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Erkenntnisse über die Hintergründe des unterschiedlichen Klingens von Plattenspielern und Abtastsystemen

Bei den hartnäckigen und teilweise auch beratungsresistenten Analog Gurus werden die 16.000.- DM oder Euro Plattenspieler nach wie vor in den Himmel gelobt, daß sich die Balken biegen. Doch es gibt keine Geheimnisse, warum teilweise gleiche Abtastsysteme so unterschiedlich klingen können. Und es gibt auch keine Garantien dafür, daß die gleichen Abtastsysteme trotz unterschiedlicher Elektronik dennoch immer gleich klingen.

Nach einem Test von weit über 20 Plattenspielern (in 1982), darunter auch wirklich edle teure Geräte, hat der Labor-Ingenieur und Tester Arndt Klingelnberg mal zusammengefaßt, was wirklich hinter den angeblichen Geheimnissen steckt. Es sind nämlich ganz normale physikalische Zusammenhänge, die viel zu oft als Voodoo Allheilmittel verkauft werden. Doch lesen Sie selbst, was er bereits 1982 herausgefunden hat.

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Warum benötigen Tonabnehmersysteme eine definierte Lastimpedanz?

zusammengestellt von Arndt Klingelnberg im Frühjahr 1983

Ich möchte hier nicht auf den ausführlichen Bericht und die Testergebnisse aus HiFi-Stereophonie 1980 Heft 3 (Spitzer Klang und störender Brumm) mehr als notwendig zurückgreifen, die wesentlichen Ergebnisse sind aber hier noch einmal zusammengefaßt.

Die Höhenresonanz

Im Hochtonbereich tritt eine Resonanz auf, die durch die Elastizität des Schallplattenmaterials an den Rillenflanken und der dynamisch wirksamen (effektiven) Masse der Abtastnadel hervorgerufen wird. Je nach Bauart und Qualität des Tonabnehmers liegt diese Resonanz zwischen 10 und 50 kHz. Die Rückstellkräfte an den Rillenflanken werden beeinflußt durch die Auflagekraft und den Schliff der Abtastnadel. Höhere Werte der Auflagekraft ergeben eine größere Eindrücktiefe des Diamanten, die Flanke erscheint steifer, die Resonanz verschiebt sich zu hohen Frequenzen hin.

Eine größere Auflagenfläche durch Spezialschliffe bewirkt das Gegenteil, die Resonanzstelle rutscht nach unten. Nur wenn der Nadelträger und die Nadel selbst sehr massearm gebaut sind, kann die Höhenresonanz zu wirklich hohen Frequenzen geschoben werden, was ja wünschenswert ist. Beeinflußt wird die Resonanz auch noch durch die Steife des Nadelträgers und die Aufhängung des Nadelträgers (Dämpfung).

Der eigentliche klangliche Nachteil von MM-Systemen?

Eine solche Resonanz kann elektrisch entzerrt werden, und somit läßt sich der Frequenzgang linearisieren. Bei MM-Systemen, die eine hohe Eigeninduktivität (>100 mH - die Maßeinheit ist Milli-Henry) durch die große Spule besitzen, geschieht dies quasi automatisch durch die Kabel- und Verstärkereingangskapazität (da wirkt wie ein Kondensator mit der Maßeinheit Pico-Farad). Bei geeigneter Dimensionierung verschwindet die Resonanzüberhöhung, oberhalb der Resonanz fällt der Frequenzgang dann allerdings um so steiler ab (24dB/Oktave).

Bei MC-Systemen ist diese „einfache" Entzerrung nicht möglich (Induktivität weit unter 1mH). Hier ist die Höhenresonanz entweder ausgeprägt (schlechtes System) oder mechanisch aufwendig bedämpft (erfordert viel know-how). Durch das Fehlen eines elektrischen Höhenfilters (externe Kapazität fast ohne Wirkung) fällt der Frequenzgang oberhalb der Resonanz nur schwächer (ca. 12dB/Oktave) ab.

Der wesentliche Nachteil der elektrischen Entzerrung bei MM-Systemen ist aber die fast immer übliche Fehldimensionierung der externen Kapazität, deshalb können MC-Systeme in der Praxis so oft und so leicht ein MM-System distanzieren !

Sind diese richtig dimensioniert, so kann auch ein gutes MM-System einen linearen Frequenzgang aufweisen, ohne die übliche Delle im kritischen 5 kHz-Bereich und die nachfolgende Höhenüberbetonung bei ca. 15 kHz.

DIN 45 539 geht an der HiFi-Praxis vorbei!

DIN 45 539 (Juli 81) schreibt für den Plattenspieler mit Kabel max. 250 pF Kapazität (Maßeinheit Pico-Farad) vor, für den Verstärkereingang max. 100 pF. So sehr eine Normung gerade hier mehr als notwendig erscheint, so ist doch diese Normvorschrift geradezu HiFi-praxisferner Humbug!

Wenn irgendeine wesentliche klangbestimmende Größe genormt wird, dann sollte man einen Soll- bzw. Idealwert definieren (für hochwertige Geräte) und eine bestimmte Toleranz zulassen (für einfachere Geräte). Eine maximale obere Grenze ist keine wesentliche Dimensionierungshilfe.

Weiterhin sollte das Kabel eine kleine Kapazität aufweisen und der Verstärker eine große und nicht umgekehrt, wie in der Norm erlaubt.

Kleine Kabelkapazität!

125 pF wäre ein durchaus praxisüblicher Wert, als Normungsziel aber 100 pF für hochwertige Geräte anzustreben. Ein Kabel hat eine qualitativ minderwertige Kapazität (dielektrische Verluste, Mikrophoniewirkung usw.), bei geringen Kapazitätswerten bleiben auch diese Fehler geringer. Bei geringen (unveränderbaren) Kabelkapazitäten bleibt die Variationsmöglichkeit der Gesamtlastkapazität größer (durch Zusatzstecker oder Umschalter am Verstärker).

Größere Verstärkerkapazität!

Im Verstärkereingang sind hochwertige Kapazitäten (geringe Verluste) möglich. Zudem ist die Resonanzüberhöhung besser wegzubügeln, wenn man die Dämpfung des elektrischen Tiefpasses durch einen Längswiderstand vor dem Kondensator erhöht. Auch hierfür sollten gewisse Richtwerte in der Norm vorgeschlagen werden. Orientierungswerte, die üblichen Verstärkern weitgehend entsprechen und die bei vielen Systemen recht gut den Frequenzgang ausgleichen, sind ein Längswiderstand von 470 Ohm gefolgt von 150 pF, dies wiederum gefolgt von einem zweiten Längswiderstand von 100 Ohm und 1,5 nF Kapazität zwischen Basis und Emitter des Eingangstransistors (und damit nur mit einem Bruchteil seines Wertes wirkend!).

Hören Sie gerne Radio Eriwan?

Das vielleicht schon, aber sicher nicht aus Ihrer HiFi-Anlage. Die oben geschilderte Widerstands-Kondensatorkombination hat zusätzlich noch den Vorteil, daß sie Hochfrequenzen vor dem Eingangstransistor heraussiebt. Bei unter 100 pF (laut DIN) wird das schon weit schwieriger.

Wird die Lastkapazität erhöht, so erhöht sich der Pegel im Bereich 5 kHz und vermindert sich oberhalb 15 kHz. Das sind natürlich nur pauschalierte Angaben, die Wirkung ist abhängig von dem Innenwiderstand und der Eigeninduktivität des Tonabnehmersystems, die wir daher bei unseren ausführlichen Tests auch angeben (Ferner natürlich auch etwas von einem etwaigen Längswiderstand im Verstärker.)

Empfohlene Lastkapazität

In mehreren Versuchen ermitteln wir in unseren Tests einen Kapazitätsbereich, in dem der Frequenzgang am ausgewogensten wird (aber noch nicht unbedingt linear!). Bei billigen Tonabnehmern ist das recht kritisch, und manche Systeme sind nicht optimierbar. Dies sind die Systeme mit einer extremen Höhenanhebung. Hier kann nur eines etwas helfen: Man vermindert den Verstärkereingangswiderstand von 47 kOhm (Normwert!) auf bis zu 22 kOhm herunter (hierzu schaltet man minimal 43 kOhm zum Eingang parallel). Die Änderung des Abschlußwiderstandes ist nur bei falsch konstruierten Systemen notwendig, weshalb man auch nur in diesen Fällen zu dieser Lösung greifen sollte.

Sollte bei Ihrem Verstärker keine Angabe zur Phono-Eingangskapazität vorhanden sein, was die Regel ist, so sollten Sie einen Plattenspieler (mit System) wählen, der für 150 bis 200 pF günstige Werte zeigt. Bei Tonabnehmertestberichten müssen Sie von der empfohlenen Lastkapazität die des Plattenspielers abziehen (60 pF bei manchen übertrieben nieder kapazitiven High-Class Geräten bis max. 200 pF im mittlerweile ungünstigsten Fall, früher in Extremfällen bis zu 500 pF!). Die Restkapazität sollte dann Ihr Verstärker aufbringen (150 bis 200 pF).

Langfristige Konsequenzen für die Konstrukteure

Würde die Phono-Lastimpedanz in sinnvoller Weise genormt, so könnten sich die Konstrukteure der Verstärker (weitgehend unproblematisch) und der Tonabnehmersysteme (geeignetere Wahl der verschiedenen mechanischen und elektrischen Parameter) darauf einstellen.

So schwört Ortofon z. Z auf den Wert von 400 pF (gesamt), andere Hersteller auf 500 pF oder auch 100 pF. Manche Hersteller empfehlen dazu noch falsche Werte. MM-Systeme müssen daher z.Z. notwendigerweise im Frequenzgang unterschiedlich klingen: erstens im Vergleich gegeneinander, zweitens an verschiedenen Plattenspielern (Kabelkapazität), drittens an verschiedenen Verstärkern (Eingangskapazität). Es ist daher als absurd zu betrachten, wenn man z.Z. um 0,5 dB bei der RIAA-Kurve feilscht und mehrere dB durch falsche Lastkapazität übergeht.

Bei Tonbandaufnahmen: Hüten Sie sich vor Tonabnehmern mit einer zu großen Höhenanhebung bzw. versuchen Sie sie zu vermeiden (siehe HiFi-Stereophonie 1980/Nr. 3/S. 403 und 1981/ Nr. 12/S. 1438). Diese Höhenanhebung wird insbesondere bei nicht extrem hochwertigen Bändern zu einem Höhenabfall (!) verbunden mit Intermodulationsverzerrungen. Soll ein Band mit zuviel Höhen vollgestopft werden, so reagiert es mit totalem Streik im Hochtonbereich.

Also: Finger weg von zu billigen Systemen! a.k.

Anhang

Noch ein paar Daten: Die Kabelkapazitäten betrugen im Durchschnitt (mit Standardabweichung) bei den getesteten 21 Einfach-HiFi-Plattenspielem 122 ±22 pF (pico Farad). In einem früheren Test von 8 Plattenspielern (1979/Nr. 11) ergab sich 146 ±53 pF, und in einem noch früheren Test (19 Exemplare) 237 ±100 pF. Die empfohlene Verstärkereingangskapazität betrug beim jetzigen Test 190 ±83 pF (soweit überhaupt ein Kapazitätswert bei diesen Billigsystemen zur Verbesserung empfohlen werden konnte).

Von a.k. im März 1983
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