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Die "Schnelle" - eine Art von Geschwindigkeit

Vielen interessierten Lesern und Anrufern und Hifi-Schallplatten-Fans insgesamt ist der Begriff der "Schnelle" bei den Abtastsystemen (und auch bei Mikrofonen und Lautsprechern) nach wie vor nicht einleuchtend oder verständlich. Der studierte Physiker hat damit sicher kein Problem, - außer - sein Wisssen plausibel und verständlich weiter zu vermitteln. Darum hier eine hoffentlich leichter zu verstehende Erklärung :
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Also zuerst das Beispiel : "Geschwindigkeit"

(1) Stellen Sie sich vor, sie fahren mit dem Fahrrad eine ganz gerade sehr breite aber fast nicht befahrene etwa 1 Kilometer lange Straße entlang.

Eine in ihrem Display angezeigte Geschwindigkeit von etwa 5 Kilometern pro Stunde (5km/h entsprechen etwa 12 Minuten für diesen Kilometer) ist dabei kein Hexenwerk. - Mein E-bike schafft (mit kräftiger zusätzlicher Muskelkraft) einiges über 25 km/h.

(2) Jetzt stellen Sie sich vor, Sie hätten vor der Abfahrt 4 Bier und 4 Schnäpse nüchtern "eingewunken". Und jetzt fahren Sie dieselbe 1km lange Strecke in wilden Schlangenlinien so gut Sie es eben gerade noch können.

Um diese etwa 1km lange Strecke in derselben Zeit (etwa 12 Minuten) wie oben (nüchtern beim Geradeausfahren) zu durchfahren, müssten Sie jetzt aber erheblich "schneller" als 5 km/h fahren, denn der Weg der Schlangenlinien ist ja deutlich länger.

Jetzt sind sie aber ziemlich "voll" und würden - wenn Sie es mit Ihren Promille übertreiben - aus der Kurve fliegen. Sie müssen sich schon ganz schön anstrengen, um diese 1 km Strecke in wilden Schlangenlinien in 12 Minuten zu schaffen.

(3) Nachdem Sie gesund ausgeschlafen haben, erinnern Sie sich an dieses leicht benebelte Erlebnis und fahren diese 1 km Strecke nochmals, aber jetzt völlig nüchtern und mit voller Aufmerksamkeit und Geschicklichkeit und sie fahren die Schlangenlinie so weit ausladend und so "schnell" wie nur irgend möglich. Ihr Display zeigt jetzt fast maximale 35 oder gar 40 km/h an, mehr schaffen Sie auch nüchtern nicht.

Am Ende hatten Sie für diesen realen Kilometer aber auch nur eine echte "Geschwindigkeit" von 5 km/h erreicht, weil Sie ja wegen der Schlangenlinie eine deutlich längere Wegstrecke zurückgelegt haben.

Sie sind zwar mit deutlich über 30 km/h diese Schlangenlinien entlang gefahren, haben aber im Endeffekt die 1 km Strecke doch nur mit echten 5 km/h geschafft.
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So weit die Erklärung von "Geschwindigkeit"

Jetzt wird aber in den Spezifikationen (weltweiten Normen) der Vinyl-Platten- Schneidvorgaben immer etwas von maximal 8cm/s bis maximal 12cm/s "Schnelle" geschrieben. In unserem Beispiel haben wir da "etwas" mit hinein gebracht, das für diese Erklärung nicht zutrifft, nämlich den "Geradeausweg" der Nadelspitze in der geraden leeren Rille der Platte mit über 50cm/s.

Der lineare "Geradeausweg" (ohne die "Modulations"- Schlenker) betrifft aber die Abtastnadel und deren Schlenker-Bewegung nur marginal. Die konstante Drehbewegung des Plattentellers liefert nur die notwendige Energie für die Auslenkung (die Schlenker) der Nadelspitze.

Kritisch ist also bei einem Abtastsystem die seitliche Bewegung und auch die horizonale Bewegung, die durch die Lagerung (fast immer ein Gummi-Block oder ein Silikon-Block) gebremst wird. Wir sprechen da auch von der mechanischen Impedanz, dem mechanischen Widerstand gegen eine herbeigeführte Bewegung aus der im Lagerblock fixierten Mitten-Lage heraus, dem Ruhezustand des Nadelträgers.
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Jetzt ist die "kreative" Vorstellungskraft gefragt

Wenn wir uns jetzt als kleines "Männchen" - theoretisch - auf das Abtastsystem drauf stellen oder drauf setzen "könnten", dann sehen wir nur die Bewegung der Nadelspitze, wie sie in wilden Kurven nach rechts und nach links und bei Stereo auch noch rauf und runter "schlingert".
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Die Bewegung der Abtast-Nadel (-Spitze)

Bei hohen Lautstärken und insbesondere bei tiefen Frequenzen schlenkert die Nadelspitze also deutlich sichtbar von ganz links nach ganz rechts und zurück und "duchfährt" dabei die Mittenstellung mit der jeweiligen Höchstgeschwindigkeit solch eines Schlenkers.

Es ist plausibel, daß die Nadelspitze dann bis zur Umkehr der Bewegungsrichtung immer langsamer wird (also abgebremst wird) - bis die (seitliche) Geschwindigkeit absolut 0 erreicht - und dann in der Gegenrichtung wieder beschleunigt wird, bis sie diese Höchstgeschwindigkeit erreicht und wieder bis zur erneuten Umkehr immer langsamer wird.

Diese maximale Geschwindikeit - nur der Nadelspitze - wird als "Schnelle" bezeichnet und ebenfalls in cm/s angegeben.

Bei dieser Betrachtung dürfen (müssen) wir die von uns Menschen sichtbare Vorwärtsbewegung duch die Drehung der Platte ignorieren. Die Dreh-Geschwindigkeit der Platte ist dabei nebensächlich, weil sie nur dem Antrieb dieser Nadel-Bewegung dient.
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Warum ist diese "Schnelle" so wichtig ?

Nochmal zurück : Aus der Sicht des Abtastsystems (wir sind das kleine Männchen und sitzen oben drauf), das ja im Tonarmkopf fest eingebaut ist, bewegt sich die Nadelspitze immer innerhalb (zwischen) zwei sogenannten "Extrema", den beiden Umkehrpunkten der Bewegunsrichtung. Und etwa in der Mitte des Weges (also dieses Schlenkers) erreicht sie ihre Höchstgeschwindigkeit und muß aus dieser wieder bis auf 0 abgebemst und dann wieder beschleunigt werden.

Ist die Nadelspitze zu "schnell", ist nämlich der von der sich drehenden Platte vorgegebene Weg (der Schlenker) zu weit ausladend oder ist die Frequenz zu hoch, klappt das Abbremsen und Umsteuern und Beschleunigen nicht mehr und die Nadelspitze rutscht nach oben aus der Rille raus und fliegt über die Platte (meist nach außen).
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RIAA - die physikalischen Grenzen verbreitern

Rein theoretisch würde damit bei ganz tiefen Frequenzen und extrem hohen Pegeln - einer Kirchenorgel zum Beispiel - eine sehr große Auslenkung der Nadelspitze erzwungen werden. Das könnten die allermeisten Abtastsysteme gar nicht abspielen.

Bei hohen Frequenzen und kleinen Pegeln würde sich die Nadel fast nicht bewegen. Beides sind erhebliche Schwachpunke bei einer frequenz-linearen Aufzeichnung von Musik in eine Schallrille.

Die Ingenieure haben sich darum schon recht früh mit einer künstlichen Verzerrung des Frequenzganges beschäftigt und die sogenannt RIAA Schneidkennlinie definiert.

Daß es vorher bei den Schellackplatten und auch noch bei den Mono-Langspielpaltten von1949 bis etwa 1960 bis zu 300 Varianten von solchen - jeweils angeblich idealen - Schneidkennlinien gegeben haben soll, findet man in den Radio-Magazinen bis 1945/1949 genauer beschrieben. Auch der Engländer Peter Copeland  hat das in seinen 300 Seiten sehr genau beschrieben.

Ab 1949 gab es immerhin noch etwa 25 gängige Schneidkennlinien und dann (etwa 1960) hatte man sich "endlich" auf eine einheitliche RIAA Kenlinie geeinigt.
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Wenn die Grenze der "Schnelle" überschritten wird

In den 1970er Jahren wollte "man(n)" die Physik der "Nadel in der Rille" überlisten und begann, sogenannte "Direkt-Schnitt" Platten zu produzieren.

Und da man die Launen und Ideen der Musiker nicht im Voraus abschätzen konnte, kam es schon vor, daß da gewaltige Schnellen "geschnitten" wurden, denn die Neumann Schneidmaschinen konnten immer etwas mehr als die Abspielgeräte am Ende vertrugen.

So wurden besondere - sehr teure - MC-Abtaster mit besonderen Nadelspitzen-Schliffen propagiert, die diese weit über der Norm liegenden Auslenkungen angeblich mühelos beherrschten.

Auch wurde mit neuartigen (härteren) Vinyl-Mischungen experimentiert, die diese "Schnellen" erlaubten.

Doch "sie" konnten die Physik doch nicht überlisten, auch die Direct-Cut Platten hatten nach 20 Mal Abspielen viel von der Information verloren.
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da kommt noch was  ........ es geht weiter .....

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