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Oktober 1981 - Dr. Godehard Günther stellt sich vor.

In Mitte 1981 war es soweit - Gillette als 100% Eigner der Braun AG hat nach 14 Jahren des Wartens und Hoffens (oder des Vertrauens) auf die vesprochene Wende die Reißleine gezogen, so dachte man jedenfalls. Das gesamte Hifi-Geschäft wurde an einen - den Amerikanern aus Boston bekannten - externen "Investor" ausgegliedert.

Der hehre Wunsch von Gillette war nach so vielen Jahren des Tolerierens und Mitschleifens der roten !!! Zahlen (Anmerkung: Verluste seit 1967) aus dem Hifi-Geschäft nachvollziehbar, doch die Realität war fast genauso ernüchternd wie der Euro- Beitritt von Griechenland. Es stimmte von den Voraussetzungen fast nichts. Lesen Sie die unten folgende Selbstdarstellung von Dr. Günther respektive der (seiner) amerikanischen Firma "a/d/s/".

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Studio-Nachrichten - Information für Braun Studio Händler
Oktober 1981 Nr.4

In 1981 strahlt Dr. Günther noch.


Sehr geehrter Braun Studio Händler,
die Internationale Funkausstellung (1981) in Berlin bot Gelegenheit, mich persönlich bei vielen von Ihnen als geschäftsführender Gesellschafter der neuen Braun Electronic GmbH "BEL" vorzustellen. Diejenigen, die ich nicht kennenlernen konnte, möchte ich hier begrüßen und Ihnen allen meine Pläne für Braun HiFi näherbringen.

Zunächst etwas zu meiner Person: Godehard Günther, geboren 1939 in Bochum, Westfalen. Abitur 1958 in Brilon, Sauerland. Neigungen: Naturwissenschaften, Elektrotechnik, Musik, Architektur und Kunst. - Studium der Physik in Göttingen, Diplom 1963 als Atomphysiker an der Universität Heidelberg. Promotion 1965 zum Dr.rer.nat. für experimentale Kernphysik. Als wissenschaftlicher Assistent an der Universität bis 1967.

Auf Einladung der Nationalen Akademie der Wissenschaft in Washington sieben Jahre Tätigkeit in der Weltraumfahrt bei Dr. Wernher von Braun und Dr. Ernst Stuhlinger in der NASA. Dort als Projektleiter für die Skylab Weltraumstation. Berufung zum Professor für Physik an der Universität von Alabama im Jahre 1970.

ADS - ein "me too" Logo
1974 letzmalig Braun und ADS
1975 ADS - auch nur 3 unbekannte Buchstaben
1976 immer noch keine Identität
1979 die Braun L620 - in USA kein Erfolg

Geschäftliches:
Seit 1968 Hobby-Importeur von Braun HiFi in die USA und Gründer der Firma Analog und Digital Systems (ADS).

Seit 1974 Lizenznehmer für Braun Lautsprecher. US-Fertigung und Entwicklung eigener HiFi-Produkte. 1975 Einführung der Marke "ADS" in den amerikanischen Fachhandel mit der Vorstellung der ersten Auto-HiFi-Anlage der Welt, die DIN 45500 übertrifft. - ADS gewinnt viele Auszeichnungen der Industrie; ist im Museum of Modern Art vertreten.

1981 geschäftsführender Mehrheitsgesellschafter der ADS, die mittlerweile in die "top ten" für Lautsprecher, Signalprocessoren und Auto HiFi in USA avanciert ist.
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Wie kam es zur Gründung der Braun Electronic GmbH (BEL)?
Durch meine jahrelangen freundschaftlichen Verbindungen zur Gillette Corporation in Boston ergaben sich im Laufe des Jahres 1981 gemeinsame Überlegungen, der Gillette ein Kooperationsangebot für den HiFi-Sektor der Braun AG zu machen. Seit 1967 Geschäftsfreund des Hauses Braun, daher wohlvertraut mit dem Unternehmen, seinen Menschen und seiner Produktphilosophie, wurde mein Plan akzeptiert. Das Konzept ist einfach, logisch und bringt allen Beteiligten Vorteile.
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Anmerkung 1 : Nach Aussagen von "Ehemaligen" waren die Exporte von Lautsprechern und Lautsprecher-Chassis nach USA zu "a/d/s/" marginal im Vergleich zu den weit über 120.000 im Inland verkauften L710/L715. Auf jeden Fall spiegelten sie in keinem Fall die Größes des gigantischen US Marktes an hochwertigen Boxen wieder. Auch die Steuergeräte und Plattenspieler und vor allem das hervorragende Bandgerät (TG 1000) wurden nur in homöopatischen Dosen nach USA exportiert.

Auch wenn es mehrere Gegenargumente für den "Erfolg" dieser Designerprodukte mit wirklichen herausragenden Alleinstellungsmerkmalen gibt und gab wie unsere doofen DIN Stecker und die mageren 50 Watt Sinus an 4 Ohm, wir Deutschen hätten und haben auch mit Cinch-Adaptern ganz gut gelebt.

Es ist zuerst mal vordergründig unverständlich, warum Braun keinen eigenen Vertrieb mit den original Produkten in schneeweißem Schleiflack in die Wege geleitet hatte. Und - den jeweiligen lokalen Vertrieb muß ein Eingeborener (also ein Amerikaner) managen - immer - (das ist einer der sehr erfolgreichen japanischen Grundsätze).

Weiterhin ist nie zu uns (immerklugen) "Normalos" durchge- drungen, warum das in den USA mit dem BRAUN Design nicht geklappt hatte. Im Nachhinein sind wir zum Glück schlauer und auch verständiger geworden. Die Amerikaner hatten zu jener Zeit einen ganz anderen Geschmack und schon gar keine Lust auf silberne ALU-Lochbleche in der Wohnung der normalen Menschen. Auf diesen BOSE 901 Seiten habe ich das ausführlich dargelegt, die Chefs von BOSE hatten den US-Geschmack voll getroffen.


Folgende Maßnahmen sind Teil des Plans:


Schritt Eins:
Aufbau eines selektiven Vertriebswegs von besten Fachhändlern, die dem Anspruch des Produkts gerecht werden , der allen Beteiligten eine Gewinn-und Imagechance bietet. (Mittlerweile durchgeführt in Form des Studio Händler Konzepts.)

Schritt Zwei:
Erhöhung des Werbeetats und aktivere Verkaufsförderung für die Saison 81/82.
Ziel: Das neue, seit April 81 bestehende Studio Händler Konzept auch mit der jetzigen Produktpalette zum Markterfolg werden zu lassen. Eine Investition in die Zukunft.

Schritt Drei:
Ausgliederung des Unterhaltungselektronik-Bereiches aus der großen Muttergesellschaft Braun AG, mit dem Ziel einer größeren Transparenz, kurzen, schnelleren Entscheidungswegen und einer kostensparenden Struktur.

Devise: Alles unter einem Dach - von Entwicklung bis zum Vertrieb und vom Kundendienst bis zum Warenlager.
Effekt: Schnellere Produktentwicklung, rationellere Fertigung, niedrigere Kosten, bessere und schnellere Bedienung des Handels.

Schritt Vier:
Eine klare Produktphilosophie, die marktgerecht ist, die man auch dem Endverbraucher nahebringen kann.
Erfordernis: Aktive Entwicklung höherwertiger Produkte in der Akustik wie Elektronik; preislich sowohl unterhalb als auch oberhalb des atelier 1-Konzepts.
Überschaubare, logisch gestufte Produktpalette mit modularer Kombinationsmöglichkeit zu verschiedenen Angebots-Paketen, mit einer Technik, die dem Braun Designanspruch ebenbürtig ist. Eine Palette, die auch die Möglichkeit der Digitaltechnik für erhöhte Musikdynamik und besseren Bedienungskomfort ausschöpft und nicht notwendigerweise im konventionellen Audiobereich stecken bleiben muß.

Ziel: BEL wird zur HiFi 82 in Düsseldorf ein Braun UE-Programm vorstellen, das klar gegliedert ist, den Marktbedürfnissen entspricht, und das Design und Technik harmonisch und preiswürdig verbindet. Eine Linie, auf die der Braun Studio Händler wie auch der Käufer stolz sein kann. Eine Linie, die ihr Geld wert ist und mit der man auch Geld verdienen kann.

Wie hängen Braun AG und Braun Electronic GmbH (BEL) zusammen? Rechtlich gar nicht, ideologisch sehr.

BEL ist ein "Joint venture" - also eine Kooperation zwischen Gillette und ADS. Gillette ist die Muttergesellschaft der Braun AG; ADS ein Privatunternehmen der Unterhaltungselektronik in USA und Im- und Exporteur und früher Lizenznehmer der Braun AG.

BEL wird am Braun Design und am Studio Händler Konzept festhalten. (ADS wendet ein ähnliches Konzept in USA mit großem Erfolg an.) Auch der Name Braun wird weiter verwandt.

Ich bin geschäftsführender Gesellschafter der BEL
und gleichzeitig bis zur völligen Ausgliederung des Bereichs Unterhaltungselektronik dessen verantwortlicher Leiter innerhalb der Braun AG.

Bis zum Neuaufbau aller Funktionen der BEL in einem getrennten Gebäude in Kronberg wird die Braun AG der BEL alle notwendigen Leistungen zur Verfügung stellen, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. Der Übergangszeitraum wird maximal ein Jahr betragen. Ich bin davon überzeugt, daß wir gemeinsam mit Ihnen ein langfristiges gewinnbringendes Geschäft aufbauen können.

Mit freundlichen Grüssen Ihr
Dr. Godehard Günther

Anmerkung 2 : Wir hatten erst 1981 und die CD war noch nicht ernsthaft vorgestellt. Der Markt war ziemlich kaputt und eingebrochen und alle Hersteller und Händler warteten auf den "Heilsbringer", die CD. Doch die CD kam erst zum August 1983 und analoges Quadro von 1970 bis 1976 war der teure totale Flop geworden, für manche Firmen der teuerste Flop aller Zeiten.

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Es geht weiter mit dem Braun Studio Händler System

Das von der Braun AG am 1.4.81 eingeführte selektive Vertriebssystem über Braun Studio Händler für Braun Erzeugnisse der Unterhaltungselektronik wird auch von der neuen Braun Electronic GmbH übernommen.

Zwar sind noch kleine Korrekturen erforderlich - einige Studio Händler werden ausscheiden, andere dazukommen -, doch ändert dies nichts am System, das grundsätzlich richtig ist und sowohl für Sie als auch für uns noch zahlreiche positive Aspekte enthält.

Die bisherigen Verträge, die Sie mit der Braun AG abgeschlossen hatten, werden von der Braun Electronic GmbH übernommen und gelegentlich ersetzt. Neu hinzukommende Studio Händler erhalten ihre Verträge von der Braun Electronic GmbH.

Zur Zeit gibt es 490 Studio Händler mit 520 Geschäften
, weitere 70 Einzelhändler haben Antrag gestellt, in Zukunft als Studio Händler beliefert zu werden. Für die Neuaufnahme gibt es 3 entscheidende Kriterien:
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  • 1. Die Umsätze der im Einzugsgebiet des Antragstellers tätigen Studio Händler reichen nicht aus, um den Kaufkraftanteil des Gebietes abzudecken.
  • 2. Besondere Lage und Präsentationsmöglichkeiten sowie Meinungsbildung in einem regionalen Markt, sofern alle Voraussetzungen für eine Belieferung gegeben sind.
  • 3. "Weiße Kreise", d.h. Gebiete, in denen bisher zu wenig oder überhaupt keine Studio Händler vorhanden waren.

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Wir sind zuversichtlich, daß die ursprünglich von der Braun AG gesteckten Ziele - den Gesamtumsatz für Braun Unterhaltungselektronik mit etwa 500 Händlern in einem annähernd homogenen Kundenkreis zu tätigen - noch im Laufe dieser Saison erreicht werden können. Dann hat auch die Braun Electronic GmbH eine gute Ausgangsbasis für die Weiterentwicklung des Braun UE-Programms.

So weit der Text aus dem Händler-Rundschreiben vom September 1981.
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Anmerkung 3 :
Auch bei den Amerikanern, den Eigentümern der BRAUN AG aus Boston galt : Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Wie wir heute wissen, musste nicht nur die die gesamte deutsche BRAUN Hifi-Sparte alias BEL oder "a/d/s/" immer wieder gestützt werden, auch die amerikanische a/d/s/ kam ins Straucheln.

Weitere Anmerkung : Inzwischen habe ich die Historie von McIntosh aufgearbeitet und dort hatte der Chefentwickler für Lautsprecher - Roger Russell - von einem tiefen Einbruch des Hifi-Marktes in 1979 bis 1982 berichtet, bei dem es McIntosh beinahe erwischt hätte.

Auf anderen Seiten hatte ich geschrieben, daß der Initiator der Übernahme (100% Kauf) von BRAUN in 1967, der Chef von Gillette, Mr. Vincent Ziegler, eine deutsche Mutti hatte und daher fließend und hervorragend Deutsch sprach und dem aufgekauften Unternehem BRAUN absolut wohlwollend zugeneigt war. Doch Vincent Ziegler ging nach 10 langen Jahren in Pension und dann kamen natürlich andere Amerikaner mit anderen Gedanken (und ohne die deutschen Sprachkenntnisse) ans Ruder.

Die Japaner, denen zum späten Ende der 1980er Jahre das Wasser bis zum Hals stand (Japan war 1990 defacto am Rand der Staatspleite), machten den Yen immer billiger und drückten so mit immer niedrigeren Preisen auch in die oberen Edel-Hifi- und Design-Hifi- Segmente und so wurde "die Luft" immer dünner da oben.

Im Jahr 1990 mußte Gillette hart durchgreifen und "dem Spuk ein Ende machen". Mehr über die Last Edition" steht hier.

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