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Sommer 1982 - die neue digitale CD steht vor der Tür . . .

und die analoge Vinyl-Technologie ist ausgereizt, jedenfalls fast ausgereizt. Und so suchen alle im Bereich Plattenherstellung tätigen Firmen irgendwo in allen Ecken nach einem Alleinstellungsmerkmal, um sich vom Wettbewerb irgendwie abzugrenzen.

Nicht alle diese Aktionen waren von Erfolg gekrönt. Eine Presseinfo von Teldec oder gar eine Einladung von Europas größtem Hersteller konnte aber keine Redaktion ausschlagen. Zur Philips CD Vorstellung - als Beispiel - im August 1981 waren über 200 Journalisten geladen und alle kamen, es kamen sogar über 230 neugierige Fachleute.

In 1982 ist die analoge LP immer noch das Brot und Butter Geschäft der Platten-Labels und die Unsicherheit ist groß, ob das mit den CDs etwas wird.
Und wenn es nichts wird ?? - was dann ??

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Späte Perfektion ? Schallplattenüberspielung in Kupfer
Das DMM (Direct Metal Mastering) von Teldec

Eine "geschnittene" Kuppferfolie unter dem Neumann Schneidkopf

In der gesamten hundertjährigen Geschichte der Schallplatte - oder genauer gesagt: der mechanischen Tonaufzeichnung - hat man, bei allen Fortschritten im Detail, grundsätzlich daran festgehalten, die Tonsignale in leicht verformbare, nichtmetallische Materialien zu schreiben. Bis zum April dieses Jahres, als bei der Teldec das Überspielen auf Metall eingeführt wurde.

„Ja, hätten Sie gleich gesagt, daß Sie zu den Lichterfelder Festsälen wollen, dann hätten wir es einfacher gehabt", meinte der Taxifahrer, der sich etwas schwer getan hatte, die Nummer 36 der Finckensteinallee in Berlin-Lichterfelde zu finden.

Es weist nämlich nur ein unscheinbares Schild darauf hin, daß der Schallplattenkonzern Teldec hier in den ehemaligen Festsälen ein Aufnahmestudio mit Schallplattenüberspielanlage betreibt.

Anlaß für meinen Besuch war das Debüt einer neuen Technik für die gute alte Analogschallplatte. Im April hatte die Teldec ein erstes Paket von 20 Klassikaufnahmen auf den Markt gebracht, bei deren Herstellung die neue Technik erstmals angewandt worden war: das Mastering, also das Überspielen auf eine Kupferplatte, statt, wie bisher, auf eine Lackfolie.
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Horst Redlich, Technischer Direktor bei Teldec, mit konventioneller Lackfolie und Kupfer-Master

Horst Redlich, Technischer Direktor bei Teldec, hatte eine kleine Demonstration vorbereitet, die den Teil des Schallplatten-Produktionsprozesses repräsentierte, der vom Direct Metal Mastering, kurz DMM, berührt wird.
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  • Anmerkung : Der Autor Gert Redlich ist weder mit dem Horst Redlich von Teldec verwandt noch mit dem Herrn Redlich - ex Intendant des Österreichischen Rundfunks.

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An einer Wand hing eine Lackfolie, zur Hälfte mit einem silbrig-metallischen Belag überzogen. Darunter folgten mehrere Generationen von sogenannten Vätern und Müttern bis hin zur Preßmatrize, mit der das Granulat aus Vinyl zu Schallplatten gepreßt wird. Neben dieser kleinen Galerie hing, rötlich schimmernd, eines der neuen Kupfer-Master, fertig geschrieben.

Die verschiedenen Produktionsabläufe vom Überspielen bis hin zur Pressung stellten - angesichts digitaler Aufnahmetechnik und hoher erreichbarer Preßqualität - in zunehmendem Maße ein Qualitäts-Nadelöhr dar. „Wenn bei der herkömmlichen Schallplattenfertigung noch Verbesserungen erreicht wer den sollten", so Horst Redlich, „so galt es, hier anzusetzen."

Angefangen bei der Überspielung: Das Schreiben in die Lackfolie ist ein von vielen Unwägbarkeiten begleiteter Vorgang. Lackfolien aus Nitrozellulose sind instabil; sie können weder mit absolut konstanter Qualität gefertigt werden, noch sind sie unempfindlich gegen klimatische Einflüsse wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Liegen sie beispielsweise bei feuchtem Wetter in der Nähe eines geöffneten Fensters, dann können sie bereits unbrauchbar sein.

Bis zu 10 mal Schneiden .....

Ein Kasten mit Rohlingen im Frankfurter Schneidstudio
Ein fertig geschnittetener Rohling auf der Neumann VMS 80

„Bis zu zehnmal", berichtet Prof. Martin Fouque, Leiter des Bereiches Tontechnik bei Teldec, „muß man manchmal von vorn anfangen, wenn man eine schwierige Überspielung, etwa einer impuls- und dynamikreichen Klavieraufnahme, zu bewältigen hat."

  • Anmerkung : Schneidfachmann Brüggemann sprach auch von oft bis zu 7 Schneidversuchen, ehe sein eigener Qualitätsanspruch zum Erfolg führte.


Ob ein Schnitt gelingt, ist unter anderem von der Temperatur des Schneidstichels und von der Größe der Konterfacette abhängig; die Beheizung des Stichels und die Konterfacette sind notwendig, um die Rillenoberfläche, die durch das Abheben des Spans aufgerauht ist, zu glätten, um somit ein möglichst geringes Rillengeräusch zu erreichen. Nur allzu leicht können Lackteilchen am Stichel festbrennen und zu Mitreißern führen, was dann eine neue Überspielung erforderlich macht.

Ein weiteres Problem beim Schneiden der Folie: die Lackschichten sind elastisch. Durch Zurückfedern verformt sich die geschnittene Rille, und bei starker Modulation werden die benachbarten Rillen beeinflußt. Die Folge: Vor- und Nachechos.

Die fertig geschnittene Folie muß anschließend durch Versilberung in einem galvanischen Prozeß leitfähig gemacht werden. Verglichen mit den folgenden, ebenfalls galvanischen Produktionsschritten, nämlich der Herstellung eines Vaters, diverser Mütter (je nach Auflage) und schließlich der Preßmatrizen, erfordert die Versilberung besondere Sorgfalt. Eine extrem dünne und gleichmäßige Anlagerung der Silberatome ist erforderlich, wenn die Rille später nicht übermäßig rauschen soll.

Bei einer Kupferplatte ist das anders

All diese Probleme fallen beim Schneiden in eine Kupferplatte vollständig weg, und es kommt noch ein weiterer Vorzug hinzu: Weil die Kupferplatte selbst leitfähig ist und stabiler als die Lackfolie, kann man von ihr problemlos mehrere Väter abziehen.

Das bedeutet, man kann bei kleineren Preßauflagen die Matrizen unmittelbar von der Kupferplatte gewinnen und spart dabei zwei Generationen in der galvanischen Ahnengalerie, was der Qualität wiederum nur zuträglich sein kann. Denn jeder galvanische Prozeß, insbesondere das Trennen nach der Anlagerung, bringt gewisse Verluste mit sich.

Durch die Vereinfachung des Produktionsprozesses kann man darüber hinaus natürlich auch Geld sparen - einer der wenigen glücklichen Fälle, bei denen Qualitätssteigerung und Kostensenkung Hand in Hand gehen.

Warum erst jetzt ???

Bleibt die Frage, weshalb man erst jetzt diese - theoretisch eigentlich naheliegende - Technik anwendet, nachdem Generationen von Schneidingenieuren mit diversen nichtmetallischen Materialien, von Wachsen bis hin zu den Lackfolien aus Nitrozellulose, experimentiert und gearbeitet haben.
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  • Anmerkung: Das "Schneiden" von Metall - auch das vergleichsweise weiche Kupfer - erfordert deutlich höhere Kräfte als das Schneiden von sogenannten Folien, wobei allein der Begriff "Folie" falsch ist. Die Rohlinge sehen wie ganz normale Schallplatten jedoch ohne die Rille aus und sind aus festem Material und nicht biegsam !!

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Endlose Späne - falsch - ein endloser Span !

Der Span einer Lackfolie

Daß die Aussicht auf baldige Einführung der digitalen Schallplatte auf die Analogtechnik noch einmal motivierend gewirkt hat, gab Prof. Fouque unumwunden zu. Man muß aber auch bedenken, daß die Entwicklung der DMM-Technik einige Zeit in Anspruch genommen hat.

Zwar hatte man bei Telefunken bereits im Zusammenhang mit der mechanisch abgetasteten TED-Bildplatte gewisse Erfahrungen mit dem Schneiden in Kupfer; dort jedoch hatte man es mit viel feineren Rillen und auch mit viel geringeren Auslenkungen zu tun.

Die Späne (ist natürlich auch falsch - es ist immer nur ein endloser Span), die bei der analogen Schallplatte abgehoben werden müssen, sind etwa 100mal so stark, wodurch sich besondere Anforderungen an das Material des Masters ergeben.

Man braucht ein "besonderes" Kupfer

Was auf einem dieser Photos fast wie ein Kamm aussieht, ist ein aus dem Kupfer-Master geschnittener Span, mit dem Raster-Elektronenmikroskop aufgenommen.
Sehr gut sind die Ultraschallschwingungen zu erkennen, eine Resonanz, die man sich zur Verringerung des Schneidwiderstands zunutze macht.

Reines Elektrolytkupfer hat nämlich eine überwiegend kristalline Struktur, es wäre unmöglich, aus solchem Material einen endlosen Span von der erforderlichen Stärke zu schneiden. Das aber ist Voraussetzung beim "Schallplatten-Schreiben". Bricht der Span ab, so ist die Überspielung verdorben.

Durch ein speziell entwickeltes galvanisches Anlagerungsverfahren, das eigentliche „Geheimnis" der neuen Technik, ist es möglich, für DMM-Zwecke ein Material mit überwiegend amorpher Struktur herzustellen, das diesen Anforderungen genügt.

Die Verspannungseigenschaften des so gewonnenen Kupfermasters lassen sich sehr anschaulich mit dem schwammartigen Gebilde im Bild oben demonstrieren.

Es ist nichts anderes als der endlose, spiralförmige Span, der aus einem Master herausgeschnitten wurde; die Makroaufnahme im selben Bild zeigt es ganz deutlich.

Wie kommt die Kraft in den Stichel ?

Natürlich wollte ich wissen, ob es nicht zyklopischer elektrischer Leistungen des Schneidverstärkers bedarf, um den Schneidstichel durch das - verglichen mit der Lackfolie - wesentlich härtere Kupfermaterial zu führen.

Das ist offenbar nicht der Fall; verwendet wird der Stereoschreiber SX80CM von Neumann mit dem dazugehörigen Verstärker SAL74B, der über eine Leistung in der Größenordnung von 1kW verfügt, also eine durchaus konventionelle Ausrüstung.

Schneidhilfe durch Ultraschall

Daß dies möglich ist, setzt verschiedene Maßnahmen zur Reduzierung des Schneidwiderstands voraus. So hat der Schneiddiamant (Anmerkung : Eigentlich hatte Neumann/Berlin in seinen Schneidköpfen Rubine vorgesehen) hier keine Konterfacette, und der Anstellwinkel wurde größer als 90 Grad gewählt. Zudem wird das Tonsignal mit Ultraschallschwingungen überlagert, die sich, mechanisch angeregt, aus der Abstimmung der als Feder-Masse-System beschreibbaren Anordnung von Schneidstichel, Stichelhalterung und elastischer Kupferschicht ergibt.
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6dB weniger Grundgeräusch

Dadurch wird nicht allein der Schneidwiderstand stark verringert, sondern auch eine hohe Oberflächenqualität der Rillenflanken erreicht. Nach Messungen bei Teldec wird damit das Grundgeräusch bis zu 6dB verringert.

Bilder von diesem "Kupfer-Span"

Ein endloser Kupferspan - mit Macro-Aufnahme

Wir haben nun die ursprünglich mehr als Souvenir gedachten Kupferspäne mit dem Raster-Elektronen- mikroskop (der UNI Karlsruhe) aufgenommen. Die Bilder oben zeigen die Ultraschallschwingungen sehr eindrucksvoll; es sind sogar noch harmonische Oberschwingungen zu erkennen. Wüßte man, bei welchem Radius der abgebildete Span aus der Platte geschnitten wurde, so könnte man exakt die Frequenz der Ultraschallschwingung ausrechnen.

Nimmt man einen mittleren Radius, sagen wir, 100mm an, so ergibt sich folgendes: Die Abspiel- geschwindigkeit beträgt hier 349 [mm/s].

Die beiden Bilder lassen 3 Schwingungszüge je 10µm erkennen, das entspricht 300 Schwingungen pro mm, oder, beim angenommenen Plattenradius von 100mm, 104,7 kHz. Teldec nennt eine Frequenz von etwa 80 kHz; unser Span müßte demnach weit innen herausgeschnitten worden sein, bei einem Plattenradius von 76,4mm.
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Ein vertikaler Spurwinkel von 0°

Die Kupferplatte wird übrigens mit einem vertikalen Spurwinkel von 0° geschnitten, um zu vermeiden, daß sich durch mögliche Inhomogenität des Kupfer-Materials Störmodulationen bilden können. Damit man die DMM-Platten dennoch mit gewöhnlichen Tonabnehmern abspielen kann, die für einen der Norm entsprechenden vertikalen Spurwinkel von 20° entwickelt sind, wird das Tonsignal elektronisch vorverzerrt.

Wie klingt's?

Interessanter als solche Details ist für den Musikfreund natürlich die Frage: Wie klingen solche Überspielungen auf Metall? Die Teldec hatte, um einen Vorgeschmack zu geben, zunächst einen Demonstrations-Sampler mit digitalen Einspielungen aus den Bereichen Klassik und Pop in einem kupferfarbenen Cover veröffentlicht, der auch in Berlin vorgeführt wurde.

Um es kurz zu sagen: Das Vergnügen begann bereits in der Einlaufrille. Dort nämlich war außer dem Aufsetzen der Nadel so gut wie nichts zu hören. Der Fortissimo-Einsatz des Ausschnitts aus Mussorgsy, Bilder einer Ausstellung (Das große Tor von Kiew), überraschte den Hörer mit seiner ganzen Wucht, ohne sich vorher durch das geringste Vorecho angekündigt zu haben.

Ich habe diesen Sampler zu Hause ein paarmal in aller Ruhe angehört; die meisten Ausschnitte zeichnen sich durch ein hohes Maß an Durchsichtigkeit, Impulstreue, Präsenz und Klarheit aus.

Dabei fiel folgendes auf: Bei einigen Ausschnitten war, jedenfalls über Kopfhörer zum Teil deutlich, in der Modulation enthaltenes Rauschen hörbar; so beim Klavierkonzert Nr. 5 Es-dur von v. Beethoven, beim Walzer Nr. 1 von Chopin (hier etwas stärker), beim (sehr leisen) Schluß der Don-Juan-Ausschnitts und, ganz gering, auch beim (übrigens ausgezeichnet eingespielten und aufgenommenen) Forellenquintett.

Es rauscht weniger - warum auch immer

Worauf solche Rauschanteile zurückzuführen sind - Bandrauschen dürfte es ja eigentlich nicht sein, wenn es stimmt, daß alle Stücke digital aufgenommen wurden (Mikrophone, Mischpult?) - soll hier nicht diskutiert werden. Interessant ist aber, daß hier größtenteils wirklich geringe Rauschpegel nicht vom Rillengeräusch überdeckt werden, so daß man anhand des Rauschens bei einigen Stücken exakt sagen kann, an welcher Stelle die Modulation ausgeblendet wurde. In jedem Fall spricht das für eine ausgezeichnete Oberflächenqualität.

Durch ein luftiges, durchsichtig-präsentes Klangbild und außergewöhnlich geringes Oberflächengeräusch zeichnen sich übrigens auch die meisten der ab April veröffentlichten DMM-Platten aus, soweit wir über sie verfügen. Unseren Kurzbesprechungen im Rezensionsteil dieses Heftes ist bereits einiges darüber zu entnehmen.

Alles in allem:

Die Analogplatte kann mit dem DMM-Verfahren ein so hohes Niveau erreichen, daß man sich vielleicht am Ende nur schwer von ihr wird trennen können.

Daß die Schallplattenindustrie mit solchen Innovationen - vielleicht wird eines Tages sogar noch eine wirklich staubschützende Verpackung erfunden, so daß es dann auch noch die dauerhaft knackfreie Analogrille gibt - den Abschied von den schwarzen Scheiben noch eine Weile vertagen möchte, wer wollte es ihr verdenken?
Tu ?? wer ist das ?
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Wenn jetzt noch die Abtastung der Rille perfekt wäre ....

Nachtrag im August 2017 - Es zeichent sich eine völlig neue Ultraschall- Mikrofontechnik ab, die man in den Abtaster vorne im Tonarm einbauen könnte und damit die Rille berührungslos abhören könnte. Mehr steht hier.
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