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stereoplay 2/1980 - Unter dem Titel :
"Der Leistungs-Beweis"

. . . wurde 1982 gemessen und philosophiert, was denn die "richtige" oder sinnvolle Verstärkerleistung sei.

Der Atikel beginnt folgerndermaßen :
Seit Jahren streitet sich die Fachwelt: Reichen 20 Watt für eine Box oder sind 200 Watt noch zu wenig?

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"stereoplay ging der Sache auf den Grund."

Der Artikel von Redakteur Gerald 0. Dick, Doktor der Physik samt Kollegen - überarbeitet im März 2017 von Gert Redlich :
In Stammtischkreisen läßt sich mit zwei Werten herrlich prahlen: Mit der Kilowatt-Angabe des Autos und mit der Wattzahl des heimischen HiFi-Verstärkers.
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Der Vergleich: Watt gegen PS

Die Autonarren freilich haben's leichter. Sie sind sich - egal ob PS oder kW - einig, daß man möglichst viel davon haben muß. HiFi-Fans hingegen sind schon untereinander zerstritten. Da gibt es das Lager der „Ein-paar-Watt-reichen-völlig-aus"- Anhänger, auf der anderen Seite stehen die Wattfetischisten, die sich rasch mit den Autofans verbrüdern. Ihre Devise: „Man hat nie genug."

  • Anmerkung : Es gibt aber noch mehr unterschiedliche "Fetischisten". Diese Frage hatte ich mir bis etwa 1989 sehr oft gestellt, als das mit der Infinity Servostatic 1, den TANNOY Arden, den BOSE 901 und den AR LST und den andern großen Boxen "immer wieder" nicht zufriedenstellend war. Doch was war wirklich "zufriedenstellend", wenn die ewige Unzufriedenheit ganz woanders zu suchen war ? Wir sind hier ganz dicht an der Psyche - auch an der eigenen Psyche - angekommen.

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Die Redakteure haben ein Meßverfahren ausgetüftelt . . . .

Ob denn nun eine HiFi-Anlage tatsächlich möglichst potent sein soll, um eine optimale Musikwiedergabe zu ermöglichen, wollte stereoplay genau wissen. Mit einem eigens zur Klärung dieses Streits ausgetüftelten Meßverfahren sollte ermittelt werden: Welche Leistung muß ein Verstärker aufbringen, wenn er mit kleinen, mittleren und großen Boxen kräftige Lautstärken erzielen soll?

Da Spitzenwerte auch bei extrem impulsreicher Musik nur sehr kurzfristig auftreten, wurde das Programm so abgestimmt, daß es gerade diese Impulse erfassen konnte (siehe „Das Meßverfahren").

Dazu galt es naturgemäß, relativ hohe Lautstärken einzustellen, die bei Popmusik-Freunden in schalldichten Wohnungen durchaus üblich sind. So schnellte denn bei dem Experiment der Zeiger des Schallpegelmessers, mit dem die Lautstärke überwacht wurde, ab und zu deutlich über die 100 Dezibel-Marke; freilich ein Wert, der in Livekonzerten bei vollem Orchestereinsatz häufig vorkommt oder überschritten wird.

Die Grundgedanken der stereoplay Redakteure

Die benötigte Kraft lieferten zwei echte Wattprotze mit enormen Reserven: Einmal der Accuphase-Verstärker M 60, ein Monoblock, der es an einer Impedanz von acht Ohm auf stattliche 400 Watt bringt. Zum anderen sorgte das Modell „The Power" der amerikanischen Firma Sumo für den nötigen Leistungsnachschub. Das schwere Gerät fördert je nach Lastimpedanz bis zu 1000 Watt zu den Boxen.

Mit diesem Kraft-Angebot mußten drei recht unterschiedliche Lautsprecher fertig werden:

  1. Der kleine englische Chartwell Monitor LS 3/5, der kaum größer als eine dicke Zigarrenkiste ist,
  2. die neue Dynaudio 500, die speziell für große Belastungen ausgelegt ist, und
  3. die nach dem Transmissionline-Prinzip gebaute Standbox Monitor IV der britischen IMF.


Beschickt wurden die Kombinationen dann vorwiegend mit Orchestermusik und eigenen Jazz-Aufzeichnungen mit hoher Dynamik.
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  • Anmerkung : Also eines hatten die Ingenieure bei Stereoplay bereits erkannt, es ist mit dem Messen alles sehr Boxen-abhängig. Und nicht jeder dicke Verstärker bringt an jeder Last die erwarteten optimalen Ergebnisse.

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Jede Menge Meßreihen mit je 200 Einzelwerten

Für jede Box und jeden Musiktitel wurden jeweils Meßreihen mit 200 Einzelwerten (entspricht rund 300 Sekunden Spieldauer) erfaßt. Die Auswertung übernahm der stereoplay-eigene Computer, der auch dafür sorgte, daß die ermittelten Daten aufs Papier gelangten. Die von ihm erstellten Diagramme gaben dann an, wie häufig welche Leistung von den Verstärkern in die Boxen floß.

  • Anmerkung : Hier waren also die Ingenieure am Werk. Und sie machten es wie in den Übungen und Seminaren an der UNI, es wurde alles sehr akribisch von der Theorie her aufgezogen. Nach meiner Meinung sind sie dabei ziemlich über das Ziel hinausgeschossen.
  • Ich hatte bis dahin 2 Erfahrungen gemacht. Der damals voller Stolz selbst gebaute Radio RIM Verstärker machte gigantische 2 x 129 Watt an 4 Ohm (das hatte ich Jahre danach mal nachgemessen) und er klang (und klingt immer noch) wie ein "Piss-Eimer". Da ist der kleine Grundig MVX100 Vorverstärker (von 1980) noch Gold dagegen, denn der klingt ja auch nicht. Später hatte ich damals um 1974 einen sündhaft teuren CROWN DC300A Endverstärker bekommen, der in Wirklichkeit 2 x 300 Watt und mehr an 4 Ohm ablieferte und bereits recht gut "klang". Die CD als hochdynamische Edel-Musik-Quelle samt der CD-Player war ja Mitte 1982 nur unter der Hand zu bekommen.
  • Nach 1985 hatte ich dann sogar 2 CD Player und ab 1989 den angeblich "weltweit einmaligen" und "nie wieder zu übertreffenden" Testsieger, den SONY CDP 557ES. Nun ja , da ist alles vergänglich, aber eines hatte ich auch noch, einen sehr teuren 100MHz 2-Strahl Oszilloscope und mit dem konnte ich etwas sehen, das den meisten Hifi-Hörern nicht bekannt war. Man greift das Audio Signal eines Stereo-Kanals aus dem feststehenden Adio-Ausgang des CD-Spielers mit dem "Channel 1" ab und mit dem "Channel 2" das Lautsprecher- Signal am Ausgang des Endverstärkers.
  • Und dann dreht man auf, bis die Hütte kracht. Ist der Scope (bezüglich seiner Grenzfrequenz) schnell genug, sieht man ganz deutlich die Abflachungen der Spitzenkurven, quasi das Clipping der Endstufe, wenn ihr der Strom ausgeht. Das ist ein viel deutlicherer Beweis, bis wohin die Ausgangsleistung reicht und wann endgültig Schluß ist. Man muß sich nicht mit Watt und Impedanzen und Zahlen rumärgern, man kann es ganz deutlich sehen.

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Beispiele aus den stereoplay Messungen

Am Beispiel der Dynaudio 500 (Diagramm 1) läßt sich nun erkennen, daß bei den 200 Meßwerten 107mal Leistungswerte bis 10 Watt auftraten. 36mal mußte der Verstärker bis zu 20 Watt abliefern; 13mal waren 30 Watt vonnöten.

Bemerkenswert: Während der etwa fünfminütigen Musikwiedergabe gab es immerhin noch zwei Spitzenwerte von bis zu 140 Watt.

Noch gefräßiger zeigte sich die IMF (Diagramm 2). Unglaublich: Viermal waren knapp 400 Watt gefordert, immer dann, wenn ein dicker Paukenschlag und lautes Orchester zusammentrafen. Und selbst die kleine Chartwell-Box mit einer Nennbelastung von 15 Watt, die natürlich mit geringer Lautstärke betrieben wurde, brachte es kurzzeitig auf Extremwerte von 60 Watt (Diagramm 3) - übrigens ohne den kleinsten Defekt.

Es gibt da ganz andere Kriterien - zum Beispiel der QUAD 405

Nach vielen guten Erfahrungen mit diversen Endstufen dachte ich 1975/1976 an nichts Böses mehr und baute in zwei kleinere Diskotheken die "super tollen" und angeblich genial leistungsfähigen 2 x 100 Watt Endstufen von QUAD ein, die QUAD 405. Das sind nämlich besonders gute "Stromladeverstäker", so sagt es jedenfalls der toll formulierte deutsche QUAD Prospekt der Firma Scope. Lese ich mir das heute wieder durch, habe ich immer noch nicht verstanden, ob die anderen weltweiten 99% der großen Endstufen jetzt keinen Strom laden können. Also das war alles ziemlicher Unsinn, das dort geschrieben stand.
Doch etwas Anderes war richtig gefährlich. Diese Endstufen konnten keine Musikleistung verarbeiten bzw. erbringen, die gingen sofort ins knallharte Clipping und zwar so brutal lautstark mit sehr lautem Knacken, daß ich die Endstufen nach wenigen Tagen wieder auswechseln "durfte". Solche lauten Knack-Schläge können Sie selbst ausprobieren, wenn sie einen DAT-Recorder oder Ihren PC analog füttern und dabei kräftig übesteuern. Das knallt vielleicht. Große Boxen an großen Verstärkern können Ihnen da übel mitspielen.

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Natürlich sind die großen Zeiger nur "Show", weiter nichts ...

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  • Anmerkung : Aber das wissen wir doch seit den Messungen der Aussteuerungsinstrumente bei den großen (und kleinen) Tonbandgeräten von vor 20 Jahren schon. Das ist doch alles nichts Neues mehr. Es gefällt aber den Kunden bzw. Zuschauern, mir doch auch, es sieht einfach nostalgisch toll aus. Und bei Accuphase kann man die sogar abschalten. (Aber dann klingt die Musik nicht mehr ganz so schön.)

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Und wie reagierten dabei die Zeigerinstrumente der Accuphase-Endstufen? Sie bewegten sich während der Meßreihe die meiste Zeit in der Gegend zwischen 0,1 und 5 Watt herum; nur selten schnellten sie an die 10 Watt-Marke heran. Daß sie je 100 Watt überwunden hätten, davon bemerkte keiner der stereoplay-Tester etwas.

Fazit: Die Zeiger aller Verstärker sind viel zu träge, um die wahre Spitzen-Leistung zu demonstrieren; das trifft nicht nur auf die Accuphase, sondern auch auf die Leuchtdioden-Anzeigen anderer Modelle zu.
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Und jetzt werden die Korinten gezählt

Hinzu kommt, daß die Leistungs-Anzeigen natürlich nicht den Phasenunterschied zwischen Strom und Signalspannung für die einzelnen Frequenzen berücksichtigen können, und deshalb zusätzliche Fehler verursachen. Die angezeigten Werte darf der Besitzer also nicht allzu ernst nehmen.

Die stereoplay-Testreihe zeigte jedenfalls recht drastisch, daß große Lautsprecher in der Tat Verstärker mit adäquater Leistung erfordern, und daß es keineswegs unsinnig ist, für viel Geld einen wahren Watt-Protz zu kaufen. Freilich ist dabei sehr wichtig, daß die Endstufen ihre Leistung sauber und möglichst verzerrungsfrei abgeben.

Denn wichtiger als die schiere Kraft ist, wie der Verstärker seine Leistung produziert. Was nutzt einem große Lautstärke, wenn die Musik nicht mehr anzuhören ist. 100 saubere Watt sind auf jeden Fall besser als 250 verzerrte.
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Die gut gemeinten Ratschläge der Redaktion von 1982

Dabei spielt die Sinus-Dauerleistung, also die Leistung, die der Verstärker bei sinusförmigem Signal über lange Zeit aufbringen kann, eine untergeordnete Rolle. Sie darf erheblich unter der Spitzenleistung liegen.

So empfiehlt es sich also, für Boxen mittlerer Größe mit mittlerem Wirkungsgrad Verstärker auszuwählen, die eine Spitzenleistung (Musikleistung) von mindestens 120 Watt an acht Ohm abgeben. Für große Lautsprecher mit geringem Wirkungsgrad sind dagegen 300 Watt Spitzenleistung durchaus sinnvoll - die Boxen werden es mit guter Wiedergabe danken.

Ob Sie damit allerdings in der Stammtischrunde gegen die 220 Kilowatt eines Porsche-Turbo- Fahrers bestehen können, müssen Sie schon selbst ausprobieren.

Gerald 0. Dick
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Anmerkung zu diesem Artikel vom Feb. 1982

Die Aussage für den Kauf-Interessenten oder den ganz normalen Leser ist eigentlich "null" zum Vergleich mit dem zeit-Aufwand und den zugekauften teuren Meßgeräten.

Die Hersteller messen die in den Prospekten angegebene Sinusleistung immer an sogenannten "Ohmschen Widerständen". Die haben wir auch, doch die Realität sieht ganz anders aus. Auch ist der Wirkungsgrad exorbitant wichtig für die Auswahl der Verstäkerleistung. Und dann gibt es Randbedingungen, auf die die Tester überhaupt nicht eingehen. Bei den JBL 250 Ti Boxen hatte ich das genauer beschrieben, daß mehrere wirklich gute und leistungsfähige Verstärker mit diesen Boxen einfach nicht klingen, mit den Canton, den HECO und Braun-Boxen sowie den Klipschhörnern aber sehr wohl klingen.

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