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1980 - Über den Deutschlandfunk im Radeberger Gürtel

Der Deutschlandfunk ist einer der wenigen Sender, die sogar ich heute noch höre. Heute in 2012 kommt er über das Internet und über Satellit, aber auch über UKW. Das war fürher nicht so. Der Sender Mainflingen (des hessischen Rundfunks) wurde bereits abgeschaltet und verschrottet bzw. verkauft. Doch Propgramm wird immer noch gemacht.

Heinrich Böll über die Radeberger Straße

„Im spitzen Winkel von der Bonner Straße ab führte die Radeberger Straße; ich weiß nicht mehr zu unterscheiden, ob mich spätere Spaziergänge in den Vorstädten von Odessa an die Radeberger Straße erinnerten oder die Erinnerung an die Radeberger Straße mir jetzt wie die an Odessa vorkommt. Links am Anfang der Straße ein vernachlässigtes, zweistöckiges Bauernhaus; in dessen Hof Zigeunerwagen, ein bellender Hund, ein Tanzbär, den eine junge Zigeunerin vergeblich mit einem Tamburin in Schwung zu setzen versuchte: müde, schmutzig, braun, wohl hungrig, verweigerte der Bär Aktivität und Optimismus.

Rechts der große, schon geräumte Judenfriedhof, noch Grabsteine darauf, doch schon der Planierung anheim gegeben (mein älterer Bruder brachte später manchmal Gebeine mit, die er auf dem Heimweg dort fand; ich erinnere mich eines wohlerhaltenen, mir sehr groß erscheinenden Kiefernknochens, der dunkle Märchenmorde und Mordmärchen wirklich machte). Wieder links, zwischen alten Obstbäumen, schon aufgegeben und halb verfallen, das große
Tanzlokal, ein seinerzeit beliebtes und bekanntes Arbeiter- und Soldatenbums. Das alte, dunkelblaue Kopfsteinpflaster der Radeberger Straße brachte Stühle, Kisten, Geschirr zwar ein bißchen in Bewegung, doch nichts ins Rutschen..."

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Babylonisch für Deutschland und Eropa
Der Deutschlandfunk: Sender, Studios und Programme

Lutz Findeisen und Henning Kriebel berichten in der ELO 1980 Heft 12 über diesen Sender.
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An diese Worte Heinrich Bölls, die der Deutschlandfunk, beheimatet am Radeberger Gürtel, anläßlich der Eröffnung seines neuen Gebäudes im Frühjahr dieses Jahres der Festschrift beifügte, erinnert heute nichts mehr. Vielmehr gehen die Gedanken beim Betrachten des rund 20stöckigen Hochhauses, in dem Technik und Verwaltung des Deutschlandfunks, gemeinsam mit der Deutschen Welle, nun untergebracht sind, eher in Richtung Babylon. Dazu trägt auch bei, daß neben dem ganztägig ausgestrahlten deutschsprachigen Programm abends über einige Sender 14 Stunden Fremdsprachenprogramme in alle Richtungen Europas gesendet werden.

Sicherlich enthält das Programm auch einige gehörige Portionen Lyrik. Wir aber wollen uns in diesem Bericht in erster Linie auf die Technik konzentrieren. Und dafür besuchten wir den Deutschlandfunk in Köln und einen seiner modernsten Sender in der Nähe von Münster.

Ein Programm für ganz Deutschland

Zitieren wir zunächst das Gesetz über die Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts vom 29. November 1960. Dort heißt es im Zweiten Abschnitt „Rundfunksendungen für Deutschland" unter § 5 „Errichtung, Name, Aufgabe":

„(1) Zur Veranstaltung von Rundfunksendungen für Deutschland und das europäische Ausland wird eine gemeinnützige Anstalt des öffentlichen Rechts mit dem Namen Deutschlandfunk errichtet. Die Sendungen sollen ein umfassendes Bild Deutschlands vermitteln."

Damit ist der Programmauftrag des Deutschlandfunks eindeutig definiert. Nun ist es sicher zwar einfach, ein entsprechendes aktuelles Programm zu liefern. Schwieriger wird es, wenn man in diesem Programm auch noch Kultur mit all ihren Spielarten (Musik, Literatur, Kirche und Wissenschaft) unterbringen will.

Diese Schwierigkeiten sieht auch Dr. Peter Kliemann, DLF-Kulturdirektor: „Wir müssen alles auf einer Schiene vereinigen." Wie das geschieht, zeigt ein Blick in das Programmschema des DLF. Hier geht es schon - im Gegensatz zu den anderen Rundfunkanstalten - um 5.05 Uhr los. Dr. Kliemann: „Wir fangen um diese Zeit an - mit Blick auf die Hörer in der DDR."

Dieser Programmblock mit Musik und Informationen zieht sich bis 8.00 Uhr durch. Immer wieder unterbrochen mit halbstündigen Nachrichten. Danach folgt ein mit Musik und Literaturdurchsetztes Programm, das um 11.50 Uhr wieder von einem aktuellen Teil abgelöst wird. Von 13.30 Uhr bis 17.00 Uhr gibt es dann wieder Kulturprogramme, dazwischen stündlich Nachrichtensendungen, von denen der Deutschlandfunk täglich 29 Stück produziert. Der aktuelle Teil, der sich daran anschließt, geht bis 19.10 Uhr. Und wenn dann die Hörerzahlen wegen des Fernsehens rapide abfallen, hat - abgesehen von einigen Tagen in der Woche - das Kulturprogramm erneut Vorrang.

Das Nachtprogramm beginnt kurz nach Mitternacht und wird unabhängig vom gemeinsamen Nachtprogramm der ARD gestaltet. Dr. Kliemann erläutert dies: „Wir müssen das Programmgedächtnis des Hörers mobilisieren." Das heißt nichts anderes, als daß der Deutschlandfunk auf seine Art immer im Äther präsent sein will.

Die Mischung von aktuellem und kulturellem Programm ist im Grunde vorbestimmt. Immer wieder betonen die Verantwortlichen des Deutschlandfunks, daß es ihre Hauptaufgabe sei, über Deutschland zu informieren. Die Programmacher sind sich jedenfalls sicher, daß ihnen das gelingt. Dr. Kliemann: „Das Programm soll sich innerhalb des Tages so abwechseln, daß man es über einen längeren Zeitraum vertragen kann.

Also: ein Wechsel verschieden Musik, unterschiedlicher Wortbeiträge, und letztere verschieden aufgemacht. Im Tagesablauf entsteht also eine bunte Mischung. Aber innerhalb dieser Mischung sollen gewisse Schwerpunkte für den Hörer auffindbar sein." Daß es immerhin noch einen Musikanteil von 55 % gibt, ist erstaunlich. Dr. Kliemann weiß: „Das ist im Grunde zu wenig, aber wir behalten diesen Programmanteil, weil wir nicht gegründet wurden, um zu unterhalten, sondern vorwiegend, um zu informieren. Über alles, was in Deutschland passiert-für Deutschland und Europa."

Daher ist dieses Progamm auch schwergewichtiger als etwa die ersten Programme der anderen ARD-Anstalten, mit denen es im Grunde vergleichbar ist.

1,4 Millionen Hörer täglich

Diese Zahl wurde anläßlich einer ARD-Umfrage im Jahre 1978 ermittelt. Darin haben sich sicherlich noch nicht die geänderten Hörgewohnheiten nach der Wellenkonferenz 1978 niedergeschlagen. (Übrigens bedeutet 1,4 Millionen Hörer täglich, daß von jedem dieser Hörer das Programm des DLF mindestens eine Viertelstunde pro Tag eingeschaltet gewesen sein muß.)

„Die Haupthörzeit ist der Morgen" erklärt Dr. Kliemann. Und man glaubt auch, daß 30 bis 40% der Rundfunkhörer der DDR den Deutschlandfunk täglich hören. In der Bundesrepublik tut man sich mit den Einschaltzahlen einstweilen noch schwer. Zwar hören 40% aller Rundfunkhörer täglich die Mittelwelle, aber es gibt nur 2% Langwellenhörer. Und das ist für den Deutschlandfunk besonders schmerzlich, nachdem mit den Frequenzen auf 209kHz und 155kHz eine recht gute Flächenabdeckung für die Bundesrepublik erreicht wird.

Daß es noch Versorgungslücken gibt, sagen wir an anderer Stelle. Und auch, daß man sich von evtl. künftigen UKW-Frequenzen eine bessere Versorgung verspricht. Aber mit einem zukünftigen Satellitenrundfunk, der allerdings auf Jahre hinaus noch Utopie bleiben dürfte, gäbe es auch für den Deutschlandfunk ganz andere Möglichkeiten.

Und so fabuliert Dr. Kliemann mit einem hoffnungsvollen Blick in die Zukunft vor sich hin: „Was mir persönlich auf lange Sicht sehr wünschbar erschiene, ist, daß wir von den Frequenzen und Sendern her so ausgestattet wären - mit Blick auf künftige technische Möglichkeiten -, daß wir einmal das Programm, das wir jetzt machen, besser zum Hörer bringen und daß sich schließlich daraus die Chance ergibt, noch eine zweite deutschsprachige Schiene anzubieten." Und damit wäre der Traum vom Empfang des Deutschlandfunks über jede Kofferradioantenne via Satellit erfüllt...

Studios - für Frisches und Konserve

Wer Programm macht, braucht auch die entsprechenden Einrichtungen. Und die sind nach dem Umzug des Deutschlandfunks in dem neuen, vom Bund finanzierten Hochhaus am Radeberger Gürtel wahrlich modern konzipiert.

Das erste provisorische DLF-Sendestudio mit Schaltraum und Sendetonträger, das ab 1962 benutzt wurde, hatte man im runden Swimmingpool einer Köln-Marienburger Villa der 20er Jahre installiert. Das neue Haus nennen die Deutschlandfunker stolz ihr „Technisches Quadrat": in drei Geschossen übereinander befinden sich dort ihre Arbeitsräume.

Von unten nach oben: Archiv, Produktion, Sendung. Die Produktion umfaßt heute 14 Regieräume mit sieben Produktionsstudios. Warum immer zwei auf einen, erläutert der Technische Direktor des Deutschlandfunks, Werner Hinz: „Die Produktion ist immer im Quadrat angeordnet. Hier haben wir ein Studio und rechts und links einen Regieraum. Das ist ungewöhnlich, aber man kann bestimmte Dinge besser ineinanderschachteln, weil zu bestimmten Tageszeiten plötzlich eine Menge Leute auftauchen. Und alle brauchen ein Studio, weil sie ihre Sendung haben. Und dann fängt's hier an zu knüppeln." Es knüppelt vor allem deswegen, weil sich die politischen Ereignisse erst im Laufe des Tages entwickeln. Engpässe gibt es aber aufgrund dieser Konzeption nicht.

Zu diesen Einrichtungen kommt ein weiterer Regieraum mit einem Studio - also in Normalausführung. Schließlich hat man noch den großen Sendesaal sowie einen Hörspieltrakt mit drei weiteren Studios, die in Kürze in Betrieb gehen werden.
Für den Sendebetrieb gibt es vier weitere normale Studios, „weil wir am Abend mehr als ein Programm haben", so Werner Hinz. Und zwar werden in diesen Stunden die Sender Neumünster für Skandinavien und Westeuropa sowie Mainflingen für Osteuropa vom deuschsprachigen Programm ausgekoppelt.

Dazu kommt ein halbstündiges tägliches Programm über den UKW-Sender Bonn in Englisch, Französisch und Spanisch - für das dort ansässige Personal der Botschaften.

Im übrigen strahlt dieser Sender das „normale" DLF-Programm aus.
Dr. Peter Kliemann, DLF-Kulturdirektor: „Wir wurden nicht gegründet, um zu unterhalten, sondern vorwiegend, um zu informieren."

Werner Hinz, Technischer Direktor des DLF: „Alles geht fix und fertig verpackt an die Deutsche Bundespost. Von der Post verlangen wir einen hohen Modulationsgrad, das ist alles."

Eine weitere Trennung vom normalen deutschsprachigen Programm ist erforderlich zur Ausstrahlung des amtlichen Seewetterberichtes über den Sender Neumünster und nachts auch über den Sender in Mainflingen. Das Aktualitätenstudio wird etwas abseits im Zweimannbetrieb gefahren. Wer den Deutschlandfunk hört, weiß warum. Durch die vielen Telefonate würde nämlich der Tontechniker zu stark von seinen Regieaufgaben absorbiert. Also stellt man ihm einen zweiten Mann zur Seite.

Das Herz - Der Schaltraum

Technisches Herz in Köln ist der „Zentrale Schaltraum". Hier laufen sämtliche Leitungen von allen Studios zu allen Studios zusammen. In Zukunft wird es hier einen Kleinrechner geben, so daß man diese Schaltungen auf die bestmögliche Weise abwickeln kann. Immerhin, ein wenig Computer gibt es auch heute schon.

Dazu Werner Hinz: „Der Schaltraum arbeitet überwiegend von Hand, hat aber auch gewisse Hilfen. Es gibt einmal den Sternpunktanschluß, das ist ein sehr großes Satellitenrechnersystem mit der Mitte Frankfurt und seinem Zentralrechner und Kleinrechner bei allen Rundfunkanstalten. Die Bestellung von Sendungen erfolgt über Fernschreibmaschinen mit Anzeigen über Monitore."

Geplant ist auch eine Rechnerunterstützung für die Schaltung der richtigen Modulation auf die richtigen Sender und eine Kontrollmöglichkeit bei der Sendeleitung. „Alles geht fix und fertig verpackt an die Deutsche Bundespost. Verpackung heißt hier auch Beschneidung der Höhen, Präsenzanhebung und Kompression," stellt Werner Hinz fest: „Von der Post verlangen wir einen hohen Modulationsgrad, das ist alles." Im täglichen Betrieb hat sich das dann alles zu bewähren.

Neben den Tätigkeiten der Sprecher an den Mikrofonen der Sendestudios trägt der Leiter vom Dienst Verantwortung für den ordnungsgemäßen Ablauf der Programme. Dem Besetzungsbüro obliegt es, Schauspieler und Sprecher zur Mitwirkung an einzelnen Sendungen zu engagieren. Aufnahmeleiter bzw. Producer betreuen den Produktionsprozeß. Die Disposition regelt die Nutzung der rundfunktechnischen Einrichtungen einschließlich der Übertragungswagen, von denen es fünf gibt, und Leitungsbestellungen.

Toningenieure und Tontechniker stellen Bandaufnahmen, Kopie und Umschnitte her; sie führen Programmübertragungen aus. Schaltungen für Konferenzen mit auswärtigen Teilnehmern werden ausgeführt, Leitungsverbindungen hergestellt. Das DLF-Netz wird zu festen Zeiten in verschiedene Programmschienen aufgetrennt und entsprechend der Programmstruktur wieder zu einer Kette zusammengefaßt.

Platten und Bänder werden beschafft, bereitgestellt, zur Sendung oder Produktion angeliefert und für spätere Verwendung aufbewahrt.

Andere mit Programm versorgen

Die Redaktionen werden mit verlangten Informationen versorgt. Veranstaltungen werden vorbereitet und termingemäß verwirklicht. Daß man auch in der Organisation noch einiges tun kann, weiß Werner Hinz genau: „Der Redakteur sucht die Bänder aus dem Archiv. Er brauchte eigentlich eine Datenbank." Meist scheitern solche Vorhaben an den Finanzen, die zwar beim Deutschlandfunk ausreichen, die aber andererseits auch keine Investition in grenzenloser Höhe ermöglichen.

Wir machen Hifi - aber wir senden es nicht

Natürlich ist man im Hause des Deutschlandfunkes darüber betrübt, daß alle Sendungen nur über die amplitudenmodulierten Mittel- und Langwellensender ausgestrahlt werden. Daß insbesondere Musik dabei nicht besonders schön klingt, ist selbst unseren Hi-Fi-verwöhnten Kindern schon bekannt.

Um die Verständlichkeit zu erhöhen, macht man eine Beschneidung der unteren Frequenzen, von 1000 Hz ab mit 10 dB pro Oktave, und eine Präsenzanhebung bei 3,5 kHz. Zwar gibt es bestimmte Musikarten, etwa Soloaufnahmen bestimmter Instrumente, bei denen das nicht so stört, aber die Musik auf bestimmte modulationsbedingte Sparten zu begrenzen, würde dem Auftrag des Deutschlandfunks widersprechen.

Wir könnten sogar Stereo senden

Und so hoffen denn Technik- und Programm-Macher auf die wahrscheinlich einmal kommenden UKW-Frequenzen. Und hier könnte man auch in Stereo in die Luft gehen, denn Produktions- und Sendestudios sind heute schon überwiegend stereofon ausgerüstet.
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Für eine Verbesserung der Übertragung würde es allerdings bereits genügen, wenn man auf der Empfangsseite die Höhen wieder hinzufügen könnte, die man auf der Sendeseite weggenommen hat. Ein altes, von SEL entwickeltes Verfahren könnte hier einen Durchbruch bringen - allerdings nur dann, wenn auch entsprechende Steuersignale über Mittel- und Langwelle mitübertragen werden könnten. Bei Musik würde man diskrete Töne aufsetzen, bei Sprache genügt Rauschen. Und dies erinnert, wie wir vor Jahren schon selbst gehört haben, sehr stark an UKW-Qualität.

Der technische Fortschritt ist zwar schnell, aber wie lange es zur Einführung einer solchen Technik dauern wird, weiß heute niemand.
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Ein Programm geht in die Luft

Für den Transport des mühe- und liebevoll gemachten Programms - auf das man im Kölner Funkhaus zu Recht stolz sein kann - zu den Hörern steht dem DLF ein Sendernetz mit einer Gesamtleistung von 3.151kW zur Verfügung (tagsüber).
750kW davon verbreiten die am Raderberger Gürtel produzierten Unterhaltungs- und Informationssendungen auf zwei Frequenzen im Langwellenbereich, 2.400kW verteilen sich auf sechs Mittelwellensender und vier Frequenzen.

Bleibt noch ein einziges Kilowatt übrig, das aber trotzdem erwähnenswert ist. Diese vergleichsweise geringe Leistung nämlich ist ein bescheidender Anfang vom Traum der Deutschlandfunker: Im Bereich Bonn hört man den DLF nämlich auch schon auf der UKW-Frequenz 89,1 MHz. Bescheidener Anfang oder bleibende Ausnahme? Am DLF soll's und wird's nicht liegen. Aber, wie uns Werner Hinz versichert, sind „Frequenzen äußerst begehrt und, wenn es um UKW-Frequenzen geht, sogar noch begehrter."
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Bleibt zu hoffen, daß beim bevorstehenden Frequenzgerangel um den Bereich 100 bis 104 MHz (und später bis 108 MHz) auch für die Kölner Deutschlandfunker etwas abfällt.

HF zur Miete - oder wie man ohne Sender sendet

"Hoch-Frequenz zur Miete" - 
Nun, ganz ohne Sender geht's zwar nicht, aber es geht ohne eigene. Von all der 3.151kW hochfrequenzerzeugenden Elektronik gehört dem Deutschlandfunk nicht ein einziger Kondensator! All das kann man nämlich mieten, ganz offiziell und bürokratisch bei der Deutschen Bundespost. In der Fernmeldegebührenordnung steht sogar drin, was das kostet.


Sollten Sie also im „Besitz" einer zugelassenen Rundfunkfrequenz sein, brauchen Sie nur einen entsprechenden Antrag zu stellen. Und ein paar Millionen Mark pro Jahr sollten Sie auch an Gebühren für einen „ordentlichen" Sender in der Tasche haben, denn Senden mit hoher Leistung ist ein teures Vergnügen. Beim DLF weiß man das sehr wohl, muß man doch - wie die Haushaltsrechnung Jahr für Jahr ausweist- rund 30 Millionen an Senderkosten auf das Konto der Deutschen Bundespost überweisen.

Nebenbei bemerkt, auch der Transport der Niederfrequenz vom Funkhaus zu den einzelnen Sendern kostet Geld. Knapp 3 Millionen zahlte der DLF 1979 allein an Leitungsgebühren. Auch in der Rundfunktechnik ist es eben nicht gut, eine lange Leitung zu haben.
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Die Post tut was für ihr Geld

Diese Meinung wird nicht von allen Bundesbürgern geteilt, das wissen wir. Aber zumindest im Fall Deutschlandfunk hat dies uneingeschränkte Gültigkeit. Kommen wir nochmals auf die einzelnen Sender des DLF und ihre Standorte zurück. Nach dem Inkrafttreten des Genfer Wellenplans von 1975 darf der Deutschlandfunk seit November 1978 auf mehr Wellen und zum Teil mit erhöhter Sendeleistung sein Programm abstrahlen.

So ist z. B. die Langwelle 209kHz für die Kölner Rundfunker ein völlig neues Gefühl. Auch für die Post war diese Frequenz neu, ein entsprechender Sender stand nicht zur Verfügung und konnte auch nicht rechtzeitig beschafft werden. So ging man bei „Postens" auf die Suche und wurde auch alsbald fündig.

Da stand nämlich in Eching bei München ein 500kW Sender der Voice of America (VoA) nutzlos und eingemottet in der Gegend herum. Hoffnungslos veraltet zwar und auch nicht mehr ganz betriebstüchtig; darüber hinaus auch noch ohne eigene Stromzuführung, so daß er über einen Generator mit Dieselkraftstoff „befeuert" werden muß, aber ansonsten genau das, was man suchte. Also zahlt die Post nun ihrerseits Leihgebühren an die VoA, man restaurierte den Sender, und seitdem ist die informative Kölner Welle auch auf dieser Frequenz gut zu hören, allerdings nur am Tage. Der Museumssender hat nämlich eine ebenso altertümliche Antennenanlage, mit der man nicht die des Nachts geforderte Ausblendung nach Süden und Osten durchführen kann.

Sender über Sender

Aber ein Sender und eine neue Antennenanlage sind schon in der Planung. Ebenso soll dem zweiten Langwellensender in Donebach (Odenwald) ein - ebenso wie der bestehende - 250kW leistender Sender zur Seite gestellt werden. Im Parallelbetrieb stehen dann dort die erlaubten 500kW zur Verfügung. Das Prinzip mit zwei parallelgeschalteten Sendern hat übrigens auch Vorteile: Sollte nämlich einer der Sender ausfallen oder aus Wartungsgründen abgeschaltet werden, kann man nämlich immer noch mit halber Leistung „in der Luft sein". Die 3dB Leistungsrückgang werden allenfalls von den Hörern an der Grenze des Versorgungsgebietes wahrgenommen. Aktive Reserve nennt man das unter Senderleuten.
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Auch im Mittelwellenbereich wurde man bei der Post aktiv. Bei Thurnau in Oberfranken entstand für die Frequenz 549kHz eine vollkommen neue Senderanlage. Im Gegensatz zur Langwellenkonzeption wird hier mit einer sogenannten passiven Reserve gearbeitet. Das heißt nichts anderes, als daß zwei komplette Sender voller Leistung - in diesem Fall 100kW - vorhanden sind, von denen jeweils nur einer Betrieb macht. Der andere wird im Störungsfall über eine Ablöseautomatik innerhalb von ein paar Sekunden hochgefahren und auf den Strahler - die Antenne - geschaltet. Auch in diesem Fall merkt der Hörer kaum etwas von einem Ausfall. Eine Senderanlage gleichen Typs und gleicher Leistung entsteht im Moment in Nordkirchen im Münsterland. Die Gelegenheit für einen Abstecher von Köln aus war günstig.

Zivile Töne aus einem militärischen Sender

Johannes Schmitz, Pressereferent der Oberpostdirektion Münster, holte uns vom Bahnhof ab (verabredetes Erkennungszeichen: etwas Postgelbes in der Hand) und erzählte uns während der Autofahrt zum Sendergelände einiges über die kurze Geschichte der Sendestelle Nordkirchen: „Als wir uns vor die Aufgabe gestellt sahen, von hier aus zu senden, hatten wir überhaupt nichts." So rückte also erst einmal die Bundeswehr an und besetzte den in Genf 1975 dem DLF zugeteilten Standort auf eine äußerst friedliche und zivile Art.

Übergangsweise - also bis zur Lieferung des ersten Senders durch die Firma AEG-Telefunken - übernahm ein militärischer Sender die Programmstrahlung für den Deutschlandfunk. Davon ist heute nichts mehr zu sehen, aber behelfsmäßig geht es in Nordkirchen trotzdem noch zu. Lediglich die beiden Sendemasten stehen schon in ihrer endgültigen Konzeption.

Zwei sind es deshalb, weil auch von Nordkirchen aus nicht rundgestrahlt werden darf. Ein belgischer Gleichwellenbenutzer verlangt eine Ausblendung - d. h. eine Leistungsreduzierung - nach Westen. Deshalb steht dem eigentlichen Sendemast ein Reflektormast im Weg und reduziert die in dieser Richtung abgestrahlte Hochfrequenzleistung. „Nicht ganz hundert Meter", so hören wir, „sind die Masten hoch. Eigentlich ist das zu wenig, um ideal an die Sendefrequenz angepaßt zu sein." Purer Geiz ist der Hintergrund dafür, denn so konnte man gerade noch auf eine Mastbefeuerung zur Flugsicherung verzichten.

Sender lassen sich „ausknipsen"

Irgendwo muß dem Sender jedoch die richtige elektrische Länge des Mastes „vorgegaukelt" werden. Ein kleines Häuschen am Fuß des Antennenmastes enthält die dafür erforderlichen Antennenabstimmittel. Induktiv und kapazitiv wird hier der Scheinwiderstand der Antenne auf den vom Sender geforderten Wert von 50 Ohm gebracht.

Bei einem Blick in dies Antennenhaus wäre der Sender beinahe unserer journalistischen Neugier zum Opfer gefallen. Selbstverständlich mußte fotografiert werden, mit Blitzlicht natürlich. Niemand dachte dabei an den installierten UV-Sensor - eine hochempfindliche Fotozelle, die den Sender bei Lichtbogenüberschlägen im Antennenhaus vor Schäden schützen, d. h. abschalten, soll. Und knallen oder funken kann es dort schon mal, ausgelöst durch stark ionisierte Luft bei Gewittern oder durch Nahrung bzw. Zerstreuung suchende Insekten, die sich dabei zwischen die Spulen und Kondensatoren verfliegen.

Zerstreut werden sie dann wirklich: in alle Winde...

Nun, unsere Blitzerei ging noch einmal gut, wie wir beruhigt am Kreuzzeiger-Instrument feststellen konnten. Daran läßt sich nämlich auf einen Blick sowohl die abgegebene Ausgangsleistung des Senders als auch der Grad der Fehlanpassung an die Antenne ablesen - Funkamateure können von einem solchen Instrument nur träumen, zumindest in der Präzision.
Übrigens: Unsere Blitzerei war doppelt erfolglos. Ein Schutzgitter, das dem optischen Gucker im Wege stand, ließ die Abstimmittel nur noch schemenhaft erkennen.

Die Senderromantik ist dahin

Der Sender steht noch ganz behelfsmäßig in einer Holzbaracke, das Sendergebäude befindet sich noch im Rohbau. Wer noch die alten Mittel- und Langwellen- Großsender in offener oder halboffener Bauweise mit ihren meterhohen Kupferspulen, Trafos und zahlreichen Hochleistungsröhren kennt, sieht sich beim Anblick des poppig mausgrau lackierten Kastens in Standard-Containergröße bitter enttäuscht.
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Aber dieser Kasten hat es in sich, wie man uns versichert.
Ein im Großsenderbau völlig neuartiges Konzept sorgt nämlich für einen bisher nie erreichten Wirkungsgrad. „Früher wurden nur gute 40% der vom Netz aufgenommenen Leistung in abgegebene Hochfrequenz umgesetzt. Dieser nach dem PANTEL (PDM-AN-odenmodulationssystem TELefunken, d. Red.) - Verfahren arbeitende Sender aber bringt es auf einen Gesamtwirkungsgrad von rund 70%", erklärt man uns.

Einen kühlen Kopf behalten...

Die Frage, wo denn die restliche aufgenommene Energie bleibt, ist schnell beantwortet: Sie wird zu Wärme. Und die muß natürlich irgendwie abgeführt werden. Zwei getrennte Kühlsysteme sorgen dafür, daß es dem Sender bei seiner Arbeit nicht zu warm wird. Da gibt es einmal die Luftkühlung, die hauptsächlich für die Kopfkühlung der Leistungsröhren zuständig ist. Bei ein paar hundert Ampere Heizstrom werden die sonst nämlich schon ganz schön warm, auch wenn ihnen noch gar keine Leistung entnommen wird.

Daneben wird auch den Leistungshalbleitern (z. B. in den Hochspannungs- gleichrichtern) und einigen passiven Bauelementen was gepustet, damit sie nicht den Hitzetod sterben. Ist der Sender erst einmal mit voller Leistung in Betrieb, wäre der vom Hochleistungsgebläse erzeugte Wind vergleichsweise nicht mehr als ein laues Lüftchen. Deshalb wird die anfallende Verlustwärme über einen ungleich leistungsfähigeren Kühlwasserkreislauf abgeführt. Daß darin kein normales Wasser sein kann, versteht sich bei Anodenspannungen um 25.000 Volt beinah von selbst. Damit würde man nämlich den Sender per Elektrolyse eher in seine chemischen Bestandteile zerlegen als ihn zu kühlen. Ein im Wasserkreislauf befindlicher Ionenaustauscher hält deshalb die Leitfähigkeit unter einem kritischen Wert.

Schlimm oder nur halb so schlimm?

Nicht nur dieser Wasserleitwert und eventuelle Überschläge in den Antennenabstimmitteln werden von der Überwachungselektronik des Senders kontrolliert: Fehlanpassungen, Anodenströme der Röhren, die unterschiedlichsten Hilfsspannungen und vieles mehr werden laufend erfaßt und automatisch mit den Sollwerten verglichen. Tritt einmal eine Abweichung auf, wird zusätzlich von diesen - digitalelektronisch arbeitenden - Wächtern entschieden, ob die Betriebssicherheit gefährdet ist; also ob automatisch abgeschaltet werden muß oder ob eine Vorwarnung ohne unmittelbare Konsequenzen an das Senderbetriebspersonal ausreicht. Sind in Nordkirchen erst einmal beide Sender installiert, übernimmt diese Automatik dann auch noch das Hochfahren des Reservesenders, wie das in Thurnau schon der Fall ist.

Gut gerüstet

Mit dem Neubau des Langwellensenders 209kHz, dem Ausbau der Langwelle 155kHz auf die doppelte Leistung und den bestehenden Sendern in Königslutter (756kHz/800kW), Ravensburg (756kHz/100kW), Neumünster (1.269kHz/100kW) und Mainflingen (1.539kHz/700kW) scheint der Deutschlandfunk dann gut gerüstet, seinem Auftrag, ein Sender für Deutschland und Europa zu sein, gerecht werden zu können.

Ganz so optimistisch sieht Werner Hinz das allerdings nicht, speziell was die Nachtversorgung angeht: „Man könnte nachts die Leistung aller Mittelwellensender auf die Hälfte reduzieren; das würde am gegenseitigen Störeffekt überhaupt nichts ändern."

Wo er denn - abgesehen von einem Ausweichen auf den UKW-Frequenzbereich - einen möglichen Ausweg sähe, wollten wir noch wissen. Die Frage nach anderen Antennenformen überhörte er geflissentlich. Vielleicht, weil er sich nicht gern in die Karten schauen lassen wollte. Vielleicht aber auch nur, weil er - ähnlich Dr. Kliemann - mit hoffnungsvoll in die Zukunft gerichtetem Blick vom weitreichenden Deutschlandfunk per Satellitenrundfunk träumt...

von Lutz Findeisen und Henning Kriebel in 1980
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