur verbessern, sondern auch verschlechtern.

Das Know-how des Entwicklers, also sein fundamentales Wissen und seine Erfahrung mit den unterschiedlichen Reglertypen und deren Einstellmöglichkeiten entscheidet darüber, wie gut ein kontrollierter Lautsprecher letztendlich klingt.

Mit dem richtigen Verfahren und einem passenden Sensor produziert das Chassis keinen einzigen Überschwinger mehr, es ist an Präzision und Sauberkeit klanglich nicht zu übertreffen.

  • Anmerkung : Die "Überschwinger" der Tieftonmembranen sind die kompliziertesten Fehler, die eine Regelung eliminieren "sollte". Die "Unterschwinger" sind technologisch harmlos.


Membranmasse, Magnetstärke und Gehäusevolumen haben dann auf das Einschwingverhalten des Chassis keinen Einfluß mehr.

  • Anmerkung : Eine ebenfalls wichtige Größe ist die Regelgeschwindigkeit der Regelung. Diese Regelgeschwindigkeit muß um ein Vielfaches höher sein als das zu regelnde Signal. Beim ABS in den Autos ist das fast noch trivial. Bei einem Hochtöner, der 20.000 Hz wiedergeben soll, muß die Regelgeschwindigkeit des Differnzverstärkers deutlich um Faktor 10 höher liegen, besser ist Faktor 100. Das sind dann fast Megahertz Bereiche.

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Eine weitere gute Erklärung bezüglich der Regelung stand auch in der AUDIO 02/1987



und die ist lesenswert.

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