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Grundlagen von Mikrofonen und Stereoaufnahmen
Als Erstausgabe erschien dieser Aufsatz unter dem Titel  “Aufnahmetechnik für den anspruchsvollen Amateur” in Stereoplay, Hefte  8/9 1988.
Er richtete sich ursprünglich an Musikliebhaber, die außer  physikalischen Grundkenntnissen der Akustik nur wenig Wissen über  Mikrofone und Aufnahmetechnik haben. Dieser Personenkreis überschätzt  manchmal den notwendigen apparativen Aufwand, um selber Stereo-Aufnahmen  machen zu können.
Im Folgenden werden fundamentale Grundlagen der Aufnahme- und  Mikrofontechnik erklärt. Dazu gehört die Kenntnis der stereofonen  Mikrofonsysteme und ihrer Besonderheiten. Außerdem wird die elementare  Funktion von Druck- und Druckgradienten-Empfänger beschrieben sowie die  mit diesen Arbeitsprinzipien verbundenen besonderen Eigenschaften.
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Anwendungsbereiche einfacher Aufnahmetechniken
Ein gutes Mikrofon wandelt Schall in ein äquivalentes elektrisches  Signal. Eine Aufnahme ist dann lohnend, wenn der Schall am Ort des  Mikrofons hörenswerte Qualität besitzt. Das mögliche Aufnahmerepertoire  ist daher sehr groß.
Die mit einfachen Mitteln hergestellten Aufnahmen weisen oft erhebliche Unterschiede zu professionellen Produktionen auf.
Da ist zunächst einmal der Unterschied zwischen einem Live-Mitschnitt  und einer Musikproduktion, die mit viel Technik und dem Können der  Tonmeister perfekte Aufnahmen zum Ziel hat. Selbst die schönste  Aufführung ist nicht frei von Störungen und Schwächen. Wer glaubt, dies  wäre kein Problem, sollte sich nur einmal an eine Schallplatte mit  einem Kratzer erinnern. Nach einiger Zeit erwartet man die Störung  geradezu an der gewohnten Stelle. Mit Schnitzern einer Darbietung kann  es einem dann genauso gehen, obwohl man sie beim ersten Hinhören  eventuell gar nicht festgestellt hat. Dieses Problem hat schon manchen  erfahrenen Künstler kritisch gegenüber Mitschnitten gemacht.
Ein weiterer Unterschied bei Aufnahmen, die mit nur zwei hochwertigen  Mikrofonen beziehungsweise einem Stereomikrofon hergestellt wurden,  ergibt sich aus den fehlenden Stützmikrofonen. Hier wird die Diskussion  aber bereits schwierig. Fehlen die Stützen wirklich? Zwischen der  ausgiebig begründbaren Befürwortung durch die Mehrzahl der Tonmeister  und der Meinung vieler Audiophiler besteht keine Einigkeit.  Geschmackliche Komponenten und Schulung spielen eine Rolle. Benötigt der  Verbraucher eine Hörschulung oder führen die Hörgewohnheiten und  Klangvorstellungen einiger Tonmeister zu einer Distanz zum realen  Klanggeschehen?
Tatsächlich gibt es viele CDs, die ohne Stützmikrofone aufgenommen  wurden und die sehr erfolgreich sind. Damit darf aber kein übertriebener  Optimismus ausgelöst werden. Ein wohlschmeckendes Gericht erfordert  außer guten Zutaten immer noch einen guten Koch. Ebenso gehören zu einer  guten Tonaufzeichnung elektroakustische Kenntnisse und Erfahrungen.  Einige wesentliche Grundlagen sollen hier vermittelt werden. Man sollte  aber nicht vergessen, dass „Tonmeister“ ein Beruf ist und eine  Ausbildung erfordert.
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Einflussgrößen bei der Tonaufnahme
Fangen wir mit der Schallquelle an. - Die Künstler sind bei einer  einfachen Aufnahmetechnik ganz auf sich gestellt. Wenn die Hilfsmittel  der modernen Aufnahmetechnik nicht zur Verfügung stehen, ist es  beispielsweise erforderlich, dass die Balance zwischen den einzelnen  Instrumenten von den Musikern hergestellt wird. Allgemein gesehen kann  dies auch durchaus der Musikaufnahme zum Vorteil gereichen.
Die eigentlichen Kriterien für die Aufnahme sind:
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-  die Raumeinflüsse
-  der Aufstellungsort
-  das Stereo-Aufnahmeverfahren und
-  die Mikrofonwahl.
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1. Raumeinflüsse
Von Konzerten weiß man, wie wichtig die Akustik des Raumes ist. Ihre  Eignung hängt von der Art der Musik, vielen Details und ganz besonders  von den Raumabmessungen ab. Mit kleinerem Volumen nimmt die Qualität  in der Regel deutlich ab und endet beim Badezimmerklang. Hier wirken  oft kleiner Raum, ungünstige Seitenabmessungen und geringe Bedämpfung  zusammen.
Ausgeprägte Resonanzen sind aber besonders bei tiefen Frequenzen auch  in größeren Räumen feststellbar. Sie sind ortsabhängig, was bei der  Aufstellung von Mikrofonen bedeutsam ist.
Bei Aufnahmen spielt die Raumakustik eine noch größere Rolle als für  das unmittelbare Live-Hören. Dies hängt unter anderem damit zusammen,  dass stereofone Wiedergabe nur eine Illusion des natürlichen Geschehens  sein kann und einige Informationen fehlen, wie alles Visuelle und das  Ambiente.
In der Nähe eines Instruments hört man auch in einem Raum den  direkten Schall dominierend und empfindet den Raumeinfluss weniger.  Weiter entfernt ist aber der reflektierte Schall und damit der  Raumeinfluss stärker.
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2. Mikrofon-Aufstellungsort
Das Verhältnis von direktem zu reflektiertem Schall nennt man die  Hallbalance. Bei Aufnahmen realisiert man die Hallbalance durch die Wahl  der Richtcharakteristik und den Abstand der Mikrofone zur  Schallquelle.
Wie später noch verständlich wird, dürfen Mikrofone mit ausgeprägter  Richtcharakteristik, wie zum Beispiel “Nieren”, weiter von der  Schallquelle entfernt aufgestellt werden als „Kugeln“, wenn die gleiche  Hallbalance erwünscht ist.
Die richtige Hallbalance ist eine Frage der Musikart, des Geschmacks  und eventuell von Notwendigkeiten. Wenn die Raumakustik weniger gut ist,  kann es notwendig sein, den Abstand etwas kleiner zu wählen, um den  reflektierten Schall etwas schwächer ins Gewicht fallen zu lassen. Die  Hallbalance wird damit zu einem “trockeneren” (weniger halligen)  Klangbild verschoben.
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3. Stereo-Aufnahmeverfahren
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3.1 - Stereofone Grundprinzipien
Es ist bekannt, dass das stereofone, beziehungsweise das  Richtungshören auf zwei Effekten beruht. Erstens erreicht Schall, der  zum Beispiel von links kommt, zuerst das linke Ohr und dann das rechte.  Wir haben also einen Laufzeitunterschied. Zweitens bildet der Kopf für  Frequenzen, gegenüber deren Schallwellenlänge er groß ist, einen  akustischen Schatten, so dass es für Frequenzen oberhalb ca. 1,5 kHz zu  einem Schallpegelunterschied zwischen den Ohren kommt.
Will man diese Effekte naturgetreu übertragen, so kommt man zur  Konstruktion des Kunstkopfs. Mit ihm erreicht man bei Wiedergabe über  Kopfhörer auch wirklich überzeugend naturgetreue Reproduktionen.
Bei Lautsprecherwiedergabe werden die Verhältnisse leider viel  komplexer. Zunächst kommt dabei immer der reflektierte Schall des  Wiedergaberaums hinzu. Dies ist aber mehr ein allgemeines Problem.  Grundlegender ist, dass der links und rechts übertragene Schall nicht  nur das eine Ohr erreicht, sondern auch das jeweils gegenüberliegende.
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3.2 Stereofone Mikrofonsysteme
Besonders wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Hörer kaum ständig  den exakt gleichen Abstand zu beiden Lautsprechern einhalten kann, wird  anschaulich, dass die natürlichen Laufzeitverhältnisse nicht über  Lautsprecher übertragen werden können.
Genauer betrachtet, lassen sich Laufzeitdifferenzen in  frequenzabhängige Phasenunterschiede zwischen den Kanälen umrechnen. So  kommt es bei ungeradzahligen Vielfachen einer bestimmten Frequenz zu  Gegenphasigkeit, die bei Zusammenschaltung zu Mono zu Auslöschungen  führt und insgesamt einen verfärbten Klang bewirkt. Die Aufnahme ist  mono-inkompatibel. 
Tonaufzeichnungen mit Laufzeitunterschieden können  also bereits auf dem Übertragungsweg Schwierigkeiten machen. In  besonderer Weise kann dies auch beim Schnitt einer analogen Vinylplatte  Probleme auslösen.
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Das koinzidente Stereo-Mikrofon
Derartige Betrachtungen haben zu KOINZIDENTEN STEREO- MIKROFONSYSTEMEN  geführt.
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- Anmerkung : "koinzident" bedeutet ganz einfach "gleichzeitig" - mehrere (Schall-) Ereignisse werden als ein Ereignis wahrgenommen. Das gilt in der Akustik bis zu einem Zeitversatz zum Beispiel zweier Schallereignisse (bei Stereo) von etwa 3-4 Millisekunden. Ist der Zeit-Unterschied größer, sind diese Signale nicht mehr "koinzident".
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 Dabei werden zwei Mikrofone derartig übereinander angeordnet, dass aller Schall aus der horizontalen Ebene (Musiker-Ebene) gleichzeitig beide Kapseln erreicht. Da Laufzeitunterschiede also nicht existent sind, muss die Stereofonie auf Pegelunterschieden basieren.
- Man spricht oft etwas fälschlich auch von INTENSITÄTS-STEREOFONIE.
Technisch wird der Pegelunterschied durch Mikrofone mit ausgeprägter  Richtcharakteristik erzielt. Hierdurch wird der Schall aus der  jeweiligen Richtung, in die das Mikrofon weist, bevorzugt aufgenommen.
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Die “XY-TECHNIK”
Die “XY-TECHNIK” ist die am häufigsten angewandte Stereofonie, die auf Pegelunterschieden beruht. Als Variablen bleiben dabei die Wahl der Kapselrichtcharakteristik und der Winkel zwischen den Hauptachsen der Kapseln. Die richtige Einstellung wird später besprochen. Abb. 1 zeigt eine derartige Mikrofonanordnung.
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Die BLUMLEIN-TECHNIK
Abb. 2 zeigt einen häufig gemachten Fehler. Der kleine Versatz der  nicht übereinander angeordneten Systeme kann praktisch bedeutungslos  sein, aber die nach links bzw. rechts gerichteten Mikrofone werden von  Schall aus diesen Richtungen jeweils später erreicht als das des  Nachbarmikrofons. Pegel- und Laufzeitdifferenz widersprechen also  einander.
Als Richtcharakteristiken kommen in Frage: Nieren, Super- und  Hypernieren und Achten. Bei Verwendung letzterer und einem Winkel von  90° zwischen den Mikrofonen spricht man auch von „BLUMLEIN-TECHNIK“, zu Ehren des Stereo-Pioniers Alan Blumlein. Ein anderer Name für diese Technik lautet „Stereotonic“.
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Die „MS-TECHNIK“
Die „MS-TECHNIK“ gehört auch zu den koinzidenten Verfahren. M und S bedeutet Mitte und Seite und bezieht sich auf die Anwendung jeweils eines Mikrofons, das auf die Mitte des Orchesters gerichtet wird, und eines, das seitlich die Rauminformation aufnimmt. Das Mikrofon für den S-Kanal muss Acht-Charakteristik haben, während für M beliebige Richtcharakteristiken inklusive „Kugel“ eingesetzt werden können. Die beiden Kanäle stellen zunächst noch keinen linken und rechten Kanal dar und lassen sich deshalb nicht gleich stereofon abhören. Lediglich der M-Kanal ist eine saubere Monoaufnahme und kann alleine genutzt werden.
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Wie sie funktioniert
Erst durch eine Matrizierung gewinnt man ein rechtes und ein linkes  Signal. Wie man dies einfach erklären kann, zeigt Abb. 3 Das M-Mikrofon  nimmt links und rechts auf, also kann man schreiben: M=links+rechts.
Das S-Mikrofon hat eine nach links und rechts orientierte  Acht-Charakteristik und kann, dem Polardiagramm entsprechend, aus der  Mitte kommenden Schall nicht aufnehmen. Dies erklärt sich auch aus der  Natur der „Acht“, die zwei gleiche Empfindlichkeitsbereiche hat, die  aber gegenphasig aufnehmen. Daher ist S= links-rechts.
Die Matrizierung ist im einfachsten Fall eine Summen- und  Differenzbildung von M und S. So ergeben sich die Signale für links und  rechts.
Bevor das M- und das S-Signal addiert bzw. subtrahiert werden, kann  man natürlich das Pegelverhältnis verändern. Der Fall, dass S=0 ist und  nur M übrig bleibt, wurde schon als Mono-Signal beschrieben. Wenn man S  verstärkt, ergeben sich aber Richtdiagramme, die nach links und rechts  weisen und deren Hauptachsen einen mit dem S-Signal größer werdenden  Winkel einschließen.
Man regelt so die „Basisbreite“ (width) und kann dies, wenn M und S  einzeln vorliegen, auch noch nach der Aufnahme machen. Bei  Filmnachbearbeitungen spielt das eine große Rolle.
Wie sich die Polardiagramme ergeben und welches Problem es gibt (MS-Aufnahmewinkel), ist in Aufsatz 4 genauer beschrieben.
Koinzidente Mikrofone gibt es auch in einem gemeinsamen Gehäuse für  beide Mikrofone, aber dann ist man natürlich auf die  „Intensitäts“-Aufnahmeart festgelegt.
Aufnahmen mittels der beschriebenen koinzidenten Aufnahmemethoden  können durch eine ausgezeichnete Lokalisation der Schallquellen in der  Mitte gekennzeichnet sein. Bei Aufnahme eines einzelnen Instruments ist  das eventuell besonders interessant, aber bei Schallquellen mit einer  größeren Ausdehnung wünschen sich viele Hörer doch mehr Breite der  Wiedergabe. Es ist einfach so, dass es diesbezüglich verschiedene  Geschmacksrichtungen gibt.
Eine Erklärung für die gute, aber überbetonte Lokalisation in der  Mitte zwischen den Lautsprechern ergibt sich aus den Merkmalen der oft  verwendeten Nieren-Mikrofone. Wie später noch ausgeführt wird, darf man  sich „Nieren“ immer als Kombination aus einer „Acht“ und einer „Kugel“  vorstellen. Wie sie tatsächlich realisiert sind, ist von untergeordneter  Bedeutung. Also bedeutet „XY-Technik“ mit zwei „Nieren“, dass 50% des  Schallereignisses so aufgenommen werden, als ob man zwei ganz dicht  beieinander aufgestelle „Kugeln“ für eine Stereo-Aufnahme verwenden  würde. Das Ergebnis ist Mono.
Laufzeitunterschiede tragen zum Eindruck räumlicher Tiefe bei. Genau  betrachtet, gibt es dabei Unterschiede je nach Richtcharakteristik der  Mikrofone. Dennoch scheint eine Aufnahmetechnik mit kleinen  Laufzeitunterschieden in einer Größenordnung, wie sie am menschlichen  Kopf vorliegt, von der Mehrheit von Hörern bevorzugt zu werden.
Ein entsprechendes, recht hochgeschätztes Aufnahmesystem wurde in  langen Versuchen vom Französischen Rundfunk, der früheren ORTF,  herausgefunden. Abb. 4 zeigt ein derartiges Mikrofon als kompakte  Einheit. Die beiden Nieren-Kapseln sind in einem Winkel von 110° und  einem Abstand von 17cm montiert. Natürlich lässt sich dies auch mit  einzelnen Mikrofonen realisieren, wie in Abb. 1 für XY gezeigt.
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Das ORTF-System
Das ORTF-System (das ist ein spezielles Konzept für den französischen Rundfunk - "Organisation Radio Television France" - hat nichts mit dem Österreichischen Rundfunk zu tun) ist recht unkritisch in der  Platzierung bezüglich gelungener Stereoaufnahmen und wird von vielen Anwendern als eine besonders universelle  Lösung angesehen. So hat zum Beispiel die holländische  Rundfunkgesellschaft NOS das eigene System (90°/30cm) nicht  weitergeführt, sondern verwendet eher das „ORTF“ System.
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Gemeinsamkeiten :
Alle bisher genannten Prinzipien basieren auf der Verwendung von Mikrofonen mit ausgeprägter Richtcharakteristik.
 
 Mit Kugelmikrofonen ergeben sich auf Grund ihrer theoretisch gleichen Empfindlichkeit für Schall aus allen Richtungen nicht die notwendigen Intensitätsunterschiede.
 
 Kondensatormikrofone mit Kugelcharakteristik sind aber die einzigen, die selbst die tiefsten von Musikinstrumenten produzierbaren Frequenzen ohne jede Abschwächung aufnehmen können. Warum dies so ist, wird später erklärt. Im Zeitalter der digitalen Aufnahmegeräte und guter Subwoofer ist dies je nach Musikart ein beachtlicher Vorteil.
 
 Wie schon gesagt, sind Laufzeiten zwischen den Mikrofonsignalen in der Größenordnung, wie sie zwischen den beiden menschlichen Ohren auftreten, besonders interessant (siehe Kapitel 2, Theile). Wenn aber kein Pegelunterschied hinzukommt, genügt der Ohrabstand bei Verwendung von „Kugeln“ nicht, um damit basisfüllende Stereofonie zu produzieren.
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Die TRENNKÖRPER-STEREOFONIE
Dies ist ein Grund für ein Prinzip, das der Autor mit  „TRENNKÖRPER-STEREOFONIE“ überschreibt. Dabei wird zwischen zwei  „Kugeln“ eine Art akustisches Hindernis aufgebaut. Den Kunstkopf könnte  man als erstes Modell und Sonderfall ansehen. Dann kam Charlin (Paris)  mit einer pelzbeklebten Kugel, in die er die Mikrofone derart einbaute,  dass die Membranebenen mit der Oberfläche abschlossen. Sein Mitarbeiter  Kisselhoff erprobte weitere Formen. Jecklin wurde besonders bekannt mit  seiner nach ihm benannten Scheibe, die eine einfache Realisation  darstellt (auch als OSS-Technik bekannt). Die Woywod-Kugel wäre hier  auch zu nennen (stereoplay 12/86). Außerdem gibt es Vorschläge,  Grenzflächenmikrofone auf keilförmige Trennkörper aufzubringen. Defossez  und Professor Peters mit „Clara“ (stereoplay 4/86) tun derartiges.
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Vor- und Nachteile
Alle diese Aufbauten sind interessant und finden ihre Liebhaber. Sie profitieren alle von der bereits genannten guten Tiefenwiedergabe der „Kugeln“ (Druckempfänger). Nachteile gibt es aber auch hier. Der durch den Trennkörper hervorgerufene Pegelunterschied ist frequenzabhängig und besteht nicht bei tiefen Frequenzen. Nach D. Griesinger (Lexicon) ergeben sich dadurch Nachteile bei der Lokalisation. Ferner hat der Trennkörper stets einen Einfluss auf die Eigenschaften der Mikrofone.
 Einige Hörer wollen sich mit den dadurch hervorgerufenen Klangveränderungen nicht abfinden.  So kam es zum „Kugelflächenmikrofon“, bei dem zwei Druckempfänger in eine Kugel eingebaut sind. Dr. Theile (IRT = Institut für Rundfunktechnik) begründete die Merkmale dieses Mikrofons wissenschaftlich. S. Geyersberger erforschte die Möglichkeiten der praktischen Realisierung mit Unterstützung der Firma SCHOEPS, bei der das Kugelflächenmikrofon inzwischen ein bewährtes Produkt ist. (Siehe auch Aufsatz 5)
Wenn man den Abstand zwischen den Mikrofonen vergrößert, benötigt man keinen Trennkörper mehr. So kommt man zu dem als LAUFZEITSTEREOFONIE oder AB-AUFNAHME bekannten Prinzip.
 Der Mikrofonabstand beträgt bei „Klein-AB“ 40 - 80cm und bei „Groß-AB“ bis zu einigen Metern. 50cm ist ein häufig passender Abstand. (Weitere Ausführungen hierzu finden sich in Aufsatz 3.)
Könner wissen die Vorteile von Kugelmikrofonen mit AB-Technik zu nutzen. Der bekannte Nachteil, dass die Lokalisation einzelner Schallquellen oft unpräzise ist, wird in Kauf genommen oder durch zusätzlichen Aufwand (drittes Mikrofon) reduziert. Dabei spielt wiederum die persönliche Einstellung beziehungsweise der Geschmack eine wichtige Rolle. Auch von der Musik hängt die Bewertung der Präzision der Lokalisation ab. Oder wollen Sie die einzelnen Pfeifen einer Orgel orten?
Extreme AB-Stereofonie kann leicht zu lächerlichen Ergebnissen führen, wenn die Mikrofone zu dicht an den Schallquellen stehen. Sie artet dann in Pingpong-Stereofonie mit getrennter linker und rechter Seite aus. Vorsicht ist auch geboten bei bewegten Schallquellen wie zum Beispiel einer Sängerin, die sich heftig nach links und rechts bewegt.
AB-Aufnahmen vermitteln meist den Eindruck einer großen räumlichen Tiefe. Es ist bekannt, dass dies durch die wenig korrelierten Raumsignale an den voneinander entfernten Mikrofon-Aufstellungsorten bewirkt wird. Andererseits klingt die Monowiedergabe von AB-Aufnahmen deutlich schlechter als die koinzidenter Aufnahmen. AB-Aufnahmen sind nicht „monokompatibel“.
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3.3 Aufnahmegeometrie
Ob die Ergebnisse einer XY-Konfiguration, ORTF, Jecklin-Scheibe oder AB  besser gefällt, ist auch eine Geschmacksfrage. Koinzidente Techniken  und AB-Aufnahmen mit “Kugeln” sind dabei die Extreme.
Außerdem muss festgestellt werden, dass kein fixes Aufnahmeverfahren  allen Gegebenheiten gerecht werden kann, wie eine wissenschaftliche  Darstellung von Williams zeigt. (Weitere Angaben in Aufsatz 2)
Bei der üblichen Wiedergabe im gleichseitigen Dreieck von  Lautsprechern und Hörer (Abb. 5) können Schallquellen zwischen maximal  -30° (links) bis +30° (rechts) lokalisiert werden. Aus diesen Richtungen  müssen bei der Wiedergabe die extremen Links/Rechts-Positionen der  Aufnahme Lokalisiert werden.
Die Lokalisation ergibt sich durch Pegelunterschied (z.B. bei XY)  oder Laufzeitunterschied (z.B. bei AB) oder durch Kombination von beiden  (z.B. ORTF). Die erforderliche Größe der Unterschiede für die Ortung  bzw. die Lokalisation aus verschiedenen Richtungen sind aus Hörversuchen  bekannt.
Andererseits lassen sich die Laufzeitdifferenzen zwischen zwei  Mikrofonen in Abhängigkeit von der Schalleinfallsrichtung exakt  berechnen. Für Schall von vorne ist die Laufzeit z.B. Null, für Schall  von der Seite entspricht sie der Zeit, die Schall zum Durchlaufen des  Mikrofonabstands benötigt. Auch der Pegelunterschied ist für Schall aus  allen Richtungen berechenbar, wenn die Richtcharakteristik und der  Winkel zwischen den beiden Mikrofonen bekannt ist. Allerdings müssen  die Polardiagramme dazu exakt und möglichst frequenzunabhängig sein.  Großmembranmikrofone kommen deshalb weniger in Frage.
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3.4 - Die Williams-Diagramme
Die Kombination der hörphysiologischen Daten für die  Richtungsabbildung und die errechneten Unterschiede in Pegel und  Laufzeit führen zu den Diagrammen von Williams. Ihre Anwendung bewirkt  eine gleichmäßige Verteilung der einzelnen Schallquellen eines  Orchesters zwischen den beiden Lautsprechern. Größere oder kleinere  Pegel- oder Laufzeitunterschiede durch das Stereomikrofon in seiner  gegebenen Aufstellung würden eine Anhäufung der Schallquellen links und  rechts oder eine zu schmale Stereobasis verursachen.
Abb. 6 zeigt eines dieser Diagramme für die Anwendung bei „Nieren“.  In der Praxis wählt man als erstes den geeigneten  Mikrofonaufstellungsort. Wie gesagt, hängt er von der Raumakustik, der  Richtcharakteristik der Mikrofone und der erwünschten Hallbalance ab.  Manchmal entscheiden hierüber aber auch praktische Gesichtspunkte.
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Vom Ort der Mikrofone aus wird dann der Winkel zwischen der äußersten  linken und rechten Schallquelle bestimmt. Von der Mitte aus gemessen  beträgt der Winkel +α nach rechts und -α nach links. Man sieht z.B. das  Orchester folglich unter dem Winkel 2α.
 Nachdem man in Abb. 5 der Kurve  für ±α folgt, lassen sich die Kombinationsmöglichkeiten vom Abstand  zwischen den Mikrofonen und dem Winkel zwischen ihren Hauptachsen an  den Achsen des Diagramms ablesen.
Aus der jeweiligen Kurve ergibt sich für das ORTF-Prinzip  (Kapselabstand 17cm, Winkel 110°) zum Beispiel, dass alle Schallquellen  innerhalb eines Winkels von ca. ±50°, also 100°, liegen sollten (nicht  zu verwechseln mit dem mechanischen Winkel zwischen den beiden Kapseln,  der 110° beträgt). Andere Erfordernisse ergeben sich zum Beispiel bei  einem sehr breiten Klangkörper oder einer sehr nahen Aufstellung, so  dass der Aufnahmebereich ±70° beträgt. Wenn man den Mikrofonabstand mit  20cm vorgibt, kann man ablesen, dass der Winkel zwischen den Mikrofonen  nur 50° betragen soll.
Entlang der senkrechten Achse (Ordinate) des Diagramms lassen sich  die Winkel für koinzidente Stereofonie ablesen (Mikrofonabstand 0cm).
Da Kugelmikrofone theoretisch keine Pegelunterschiede bei  verschiedenen Schalleinfallswinkeln produzieren, entfällt für diese  Richtcharakteristik die Betrachtung des Winkels zwischen den  Mikrofonhauptachsen. Der Winkel, unter dem man vom Ort des  Mikrofonpaars aus das gesamte Schallgeschehen aufnimmt, und der daraus  resultierende Mikrofonabstand sind tabellarisch darstellbar:
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Eine Abstandstabelle : (Tabelle 1)
Die Werte für α = ±50° und α = ±70° lassen sich z.B. auch in Abb. 6 an  der horizontalen Achse (Abszisse) ablesen. (Winkel zwischen den  Mikrofonen α = 0°, folglich kein Pegelunterschied und gleiche  Verhältnisse wie bei “Kugeln”.)
| Der Winkel α = | 30° | 40° | 50° | 60° | 70° | 
| Mikrofonabstand | 76 cm | 60 cm | 50 cm | 44 cm | 40 cm | 
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3.5 - Aufnahmewinkel
Nach Williams haben auch Sengpiel und Theile/Wittek den  Aufnahmewinkel stereofoner Mikrofone auf ihre Weise beschrieben.  Folgende Links geben einen Überblick:
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- Michael Williams: www.mmad.info
 Zum Einstieg in seine umfangreiche Arbeit ist preprint 2466 besonders geeignet.
- Eberhard Sengpiel: www.sengpielaudio.com/TheorieGrundlaAequivalenz.pdf
 Dies ist auch nur eine Seite mehrerer Abhandlungen zum Thema Lokalisation.
- Helmut Wittek: www.hauptmikrofon.de/ima2-folder/ImageAssistant2.html
 Der „Image Assistant“ beantwortet interaktiv im Netz wie die stereofone Abbildung von Mikrofonanordnungen aussieht.
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Wie schon beschrieben, führt die Beachtung des Aufnahmewinkels dazu,  dass bei alleiniger Verwendung des „Hauptmikrofons“ das aufgenommene  Geschehen die Basis zwischen den Lautsprechern ausfüllt. Wenn dies gar  nicht beabsichtigt ist, muss man den Aufnahmewinkel nicht respektieren.  Wenn die Schallquellen z.B. nur  in einem kleinen Bereich des  Aufnahmewinkels liegen, werden sie verstärkt in der Mitte lokalisiert.
Die Differenz zwischen dem Hauptachsenwinkel und dem Aufnahmewinkel  bezeichnet Williams als „Offset“. Dieser beträgt beim ORTF-Mikrofon  110°- 100°. Eine beabsichtigte Besonderheit des IRT-Kreuzes ist es  dagegen, dass die Kombination von Winkel und Abstand zweier benachbarter  Nieren keinen Offsetwinkel ergibt und so alle „Quadranten“ rundum  aneinander anschließen.
Sofern zusätzlich zum Hauptmikrofon Stützmikrofone eingesetzt werden,  übertragen sie Signale, bevor diese das Stereomikrofon erreichen.  Dadurch verliert das Hauptmikrofon an Bedeutung und es besteht die  Empfehlung Signale von Stützmikrofonen zeitlich zu verzögern, damit sie  nicht die erste Wellenfront übertragen.
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4. Die Mikrofonwahl
Mikrofone sind elektroakustische Wandler, die nicht so problematisch  sind wie Lautsprecher. Es ist aber angebracht, Mikrofone höchster  Qualität einzusetzen. 
Besonders gilt dies, wenn es sich – wie bei  einfachen Aufnahmeverfahren – um nur zwei Mikrofone handelt.  Großmembranmikrofone kommen dann streng genommen nicht mehr in Frage,  jedenfalls stimmen dann die Betrachtungen der Aufnahmewinkel nicht mehr,  weil frequenzunabhängige Polardiagramme vorausgesetzt werden.
Kondensatormikrofone sind zweifellos die beste Wahl. Sie sind zwar  teuer, können aber fast als „Anschaffung fürs Leben“ betrachtet werden.  Anders als sonst bei technischen Produkten unterliegen sie nur sehr  langfristig gravierenden Veränderungen. Es gibt Modelle, die seit mehr  als 20 Jahren gebaut werden. Der kaum erforderliche Service ist oft noch  wesentlich länger gewährleistet.
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4.1 - Mikrofonarten
Obwohl sehr gute Mikrofone den Schall fast unverändert übertragen, gibt  es doch Unterschiede in der Art und Weise, wie sie das tun.
Ein wichtiges Merkmal von Mikrofonen ist ihre Richtcharakteristik.  Wenn das Mikrofon Schall aus allen Richtungen gleich stark aufnimmt,  spricht man von der Kugelcharakteristik. Das rührt daher, dass man die  Empfindlichkeit für verschiedene Schalleinfallsrichtungen als Zeiger in  ein Diagramm einträgt (Polardiagramm). Bei der „Kugel“, wie man  Mikrofone mit Kugelcharakteristik meist kurz nennt, ergibt sich im  Polardiagramm ein Kreis. Mit der dritten Dimension wird daraus eine  Kugel.
Im Gegensatz zur Kugel haben andere Mikrofone eine Richtwirkung. Die  bekanntesten sind “Niere” und „Superniere“. Sie nehmen Schall in ihrer  so genannten Hauptachse bevorzugt auf.
Im Kapitel „Raumeinflüsse“ und „Mikrofon-Aufstellungsort“ wurde  schon vom direkten und vom reflektierten (diffusen) Schall gesprochen.  Abb. 7 stellt die Verhältnisse grafisch dar. (Vertiefung mit Erklärung  des “Hallradius’” in Aufsatz 11)
Die beiden Schallarten werden von Mikrofonen verschiedener  akustischer Arbeitsweise unterschiedlich übertragen. Das Verständnis  dieser Zusammenhänge erleichtert den Umgang mit der Technik. Hier sollen  die beiden wichtigsten Arbeitsprinzipien von Mikrofonen und die daraus  erwachsenden Konsequenzen erklärt werden.
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4.2 - Druck-Empfänger
Druck-Empfänger haben Kugelcharakteristik. Sie sind prinzipiell so  aufgebaut, wie Abb. 8c am Beispiel eines Kondensatormikrofons zeigt. Ein  Volumen wird durch die Membran "abgeschlossen", so dass sie bei  Druckänderungen ausgelenkt wird. Um nur den Schalldruck wirken zu  lassen und eine Vorspannung durch Luftdruckschwankungen auszuschließen,  sorgt eine feine Undichtigkeit für einen Druckausgleich. Die Undichtigkeit kann in Form  einer Kapillaren ausgebildet sein und wirkt wie die Eustachische Röhre  des menschlichen Ohrs, deren wir uns immer dann bewusst werden, wenn sie  – zum Beispiel durch Erkältung – verstopft ist und  Luftdruckschwankungen relativ schnell erfolgen.
Gegenüber den Druckschwankungen einer Schallwelle ist das Volumen  aber dicht abgeschlossen, so dass der Schalldruck die Membran bewegt.  Wenn die Wellenlänge des Schalls gegenüber dem Mikrofon groß ist (Abb.  8a), funktioniert es wie ein Barometer. Es befindet sich in einem Druck,  der rundherum praktisch gleich ist, und es spielt keine Rolle, woher  der Schall kommt. Das Mikrofon hat Kugelcharakteristik (Abb. 8d für  Frequenzen bis 3kHz).
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Um eine ideale Kugelcharakteristik zu besitzen, muss ein Mikrofon  sehr klein sein (etwa 5mm Durchmesser). Hierdurch hat es aber einen  schlechten Störspannungsabstand. Übliche „Kugel-Mikrofone“ (mit gutem  Störspannungsabstand) sind bei hohen Frequenzen nicht genügend klein  gegenüber der Wellenlänge (Abb. 8b). Daher wird die Membran bei  seitlichem Schalleinfall teils gedrückt und teils gezogen. Die  Empfindlichkeit wird dadurch kleiner als für axial einfallenden Schall.  Wir bekommen eine Richtwirkung (Abb. 8d für Frequenzen von 5kHz und  10kHz).
 Auch Kugelmikrofone richtet man daher auf die Schallquelle aus.  Für den reflektierten Schall, der ja aus allen Richtungen kommt, also  auch von der Seite und von hinten, ergibt sich ein Frequenzgang, der bei  hohen Frequenzen schwächer ist als im Datenblatt ausgewiesen (Abb.  8e).
 Die Messung des Frequenzgangs für das Datenblatt erfolgt  grundsätzlich unter Ausschluss aller Reflexionen und frontal auf der  Achse Abb. 8a-e Arbeitsweise und Merkmale eines elektrostatischen  Druck-Empfängers des Mikrofons. (Weitere Ausführungen hierzu auch in  Aufsatz 11)
Der Höhenverlust im reflektierten Schallfeld darf nicht überbewertet  werden, aber der Anwender muss wissen, dass er mit steigendem Abstand  von der Schallquelle, beziehungsweise höherem Anteil des reflektierten  Schallfelds gegenüber dem direkten, ein dunkleres Klangbild erhalten  wird. Eine so genannte “Diffusfeld-Kugel” kann Abhilfe schaffen. Sie ist  mit einem Höhenanstieg im Datenblatt angegeben, der aber bei  bestimmungsgemäßer Anwendung im diffusen Schallfeld nicht auftritt.
Bei „Kugeln“ spricht auch kaum etwas dagegen, eine notwendige  Diffusfeld-Korrektur mit einem guten Equalizer vorzunehmen. (Siehe auch  Aufsatz 6)
Wie beschrieben, gehört zu den Besonderheiten von Druck-Empfängern  („Kugeln“) eine Abhängigkeit des Höhenfrequenzgangs von der Art des  Schallfelds. Man kann darin einen Nachteil sehen.
Demgegenüber ist das Verhalten bei tiefen Frequenzen gut. Speziell  Kondensatormikrofone, die als Druck-Empfänger ausgelegt sind, können bei  tiefen Frequenzen als ideal betrachtet werden. Wenn es um die  Aufnahme tiefster Frequenzen geht (50Hz und weit darunter), kommt  praktisch nichts anderes in Frage. Das liegt daran, dass prinzipiell die  Ausgangsspannung eines Kondensatormikrofons, anders als bei  dynamischen Systemen, proportional zur Membranauslenkung ist, egal wie  langsam diese erfolgt, also auch bei extrem tiefen Frequenzen. Ein  dynamisches Mikrofon hingegen gibt nur bei Bewegung seiner Membran ein  Signal ab, jedoch hat deren Auslenkbarkeit Grenzen. (Ein Vergleich mit einem Magnet-Tonabnehmer  im analogen Schallplattenspieler bietet sich an.)
Die gute Tiefenwiedergabe von “Kugeln” erlaubt besonders  eindrucksvolle Aufnahmen. Andererseits sind damit auch bestimmte Risiken  verbunden, denn Räume mit unausgewogener Akustik zeigen ihre Unarten  vor allem bei den Tiefen. Die Folge kann ein “mulmiger” Klang der  Aufnahme sein. Ein anderer Aufstellungsort kann viel ändern.
 Insgesamt  erfordert der Einsatz von Kugel-Mikrofonen mehr Erfahrung als der von  Mikrofonen mit ausgeprägter Richtcharakteristik, wie vor allem “Nieren”.  Außerdem engen „Kugeln“ die möglichen stereofonen Aufnahmeverfahren  ein. Koinzidente Aufnahmen sind mit ihnen nicht möglich.
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4.3 - Druckgradienten-Empfänger
Druckgradienten-Empfänger sind Mikrofone mit ausgeprägter Richtwirkung. Der Druckgradient ist die Schalldruckdifferenz zwischen zwei nahe beieinander liegenden Schalleintritts-Öffnungen eines Mikrofons, der vorderen und der hinteren Öffnung. Erst hierdurch wird die Richtwirkung möglich. Die Differenz der Ankunftszeiten des Schalls an den beiden Öffnungen ist das Kriterium für die Einfallsrichtung.
Fast alle Mikrofone mit Richtcharakteristik können als Kombination des “reinen Druckgradienten-Empfängers” mit Acht-Charakteristik und einer “Kugel” betrachtet werden. Dies gilt auch dann, wenn die Richtwirkung nicht mit mehreren Membranen realisiert ist. Bei der “Acht” ist dann der Kugel-Anteil Null. Bei der Niere ist die Kugel und die Acht zu gleichen Anteilen enthalten (Abb. 9). Die “Breite Niere” liegt zwischen Kugel und Niere, und Super- und Hyperniere liegen zwischen Niere und Acht.
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Um die Eigenschaften von Richtmikrofonen zu verstehen, ist es daher  sinnvoll, außer den Merkmalen der „Kugel“ auch noch die Funktion der  „Acht“ zu kennen.
Abb. 10c zeigt das Prinzip der „Acht“. Die Membran kann von beiden  Seiten in gleicher Weise vom Schall erreicht werden. Bei Schalleinfall  von links oder rechts ergibt sich daher eine gleichartige  Membranbewegung, jedoch in entgegengesetzter Richtung, also mit  umgekehrter Polarität (Phasenlage) des Ausgangssignals. Wenn der Schall  aber parallel zur Membranebene einfällt, erreicht er sie von beiden  Seiten gleichzeitig, und es findet keine Reaktion statt. 
Das Mikrofon  ist also für Schall aus 90° und 270° unempfindlich (Abb. 10d). Darauf  beruht die Richtwirkung. Anders als die kugelförmige  Richtcharakteristik kann die “Acht” bis zu hohen Frequenzen erhalten  bleiben.
Dagegen verhalten sich Druckgradienten-Empfänger im Vergleich zu  „Kugeln“ weniger perfekt bei tiefen Tönen. Aus Abb. 10a und 10b erkennt  man, dass der maximale Schalldruckunterschied zwischen den beiden  Öffnungen der Mikrofonkapsel für tieffrequente (längere) Wellen kleiner  ist als für höhere Frequenzen.
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Der Druckgradient nimmt mit der Frequenz ab und verschwindet schließlich bei dem Grenzfall, bei dem die Frequenz Null ist, also nur noch ein Gleichdruck vorliegt. Es gibt dann überhaupt keinen Druckunterschied zwischen den beiden Membranseiten und folglich auch keine Membranbewegung und keine Ausgangsspannung.
Weil die Membranantriebskraft also mit sinkender Frequenz abnimmt, muss konstruktiv dafür gesorgt werden, dass die Membran bei tiefen Frequenzen sehr leicht beweglich ist. Darauf ist es zurückzuführen, dass andere Anregungen der Membran als Schall zu großen Bewegungen führen können. 
Druckgradienten-Empfänger sind daher viel empfindlicher gegen Luftbewegungen (Wind) und Körperschall (Vibrationen) als Druck-Empfänger.
Bei extrem tiefen Frequenzen offenbart sich die abnehmende Druckdifferenz an den Schalleintrittsöffnungen auch im Frequenzgang.
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4.4 - Der Nahheits-Effekt
Obwohl Druckgradienten-Empfänger sehr tiefe Töne generell geschwächt  übertragen, können sie in speziellen Fällen auch zu einer Überbetonung  dieser Frequenzen führen, nämlich dann, wenn das Mikrofon dicht an der  Schallquelle eingesetzt wird (z.B. beim Gebrauch als Sprechermikrofon).  Man nennt dieses Geschehen den Nahheits- oder auch  Nahbesprechungs-Effekt.
Bei gleicher Schallausbreitung in alle Richtungen (Kugelschallwelle)  und einem Mikrofon mit Nieren-Charakteristik bewirkt der Nahheitseffekt  in 0,5 m Abstand bei 50Hz zum Beispiel 3dB Pegelanhebung. Sie kann bei  noch kürzeren Abständen ohne weiteres 10dB und mehr betragen.
Der Effekt kann anschaulich damit erklärt werden, dass die  Druckdifferenz an den Schalleinlassöffnungen nicht nur von der Frequenz  bzw. der Wellenlänge abhängt, sondern auch noch von der Art der  Wellenausbreitung. Im Vergleich mit dem sehr kleinen Druckgradienten  bei niedrigen Frequenzen kann die Abnahme des Schalldrucks durch die  Schallausbreitung zwischen den beiden Schalleinlassöffnungen des  Mikrofons so groß sein, dass dadurch der Pegel angehoben wird.
Im Zusammenhang mit den hier beschriebenen Aufnahmetechniken muss uns der Fall kurzer Abstände aber nicht weiter interessieren.
Über das Thema der optimalen Tiefenwiedergabe mit  Druckgradienten- Empfängern ließe sich ein eigener Aufsatz schreiben.  Wer diese Details nicht kennt, kann durch Frequenzgangschriebe  irregeführt werden. Es gibt daher seriöse Mikrofonhersteller, die trotz  guter Messergebnisse nur ungerne Original-Frequenzkurven ausgeben,  obwohl diese im Verlauf der Produktion ermittelt und archiviert werden.  Andererseits gibt es Firmen, die fest mit der Unwissenheit der Käufer  rechnen und “konkurrenzlos” schöne, aber praxisferne (linealgerade) Kurven liefern. Bei  Druckgradienten-Empfängern ist eine Darstellung des  Tiefenfrequenzgangs ohne Angabe des Messabstands wertlos.
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Die nachfolgende Tabelle 2 kann durch Klick vergrößert werden ..........
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Da das Richtdiagramm von Druckgradienten-Empfängern bei hohen  Frequenzen besser konstant gehalten werden kann als bei „Kugeln“, ist  es möglich, dass der Frequenzgang im diffusen Schallfeld dem im direkten  Schallfeld recht ähnlich sieht (Abb. 10e).
 Die Empfindlichkeit  gegenüber dem reflektierten Schall ist aber um das so genannte  Bündelungsmaß kleiner. Das liegt daran, dass es für  Druckgradienten-Empfänger immer Schalleinfallsrichtungen gibt, in denen  sie deutlich unempfindlicher sind als auf der Achse, und dass der  diffuse Schall natürlich auch aus diesen Richtungen kommt.
Die „Acht“ ist zum Beispiel theoretisch um 4,8 dB unempfindlicher  gegenüber Schall, der aus dem Raum zurückkommt. Bei Beschallungsanlagen  ist dies wichtig, um die Gefahr der akustischen Rückkopplung zu  verringern. In der Aufnahmetechnik bedeutet dies, dass das Mikrofon  weiter entfernt aufgestellt werden muss beziehungsweise darf, wenn man  die gleiche Hallbalance erhalten will wie mit einer „Kugel“.
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