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Revolution - Die Bose 901 von 1969 - Sie war umwerfend gut.

Die Boxen sind sehr klein, und damit kaum zu erkennen
der grosse Teil des Schalls wird reflektiert
völlig unscheinbar, aber gut
nur mit 18 solch kleiner Chassis

Juni 2011 - Ein Rückblick und eine Betrachtung von Gert Redlich - Es ist jetzt mehr als 40 Jahre her, als eine Innovation aus Amerika die Fachleute auf dem Lautsprechermarkt verunsicherte, die eingefahrenen Vertriebsschienen für Lautsprecher und deren Starverkäufer aufmischte und dann auch noch weltweit die Kunden begeisterte.

Es gab da (seit 1968) ein geheimnisvolles Pärchen sonderbarer kleiner fünfeckiger Lautsprecher, recht unscheinbar und dazu auch noch so klein (aber schwer), die den großen Herstellern so richtig das Fürchten beibrachten.

Und dann gab es auch noch einen richtigen Professor, der das Ganze entwickelt habe. Professor Dr. Amar G. Bose war über Nacht berühmt. Denn diese Dinger hatten es in sich. Diese zwei Bose 901 (Serie 1) machten einen höllen Spaß mit ganz normalen Schallplatten und auf einmal war das Orchster wirklich direkt im Wohnzimmer. (Das war übrigens 1941 bis 1945 die Idee von Paul Klipsch mit seinen Klipsch-Hörnern.)

Sicher, es gab da ein paar Vorgaben und ein paar Besonderheiten
, die man als Kunde bzw. Hörer erfüllen sollte, aber das war fast Nebensache.

Der musikalische Klangeindruck ob bei Gesang
, Unterhaltungsmusik, großem Sinfonie-Orchester, schwerer Orgelmusik, Jazz, Soloschlagzeug usw. usw. war umwerfend. Bei einer ganz normalen Hifi-Schallplatte von Karajan, dem Klavierkonzert No.1-Bmoll von Tschaikowsky, konnte man auf den Meter genau jeden Solisten orten und dann an der Wand (bei mir damals ca. 4m) mit Bleistift ein (symbolisches) Kreuzchen machen.

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Man brauchte eine glatte flache Wand, eine harte Wand.

So war es über Jahre
und dann kam BOSE

Diese Lautsprecher gingen (strahlten) überwiegend nach hinten, wirklich nach hinten an die Wand.

"Aber da war doch noch nie ein Lautsprecher (-Chassis)." Alle Lautsprecher- Chassis "gehen" immer nach vorne, "das kann doch gar nicht funktionieren", die müssen doch nach vorne abstrahlen, "dachten wir".

Es war ein Irrtum, es war nämlich unser Irrtum
und er war nachweisbar. Denn wenn diese Lautsprecher vor einer ganz normal mit Gipsputz verputzten Wand in ca. 30cm Abstand aufgestellt wurden, entwickelten Sie enorme Qualitäten. Jedenfalls in meinem Elterhaus war das Orchester auf einmal 8m breit (bei 4m Wandfläche) und es wackelten auch noch die Wände.

Hingegen vor einem vollen Bücherregal versagte das Prinzip der BOSE 901 gänzlich. Das wußte aber jeder, der mindestens den Prospekt oder eine der Anzeigen gelesen hatte - und dennoch wurde es zum Killerargument - für windige und besonders "clevere" Verkäufer und Gaukler.

Und man brauchte einen (damals) dicken Verstärker.

mein STR 6120 von 1973
natürlich waren 2 x 800 Watt besser
völlig neu: der active Equalizer
Und BOSE hatte eine eigene
ausgewählte Vorführschallplatte

Damals 1971/72 war ein Verstärker mit 2 x 60 Watt Sinus an 8 Ohm, wie mein SONY STR-6120, bereits ein wahrer Bolide, denn diese Bose 901 hatten ja auch 8 Ohm.

Die meisten deutschen Hersteller wollten uns "blöden" Konsumenten damals "vertuckeln", 2 x 15 Watt nach DIN 45.500 (also an 4 Ohm) sei nach wie vor für "richtige" Hifi- Lautstärke völlig ausreichend.

Und so kamen immer mehr Zweifel auf
, ob unsere deutschen Hersteller diesem argumentativen Druck gewachsen wären. Es zeichnete sich da etwas ab, das später eskalierte, vielleicht waren das die dunklen grauen Wolken am Hifi-Himmel.

Ich hatte jedenfalls meinen SONY STR-6120 und konnte diesen kleinen Kasten von Bose zwischen Vorverstärker und Endstufe einschleifen. Das war nämlich die zweite Eigenart nach der "harten Wand". Diese Lautsprecher hatten / brauchten einen sogenannten Equalizer. Bis dahin wußten nur einige Promille der absoluten Hifi-Gurus, was denn ein "Equalizer" nun schon wieder sei.

Dazu noch die "richtige" Schallplatte

und das Erlebnis war perfekt. Einige Hersteller wie Soundcraftsman und Wharfedale hatten es damals bereits erkannt: Gibt dem Kunden auch ein paar Soundbeispiele mit auf den Weg, dann ist er glücklich und macht dazu auch noch kostenlose Werbung für "sein" Produkt.

Bose tat sich mit MERCURY Records zusammen und ließ sich eine Sample- Schallplatte schneiden. Beeindruckende Musikbeispiele versüßten den Genuß der neuen Anlage - oder nur der neuen Boxen - und besiegelten vorerst die Zufriedendheit.

Andere (normale) Boxen klangen mit diesen Klangbeispielen natürlich auch super. Etwas Effekthascherei war schon dabei.

Anfänglich (nach diesen Hörerlebnissen) kam natürlich niemand auf die Idee,
wieder mal in fremden Gefilden zu schnuppern und sich auch mit den Schwächen dieser Breitband- lautsprecher zu beschäftigen.

Dazu war diese 2.500 Marks Preisklasse für die allermeisten Kunden, vor allem in den USA die obere Grenze des finanziell Machbaren. Denn auch der jetzt etwas dickere Verstärker und ein qualitativ hochwertiger Plattenspieler waren ein Muß.

Wirklich, es war ein absolut beeindruckender Sound

Bose 901 Serie-1 Anzeige 1971
Bose 901 Serie-3 Anzeige 1976
Bose 901 Serie-4 Anzeige 1986

Sicher gibt es heute massenweise "Schläulis", die alles vorher gewußt hatten und vor allem, daß die Boxen ja sowieso nicht klingen. Im Nachhinein ist das aber alles eine sehr "verklärte Erinnerung" dieser Mitmenschen.

Die Bose 901 waren zur damaligen Zeit sehr überzeugend in der Wiedergabe stereophonischer Quellen und wurden dazu auch noch verdammt gut vermarktet und es wurden dann auch mehrere hunderttausend Paare !!! (etwa 250.000 Paare) davon gebaut und verkauft.

  • Anmerkung : Erinnern wir uns an solche Geräte, die Revox A77 Familie wurde ca. 470.000 Male verkauft, von der UHER Report 4000 Familie sollen nahezu 1,5 Millionen Geräte verkauft worden sein und von den ganzen Sony Walkmännern gar 180 Millionen !!!


Nachsatz: Es können sich zwar immer ein paar Tausend Hifi-Gurus "irren", aber einer Viertelmillion Käufer muß es schon gefallen haben, was da aus diesen "5 Ecken" raus kam.

Mir nämlich auch, ich war damals begeistert. So etwas hatte ich noch nie so gehört. Ich hatte in meinem Zimmer auch die richtige Wand dazu, nämlich die Wand zu "Nachbars". Die fanden das natürlich gar nicht mehr lustig. Ich hörte nämlich gerne Nachts und viel und schon immer gut laut - so ein Pech (für die damaligen Nachbarn).
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Und er wurde kontinuierlich verbessert,
der Sound der Bose 901.

ein Serie 5 Chassis

Als es schon die Serie III gab, bekam ich das erste einzelne Bose 901 Serie 1 Chassis (baugleich mit dem BOSE 800 Chassis) in die Hand. Oh weh, war das (scheinbar) primitiv. Es ist ein ca. 13cm Langhub-Chassis, anfänglich mit einem riesigen Magneten und einem Blechkorb samt gummierter Leinensicke. Später hatten die Ingenieure einen neuen Korb im Kunststoff- Spritzgussverfahren entwickelt. Die Präzision sei bei diesen riesigen Stückzahlen (es waren immer 18 Stück pro Paar) deutlich höher.

Mir dämmerte jetzt (erst), es war 1974,
daß ich mitten in einem gigantischen Geschäftsmodell gelandet war. Ein Pärchen Bose 901 kostete etwa 2.500 Mark. Und die Genialität, ganz einfache simple Breitbandchasssis mit Hilfe eines elektronischen "Verzerrers" zum (leidlich frequenzlinearen) Klingen zu bewegen, also den ehemals so wichtigen linearen Frequenzgang des Verstärkers elektronisch zu verbiegen, das war genial und vor allem sehr profitabel. Heute in 2010 steckt (seit ein paar Jahren) diese Technik in jedem simplen Autoradio.

Und der Materialwert sank mit jedem weiteren neugierigen Blick hinein in die Box.

Dann fiel auf, daß die Werbeausgaben in gigantischen Größenordnungen liegen mußten. Hatte ich schon über die damals noch frei und großzügig verteilte Grundig Revue gestaunt, jetzt kamen hunderte verschiedener Prospekte und DIN A4 Farb-Anzeigen über dieses revolutionäre Boxensystem auf den Markt. Wir potentiellen Kunden wurden geradezu überschwemmt. Und zu allem "Übel ?" konnten diese Bose-Verkäufer sogar liefern.
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Ein vorbildliches intelligentes und pfiffiges Marketing aus USA

Dazu wurden später ganze Jazzfestivals mit auf über 12 Meter hohen Stapeln von Bose 800 Lautsprecher-Säulen der Profiversion (der Bose 802) und auf beiden Seiten mit dutzenden von BOSE 1800 Kraftprozzen gesponsert. Und es war wieder mal äußerst beeindruckend.

Wirklich bekannte und anerkannte Jazz Musiker und Instrumental- Koriphähen standen draußen vor dem Zelt und beschworen hoch und heilig, das können keine Konserven vom Band sein, das ist (oder sei) mit absoluter Sicherheit live gespielt.

Aber es kam wirklich "nur" vom Magnetband und wurde über die beiden über 12m hohen Lautsprecher-Stapel (Türme) abgespielt.

Es war vom Sound her völlig irre, was damals mit über 40 KiloWatt Verstärkerleistung aus einer Konserve reproduziert wurde.
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Darum ist das "Verteufeln" dieses Konzeptes der Beitbandchassis absolut dumm

....... und zeugt von jeder Menge an Unwissenheit.

Die Bose Entwickler hatten nämlich mehere physikalische Grundlagen der modernen Chassis-Technik genau studiert. Ein einzelnes Chassis hatte etwa 0,8 Ohm Nennimpedanz und davon 9 Stück in Reihe ergaben dann die 8 Ohm Nennimpedanz. Damit hatten die einzelnen Chassis bei Extremlautstärken nie diese Spannungsüberschläge in den Schwingspulen wie all die anderen Hersteller, deren Chassis (also immer die einzelne Schwingspule) dann nämlich schlagartig abgebrannt bzw. abgeraucht waren - damals eine geniale Idee. Solch eine Bose Profi-Box ging eigentlich nie kaputt, auch nicht bei irrrtümlichen 110 Volt aus der Wandsteckdose (in den USA). Bei 230 Volt aus der Steckdose wäre es aber doch grenzwertig.

Hocheffiziente kleine Breitband-Chassis

Das Ur-Chassis der Serie II

Natürlich war den "Physikern" (mußte man dazu Physiker sein?) im Team des Professors bekannt, daß man für einen guten Bass auch die Luft bewegen muß und zwar viel Luft. Auch war die Gehäusegröße ein Kriterium. Das alles konnte man nur mit einem hocheffizienten Chassis mit einem im Verhältnis zu diesem kleinen Basschassis sehr großen Magneten kompensieren.

Auch wenn das kleine Chassis oberflächlich simpel aussah
, es gab dort die mit dickem Flachdraht gewickelte Schwingspule, die in einem sehr sehr kleinen und vor allem einem hochpräzisen Luftspalt schwingen muß. Und die Sicken mußten riesige Amplituden (Bewegungen) verkraften. Jetzt kam auch der Spruch : "Gemeinsam sind wir stark" zur Geltung.
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Eine vermurkste Sicken Reparatur eines 901/IIIer Chassis

Leider verbröseln dieses Schaumstoffsicken durch UV Einwirkung und auch ganz normale Alterung und so etwa am Ende der 90er Jahre sind viele 901er mangels möglicher Reparatur bereits entsorgt worden, meine Serie III leider auch.

Heute werden neue Sickenbausätze angeboten.
Die Alterung des Schaumstoffs hat man inzwischen auch im Griff. Doch gerade die Reparatur dieser Chassis sollte man von Jemandem machen lassen, der es öfter macht. Der Spalt is wirklich haarig schmal. Rechts ein Negativ-Beispiel.

Und jetzt fast das Wichtigstes:
Eine "passive" Lautsprecherbox ohne Frequenzweiche.

Denn mit dieser 0,8 Ohm Technik (9 Stück in Reihe) kam schon mal die gesamte Leistung (auch der "dicksten" 700 Watt Endstufen) zu 100% an den Chassis an - und nicht nur etwa 75%, wie bei den meisten passiven Boxen.

War die Endstufe kräftig, robust und stabil und hatte einen guten Dämpfungsfaktor, so gab es bei den Bose 901 (und den 800ern) auch keine wabbeligen Überschwinger. Das war auch der Grund, warum der Kontrabass bei den Jazz-Musikern "auch draußen vor dem Zelt" richtig satt und gigantisch natürlich geklungen hatte. Dieser Lautsprecher reproduzierte genau das, das vom Verstärker kam.

Jedenfalls die Profimusiker waren allesamt begeistert und kauften diese Bose Professional Anlagen mit 4 x Bose 800 und einem Bose 1800 wie blöd, und plötzlich sogar mehr, als die Bose Leute produzieren konnten.
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Der Overkill - Die akustische Kanone von Bose

Als dann noch die Bass-Kanone von Bose raus kam, war die Sensation perfekt. Denn den richtigen Tiefbass konnten die kleinen Chassis in dem kleinen Gehäuse physikalisch sowieso nicht wiedergeben, psychoakustisch aber doch, weil die Oberwellen extrem sauber rüber kamen.

Aber dann bauten die Bose Physiker eine mehrere Meter lange Röhre mit einem einzigen großen Bass-Chasis etwa 2/3 von dem einem Ende der Röhre entfernt oder so ähnlich. (Es war alles nach meiner Zeit, als ich bereits in die EDV abgedriftet war.)

Und jetzt gab es den großen absoluten Power-Wumms
, der manche Halle fast zum Einstürzen brachte. Damit konnte man im Resonanzfrequenzbereich Wände physikalisch wackeln lassen.

Die Kanonenschläge von Tschaikowskys Overtüre 1812 waren jetzt sehr nahe dem Original auf dem Truppenübungsplatz. Und es gab jede Menge Ärger mit solchen "Geschossen", die teilweise noch in derselben Nacht unter Polizeibegleitung demontiert werden mußten, weil Gefahr für Leib und Leben bestand.

In einem (ehemaligen) "Blöd-" Markt in der Hanauer Landstraße in Frankfurt war damals solch ein Ungetüm in der mindestens 2.000qm großen etwa 8 Meter hohen Halle oberhalb der Säulen bzw. Pfeiler unter der Decke angebracht und nur 4 einsame Bose 901 und die Halle wackelte, so fundamental war der Kanonen Bass. Es war um 1992 zur Zeit von Hardrock und Heavy Metall und die Verkäufer wollten und durften das schon öfter mal demonstrieren. Man hörte es bis weit auf den Parkplatz.
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Irgendwann in den späten 1980ern war auch dieser kleine Markt (auch) gesättigt.

Auch Bose musste die aufgebauten Kapazitäten nutzen. Wohnraum-Hifi unterlag Anfang der 1980er Jahre sehr großen Schwankugen. Das taten sie dann bei den Autolautsprechersystemen mit Bravour. Endlich gab es in den Autos auch vernünftiges Hifi zum erträglich Preis.

Auch entwickelten sie einen Kopfhörer mit einem Antischall-Kompensator, der dem Starfighter Piloten ein ganz normales Gespräch mit seinem Kommander direkt neben der 138 Dezibel Turbine seines Fliegers ermöglichte.

Auch in der Wohnraum Hifi-Technologie bauten Sie neue kleine, aber wirkungsvolle aktive Bassboxen, die sie Acoustimass nannten oder immer noch nennen.

Doch an den damaligen großen Erfolg konnten sie nicht mehr anknüpfen.
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