Vorwort zu diesem Interview von 1982
Als in den USA so um 1968/69 diese sonderbaren völlig neuen 5-eckigen Boxen zum ersten Male vorgestellt wurden, war dieser Professor am MIT noch nahezu unbekannt. Doch der hatte nicht nur ein Händchen für die Physik, sondern auch fürs Marketing und für die richtigen Leute an der richtigen Stelle.
Und als diese Boxen dann erstmalig in den amerikanischen Hifi-Magazinen rezensiert wurden, konnte er sich vor Interview Anfagen nicht mehr retten. Jedenfalls sind uns viele solche Befragungen bekannt, fast alle nach dem gleichen Muster, und fast alle ziemlich komisch - immer eine gewisse Unwissenheit vorgaukelnd.
Bei machen Magazinen dauerte es aber etwas länger, bis man die Popularität der Herrn Professors erkannte. So auch hier. Wir schreiben das Frühjahr 1982.
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Gespräch mit Professor Dr. Amar Bose (Frühjahr 1982)
Direktor der Bose Corporation, Boston/USA
Amar Bose, 55, Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA, vertritt seit zehn Jahren ganz andere Ansichten über den Lautsprecher-Bau als andere Hersteller.
- Anmerkung : Und er hat damit einen weltweit unglaublichen Erfolg, denn er hat seine Thesen beeindruckend bewiesen. Dieses Interview ist aus dem Frühjar 1982. Wer es (von oder für stereoplay) geführt hatte, ist nicht angegeben. Es könnte auch eine Übersetzung aus einem anderen Magazin gewesen sein. Diese Art der Aanonymisierung ("stereoplay" fragt:) fällt auf und unterminiert die Glaubwürdigkeit sowohl der Fragen wie auch der Antworten.
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stereoplay: Die dänische Meßgeräte-Firma Brüel & Kjaer ist für ihre Seriosität und ihre ausgeklügelten Meßverfahren bekannt. Umfangreiche Messungen der Dänen in verschiedenen Wohnräumen zeigten, daß die klanglich besten Resultate Lautsprecher gebracht haben, die einen Höhenabfall bei zehn Kilohertz von fünf Dezibel gegenüber 100 Hertz aufwiesen. Welche Frequenzgangkurve wird von Bose als optimal angesehen?
Bose: Ich begreife nicht, wie ich nach einem solchen Konzept einen Lautsprecher entwickeln sollte. Wenn Sie dieselbe Box in verschiedenen Räumen aufstellen, werden Sie auch völlig verschiedene Kurven erhalten. Selbst wenn Sie die Boxen nur um 30 Zentimeter nach vorn, nach hinten oder zur Seite versetzen, werden sich ganz andere Kurven ergeben.
- Anmerkung : Eine sehr intelligente und weise Aussage, die ich mit meinem großen JBL Ti 250 Türmen zwei ganze Tage und Nächte ausprobieren "durfte", bis es einigermaßen "geklungen" hatte.
Auch wenn Sie eine große Zahl von Messungen vornehmen, wird keine Kurve irgendeiner Box dem von Ihnen erwähnten Ideal entsprechen; sie werden alle verschieden aussehen. Ich kann also Ihre Frage nicht beantworten.
stereoplay: Schon, aber mit Terzanalysen* ist es durchaus möglich, solche Kurven zu erhalten. Es gibt einige Boxen, die in einem bestimmten Raum annähernd diesen Verlauf haben.
* Der Frequenzbereich von 20 Hertz bis 20 000 Hertz wird in 30 gleichgroßen Teilstücken (= Terzen) analysiert.
Bose: Gut, aber wesentlich ist doch, daß Abweichungen selbst eines schmalen Frequenzbands von der Kurve wichtig sind. Anders ausgedrückt: Eine Veränderung an der einen oder anderen Stelle der Kurve kann von wesentlicher Bedeutung sein. Betrachtet man nur den „mittleren" Verlauf, könnte man sagen, daß die Kurve recht vernünftig aussieht, aber wir lassen die übrigen Probleme einfach außer acht. Man müßte genau berücksichtigen, wo die Box in bezug auf Wand, Fußboden und Raumwinkel aufgestellt ist.
stereoplay: Bei Ihren Boxen schreiben Sie als Aufstellung 30cm vor einer Wand vor. Ist das unbedingt notwendig?
Bose: Wer unsere Boxen gut kennt, weiß wohl, daß die Schalldruck-Kurve sich sehr stark verändert, wenn die Box von dem vorgeschriebenen Standort weggerückt wird. Die Änderung der Kurve ist dabei enorm.
stereoplay: Hauptsächlich doch wohl nur bei tiefen Frequenzen?
Bose: Eben, bei tiefen Frequenzen. Und wenn jemand fragt, ob ich diese Kurve für korrekt halte, ist das eine Frage ohne Sinn.
stereoplay: Sie hat natürlich keinen Sinn, wenn es um die tiefen Frequenzen geht, aber sie hat sehr wohl einen Sinn für den Bereich zwischen 200 Hertz und 20 Kilohertz.
Bose: Wenn Sie fragen, ob ich die Gültigkeit dieser Kurve anerkenne, lautet die Antwort: nein.
stereoplay: Sicher gibt es bei tiefen Frequenzen Probleme mit Reflexionen und stehenden Wellen. Wenn aber bei 250 Hertz durch Reflexionen der Pegel um beispielsweise zehn Dezibel niedriger oder höher ist, wird der Klang doch ganz anders sein. Wir haben Boxen wie die AR 90 von Acoustic Research gemessen, deren Frequenzgang in großen Räumen auch bei tiefen Frequenzen ausgesprochen gleichmäßig ist. Es läßt sich also durchaus ein mittlerer Frequenzgang definieren, den ein Hersteller bevorzugen kann.
Bose: Okay, aber das hängt doch wieder davon ab, wo die Box hingestellt wird. Eine Ideal-Kurve hat nur dann einen Sinn, wenn genau festgelegt ist, wo der Lautsprecher aufgestellt werden soll. Wenn ich einen Lautsprecher für eine bestimmte Aufstellung in einem bestimmten Raum entwickle und das Meßmikrofon in einer bestimmten Position anordne, werde ich immer dann völlig andere Kurven erhalten, wenn der Lautsprecher in einem anderen Raum betrieben wird. Das war auch das Ergebnis einer Untersuchung, die wir im vergangenen Jahr angestellt haben.
stereoplay: Wozu arbeiten Sie dann an solchen Standards, wenn im Hörraum doch wieder alles anders ist?
Bose: Ich meine, daß die Bedeutung dieser Idealkurve in der Möglichkeit liegt, sie in irgendeinem Raum mit Hilfe der Klangregler oder anderer Einrichtungen oder durch eine geeignete Aufstellung der Boxen zu erzielen, sofern das vom Hersteller in der Konzeption berücksichtigt wurde. So gesehen kann die Kurve als mehr oder weniger korrekt, das heißt als mehr oder weniger erstrebenswert erachtet werden.
stereoplay: Wie ermitteln Sie Raumeinflüsse?
Bose: Wir beurteilen die Lautsprecher mit Hörtests in 20 unterschiedlichen Räumen. Wir haben in jedem dieser 20 Räume Spektralanalysen mit unterschiedlichen Meßmikrofon-Positionen durchgeführt. Daraus haben wir ermittelt, in welchen Bereichen die Abweichungen von der Idealkurve liegen, und für diese Bereiche Regelmöglichkeiten vorgesehen. In unserem neuen Entzerrer beispielsweise decken die Regler genau diese Frequenzbereiche ab.
stereoplay: Erhalten Sie so die erwähnte Idealkurve von Brüel & Kjaer?
Bose: Diese Kurve ist nicht logisch, denn bei zehn Kilohertz sind es etwa fünf Dezibel weniger als bei 100 Hertz. Wenn Sie eine Originaldarbietung hören, empfinden Sie eine Ausgewogenheit zwischen den Pegeln bei tiefen und bei hohen Frequenzen. Es müßte Aufgabe einer Wiedergabeanlage sein, genau diese Ausgewogenheit wieder herzustellen, und nicht fünf Dezibel weniger.
stereoplay: Es ist doch aber im Lautsprecherbau üblich, genau auf diese Art eine ausgewogene Wiedergabe zu erzielen.
Bose: Sie wissen, daß bei einer Originaldarbietung der Schall den Hörer von allen Seiten erreicht. Ein direkt abstrahlender Lautsprecher, der die Abstrahlung auf den Hörplatz konzentriert, ruft einen merkwürdigen psychoakustischen Effekt hervor: Man empfindet den Höhenbereich als zu penetrant.
stereoplay: Womit kann man Ihrer Meinung nach diesen Fehler beseitigen?
Bose: Wenn Sie ein Wiedergabesystem konstruieren, das den Schall dem Hörer aus verschiedenen Richtungen zuführt, wird eine lineare Energieverteilung die beste Lösung sein. Auf diese Weise läßt sich nämlich dieselbe Ausgewogenheit zwischen tiefen und hohen Frequenzen erzielen wie bei einer Originaldarbietung, und die Hörer werden nicht bemängeln, daß die Wiedergabe zu spitz sei.
stereoplay: Wie unterscheidet sich Ihr Lautsprecher vom Brüel & Kjaer-Modell?
Bose: Es erschien uns logischer, einen Lautsprecher zu bauen, der ein gehörmäßig lineares Schallspektrum liefert, wenn er mit einem linearen elektrischen Signal angesteuert wird, als die gezeigte Kurve anzustreben. Aber ich meine, daß wir etwas machen, was gar nicht so viel anders ist. Würde nämlich die Energie, die unsere Box abstrahlt, direkt in Richtung des Hörers konzentriert, müßten wir durch eine Korrektur dafür sorgen, daß die Höhen allmählich abgesenkt werden, sonst wäre der Klang zu penetrant.
stereoplay: Sie haben es also doch nicht völlig anders gemacht als andere Hersteller, wenn man die Raumeinflüsse berücksichtigt. Wie korrigieren Sie nun Klangverfälschungen, die durch den Raum verursacht werden?
Bose: Wir definieren eben exakt, wie unsere Boxen aufgestellt werden müssen. In Anzeigen anderer Firmen kann man gelegentlich sehen, daß eine bestimmte Box mal auf dem Fußboden, mal aber in einem Bücherregal steht. Das muß doch zu zwei total verschiedenen Ergebnissen führen. Man kann durchaus eine Box so konzipieren, daß sie in einem Raum den gewünschten Frequenzgang liefert, aber dann muß man genaue Anweisungen für den Aufstellungsort geben. Sonst ist das Projekt sinnlos.
stereoplay: Müßte dann die Bose 901 in der vom Hersteller vorgesehenen Position im Raum einen linearen Frequenzgang liefern?
Bose: Sie müßte in der Lage sein, mit den beiden Reglern am Entzerrer ein Ergebnis zu erzielen, das dem Ideal sehr nahe kommt.
stereoplay: Wenn die Lage der Lautsprecher gegenüber den angrenzenden Wandflächen bekannt ist, läßt sich das Abstrahlverhalten abschätzen; die Konzeption kann dann so ausgelegt werden, daß der beste Frequenzgang erreicht wird. Praktiziert wird das beispielsweise auch bei der AR 90.
Bose: Diese Art, das Problem zu lösen, erscheint mir nur teilweise korrekt: Man sagt dem Käufer, wie er die Box aufzustellen hat, und der Hersteller kann sich danach richten. Jedoch erscheint es mir nicht richtig, mit diesem Konzept auch Reflexionen vom Boden und von den Wänden zu vermeiden. Wenn ich beispielsweise eine Geige nehme und in diesem Raum spiele, wird von jeder angrenzenden Wand eine Reflexion kommen; wenn ich aber im Raum an verschiedenen Stellen spiele, wird die Geige jedesmal etwas anders klingen.
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- Ende des unbefriedigenden Interviews. Mir jedenfalls hat sich der tiefere Grund der Fragen nicht eröffnet - (Gert Redlich).
Ach so, hatte ich beinahe vergessen anzufügen : Unsere Professoren an der TH Darmstadt beglückten uns Studenten mit der Aussage, es gäbe keine dummen Fragen ........ na ja, siehe oben .....
... und wir hatten de Einsteinsche Quantentheorie auch nach vielen Nachfragen nicht verstanden .... - doch hier ist ein Professor, der sie plausibel erklären kann - 40 Jahre später.
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