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Mythen, Legenden und Voodoo bei Lautsprechergehäusen

Wir schreiben das Jahr 2015 und die Mythen bei den Lautsprechergehäusen sterben einfach nicht aus. Listen wir mal die wichtigsten Materialien auf, aus denen Lautsprecher-Gehäuse bislang gefertigt wurden. Das fängt an bei Pappe, obwohl dieses Material eigentlich ungeeignet ist.
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"Der Charly" ist aus Pappe
  1. Pappe, (er hieß Charly und war rund - und schlidderte ganz knapp an einem Skandal vorbei)
  2. Hartfaserpappe oder Platten
  3. PVC oder sonstige Kunststoffe
  4. Acryl-Glas (auch Plexiglas genannt)
  5. Sperrholzplatten
  6. Tischlerplatten
  7. Spanplatten / Preßspanplatten
  8. Multiplexplatten
  9. MDF (mittel dichte Faserplatten)
  10. HDF (hoch dichte Faserplatten)
  11. Aluminium Guß
  12. Aluminium Bleche und Platten
  13. Eisenguß
  14. Stahlbech
  15. BETON
  16. Schiefer
  17. Marmor
  18. Basalt

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Die tollen Argumente - jeder hat für sich seine eigenen ....

Jeder Verfechter einer (seiner) Technologie verficht sein Konzept bis aufs Messer. Andere Argumente, selbst physikalische Gesetze, gelten einfach nicht. Insbesondere die Schiefer-, Beton- und Marmorfraktion ist da besonders beratungsresistent.

Die meisten Kunden solcher Marmor-Blöcke wollen jedoch ein wertvolles "musikmachendes" extravagantes Wohnmöbel haben, das "die anderen" (meist die Nachbarn und Freunde aus Preisgründen) nicht haben (können). Ich für meinen Teil habe nur wenige Boxen aus einem dieser anorganischen Materialien gehört, die mich wirklich überzeugt haben.

Alle anorganischen Stoffe aus dem Bereich der Steine haben zudem gewachsene Stabilitätsprobleme (mit dem kristallinen Material) an Ecken und Kanten und an "rund" oder "rundlich" ist sowieso fast nicht zu denken.

Und vor allem, diese Art der Gehäusetechnologie ist seit einigen Jahren technologisch überholt. Sich das als Entwickler und/oder Verkäufer einzugestehen, ist psychologisch sehr schwierig.
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Ein Beispiel aus Juli 1973 im fonoforum gesehen

Juli 1973 im fonoforum gesehen

Die Firma KS electronic, eigentlich ja ein Gerätehersteller, bietet auch Lautsprecher an, seit wann, weiß ich nicht. Und dann schalten sie in einem Musik-Magazin solch eine Anzeige :

HiFi der Vernunft.

Wir halten nichts davon, wenn Design auf Kosten vernünftiger Technik gemacht wird.

KS-Boxen sind nicht entwickelt worden, um irgendeinen Schönheitspreis zu gewinnen. Nicht die Augen, sondern die Ohren wirklich kritischer, anspruchsvoller HiFi-Freunde sind für uns der Maßstab.

Wir von KS setzen ein Optimum an technologischen Möglichkeiten ein, damit Sie Musik so naturgetreu wie möglich hören und erleben können. Objektive Testreihen bestätigen immer wieder, daß uns das „sehr gut" gelungen ist. Dieser Erfolg hat seine Gründe: Neuentwicklung der Membrane von Hoch- und Mitteltöner, ganz neues Baßsystem, Frequenzweiche mit 6 anstatt (wie üblich) 12-18 dB Flankensteilheit.

Besonders hochwertige, bestgeeignete Chassis zur Resonanz-Minimierung. Und das alles bis ins Detail in handwerklich beispielhafter Verarbeitung. Daß sich KS-Boxen außerdem auch noch sehen lassen können, bekommen wir Tag für Tag zu hören. Und sehen Sie, wir hören es gar nicht einmal ungern.
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Kommentar :

Sie wußten es nicht besser und hatten vermutlich auch nicht die Expertiese, sich damals schon - zumindest in der Physik - gründlich kundig zu machen. Sonst hätten sie solch einen Text nie verfaßt. Man liest aber daraus indirekt, daß "die anderen" auch nicht besser waren. Fast alle Boxen hatten damals den Zigarrenkisten-Klang.

Alle drei asymmetrischen Gehäuseformen im oberen Teil würden um Klassen besser geklungen haben als deren fünf viereckige Kisten unten im Bild.

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Warum eigentlich Steine oder anorganische Materialien ?

Das große Problem der historischen Lautsprecherboxen aus Holz ist doch die Gehäuseresonanz, die jedem symmetrisch rechteckigen Lautsprecher einen Eigenklang bescherte. Viele viele Boxen klangen doch wie eine Zigarrenkiste oder eine Holzschachtel oder ein Pappkarton. Alleine diese Papp-Box "Charly" war eine runde Papp-Röhre - mit anderen Macken

Einer der ersten, der zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen hatte, war 1968 der Professor Bose von BOSE mit der 901, einer fünfeckigen Box mit erstaunlich resonanzfreier Basswiedergabe und einer ganz besonderen Stereowiedergabe. Auch Grundig mit seinen ersten Audiorama 7000 Kugel-Boxen (1971) hatte solche resonanzfreien Gehäuse, denn die Kugel an sich ist bereits resonanzfrei, Halbkugeln und "Dreiviertelkugeln" natürlich auch..

Doch es geht ja noch viel weiter in der modernen Gehäuse-Entwicklung.
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Die Idee war eigentlich ganz simpel : Mathematik

Wie kommen diese Resonanzen zustande ? Ein pfiffiger Mitmensch kam irgendwann auf die Idee, das mal genauer zu erforschen, also nicht mit 10cm dicken Holz- oder Steingehäusen empirisch die Grenzen "zu erproben", also, ab wann es nicht mehr resoniert, sondern ganz systhematisch das "Warum" und die Entstehung von Resonanzen mathematisch (in Formeln) zu beschreiben.

Wir können uns das in etwa so vorstellen, daß eine Gehäuseresonanz überwiegend durch sogenannte planparallele Wände begünstigt wird. Doch auch Auto-Karossen oder Toaster oder Kühlschränke sind zwar asymmetrisch, können aber dennoch resonieren. Beim Lautsprecher sind es die Seitenwände, Deckel und Böden, die von der Tiefton-Membrane angeregt werden und die Wellen schwingen dazwischen hin und zurück und schaukeln sich auf. Gäbe es keine parallellen Wände, käme der Effekt (fast) nicht vor, das Gehäuse wäre akustisch tot. Und das wäre der Idealfall.

Als 1984 die JBL Pyramiden JBL Ti 250 und JBL Ti 1000 - immer noch auf der Basis von Span- oder Tischlerplatten - auf den Markt kamen, bestaunten die Fachleute eine völlig irre resonanzfreie Basswiedergabe. An diesen Boxen waren fast keine Wände mehr parallel. Alles war einfach nur schief und dennoch optisch ansehnlich. So einfach war das, leider war das aber auch sehr teuer.
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So wurde ein Simulationsprogramm auf dem PC entwickelt

Dieser pfiffige Programmierer hat die Mathematik dazu benutzt, "die Resonanz" in mathematische Formeln zu packen (das ist natürlich sehr stark verallgemeinert) und die möglich und unmöglichen Gehäuse-Bauformen und Flächen und Radien einzupflegen, sodaß das Ergebnis der (vermutlich recht komplexen) Formel am Ende Null sein sollte - also 0 Resonanz.

Das Problem vor Jahren war nur (abgesehen von der inzwischen erheblich gewachsenen Leistungsfähigkeit der 4 Kern CPUs), daß diese errechneten und simulierten "akustisch toten" Gehäuse rein theoretischer Natur waren, weil die Gehäuse einfach nicht kostengünstig für die Masse hergestellt werden konnten. Sie waren asymmetrisch gerundet, aber nicht ganz rund und auch nicht ganz eckig, eigentlich waren sie nur schief oder schepp und das von allen Seiten. So konnte man das Gehäuse (damals) einfach nicht herstellen.
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Die moderne "MDF" Herstellung löste jetzt das Problem . . .

MDF steht für "Mittel Dichte Faserplatte", also keine bekannte Presspanplatte oder Baumatte, sondern ganz kleine verleimte Holz-Fasern. Die MDF Platten sind nicht nur sehr schwer und sehr stabil, sie lassen sich in nahezu jeder beliebigen - auch asymmetrischen - Rundung fabrikmäßig in Groß- und Einzel-Serie und vor allem kostengünstig herstellen. Dazu sind sie (aus Holz und) gut zu verleimen und halten auch die notwendigen metallnen Krallenmuttern für kleine und große Chassis aus. Und am Ende hält/klebt auf dem MDF Material auch jedes Holz-Furnier.

Will man es dann "noch" eine Stufe besser haben, nimmt man HDF Platten, das sind "Hoch Dichte Faserplatten". Das HDF ist zwar wieder etwas teurer und wiederum schwerer, hat also ein noch höheres spezifisches Gewicht. Doch diese Gehäuse sind dann akustisch noch "toter" als tot. (Kann man "tot" steigern ?)

Und das alles schaut man sich vorher als errechnetes 3D Modell am modernen Groß-Bildschirm erst mal in aller Ruhe an, und schickt die Musterbaupläne (also die Datei der 3D Konstruktion) per e-mail an den MDF Hersteller, der, CNC rechnergesteuert, nach wenigen Tagen die ersten Muster beim Auftraggeber einlanden läßt.
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Das Verrückte daran ist ...... wenn Sie dann mal in den "Blödmarkt" kommen, sind Sie völlig verblüfft . . .

Würden Sie mit einem Abstand von einigen Monaten ab und zu mal in einen der großen Elektromärkte rein bummeln und Sie schaun sich mal in der 500 Euro Preisklasse um (auch in den dortigen sehr bescheidenen Hifi-Studios), so sehen Sie erstaunliche Boxen und machen ganz erstaunliche Erfahrungen.

Diese relativ kleinen Boxen klingen verdammt gut. Klopfen Sie dann mit dem Zeigefingerknochen (der Klopftest der alten Hifi-Verkäufer) die Gehäuse mal von allen Seiten ab, hören sie ein dumpfes Klopf Klopf, nicht mehr die helle Zigarrenkiste von früher und läßt der Verkäufer dann noch etwas seriöse Musik laufen, also kein heavy Metall, dann stehen sie entgeistert stumm davor.

Es müssen also gar keine 6.000 und mehr Euronen mehr sein, es sei denn, Sie suchen explizit High-End Edel-Hifi zu imagesteigernden High-End Edel-Preisen.

Das klingt ganz beachtlich nach wirklich gutem Hifi. Und vor allem für (inzwischen) erstaunlich wenig Geld. Jetzt sind wiederum die Chassis-Hersteller und die Elektroniker mit den Frequenzweichen gefragt, die dann das letzte an edler Hifi-Qualität herausholen können. An den Gehäusen liegt es nicht mehr.

Es soll aber auch nicht verschwiegen werden, daß es oberhalb von 500 oder 1.200 Euro durchaus qualitativ beachtenswerte Boxen gibt, die ihren deutlich höheren Preis auch wert sind. Doch dafür sollten Sie in ein richtiges Hifi-Studio gehen, nicht in den Blödmarkt.

Und jetzt "meine Meinung" : Oberhalb von ca. 12.000 Euro für ein Paar Boxen sind Sie am Ende der Vernunft und der Realität angekommen und jetzt sollten Sie ganz vorsichtig professionelle medizinische Hilfe in Anspruch nehmen. Sie wissen schon, was ich meine.
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