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Aus der Funkschau 1979 Heft Nr. 07
"100 Jahre Ton- und Bildspeicherung"
Artikel Nr. 36

von Prof. Dr. hc. Walter Bruch in 1977

Telefunken war der Gewinner

Der Gewinner war jedoch die Firma Telefunken, denn sie besaß ein Patent ihres Mitarbeiters Dr. Heinz Lübeck, angemeldet schon am 20. Juni 1943 [101] mit einem nicht umgehbaren Schutzumfang. Dort steht nämlich u. a.: ,,...bei dem der Frequenzgang des Steuerorgans für den Rillenabstand dem Frequenzgang des die Rillenamplitude bestimmenden Aufzeichnungsorgans des Nadeltonträgers angepaßt ist." Danach waren alle Platten mit richtig gesteuertem Rillenabstand Telefunken lizenzpflichtig. (Anmerkung : nur in Deutschland !!)

Der Zeitgewinn beim raumsparenden Schneiden ist am größten, wenn die Darbietung eine starke Dynamik besitzt.

So gelang es beispielsweise mit dem Rheinschen Füllschriftverfahren unter Ausnutzung all seiner Erfindungen, auf einer Seite einer 33er LP mit den üblichen Mikrorillen die Scheherazade von Rimsky-Korssakow mit einer Spieldauer von 40 Minuten unterzubringen, während die gleiche Plattenseite ohne Rillenverdichtung höchstens 24 Minuten Abspielzeit aufnehmen kann.


Eine 45er-Platte kann mit mancher klassichen Musik bis 9 Minuten
, mit moderner Tanzmusik allerdings nur mit 7 Minuten bespielt werden.

Damit war die Entwicklung der analogen Schallplatte in bezug auf ihre Spielzeit abgeschlossen; Platten mit 8 1/3 U/min und 16 2/3 U/min, nur für Sprachaufzeichnungen, können wir vergessen.

Tabelle 2, entnommen [99], gibt einen Überblick über die Spielzeitgewinne bei monofonen Musikplatten.

Techn. Daten, Rillenbreite, Spieldauer usw.

      78U/min 78U/min 45U/min 33U/min  
  Rillen/Zoll Rillen/cm 25cm 30cm 17cm 25cm 30cm
Normalrillen (Rillenbreite 100-140um)          
normaler Schnitt 96 38 3,5min 4,8min      
engster Schnitt 106 42 3,8 min 5,2 min      
Mikrorillen (Rillenbreite 50...70um)          
normaler Schnitt 218 86     5,5 min 15,5 min 22min
engster Schnitt 241 95 - - 6 min 17 min 24,3min
Teldec-Füllschrift (Rillenbreite 50...140um)          
  - - 7min 9,5 min 9 min 26 min 40min

Stereo vollendet die Schallplatte

Seit 20 Jahren (Anmerkung : wir sind im Jahr 1978) sind Schallplatten eingeführt, die für die stereophone Wiedergabe in der Rille noch eine zweite Information haben. Damit hat die für die mechanisch- elektrische Wiedergabe bestimmte Schallplatte ein vorläufiges Endstadium erreicht. Über die 80 Jahre, die bis dahin seit Edisons erstem Phonographen vor 100 Jahren vergangen sind, wollte ich berichten, sie sind Geschichte. Von vielen einzelnen Erfindern, deren Leistungen diesen Entwicklungsabschnitt geprägt haben, durfte ich erzählen, was mir ohne tief nachzuforschen gerade einfiel.
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Die Verfeinerung der Schallplattentechnik im Sinne von High-Fidelity hat danach eine große Zahl von Ingenieuren auf den Plan gerufen, von deren Leistungen manche auch in der Geschichte Bestand haben werden.

Informieren Sie sich darüber, soweit sie sich nicht ohnehin täglich damit befassen, in der FUNKSCHAU, ganz besonders in den beiden Sonderheften „FUNKSCHAU-Spezial High-Fidelity" 1 und 2.

Wer sich mit der Technik etwas vertraut machen will und weitere Literaturnachweise sucht, dem empfehle ich das für eine Einführung ganz besonders geeignete Buch aus dem Franzis-Verlag ,,Phonotechnik ohne Ballast" von Günther Fellbaum und Wolf gang Loos.

Wie das mit dem Richtungshören anfing

Die durch Schallplatte, Rundfunk und Tonband schon fast alltäglich gewordene Geschichte der Stereophonie ist etwa so alt wie der Phonograph; die Erkenntnisse, wie das Richtungshören funktioniert, sind nicht viel älter. Noch 1838 hatte der Schotte Alexander Bain, bekanntgeworden als einer der ersten Erfinder einer Bildübertragungseinrichtung, allen Ernstes bestritten, daß unser beidohriges Gehörsystem bei der Schallokalisation eine Rolle spielt.

Damit hatte er den deutschen Physiologen Ernst Weber herausgefordert, der mittels einfacher Experimente, bei denen er sich zweier Uhren bediente, eindeutig das Gegenteil bewies.

Bild 201. Zur akustischen Schallokalisation hatte man bereits 1880 die Basis der Ohren durch ein Gerät vergrößert, das den Namen „Topophon" erhielt. Dieses patentierte Gerät sollte es den Kapitänen erlauben, im Nebel die Richtung exakt zu bestimmen, in der sich ein anderes, mit seinem Nebelhorn tutendes Schiff befand.

Lord John Rayleigh brachte den Beweis

Aber erst Lord John Rayleigh, Nobelpreisträger von 1904, blieb es vorbehalten, in eindeutigen Experimenten den Nachweis zu führen, daß der Abstand unserer Ohren primär für die Möglichkeit der Ortung einer Schallquelle verantwortlich ist. Diese Tatsache hatte - ohne physikalische Kenntnisse - der Erfinder des in Bild 201 dargestellten Gerätes angewendet, der zur Ortung von Schallquellen die Basis seiner Ohren durch zwei gespreizte Schallempfänger vergrößert hatte.

Rayleigh stellte sich mit geschlossenen Augen auf eine Rasenfläche inmitten eines Kreises seiner Assistenten, von denen jeder eine Stimmgabel als Tonquelle in der Hand hielt. Er konnte die Richtung jedes angeschlagenen Tones einigermaßen genau bestimmen, wenn er beidohrig hörte. Einen direkt hinter ihm angeschlagenen Ton konnte er jedoch nicht von einem direkt von vorn kommenden unterscheiden.

Er fand - und das wird noch für uns wichtig werden -, daß die Ortung eines Tones tiefer Frequenz viel schwieriger ist als die eines von höherer Frequenz. Weiterhin stellte er fest, daß dem Ohr, das der Richtung der Schallquelle mehr zugewendet ist, der Schall mit mehr Intensität zugeführt wird als dem Ohr, das in der Richtung mehr von der Schallquelle abgewendet ist.

Der Gedanke der Intensitätsstereophonie

Bild 202 a
Bild 202 b
Bild 202 c
Bild 202 d

Und das war nun seine erste Theorie: Die Lokalisierung eines Schalles wird bestimmt durch die unterschiedliche Intensität, mit der er beide Ohren erreicht. Man spricht, weil dies für den Stereoeindruck vornehmlich maßgebend ist, hierbei von ,,Intensitätsstereophonie". Später mußte Rayleigh erkennen, daß dies nur bei den höheren Frequenzen, so etwa oberhalb von 400 Hz, zutrifft, während bei den tieferen Frequenzen die unterschiedliche Phasenlage, mit denen eine Schallfrequenz beide Ohren erreicht, bei der Lokalisierung mithilft.

Bei den höheren Frequenzen
, die symmetrisch vor dem Hörer auseinandergespreizt sind, werden zwei Schallquellen als aus der Mitte kommend geortet, wenn sie auf beide Ohren mit gleicher Intensität fallen. Bei der stereophonen Wiedergabe läßt sich mit dem Balanceregler - allein durch Veränderung des Intensitätsverhältnisses des von beiden Lautsprechern kommenden Schalls - die Mitte verschieben, und zwar um so besser, je weniger auf tiefe Frequenzen geachtet wird, denn deren Ortung wird durch das Phasenverhältnis bestimmt.

Wie weit bei der elektronischen Aufnahme die Mikrofone voneinander entfernt sein sollen, ist eine Wissenschaft für sich. Anfangs, und nicht für die Knüppel- oder Ping-Pong-Stereophonie, benutzte man einen sogenannten Kunstkopf, der an der Stelle der Ohren zwei Mikrofone hatte; für Spezialeffekte spielt er heute wieder eine Rolle.
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Die elektronische Stereophonie läßt sich auf das Jahr 1881 zurückführen [102]; sie ist also nur vier Jahre jünger als der Phonograph! Mit Wirkung vom 30. August 1881 patentierte das Kaiserliche Patentamt dem Pariser Ingenieur Clement Ader ein Verfahren, das er „Neuerungen an Telefonanlagen für Theater" nennt. Es beschreibt, eine Einrichtung für die direkte Übertragung von der Bühne zum Fernsprechteilnehmer in allen Einzelheiten [Bild 202).

Zu den Bildern 202 a,b,c und d:
Es ist kaum zu glauben, schon 1881, also bereits vier Jahre nachEdisons Erfindung eines Kohlemikrofons, wurde von C. Ader mit ähnlichen Mikrofonen eine zweikanalige Übertragung aus der Pariser Oper in Stereo zur „Exposition Internationale d'Electricite" durchgeführt, a), b) Prinzip (T und T' sind die beiden Mikrofone, R und R' sind die Hörer für die beiden Ohren, t, t' = Mikrofone für monaurale Übertragungen; c) der Saal auf der Ausstellung; d) Anordnung der Mikrofone (T) auf der Bühne (links und rechts neben dem Soufleur-Kasten) vor der Gasbeleuchtung (G). Die Mikrofone liegen zum Schutz vor Trittschall in Sandkästchen, eine Art Vorwegnahme des Marmorblockmikrofons von Reisz

(Fortsetzung folgt)
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Das Literaturverzeichnis (die Quellen) zu den Artikeln 1 bis 39

finden Sie am Ende dieser ersten Artikelserie auf einer eigenen Literatur-Seite. Die dann folgenden nächsten 32 Artikel über die Magnetband/Tonbandaufzeichnung finden Sie hier in unserem Magentbandmuseum.

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