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In der Zeitschrift Fonoforum 1961 fanden wir dieses hier:

  1. Versteckte Informationen über Schellackplatten von vor 1945 und über neue weiche flexible 78er Platten lange vor der Vinylplatte.
  2. In den jeweiligen Texten versteckt finden sich noch weitere Informationen, so zum Beispiel, daß etwa ab 1924 die elektrische Aufnahmetechnik eingeführt wurde.

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Alte, historische deutsche Schallplattenmarken der Vorkriegszeit 6. Folge

"Für den Jazzcollector" - Aus Fonoforum 1961 - Alle Artikel von Horst H. Lange

„KRISTALL" ist eine heute noch recht häufig auftauchende historische Plattenmarke, die den Sammlern von 78er Platten immer noch oft unter die Augen kommt. Diese Marke war ein Produkt der 1929 gegründeten „Deutsche Crystalate Gesellschaft m.b.H.", einst in der Koloniestraße zu Berlin-Reinickendorf. Die „Deutsche Crystalate G.m.b.H." war wiederum ein Ableger der englischen Muttergesellschaft „Crystalate Co., London, E.C. 1". Genau wie die bedeutend ältere britische Mutterfirma, konnte die deutsche „Kristall", neben eigenen Aufnahmen, aus dem Matrizenschatz der „American Record Corporation" (Banner/Regal usw.) schöpfen, mit der ein langjähriger Vertrag bestand.

In Deutschland trat damit die Kristall-Marke die direkte Nachfolge der Eisner-Marken an (siehe 3. Folge, Artiphon), die bis 1929 aus den Beständen der genannten USA-Gesellschaft Matrizen bezogen hatte, als die ARC sich noch Plaza-Co. nannte. So erschienen ab 1929/1930 auf Kristall weiterhin bekannte Namen wie Sam Lanin, Lou Gold, Ernie Golden, Fred Rieh, The Rounders (Reser), The Clevelanders, Hollywood Dance Orchestra, Red Pepper Sam u. a. Darunter waren etliche Aufnahmen von Jazzinteresse.
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Ferner erschienen eine große Reihe von Aufnahmen britischer Orchester, vor allem von Jack Payne. All diese ausländischen Originalaufnahmen erschienen in einer eigenen 4000er Serie, beginnend mit 4001 (Syd Roy/Sam Lanin), während die deutschen Eigenaufnahmen in der 3000er Serie erschienen, beginnend mit Kr 3000 (Bernard Ettes „Sonny Boy"). Bis 1931 hatte das Kristall-Etikett eine karminrote Farbe mit Silberaufdruck, später wechselte man zur bekannten rotbraunen Farbe über, die bis zum Ende der Kristall-Marke 1945, bzw. 1943, beibehalten wurde, von einer leichten Veränderung der Schriftumrahmung abgesehen.

Nach 1933 kam eine Exportserie hinzu,
für den Export in die kleinen europäischen Länder, die 21000er Serie, in der u. a. gute Jazzaufnahmen von Billy Banks, Cab Calloway, Rollini erschienen, während man sich in der 4000er (Inland-) Serie mit Smith Bailew, Chick Bullock, Dick McDonough, Vincent Lopez, Jay Wilbur, Jack Payne, Billy Cotton usw. begnügen mußte. Dies war bereits Mitte der 30er Jahre und bessere (Jazz-) Aufnahmen wurden von der „Crystalate G.m.b.H." bereits auf der neuen „Imperial"-Marke veröffentlicht.

Ab 1938 ging die „Crystalate G.m.b.H." stillschweigend zur Lindström Gesellschaft über, welche die Marke „Kristall" bis 1945 weiterführte. Nach 1945 wurden von der Lindström Gesellschaft dann etliche Matrizen von ehemaligen Kristallaufnahmen auf der Imperial-Marke herausgebracht, ohne den „Kristal"-Namen wieder zum Leben zu erwecken. Neben den frühen, teilweise sehr interessanten ausländischen Übernahmen der frühen Epoche (1929-1933) erschienen deutsche Eigenaufnahmen, die teilweise von großem Jazzinteresse sind, so z. B. „Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehn" von den Weintraubs, „Oh Monah" von Oscar Joost, „Happy Days Are Here Again" vom Kristall-Orchester und mitten im Krieg brachte Kurt Widmann sein jazziges „Heiße Tage" (1941, auf Kristall 3830). Diese Platte wurde im März 1942 veröffentlicht. Sie war die letzte bemerkenswerte Platte der sterbenden Kristall-Produktion.

Alte, historische deutsche Schallplattenmarken der Vorkriegszeit 7. Folge

„PHONYCORD-FLEXIBLE". Diese Marke kam 1929 auf den Markt und unterschied sich von den üblichen Schallplattenmarken durch eine neuartige flexible Schallplatte, die früheren Versuchen anderer Firmen (z. B. Biberphon, Triva) qualitativ weit überlegen war. Es handelte sich um ein gelatineartiges, hartes Material, welches durchsichtig ist, wenn man die Platte gegen das Licht hält. Aufnahmen, Pressungen und Wiedergabe der Phonycord-Platten waren der Zeit entsprechend erstklassig, und gut erhaltene Phonycord-Aufnahmen lassen sich heute noch, mit Saphir abgespielt, gut anhören. Damals, zwischen 1929 und 1933, mußte man jedoch spezielle Winkelnadeln der gleichen Firma benutzen, da bei der Schwere der damaligen Tonarme in Grammo-Koffern und an Plattenspielern jede normale Nadel das dafür zu weiche Material „ausgeschält" hätte.

Manch damaliger "Ignorant" wunderte sich damals über den "weißen" Faden, der sich beim Abspielen mit einer "normalen" Nadel herausschälte und daß man nach 3-6maligem Abspielen nur noch Nebengeräusche zu hören bekam. Die Platten schienen für die Zukunft gemacht zu sein, da sie (wenn gut erhalten) heute mit Saphirbenutzung so gut klingen.

Anno 1929-1933 waren die Phonycord-Platten jedoch die ideale „Wannsee"- bzw. ,,Strandbad-Platte", die man zur Not als Diskus benutzen konnte und die in der Sonne nicht so kläglich dahinschmolz wie die normalen Schellack-Platten, von der Unzerbrechlichkeit abgesehen.

Gepreßt wurden die Phonycord-Platten von den Eisner-Werken, die dann auch schließlich den größten Teil des Matrizenstammes lieferten, jedoch ausschließlich Eisner-Eigenaufnahmen. So vor allem Aufnahmen des Orchesters Eddy Wallis, der auch auf „Artiphon" erschienen war, und sogar die allerersten Einspielungen der berühmten Negersängerin Marian Anderson, mit Arien von Donizetti, Saint-Saens und Tschaikowsky. Diese Aufnahmen dürften heute einen erheblichen Wert haben.

Während „Artiphon" jedoch nur amerikanische Matrizen der Plaza Co. und ARC für seine Auslandsaufnahmen im Tanzmusikrepertoire verwendete, benutzte Phonycord-Flexible nur USA-Matrizen des Grey Gull - Radiex - Van Dyke - Madison Schallplattenblockes. Außerdem wurden englische Matrizen, wahrscheinlich von Goodson, benutzt, von denen man auch die genannten USA-Matrizen bezog. Die amerikanischen, teilweise jazz-interessanten Aufnahmen erschienen fast ausschließlich unter der Orchesterbezeichnung „Jack Martin And His Orchestra", einem Fantasienamen, der bei den Aufnahmen auf den amerikanischen Originalen nie zu finden war. Wie ich nunmehr vor einigen Jahren feststellen konnte, handelte es sich bei „Jack Martin" vorwiegend um Aufnahmen von Mike-Mosiello-Gruppen. Mosiello war ein hervorragender Jazztrompeter, der seine Studiobands unter diversen Namen laufen ließ, wie z. B. „Memphis Jazzers", die man einst sogar für eine King-Oliver(!)-Gruppe hielt.

Die USA-Originalmatrizennummern (3000er Grey-Gull-Serie) waren stets im Material eingepreßt und gut erkenntlich. Phonycord-Flexible bevorzugte die braune Farbe, es gab aber auch blaue und rote Platten. Die Bestellnummern, die stets nur auf einer Seite der Platten vermerkt waren, liefen in 100er Serien, z. B. 500er- und 600er-Numerierung. Außer den erwähnten „Jack Martin"-Platten gab es mäßig interessante Aufnahmen von Art Kahn und dem Briten Percifal Mackey („The Man From The South"). Eine erstklassige Jazzplatte war „Stomp Along" auf Phonycord-Flexible Nr. 653 von „Jack Martin And His Orchestra". In USA erschien die gleiche Aufnahme als „Black Stomp", gespielt von den „Atlanta Merrymakers (Mike Mosiello)".

Warum die Phonycord-Flexible alle Original-Orchesterbezeichnungen der Mosiello-Gruppen abänderte, wird ein Geheimnis der Vergangenheit bleiben. Angaben über weitere amerikanische Phonycord-Veröffentlichungen sind stets willkommen, da es keine Fabrikunterlagen mehr gibt und das Repertoire der Phonycord rekonstruiert werden muß.
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Alte, historische deutsche Schallplattenmarken der Vorkriegszeit (8. Folge)

„HOMOCORD" war das Stammetikett der Deutschen Homophon Company m.b.H., die bereits vor dem ersten Weltkrieg gegründet wurde. Damals war die Schreibweise von „Homokord" noch mit k, erst 1924 wechselte man zum c über. Zwischen 1911 bis 1923 hatte man ein schwarzes Etikett mit Goldaufdruck, dessen Titelköpfe sich im Laufe der Jahre langsam „modernisierten", jedoch ständig das damalige Warenzeichen, eine nackte Harfenspielerein, zeigten. In der gleichen Epoche galten die Matrizennummern gleichzeitig als Bestellnummern (10000er Serien).

1922 kam ein radikaler Wechsel; die Homophon führte in einer B-Serie drei- und vierstellige Bestellnummern ein, wie es auch bei anderen großen Firmen gehandhabt wurde, um die Übersicht zu erleichtern. Ein kurzlebiges knallbuntes Etikett mußte bald dem modern schlichten „Homocord"-Etikett weichen, dessen neues Wahrzeichen eine Art Obelisk vor einer halben Schallplatte war. Das neue Etikett war weiß, hatte eine Goldumrandung, rote Firmenbezeichnung und dunkelblauen Titel- und Kapellenaufdruck.

Nach Einführung der elektrischen Aufnahmetechnik bei Homocord, um 1926, wurde der Firmenaufdruck in Grün gehalten, und man vermerkte „Elektrisch aufgenommen" auf den Etiketten. Bei den Bestellnummern wurde der Kennbuchstabe B. zur Kennzahl 4-.

1929 wurde das Etikett abermals modernisiert,
man ging zum schwarzen Untergrund mit Goldaufdruck zurück. Um diese Zeit war die Homophon Company bereits von der gewaltigen Lindström-Gesellschaft aufgekauft worden, die dann im Sommer 1932 das „Homocord"-Etikett sterben ließ. In der gleichen Zeit verschwanden zahlreiche andere Marken vom deutschen Schallplattenmarkt.

Es war eine Folge der Weltwirtschaftskriese, in der auch die Lindström AG in schwere Turbolenzen kam.

Für den Jazzsammler hatte die Homocord-Platte schon etwas zu bieten. Da waren die Ragtimeaufnahmen von 1912 bis 1914, ferner die ersten sogenannten „Jazz"aufnahmen nach dem Weltkrieg, z. B. der „Tiger Rag" der Original Excentric Band, veröffentlicht im Januar 1920! Die Pseudojazzaufnahmen der Piccadilly Jazz Band von 1921.
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Dann ab 1925 die Aufnahmen von Julian Fuhs, Lud Gluskin, die New Yorkers und etliche andere Bands, nicht zu vergessen die diversen Studiobands unter Leitung des Recordingmanagers der Firma, Fred Bird, alias Felix Lehmann, der unter weiteren Namen aufnahm und nach all dieser Glanzzeit vor einigen Jahren als Würstchenhändler sterben mußte.

Neben all den feinen Eigenaufnahmen der Homocord, die auch technisch gut gelungen waren, ganz gleich, ob akustisch oder elektrisch aufgenommen, wurden ab 1922 amerikanische Matrizen der USA-Firma Aeolian-Vocalion eingeführt, wobei man im Gegensatz zu der britischen Schwestergesellschaft gleichen Namens nur sehr wenige USA-Aufnahmen übernahm. Wie bei der Lindström-Gesellschaft, auf ihrem Odeon-Etikett, wurden bei der Homocord die Originalbezeichnungen einfach in die Kollektivbegriffe „Original Amerikanische Jazz-Band", „Jazz-Band" oder „Homocord Jazz-Band" abgeändert, weil die amerikanischen Namen wohl für den deutschen Käufer ohne Belang waren.

Diese Pseudonyme verbargen die Orchester von Ben Selvin, AI Jocker, Rudy Wiedoeft, Yerke's S. S. Flotilla Orchestra, die Memphis Five, die Broadway Syncopators, Ben Bernie, das Bar Harbor Society Orchestra, AI Katz Ambassadors u. a. Ab 1924 wurden auch einige Emerson-Matrizen, Beil-Matrizen und Grey-Gull-Matrizen von der Homocord verwendet, deren Aufnahmen sämtlich als unter „Pennsylvania Syncopators" veröffentlicht wurden, was in den meisten Fällen der amerikanischen Originalbezeichnung entsprach, jedoch nicht immer!

Im Verhältnis zur Eigenproduktion waren die Auslandsübernahmen der Homocord jedoch winzig, und die Spitzenaufnahmen für den Jazzfan waren die Aufnahmen der Original Memphis Five (als „Homocord Jazz Band") auf Homocord B. 359, B. 363 und B. 360. Es ist zu bedauern, daß die Homocord den Matrizenaustausch nicht mehr ausschöpfte. Die bis 1927 in alle Homocord-Platten eingestanzten Daten (z. B.A.14.1.20) sind keine Aufnahmedaten, sondern waren die Veröffentlichungsdaten der diversen Pressungen.

So weit einige Artikel aus 1961 - es ist jetzt ganau 50 Jahre her.
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