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Dieses BOSE 901 System beeindruckte auch ausgesprochene Hifi- bzw. Qualitäts-Profis

Dipl.-Phys. Karl Breh war quasi der Gründer / Initiator und später auch der Chefredakteur der "Hifi-Stereophonie" seit 1962/64. In den ersten 8 Jahren warb Breh ganz intensiv für den Hifi-Gedanken bei der Musikwiedergabe im Wohnraum. Und im Sommer 1970 bekam er ein Pärchen BOSE 901 (Serie 1) zur Begutachtung von dem damaligen ganz neuen Deutschland-Vertrieb, der Firma "Inter-Audio" in Frankfurt Bonames.
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Sonderdruck Heft 5/1970 - Lautsprecherboxen im Großtest - BOSE 901

Es mag für unsere Leser überraschend sein, hier einen Testbericht vorzufinden, der nur einer einzigen Lautsprecherbox gewidmet ist. Der Grund hierfür ist in der Tatsache zu suchen, daß die amerikanischen Boxen BOSE 901 mittels unserer üblichen Testmethoden schwerlich mit anderen Lautsprecherboxen zu vergleichen sind. Daraus mag der Leser schließen, daß es sich dann wohl um etwas grundsätzlich Neues handeln müsse.

Nun, in gewissem Umfang ist dieser Schluß berechtigt. Schon die Form der Boxen überrascht. Von vorne betrachtet sind sie rechteckig (Bild 1, 52cm x 32cm über alles); von oben gesehen fünfeckig, wobei die Rückfrontflächen einen Winkel von ca. 134° einschließen (Bild 2).

Die größte Tiefe beträgt 32cm. Jede Box ist mit neun dynamischen Breitbandlautsprechern ausgestattet, und zwar ist nur einer davon in die Frontseite eingebaut, jeweils vier weitere befinden sich in den abgewinkelten, nach hinten gerichteten Rückfrontflächen.

Die Theorie von Professor Bose

Dieser Anordnung der Lautsprecher liegt die richtige Überlegung zugrunde, daß der von einem beliebigen Klangkörper ausgehende Schall im Konzertsaal oder Opernhaus nur zu einem kleinen Bruchteil den Hörer auf direktem Weg erreicht. Der weitaus größte Teil der wirksamen Schallleistung setzt sich aus indirektem Schall zusammen, der den Hörer erst erreicht, nachdem er mehr oder weniger oft von den Wänden des Konzertsaals reflektiert worden ist.

Der Hersteller dieser Boxen, die amerikanische BOSE Corporation, hat untersuchen lassen, in welchem Verhältnis zueinander diese Schallanteile im Mittel stehen und hat dieses der Konstruktion der BOSE 901 zugrunde gelegt.

Nach Angaben des Herstellers werden bei diesen Boxen 89% der Schalleistung durch Abstrahlung nach hinten und Reflexion in den Wänden indirekt und nur
11% direkt nach vorne abgestrahlt.

Die Boxen sollen so aufgestellt werden, daß die Spitze des rückwärtigen V etwa 30cm von der reflektierenden ebenen Wand entfernt ist. Der Einbau dieser Boxen in Regale ist demnach nicht möglich. Die neuen akustisch gekoppelten Lautsprechersysteme haben einen Membrandurchmesser von nur 10cm. Kräftige Dauermagnete und große Amplituden sorgen für gute Baßwiedergabe.

Keine Frequenzweichen - dafür ein "Verzerrer", ein Equalizer

Frequenzweichen entfallen gänzlich, was im gleichen Umfang von Vorteil ist wie die Breitbandsysteme in der Lage sind, den gesamten Frequenzbereich ohne hörbare Partialschwingungen und Verzerrungen zu verarbeiten. Zum Lieferumfang der Boxen (2590,- DM das Paar) gehört ein aktiver Verzerrer, der entweder zwischen Vor- und Endverstärker geschaltet oder bei integrierten Verstärkern und Steuergeräten über den Tonband-Monitor- Ein- und Ausgang angeschlossen wird (Bild 3).

  • Anmerkung : Die ersten beiden BOSE 901 Equalizer hatten mit der Fremdspannung schon ein paar Probleme. Darum sollten die Modelle der Serien 1 und 2 möglichst zwischen Vor- und Endverstärker eingesetzt werden.


Damit in letzterem Falle trotzdem Hinterbandkontrolle möglich ist, kann das Tonbandgerät nun seinerseits an den Verzerrer angeschlossen werden, der mit den erforderlichen Ein- und Ausgängen ausgestattet ist. Das Wort „Verzerrer", obwohl es sich um den richtigen terminus technicus handelt, klingt in diesem Zusammenhang abschreckend. In Wirklichkeit handelt es sich um ein aktives Klangregelnetzwerk mit eigener Stromversorgung, das dazu dient, den Verlauf der Schalldruckkurven der Boxen an die Erfordernisse des Hörraumes anzupassen, oder sogar, bei schlecht aufgenommenen Schallplatten, Klangkorrekturen vorzunehmen.

Die Bässe unter 40Hz können bedämpft werden. Befindet sich der mit „Treble level" bezeichnete Kippschalter in der oberen Position, können die Höhen vom Einsatzpunkt 2.000Hz an in fünf Stufen abgesenkt oder angehoben werden, wobei die Stufe 4 dem linearen Verlauf entspricht (Bild 4 a). Bringt man den erwähnten Kippschalter in die Stellung „Decrease", werden die Mitten und Höhen vom Einsatzpunkt 500Hz an in vier verschiedenen Stufen abgesenkt (Bild 4 b). Die fünfte Stufe zeigt denselben Verlauf wie in der anderen Position des Kippschalters.

Musik-Hörtest

Die Bose-Boxen wurden zunächst im Abhörraum unseres Studios mit normalen Boxen verglichen, also mit solchen, die ihre gesamte Schalleistung nach vorne abstrahlen. Um Resonanzen im Baßbereich zu vermeiden, haben wir den Teil des Raumes, in dem die zu testenden Boxen, vom Raum körperschallisoliert, aufgestellt sind, mit Hilfe von Diolenfill und schwerem Stoff bedämpft.

Genau dies aber sind Bedingungen, wie sie für die BOSE 901, die auf ihrer Rückseite hart reflektierende Flächen oder Strukturen benötigen, nicht geeignet sind. Wir haben daher hinter die beiden Bose-Boxen reflektierende Wände aufgestellt. Die beiden Seiten dieser „Boxenbühne" waren aber nach wie vor bedämpft. Es ist daher auch nicht sonderlich erstaunlich, daß die Bose-Boxen unter diesen Umständen ihre wahren Vorzüge nicht in vollem Umfang offenbaren konnten.

Beim Umschalten auf die zwei Braun L810, von denen in Bälde mehr zu berichten sein wird, hatte man den Eindruck, daß nicht die BOSE, sondern die Braun L810 die breiter gestaffelte Stereoperspektive vermittelten. Das hatte zwei Gründe. Erstens strahlen die mit Kalottenmittel- und Kalottenhochtönern ausgestatteten Braun L810 den gesamten Frequenzbereich in großem Winkel ab. Zweitens absorbierten die bedämpften Seitenwände einen Teil der von den BOSE nach hinten abgestrahlten Schalleistung, dies aber nicht etwa linear, sondern selektiv, so daß sich auch noch Klangverfärbungen einstellten.

Ein besonderer Raum zum Testen und Hören

Es war also klar, daß man auf diese Weise den BOSE 901 nicht gerecht werden konnte und daß unser Abhörstudio in seiner derzeitigen, für konventionelle, nach vorne abstrahlende Boxen konzipierten akustischen Aufbereitung zur Beurteilung dieser Boxen nicht geeignet ist. Ich führe dies an, um Fachhändler und mögliche Interessenten davor zu bewahren, von diesen Boxen allein deswegen einen falschen Eindruck zu gewinnen, weil sie nicht unter geeigneten akustischen Bedingungen vorgeführt oder geprüft werden.

Man kann sie in der Tat schlecht zusammen mit normalen, nach vorne abstrahlenden Boxen vorführen, weil die neben den BOSE aufgestellten Boxen den Rückwurf des von den BOSE nach hinten abgestrahlten Schalls stören würden. Ein für die Bose-Boxen idealer Testraum schien mir mein privater Hörraum zu sein.

Er hat die Abmessungen 6,8 x 6m bei etwa 3,5m Höhe. Die Boxen (Lansing Olympus) befinden sich normalerweise gegenüber einer Sitzgruppe vor der längeren Wand, bei einer Basis von rund 3,5m, bezogen auf Boxenmitte. Der Raum ist zwar durch Polstermöbel und Teppiche bedämpft, es sind aber in ausreichendem Umfang hart reflektierende Flächen vorhanden. Ich rückte die Olympus-Boxen näher an die mit Schallplatten und Bücher gefüllten Bücherregale und installierte die BOSE 901, jeweils eine auf eine Olympus-Box.

Als Vorverstärker diente ein Mclntosh C 24 und als Endstufe der Lansing SE408-SE. Zwischen beide war der aktive BOSE-Klangregler geschaltet, über Rundfunk und von Schallplatten wurden über Tage hinweg die unterschiedlichsten Programm-Materialien, vom Streichquartett über symphonische Musik zu Wagner-Opern, Klavier solo, Gesangssolisten mit Orchester, Jazz und Pop-Musik abgehört.

Meine Hörgewohnheiten in diesem Raum wurden geprägt vom Klangbild der Lansing Olympus-Boxen, die ja nun gewiß nicht zu den schlechtesten Lautsprecherboxen zählen. Trotzdem muß ich zugeben, daß ich mich nach ausgiebigem Einhören in das Klangbild der BOSE 901 nur ungern wieder von diesen Boxen trenne.

Die Bewertung

Tatsächlich bieten diese Boxen einige unbestreitbare Vorteile:

  • 1. Die Stereoperspektive ist unerhört breit. Noch mehr, als es bei anderen Boxen der Fall ist, sind sie als Schallquellen nicht mehr zu orten. Der Klang erfüllt den Raum. Trotzdem sind die beiden Kanäle einwandfrei voneinander getrennt. Die Stereohörzone ist enorm erweitert. Mit Ausnahme des direkten Umkreises einer Box erfaßt sie den gesamten Hörraum. Die Stereoperspektive ist dem Klangkörper angemessen: einerseits erhält die Opernbühne zusätzliche Breite und Tiefe, andererseits verschmelzen bei einem Streichquartett, vorausgesetzt, daß es sich um eine gute Aufnahme handelt, die Sopranstimmen besser mit Bratsche und Violoncello, ohne daß eine scheinbare Vergrößerung des reduzierten Klangkörpers die Folge ist.
  • 2. Die Boxen vermitteln ein ausgewogenes Klangbild bei hervorragender, sehr weit zu tiefen Frequenzen herabreichender, resonanzfreier, sauber durchgezeichneter Baßwiedergabe und freien, wohldefinierten, kräftigen Höhen, denen jegliches metallische Flirren abgeht.
  • 3. Eine unmittelbare Folge von 1 und 2 ist eine gesteigerte Durchsichtigkeit, gerade bei sehr dichten, großvolumigen Werken symphonischer Musik.
  • 4. Die Boxen sind hoch belastbar. Dementsprechend sind sie in der Lage, ein gewaltiges Klangvolumen zu erzeugen. Aber sie gehören zu den wenigen Boxen, die ich kenne, und zu denen ich auch die Olympus zähle, die auch bei leiseren Lautstärken ein hohes Maß an Durchsichtigkeit und Klangdefinition bewahren.
  • 5. Von einer Ausnahme abgesehen, ist das von den BOSE 901 vermittelte Klangbild verfärbungsfrei.

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Eine kleine Schwäche

Diese Ausnahme stellt den einzigen Nachteil dar, den ich an diesen Boxen feststellen konnte. Immer wenn vom Frequenzbereich zwischen etwa 120 und 250Hz chorische Stimmen akkordisch das Register durchlaufen (z. B. Bratschen), glaubt man, kleinere Resonanzen zu hören, die eine Art Verfärbung hervorrufen. Der Effekt ist nicht gravierend, und bei Solostimmen offenbar nicht vorhanden.

Ich vermute, daß in diesen Frequenzbereich die Eigenresonanzen der Breitbandsysteme fallen, die gewiß untereinander etwas abweichen, aber durch ein Frequenzspektrum bestimmter Breite angeregt, in ihrer Überlagerung doch hörbar, werden. Das wäre der Preis, den man für die Verwendung von Breitbandsystemen und den vorteilhaften Wegfall von Frequenzweichen bezahlen muß.

Welche Verstärkerleistungen sind erforderlich?

Verstärker von 2 x 20 W Dauertonleistung sind durchaus in der Lage, diese Boxen in kleineren Räumen bis zu hifi-gerechten Lautstärken zu betreiben, sofern sie an 8 Ohm ihre maximale Leistung abgeben. Wer jedoch die eminenten Fähigkeiten der Boxen im Baßbereich voll einsetzen will, muß schon etwas mehr Verstärkerleistung investieren (2 x 40 bis 2 x 60 Watt). Für hochpegelige Beschallung großer Räume können noch stärkere Endstufen eingesetzt werden. Jede Box verkraftet nach Angaben des Herstellers 270 Watt (Musikleistung).

  • Anmerkung : Das ist meiner Meinung nach nicht vernünftig. Die BOSE 901 Serie 1 war nicht besonders effizient und 60 Watt sind das absolute Minimum selbst für damalige Schallplattenkonzerte. Aus meiner Sicht sind damals sogar 100 Watt Sinus an 8 Ohm bereits sinnvoll gewesen, heute mit der CD als Quelle sind 100 Watt sogar das Minimum.

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Zusammenfassung

Bei den Boxen BOSE 901 werden rund 90% der Schalleistung nach hinten gegen eine reflektierende Wand abgestrahlt. In geeigneten Abhörräumen und bei sachgerechter Aufstellung erzeugen diese Boxen ein höchst ausgewogenes Klangbild mit ungewöhnlich kräftigen, bis etwa 20 Hz resonanzfrei herabreichenden Bässen und sauberen, wohldefinierten Mitten und Höhen. Bei voller Bewahrung der Stereo-Information ergeben sie eine Verbreiterung der Stereoperspektive und eine enorme Ausweitung der Stereohörzone.

Noch mehr als bei anderen guten Boxen in Stereobetrieb, entfällt die Ortbarkeit der Boxen als begrenzte Schallquellen. Trotz der Verwendung von neun Breitbandsystemen überrascht die Fähigkeit dieser Boxen, Impulse sauber zu verarbeiten. Einen kleinen Nachteil sehe ich in sporadisch auftretenden Verfärbungen im engen Frequenzbereich zwischen etwa 120 und 250 Hz. Für anspruchsvolle HiFi-Freunde, die zwar die Möglichkeit haben, Boxen in rund 30cm vor reflektierenden Wänden aufzustellen, bei Verwendung normaler Boxen aber Schwierigkeiten mit der optimalen Stereohörzone haben, könnten diese mit Sicherheit zu den besten zählenden und auf ihre Art bislang konkurrenzlosen Boxen, die Lösung ihrer Probleme bedeuten.

Karl Breh im Sommer 1970

  • Anmerkung : Das ist ein Artikel aus 1970. Natürlich hat sich die Meinung auch von Karl Breh im Laufe der Zeit geändert, denn die Hifi-Boxen aller Hersteller wurden in den Jahren danach deutlich besser.
  • Lesen Sie die Grundsatz-Seite über die Abdeckungen und Bespannungen von historischen Hifi-Boxen. Eine neue Seite über eine BOSE 901 Verkleidung kommt noch.

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