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Aus der Funkschau 1978 Heft Nr. 09 kommt hier
"100 Jahre Ton- und Bildspeicherung"
Artikel Nr. 12

von Prof. Dr. hc. Walter Bruch in 1977

Emile Berliner und Europa

Die berühmteste deutsche Schallplattenfirma

1889: Dr. Wangemann, Edison's Vertreter hatte gerade seine Europareise abgeschlossen, da traf auch Berliner in Europa ein. Mit Demonstrationsvorträgen machte er sein Grammophon bekannt. Der wichtigste wurde wohl in Berlin am 26. November 1889 vor dem Elektrotechnischen Verein gehalten.

Dort lernte er Werner von Siemens kennen. Die beiden Erfinder konnten nicht ahnen, daß 50 Jahre später die Firma Siemens von der Telefunken Gesellschaft die einmal von Emile Berliner gegründete Deutsche Grammophon Gesellschaft übernehmen würde.

Demonstration am 5. Januar 1890

Die gleiche Vossische Zeitung, die kurz vorher über Edisons Besuch berichtet hatte, zitiert mit einem Bericht über eine Vorführung in Berlin am 5. Januar 1890:

In dem Foyer des Belle-Alliance-Theaters wurde Sonntagmittag einer Anzahl geladener Gäste Emil Berliners „Grammophon" gezeigt, das dem Edison'schen Phonographen den Rang streitig macht, sehr Tüchtiges leistet und nach weiterer Vervollkommung, an welcher der Erfinder bereits arbeitet, weil es billiger und weniger empfindlich ist als der Edison'sche Apparat, diesem erhebliche Konkurrenz bereiten wird.

Das Grammophon gibt die aufgenommenen Töne, sowohl die menschliche Stimme als auch die Musik, gut und getreu wieder, wenn auch nicht immer ohne ein störendes Nebengeräusch. Besonders gut gelingt dem Grammophon die Wiedergabe mehrstimmiger Musikstücke, welche nahezu tadelfrei und getreu in der Klangfarbe der einzelnen Instrumente und Stimmen zum Ausdruck gelangen...

Die Schalltrichtervorrichtung des Grammophons, durch welche die Töne derart verstärkt werden, daß eine größere Anzahl Menschen sie zu derselben Zeit hören könnte, ist besser gelungen als die Vorrichtung, mit welcher Edison dasselbe zu erreichen sucht. Das Grammophon wird demnächst öffentlicht gezeigt werden.

Etwas fehlte noch zur "Perfektion"

Ein Exponat in St. Georgen

Die neuartige Technik des Grammophons wurde überall beschrieben und mit Interesse zur Kenntnis genommen, doch fühlte man, daß ohne eine geeignete Methode der Vervielfachung der Platten das Gerät nicht marktreif war.

Die kleine Spielzeugfirma in Thüringen, der Berliner eine Lizenz für die Anfertigung von Spielzeug-Grammophonen gegeben hatte, mußte nach zwei Jahren die Produktion wieder einstellen. Sie hatte Platten aus Celluloid hergestellt. Sieben Jahre später, als Berliner Schellackplatten pressen konnte und Edison's englischer Vertreter Gouraud über die Walzen in England die Aversion gegen die Musikmaschine gemildert hatte, war die Zeit gekommen, zu der auch die Schallplatte in Europa erscheinen mußte, wenn man es nicht der Phonographenwalze überlassen wollte.

Die Gramophone Company ist der Vorläufer der EMI

Ein Grammophone Label aber viel später von 1929

Mitte 1897 wurde in London die Gramophone Company gegründet. Nach Namenswandlungen ist daraus der riesige EMI-Konzern geworden (Electrical and Musical Industries).

Von Berliner entsandt, trafen dort im Juli 1898 die beiden Brüder William und Frederick (Fred) Gaisberg mit der Aufnahmeapparatur ein. Fred, gelernter Pianist, begann sofort, weltbekannte Künstler zu Aufnahmen zu veranlassen. Warum Berliner die Platten nicht auch in England pressen ließ, welche Gründe auch immer genannt werden, ist nicht wichtig. Jedenfalls hatte er dafür die Telefonfabrik seines Bruders Joseph in Hannover ausersehen.

Gepresst und fabriziert wurde in Hannover

Das DGG Werk in Hannover in 1930

Am 6. Dezember 1898, genau auf den Tag 21 Jahre nach Edisons erster Sprechmaschinenvorführung, wurde die erste europäische Schallplattenfabrik in Hannover unter dem Namen „Deutsche Grammophon Gesellschaft" gegründet. Dort sollten von den in England auf Zinkplatten aufgenommenen und geätzten „Master" nach Herstellung eines Kupfernegativs die Platten gepreßt werden. Für den Anfang war das eine ausgezeichnete Arbeitsteilung.

Alsbald sandte Berliner seinen Neffen Joseph Sanders mit vier hydraulischen Pressen nach Hannover, und schon 1899 konnte man in der kleinen Telefonfabrik von Joseph Berliner in der Kniestraße in einer Ecke anfangen (Bilder 57, 58 und 59). Mit einer Presse konnte man bis zu zehn Platten in der Stunde herstellen.

Bild 57. Die erste europäische Plattenpresserei. So fing die neu gründete Deutsche Grammophon Gesellschaft 1898 in einer Ecke der Telefonfabrik von Joseph Berliner (zweiter von rechts).
Bild 58. Eine Aufnahme in der Kniestraße, etwa links sieht man die 4 ersten hydraulischen Pressen betriebsfähig angeschlossen, rechts eine neu dazugekommene
Bild 59. Das war die ganze Belegschaft der Deutschen Grammophon Gesellschaft im Gründungsjahr 1898

Die ersten "Pressungen" waren langwierig

Bild 60. Kino Platten Rückseite der einseitig bespielten Platten
Bild 61. In den ersten Jahren kennt man noch keine Papieretiketten. Titel und Künstlername wurden von Hand eingeritzt, Emil Berliners ,,Markenzeichen", einschließlich des schreibenden Engels eingestempelt
Bild 62. Eine der ersten Plattem mit Papieretikett

Die Schellackmischung wurde als eine Art von Kuchenteig erst auf die heiße Platte gelegt, bis dann von oben die Kupfermatrize mit immensem Druck daraufgepreßt werden konnte. Dann mußte das Ganze in Ruhe abkühlen. Ein guter Presser konnte wegen der Langzeitpressung bis zu drei Pressen bedienen. Man arbeitete von 6 Uhr morgens bis 10 Uhr abends. Schon bald hatte man Aufträge für 5000 Platten im Jahr.

Vorläufig wurden jedoch nur einseitig bespielte Platten gepreßt. Später trugen sie zusätzlich auf der Rückseite das von den Engländern eingeführte Markenzeichen ,,Angel" (Bild 60), einen Engel, der eine Platte beschriftet. Diese Platten waren, wie schon erwähnt, nur 5 Zoll im Durchmesser, in Hannover begann man mit 7 Zoll (17,5 cm), Spielzeit 1 min 50 s, dann kamen 10-Zoll-Platten (25 cm), Spielzeit 2 min 30 s und 12 Zoll (30 cm), Spielzeit 3 min 50 s. Alle waren nur einseitig bespielt. *) Noch ist die Vorderseite handbeschriftet (Bild 61), erst 1901 werden die Platten mit Papieretiketten versehen (Bild 62).

*) Die Weiterentwicklung wird am Ende der ersten Hälfte dieser Artikelserie, wenn die Tonaufzeichnung abgeschlossen ist, in einer Zeittabelle zusammengestellt.

Während die DGG eine Weltfirma wurde, blieb Emile Berliner regelrecht arm.

Nach der Gründung der großen Schallplattengesellschaften übernahmen andere anstelle von Berliner die Weiterentwicklung. *) Im Gegensatz zu Edison, der ein Leben lang mit seinem Phonographen und später seinen Schallplatten sozusagen verheiratet war, wandte sich Berliners unruhiger Geist ganz anderen Problemen zu. Emile Berliner hat nach Aussage seines Enkels Oliver Berliner im Vergleich zu Johnson keine Reichtümer erworben.

Sein Bruder Joseph dagegen, der Gründer der Deutschen Grammophon Gesellschaft, hat seine Telefonfabrik zu einer Weltfirma mit Niederlassungen in Wien, Budapest und London gemacht, bis er sie an eine Aktiengesellschaft abgab, später übernommen von der ,,Telefonbau und Normalzeit". Aktenkundig in Hannover festzustellen: er besaß 1912 ein Vermögen von 3 Millionen Goldmark und ein Jahreseinkommen von 176.187 Mark. So unterschiedlich waren die Brüder veranlagt.

Fotos: Bilder 50, 51, 57, 58, 60 und 61: Polydor International

(Fortsetzung folgt)
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Das Literaturverzeichnis (die Quellen) zu den Artikeln 1 bis 39

finden Sie am Ende dieser ersten Artikelserie auf einer eigenen Literatur-Seite. Die dann folgenden nächsten 32 Artikel über die Magnetband/Tonbandaufzeichnung finden Sie hier in unserem Magentbandmuseum.

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