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Was ist anders bei Grenzflächenmikrofonen?

Ein Vergleich mit konventionellen Mikrofonen. - Von Manfred Hibbing (Datum unbekannt)

  • Was ist anders bei Grenzflächenmikrofonen? - Ein Vergleich mit konventionellen Mikrofonen. - (Das Sennheiser Grenzflächenmikrofon MKE 212)
  • Grenzflächenmikrofone werden in zunehmendem Maße verwendet, um eine detailgetreue Erfassung der räumlich-atmosphärischen Aufnahmesituation zu erhalten.
  • Wie funktionieren sie eigentlich? Wodurch unterscheiden sie sich von konventionellen Mikrofonen, und was haben sie mit diesen gemeinsam?

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Die Einleitung

Im folgenden soll gezeigt werden, daß die Übertragungseigenschaften durch einfache physikalische Effekte bestimmt werden. Daraus läßt sich dann ableiten, wie ein akustisch optimiertes Grenzflächenmikrofon beschaffen sein sollte.

Bei konventionellen Mikrofonen hat man sich daran gewöhnt, daß sie neben individuellen Frequenzgängen gewisse typische Richteigenschaften aufweisen.

Ideal wäre eine frequenzunabhängige Richtwirkung. In Wirklichkeit nimmt sie bei hohen Frequenzen stets zu, der Bündelungsgrad wächst an. Das Mikrofon "hört" bei hohen Frequenzen besser nach vorne als nach den Seiten. Dieser Effekt macht sich umso stärker bemerkbar, je größer der akustisch wirksame Querschnitt des Mikrofons ist, das heißt im allgemeinen, je größer der eigentliche Wandler ist.

Bei hohen Frequenzen stellt der Wandler nämlich ein akustisches Hindernis dar. Die Schallwellen werden um dieses Hindernis nicht mehr herumgebeugt, sondern sie werden reflektiert. Der Wandler wirkt dann wie eine starre Wand, hinter der ein akustischer Schatten entsteht, also wie eine akustische Grenzfläche.

Durch die Reflexion des Schalls erhöht sich der Schalldruck vor der Grenzfläche und damit vor der Membran bis auf den doppelten Wert des Freifelddrucks. Mit anderen Worten:

Das Mikrofon registriert bei hohen Frequenzen einen Schalldruck, der bis zu 6 dB höher ist als der Schalldruck, der bei Abwesenheit des Mikrofons, also im "freien Feld", am gleichen Ort und zur gleichen Zeit vorhanden wäre.

Das gilt für Schall, der vorn senkrecht auf die Membram trifft. Bei schrägem Schalleinfall unter zunehmendem Winkel nimmt dieser "Druckstau" immer mehr ab und tritt bei seitlichem, also streifendem Schalleinfal1, praktisch nicht mehr auf.
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Störungen des Frequenzganges

Dafür wird jetzt ein anderer Effekt wirksam, der zu Störungen des Frequenzganges führen kann.

Bei hohen Frequenzen wird die Membran nicht mehr auf der ganzen Fläche gleichphasig angeregt, sondern lokal unterschiedlich in Stärke und Richtung. Bei bestimmten Frequenzen kann der resultierende Antrieb sogar ganz verschwinden, wenn sich Über- und Unterdruck auf der Membran gerade kompensieren. Einbrüche im Frequenzgang sind dann die Folge.

Dieser Interferenzeffekt bewirkt, daß das Mikrofon bei seitlicher Beschallung mit hohen Frequenzen an Empfindlichkeit verliert.

Es gibt also zwei prinzipielle Effekte, die das Übertragungsverhalten der Mikrofone bei hohen Frequenzen beeinflussen:

  1. Durch Reflexion wird das Mikrofon bei frontaler Beschallung empfindlicher.
  2. Durch Interferenz wird das Mikrofon bei seitlicher Beschallung unempfindlicher.


Beide Effekte zusammen ergeben eine zunehmende Richtwirkung bei hohen Frequenzen, die weitgehend unabhängig davon ist, ob das Mikrofon im übrigen Übertragungsbereich als Druck- oder Druckdifferenzwandler arbeitet.
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Jetzt ist der Toningenieur gefagt

Bei der konventionellen Aufnahmetechnik hat man sich an die zuvor beschriebenen Effekte gewöhnt und begegnet ihnen durch entsprechende Auswahl und sorgfältiges Aufstellen und Ausrichten der Mikrofone.

Anders als bei den konventionellen Mikrofonen ist die Membran eines Grenzflächenmikrofons integrierter Bestandteil einer akustischen Grenzfläche. Idealerweise sollte die Membran in einer Ebene mit der Grenzfläche liegen. Nur dann ist sichergestellt, daß der Schalldruck unverfälscht auf die Membran einwirken kann.

Schließt die Membran nicht bündig mit der sie umgebenden Fläche ab, ist sie also vor- oder zurückgesetzt, so zeigt der resultierende Frequenzgang Unregelmäßigkeiten im oberen Übertragungsbereich. Ähnlich Störungen werden auch durch massive "Aufbauten" vor der Grenzfläche verursacht. Akustisch transparente Schutzkörbe aus Gaze stören dagegen nicht.
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Ein um 6 dB höheres elektrisches Signal

Wenn diese Details beachtet werden, ergibt sich praktisch im gesamten Übertragungsbereich durch Reflexion ein um 6 dB erhöhter Schalldruck an der Grenzfläche und daher auch an der Membran des Wandlers. Der Wandler des Grenzflächenmikrofons liefert also ein um 6 dB höheres elektrisches Signal als er es abgeben würde, wenn die Grenzfläche nicht vorhanden wäre.

Dies gilt jedoch nur, wenn der Wandler hinreichend klein ist. Andernfalls stellt der Wandler bei hohen Frequenzen selbst schon eine Grenzfläche dar. Das bedeutet, daß er bei hohen Frequenzen bereits die um 6 dB höhere Grenzflächenempfindlichkeit aufweist.

Daran ändert sich auch nach dem Einbau in die "große" Grenzfläche nichts mehr. Hinzu kommt aber dann der Gewinn von 6 dB im übrigen Übertragungsbereich. Hatte der Wandler im Freifeld (also vor Einbau in die Grenzfläche) einen geraden Frequenzgang, dann muß zwangsläufig bei Verwendung als Grenzflächenmikrofon eine Betonung der tiefen und mittleren Frequenzen gegenüber den hohen Frequenzen auftreten.

Die Folge ist ein Frequenzgang, der im oberen Übertragungsbereich abfällt. Neben diesem Effekt, der auf den unterschiedlichen Reflexionsbedingungen bei Freifeld- und Grenzflächenbetrieb beruht, gibt es noch den Einfluß der Interferenz, der sich nachteilig auf die Höhenwiedergabe auswirkt, wenn der Wandler nicht hinreichend klein ist.

Es kommt auf die Richtung der Beschallung an

Geht man davon aus, daß das Grenzflächenmikrofon auf dem Fußboden liegt, dann erfolgt die Beschallung normalerweise nicht von oben, also in Richtung der Mikrofonachse, sondern schräg von der Seite und bei großen Aufnahme-Entfernungen sogar nahezu streifend.

Wird nun als Wandler eine Kapsel mit einem Durchmesser verwendet, wie er bei konventionellen Mikrofonen üblich ist, so entsteht, wie bei konventionellen Mikrofonen auch, bei schrägem Schalleinfall ein welliger Frequenzgang. Da dieser Effekt winkelabhängig ist, bekommt man ein winkelabhängiges Klangbild mit einem Defizit im oberen Übertragungsbereich.

Reflexion und Interferenz

Grundsätzlich gibt es also, wie schon erwähnt, zwei akustische Effekte, die das Übertragungsverhalten von Mikrofonen im oberen Übertragungsbereich entscheidend beeinflussen: Reflexion und Interferenz.

Im Prinzip sind hiervon sowohl konventionelle (Freifeld-) Mikrofone als auch Grenzflächenmikrofone betroffen. Die Randbedingungen unterscheiden sich nur insofern, als beim Grenzflächenmikrofon eine im gesamten Übertragungsbereich konstante Reflexion angestrebt wird, während beim konventionellen Mikrofon die Reflexion auf den oberen Übertragungsbereich beschränkt bleibt.

Von der bei schrägem oder seitlichem Schalleinfal1 auftretenden Interferenz sind beide Mikrofontypen ebenfalls in gleicher Weise betroffen, nur hat man beim konventionellen Mikrofon eher die Möglichkeit, diesen Effekt durch Ausrichten des Mikrofons auf die Schallquelle zu eliminieren als beim Grenzflächenmikrofon, das meistens in seiner Lage durch vorgegebene "natürliche" Grenzfläche, wie Fußboden und Wände, fixiert ist.
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Der Durchmesser der Wandler hat großen Einfluß

Die vorausgegangenen Überlegungen haben deutlich gemacht, daß der Einsatz von Wandlern mit Durchmessern, wie sie bei konventionellen Mikrofonen üblich sind, in Grenzflächenmikrofonen zu einer unbefriedigenden Übertragung der hohen Frequenzen führen kann.

In ungünstigen Fällen treten Klangverfärbungen sogar noch im mittleren Frequenzbereich auf. Will man ein Grenzflächenmikrofon mit im gesamten Übertragungsbereich neutralen Eigenschaften erhalten, so muß man daher Wandler verwenden, die sehr klein sind.

Dann treten im Übertragungsbereich keine Interferenzeffekte auf und der Frequenzgang bleibt bei Grenzflächenbetrieb so gerade wie der Freifeldfrequenzgang des Wandlers, lediglich der Übertragungsfaktor erhöht sich im gesamten Übertragungsbereich als Folge der breitbandigen Reflexion um 6 dB.

Dieser Gewinn sorgt dafür, daß der Störabstand des Grenzflächenmikrofons um 6 dB höher ist als der des eigentlichen Wandlers. Das ist der Grund, warum man beim Grenzflächenmikrofon bei gleichem Störabstand kleinere Kapseln verwenden kann als bei konventionellen Mikrofonen.
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Sennheiser verwendet im Grenzflächenmikrofon MKE 212 eine Kapsel mit einem Membrandurchmesser von etwa 3mm und einer Einspracheöffnung von nur 0,5mm. Damit ergeben sich ideale Voraussetzungen für ein unter allen Beschallungswinkeln neutrales Mikrofon mit einem im gesamten Übertragungsbereich ebenen Frequenzgang. Der Einsatz bei professionellen Aufnahmen hat die klangliche Ausgewogenheit sowie die problemlose Handhabung dieses Mikrofons bestätigt.
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  • Un darum auch die Anmerkung : Der Technik-Chef Jörg Wuttke hat bei der Firma Schoeps Schalltechnik (Karlsruhe) von Anfang an den kleinen Kondensator-Wandler bei allen Schoeps Mikrofonen absolut bevorzugt und gar nicht erst mit den großen Wandlern - wie bei Neumann Berlin - angefangen. Und hier wird es von Herrn Hibbing von Sennheiser bestätigt.

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Zusammenfassend lassen sich folgende Kriterien für ein hochwertiges Grenzflächenmikrofon aufstellen:

  • Der Wandler sollte sehr klein sein.
  • Die Einsprache des Wandlers sollte bündig in die Grenzfläche integriert sein.
  • Der Wandler sollte einen ebenen Freifeldfrequenzgang aufweisen.
  • Der Wandler sollte sehr wenig rauschen.
  • Akustisch störende Aufbauten vor der Grenzfläche sollten vermieden werden. (Schutzkörbe aus Gaze stören nicht.)
  • Die Montageplatte des Grenzflächenmikrofons sollte möglichst dünn sein, um einen akustisch stoßfreien Übergang zur Umgebung sicherzustellen.

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