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Gerhardt Ronnebergers Autobiographie - Deckname "SAALE" - aus 1999 - ein Generaldirektor erzählt .....

Gerhardt Ronneberger, geboren im März 1934 in Saalfeld († 2013 ?) schreibt 1999 in seiner Autobiographie (1982–1999) auf etwa 370 Seiten, wie es wirklich zuging beim MfS, der Stasi und den Betrieben in der "Deutschen Republik". Da er nie in einem richtigen Ossi-Gefängnis eingesperrt war, fehlt diese Erfahrung völlig, dafür aber die Zustände in einem West-Gefängnis und wie es dazu kam und vor allem, was danach bis zur Wende im Dez 1989 kam. Der Einstieg beginnt hier und mein Resume über das Buch endet hier.

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Der Haftbefehl

Die Autofahrt nach München schien kein Ende zu nehmen. Ich grübelte, überlegte hin und her. Bei allem Für und Wider - von einem war ich fest Überzeugt: Es wäre doch gelacht, wenn ich den etwaigen Spionageverdacht nicht eindeutig entkräften und die Herren davon überzeugen könnte, daß Embargogeschäfte für mich als DDR-Bürger strafrechtlich nicht relevant wären.

Meiner baldigen Rückreise in die DDR dürfte eigentlich nichts mehr im Wege stehen. Ich sollte mich noch nie so getäuscht haben wie jetzt...

Von der A9 fuhren wir über das Autobahnkreuz München-Nord in Richtung Zentrum. Es war kurz nach 7.00 Uhr, als wir auf dem gut gesicherten Hof des Landeskriminalamtes ankamen.

Mit dem Fahrstuhl ging es in eines der obersten Stockwerke des Gebäudes, an der Panzerglastür vor einem nochmals gesondert abgesicherten Bereich stand „Staatsschutz".

Meine beiden Begleiter stellten mich dem Leiter des Staatsschutzes vor, pardon, ab jetzt gelten ja andere Sprachregelungen: Ich wurde ihm vielmehr vorgeführt. An diese Behandlung mußte ich mich nun wohl oder Übel gewöhnen, wie auch an die eisige Atmosphäre.

Mit betont scharfen Worten wurde die erste Frage gestellt: „Wie ist Ihr richtiger Name?" Besonnen antwortete ich: „Gerhardt Ronneberger, wie es im Paß steht" „Wie lautet Ihr Deckname als Mitarbeiter des MfS? Welchen Auftrag des MfS haben Sie auf dieser Reise ausgeführt? "

So prasselten die weiteren Fragen auf mich ein. Ich selbst war in dieser Phase sehr gefaßt. Auf solch primitive Art und Weise ließ ich mich weder aus der Ruhe bringen noch provozieren: „Ich bin kein Mitarbeiter des MfS, sondern Stellvertreter des Generaldirektors im AHB Elektronik und war zu Geschäftsverhandlungen in der BRD."

„Nun gut, Herr Ronneberger, wir haben Zeit und können auch anders." Mit diesen Worten wurde ich zwei neuen Beamten zugeführt, die mit den konkreten Vernehmungen begannen.

Ich verweigerte nun die Beantwortung der gestellten Frage und forderte erneut ein Telefongespräch mit der Konsularabteilung der Ständigen Vertretung der DDR in Bonn. Deren Telefonnummer führte ich bei mir. Auch jetzt wurde die Kontaktaumahme verweigert. Das war zwar nicht rechtens, aber ich konnte nichts dagegen tun. Auch zu einem Rechtsanwalt konnte ich keine Verbindung aufnehmen, denn im Westen kannte ich leider keinen.
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Die Grundregeln eines Geheimdienstes

Von der Staatssicherheit waren mir für den Fall der Verhaftung zwei Goldene Regeln für die Verhöre eingetrichtert worden. Die erste: Niemals freiwillig Einzelheiten ausplaudern! Die zweite: Niemals eine direkte Lüge auftischen, es sei denn, man kann das bis zum bitteren Ende durchhalten. Ich war bereit, gegen beide Regeln zu verstoßen. Ich sagte meine Aussagebereitschaft unter der Bedingung zu, daß ich keinerlei Protokolle unterzeichnen werde, bevor ich nicht die Ständige Vertretung informiert habe. Eine Flucht nach vorn.

Fragen und Beschuldigungen

Denn ich war immer noch davon überzeugt, die Anschuldigungen in wenigen Stunden entkräften zu können und noch am gleichen Tag wieder auf freien Fuß zu sein.

Zu Beginn meines Verhörs konnte ich nebenbei feststellen, daß im Nebenraum bereits Dietmar Scholz vernommen und in einem anderen Zimmer ein Aktenberg gestapelt wurde, wahrscheinlich die sichergestellten Unterlagen aus der Firma Scholz.

Die beiden Vernehmer gingen äußerst zielstrebig vor. Sie konzentrierten sich zuerst auf den Kauf von elektronischen Bauelementen und Produktionsausrüstungen durch unseren AHB Elektronik. Ich sah keinen Grund zu lügen und anerkannte sogar großzügig, daß sich darunter einige Positionen befunden haben könnten, die womöglich der Embargoliste unterlagen und genehmigungspflichtig waren.

Doch Ausfuhrgenehmigungen zu beantragen, war nun wirklich nicht meine Sache, nicht die Pflicht des Käufers, sondern die des Exporteurs, also von Scholz. Ich war bestenfalls für eventuell erforderliche Einfuhrgenehmigungen in mein Land verantwortlich. Meiner Logik vermochten die Beamten allerdings nicht zu folgen.

Deshalb versuchten sie, mir zu beweisen, daß ich Scholz angestiftet hätte, auf illegale Weise Waren in die DDR zu liefern, zu allem Übel auch noch Waren mit strategischem Charakter. So hielt man mir angebliche Käufe von Erzeugnissen der Nachrichtentechnik vor, die wir als AHB Elektronik tatsächlich niemals getätigt hatten. Es handelte sich dabei um Geräte, deren militärische Bestimmung auch für mich erkennbar war.

Doch unser AHB Elektronik hatte sich nie mit Militärtechnik beschäftigt, meine Aussage entsprach somit uneingeschränkt der Wahrheit. Wenn solche Käufe jemals getätigt wurden, so konnte es nur Wolfram Zahn gewesen sein, was ich allerdings fürsorglich für mich behielt.

Ein endlos langes Verhör

Um noch einen draufzugeben, beschuldigten mich die Vernehmer, daß wir mit nachrichtendienstlichen Methoden gearbeitet hätten, da die Lieferungen konspirativ über das westliche Ausland, insbesondere über die Schweiz, erfolgten und ein Teil des Schriftverkehrs über Deckadressen in Westberlin abgewickelt würde.

In das Verhör schaltete sich mehrfach ein dritter Beamter ein, offensichtlich ein Mitarbeiter des BND. Er versuchte, mich durch lautes Schreien einzuschüchtern. Ich gab ihm unmißverständlich zu verstehen, daß auch ich brüllen könne. Das verfehlte nicht seine Wirkung.

Der Beamte bemühte sich zwar von nun an um Sachlichkeit, blieb aber hart in der Sache. Ihn interessierte vor allem unsere Zusammenarbeit mit der Firma Forgber. Diese war eine Vertreterfirma der DDR, die auf Provisionsbasis westliche Firmen gegenüber DDR Außenhandelsbetrieben vertrat und so auch die Interessen von Scholz gegenüber unserem AHB wahrnahm.

Günther Forgber war nach Auffassung der vernehmenden Beamten ein Stasi-Mitarbeiter. Doch der BND-Mann ging noch einen Schritt weiter, indem er behauptete, daß selbst unser Außenhandelsbetrieb dem MfS unterstehe. Doch das entbehrte jeder Grundlage, der AHB Elektronik war ein Betrieb des Kombinates Mikroelektronik und in keiner Weise dem MfS zugehörig oder unterstellt.

Nach über 12 Stunden wurde ich am späten Abend ins Polizeigefängnis München gebracht. Es war erdrückend, für mich brachen Welten zusammen. Die Zelle selbst erinnerte an mittelalterliche Verließe, wie ich sie aus Filmen kannte.

Die totale Erschöpfung, ich hatte seit über 20 Stunden nicht geschlafen und war mehr als 12 Stunden dem Streß intensivster Verhöre ausgesetzt gewesen, ließ mich jedoch schnell einschlafen.
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Am nächsten Morgen

Am nächsten Morgen ging die Vernehmung im Staatsschutz weiter. Man gab sich zwar alle erdenkliche Mühe, konnte aber keine Beweise für eine geheimdienstliche Agententätigkeit vorlegen. Mit fortschreitender Zeit wurden die Herren immer ungeduldiger und meine Hoffnungen auf Freilassung immer größer.

Schließlich gab es bisher noch keinen einzigen Fall, wo gegen einen Wirtschaftsfunktionär der DDR strafrechtlich vorgegangen wurde, nur weil er die Außenwirtschaftsgesetzgebung der Bundesrepublik verletzt hatte.

Im Brustton tiefster Überzeugung leugnete ich konsequent jegliche Zugehörigkeit zur Staatssicherheit, räumte aber ein, daß ich dienstlich, besonders in Personalfragen, vom zuständigen Mitarbeiter des MfS für unseren Außenhandelsbetrieb kontaktiert wurde. Verbindungen dieser Art hätte jeder leitende Wirtschaftsfunktionär in der DDR, man könne sie nicht verhindern.

Am späten Abend dieses zweiten Tages wurden die Vernehmungen beendet. Die Protokolle wurden mir zur Unterschrift vorgelegt, aber von mir nicht unterzeichnet. Ich wurde dem Ermittlungsrichter des Bayerischen Obersten Landesgerichts vorgeführt.

Ermittlungsrichter Dr. Uschold war ein alter, verknöcherter Justizbeamter, für den das Ergebnis sicher schon vor meiner Befragung feststand. Ihm lagen die Akten vor, und er hatte zu diesem späten Zeitpunkt am Freitagabend keine Lust, sich durch lange Anhörung das bevorstehende Wochenende vermiesen zu lassen.

Hier der Haftbefehl im Wortlaut

Schnell und oberflächlich fertigte er den Haftbefehl aus:

„Ronneberger Gerhardt, geboren am 4.3.1934 in Saalfeld/DDR, verheirateter stellvertretender Generaldirektor, Bürger der DDR, wohnhaft in 1140 Berlin/Ost, Fichtelbergstraße 10 ist zur Untersuchungshaft zu bringen.

Der Beschuldigte ist seit 1979 stellvertretender Generaldirektor des volkseigenen DDR-Betriebes Elektronik Import/Export in Ostberlin, Alexanderplatz 6. Dieser Betrieb ist auf dem Gebiet der Einfuhr von elektronischen Bauelementen sowie der Produktionsausrüstung hinsichtlich Elektrotechnik und Elektronik führend; Die weiteren Abnehmer der eingeführten Geräte befinden sich ebenfalls in der DDR. Die Provisionsabrechnungen werden mit der Fa. Forgber in der DDR vorgenommen. Dessen Leiter Guenther Forgber ist Mitarbeiter beim MfS der DDR. Dem MfS untersteht, was dem Beschuldigten bekannt ist, die Fa. Elektronik Import/Export. Der Beschuldigte selbst hat Kontakte mit dem für den Fachbereich seines Betriebes zuständigen MfS-AngehÖrigen.

Seit 1979 unterhält der Beschuldigte in seiner oben bezeichneten Stellung geschäftliche Beziehungen zu der Fa. Scholz. Er hat seitdem den Beschuldigten Dietmar Scholz auf illegale Weise zu Lieferungen von Waren an die DDR veranlaßt, von denen er wußte, daß sie als Embargogut einer Genehmigung seitens der hierfür zuständigen Stellen bedurften. Diese Waren hatten zum Teil strategische Bedeutung. Die Lieferungen erfolgten, was dem Beschuldigten bekannt war, in konspirativer Weise über Staaten des westlichen Auslands (Schweiz). Auf Anweisung des Beschuldigten wurde der schriftliche Verkehr über zwei Westberliner Deckadressen abgewickelt.

Der Beschuldigte ist deshalb dringend verdächtig, für den Geheimdienst einer fremden Macht eine geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland ausgeübt zu haben, die auf Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet ist
- strafbar als ein Vergehen der geheimdienstlichen Agententätigkeit nach § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB.

Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus den eigenen Angaben des Beschuldigten, aus den Angaben des Mitbeschuldigten Dietmar Scholz sowie aus dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen.

Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr, weil der Beschuldigte in der Bundesrepublik Deutschland keinen Wohnsitz hat und zu befürchten ist, daß er sich - in Freiheit gesetzt - dem weiteren Verfahren durch Flucht entzieht (§112 Abs. 2 Nr. 2 StPO).

Dr. Uschold"
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Jetzt war ich ein Knacki in einem West-Gefängnis

Kurze Zeit später schlossen sich hinter mir die Tore der Haftanstalt Stadelheim. Jetzt war ich ein Knacki.

Ich befand mich in strenger Einzelhaft. Aller meiner persönlichen Gegenstände entledigt, hatte ich zwei Tage - bis zum Montag - Zeit, über meine neue Lage und mein weiteres Verhalten nachzudenken. Erschöpft sank ich aufs Bett. Zudem brauchte ich meine Medikamente, die man mir ebenfalls abgenommen hatte.

Seit Jahren befand ich mich wegen Bluthochdrucks und Herzrhythmusstörungen in ärztlicher Behandlung, und erst vor wenigen Wochen litt ich akut an einer Angina pectoris. Ein Arzt wurde mir jedoch bei Einlieferung in die Haftanstalt verweigert.

Meine größte Sorge galt in dieser Phase jedoch meiner Familie. Für sie war ich seit zwei Tagen vermißt. Auch jetzt konnte ich meiner Frau keinerlei Informationen zukommen lassen. Hatten meine Genossen im MfS über den Schlafwagenschaffner Informationen über meine Festnahme in Ludwigsstadt erhalten? War dies der Fall, wurde meine Familie sicherlich auch verständigt und von ihnen unterstützt.

Ein Kind des Kalten Krieges

In den ersten Tagen als Untersuchungshäftling in Stadelheim hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Hofgang gab es nicht, und das bedeutete 24 Stunden „Verschluß" in einer etwa acht Quadratmeter großen Zelle, in der ich noch nicht einmal aus dem Fenster sehen konnte.

Was ich von der Außenwelt wahrnehmen konnte, war lediglich der Lichtwechsel vom Tag zur Nacht und von der Nacht zum Tag. Die Einsamkeit wurde nur durch das Verabreichen der kargen Gefängniskost unterbrochen, die durch eine Klappe in der Zellentür gereicht wurde und in der Zelle eingenommen werden mußte.

Frühmorgens gab es eine dem Malzkaffee ähnliche „Plärre", Brot, einen Klecks billige Margarine und Marmelade. Zum Mittagessen wurde meist Eintopf und hin und wieder auch mal ein kleines Stück Fleisch mit Kartoffeln und Gemüse gereicht. Abends gab es wieder Brot und Margarine, eine Scheibe Wurst und ein gleichfalls recht kleines Stück billigsten Käse. Trotz Bewegungsarmut konnte man davon keinesfalls dick werden.

Um mich körperlich einigermaßen fit zu halten, begann ich bereits vom ersten Tag der Haft an in der Zelle gymnastische Übungen auszuführen.

In meinem Kopf drehte sich alles um die Fragen, wie lange mein Freiheitsentzug dauern könnte und was die nächsten Tage bringen würden. Ich war fest entschlossen, meine Strategie bis zum bitteren Ende durchzustehen. Und wenn es im Volksmund so schön heißt, wer lügt, muß ein gutes Gedächtnis haben, so vertraute ich auf mein Erinnerungsvermögen und meine Nerven. Schließlich hatte ich in einer Vielzahl anspruchsvoller Geschäftsverhandlungen in den letzten Jahre gut trainiert. Ich machte also aus der Not eine Tugend und sortierte systematisch meine Gedanken.
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Alle Gedanken kreisen um das "Embargo"

Logisch, daß mich zuvörderst die Frage beschäftigte, welche Rechtsgrundlage die BRD-Justiz überhaupt für ihr Vorgehen gegen mich hatte. Es ging um nicht mehr und nicht weniger als um das Thema „Embargo".

Das Embargo war eigentlich ein „alter Hut". Es war ein Kind des Kalten Krieges und eines seiner Instrumente. Es war nicht aus purer Menschenliebe erfunden worden, sondern diente eindeutig der wirtschaftlichen Schwächung der sozialistischen Länder und sollte letztlich zu ihrem Zusammenbruch fuhren.

Bereits im Januar 1947 verfügte US-Präsident Truman die Einstellung sämtlicher Lieferungen, die in einem im Oktober 1945 unterzeichneten Kreditabkommen mit der UdSSR vereinbart waren. Das Exportkontrollgesetz der USA von 1949 sperrte schließlich alle Warenlieferungen, die „der Stärkung des militärischen und ökonomischen Potentials der UdSSR bzw. anderer kommunistischer Staaten" dienen könnten.
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CoCOM, das Koordinierungskomitee für Ost-West-Handelspolitik

Für eben diesen Zweck wurde im November 1949 das CoCOM, das Koordinierungskomitee für Ost-West-Handelspolitik, geschaffen. Das Gremium begann seine Arbeit am 1. Januar 1950. Ursprünglich gehörten ihm die USA, Großbritannien, Frankreich, Italien, die Niederlande, Belgien und Luxemburg an.

Noch Anfang 1950 schlossen sich Norwegen, Dänemark, Kanada und die BRD, 1952 Portugal und 1953 Japan, Griechenland und die Türkei an. Schweden, die Schweiz, Island, Österreich und Finnland lehnten es ab, CoCOM beizutreten. Sie erklärten, daß sie in der Frage der Kontrolle über den Export in die sozialistischen Länder eine neutrale Position beziehen werden. Somit waren 1982 15 Staaten Mitglieder des CoCOM: Alle NATO-Länder (mit Ausnahme von Island und Spanien) sowie Japan.

CoCOM, dessen Beratungen übrigens ohne rechtsförmlichen institutionellen Rahmen stattfanden, sollte die westlichen Sicherheitsinteressen gegenüber dem Ostblock wahren. Deshalb wurden einvernehmlich solche Waren und Technologien definiert und in Kontrollisten zusammengefaßt, deren Export in den Ostblock einen Beitrag zum militärischen Potential dieser Lander leisten würde.
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Keine nichtmilitärischen Güter und Technologien

Gleichzeitig legte man die Hand auch über nichtmilitärische Güter und Technologien, mit denen die Ostblockstaaten Zeit und erhebliche Kosten bei ihrer Forschungs- und Entwicklungsarbeit hätten sparen können. Die Überwindung des technologischen Rückstandes, der gewiß auf vielen Gebieten, nicht nur in der Mikroelektronik, bestand, sollte erschwert oder gar unmöglich gemacht werden.

Die CoCOM-Vereinbarungen bildeten die Grundlage für die Exportbeschränkung der Güter, die im einzelnen in die Ausfuhrliste aufgenommen wurden. Die CoCOM-Mitgliedsstaaten hatten sich verpflichtet, diese sogenannten CoCOM-Listen in ihre nationalen Außenwirtschaftsregelungen zu übernehmen.

In der BRD hieß das Aufnahme in die Ausfuhrliste und damit Anwendung der Ausfuhrbeschränkungen gemäß Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und Außenwirtschaftsverordnung (AWV)- Das Außenwirtschaftsrecht galt jedoch nicht für den sogenannten Innerdeutschen Handel.

Das Gesetz Nr. 53 der Militärregierung (MRG 53)

Gesetzliche Grundlage für den Handel zwischen der Bundesrepublik und der DDR waren das Gesetz Nr. 53 der Militärregierung über Devisenbewirtschaftung und Kontrolle des Güterverkehrs (MRG 53) und die gleichlautenden Verordnung Nr. 500.

Bereits am 18. September 1944 hatte der alliierte Oberkommandierende, Dwight D. Eisenhower, das kurz vor dem totalen Zusammenbruch stehende Deutschland vorsorglich mit einem dichten Netz von Vorschriften in Form von Gesetzen der künftigen Militärregierung überzogen.

Dazu gehörte auch das MRG 53, das mit dem Tag der Kapitulation Deutschlands allgemeine Geltung in den Westzonen erlangte. Damit wurden alle Außenhandels- und Devisengeschäfte verboten, Sondergenehmigungen konnte nur die Militärregierung geben.

Damals galt das Gebiet außerhalb Deutschlands in den Grenzen vom 31. Dezember 1937 als „Devisenausland". Nach der Währungsreform wurde das Handels- und Devisenverbot auf den Verkehr mit der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) beschränkt. Das MRG 53, das ursprünglich nur deutsche Vermögenswerte aus Reparationsgründen sicherstellen sollte, war aber auch noch - so anachronistisch das klingen mag - im Jahr 1982 in der BRD gültige Rechtsgrundlage für den Handel zwischen den beiden deutschen Staaten.

Zwar hatte man inzwischen den überwiegenden Teil des Waren-und Dienstleistungsverkehrs mit der DDR allgemein genehmigt, doch für die Lieferung embargorelevanter Waren und die Weitergabe entsprechender, nicht allgemein zugänglicher Kenntnisse über Herstellungsverfahren und sonstige Technologien mußten weiterhin Einzelgenehmigungen beantragt werden, sogenannte Warenbegleitscheine (WBS).
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Prüfung der Unbedenklichkeit des Endabnehmers

Hatte einer unserer Geschäftspartner im Westen einen Antrag auf die Erteilung einer Einzelgenehmigung gestellt, so wurde die Ausfuhr von Experten des Bundesamtes für Wirtschaft (BAW) in Eschborn anhand der Spezifikation der beabsichtigten Lieferung unter Zuhilfenahme von Datenblättern und Handbüchern überprüft.

Selten wurden Produkte direkt gecheckt oder gar getestet. Neben den technischen Anforderungen untersuchte das BAW auch die Unbedenklichkeit des Endabnehmers und den Verwendungszweck. Entsprechende Informationen wurden nicht selten über das Wirtschaftsministerium vom Bundesnachrichtendienst (BND) angefordert.

Die Stellungnahme des BND über ein Unternehmen oder eine Institution im Ostblock galt als letzte Instanz - ein negative Einschätzung bedeutete für den Antragsteller das Aus.

Vom Prinzip her entschieden die CoCoM-Partner einstimmig, ob neue Produkte oder Technologien für die Ausfuhr in den Osten verboten oder ob für sie Ausnahmegenehmigungen erteilt werden sollten. Im wirtschaftspolitischen Alltag jedoch bestimmte die NATO-Vormacht USA, die sich zu diesem Zweck ein logistisches Zentrum in der Rue la Boetie 58, einer Außenstelle der US-Botschaft in Paris, eingerichtet hatte.

Nur nicht erwischen lassen

Erwischten die Amerikaner eine Firma bei illegalen Lieferungen von Embargowaren, erfolgte deren Eintragung auf der sogenannten "Schwarzen Liste". Dieses vertrauliche Papier mit der offiziellen Bezeichnung „Denial Orders" ging nicht nur an amerikanische Unternehmen, sondern an alle Geschäftsführer von US-Niederlassungen im Ausland.

Die Schwarze Liste enthielt Firmen und Namen von Personen, mit denen jegliche Art von Geschäften zu vermeiden war. Ein Geschäftsführer, der für diese „Empfehlungen" kein offenes Ohr hatte, riskierte seinen Job. Die Muttergesellschaft in den USA bekam nämlich unversehens seitens der amerikanischen Behörden Repressalien zu spüren.
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  • Anmerkung : Irgendwann Mitte/Ende der 1960er Jahre "verirrten" sich zwei sehr teure amerikanische AMPEX 2" Videorecorder aus Jugoslawien nach Berlin-Adlershof und dort in den tiefen Post-Keller der dortigen Fernseh-Studios. Die CIA bekam irgendwie einen Tip und verlangte Aufklärung. Mit einem gewaltigen logistischen Aufwand wurden beide Geräte - je 2 x 180 Kilo - in einer Nacht- und Nebel- Aktion per Militär-LKW durch die Tschechoslowakei und Ungarn auf den Balkan verfrachtet und den CIA Prüfern vorgeführt. Tom Marjanivc (er war bei uns im Museum der Mr. Ampex) hatte davon erzählt. AMPEX in USA hätte erhebliche Probleme bekommen, das nicht selbst überprüft zu haben. Auf der Rückfahrt ging ziemlich viel kaputt, sodaß Tom 2 Wochen zur Reparatur brauchte.

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Über zweihundert Firmen standen laufend auf der Denial-Liste, 1987 waren es beispielsweise 74 aus den USA, 21 aus Großbritannien, 19 aus Frankreich und je 31 Unternehmen aus Österreich und der Bundesrepublik.

Für uns Beschaffer freilich galten diese Listen als Visitenkarte, als eine Art Empfehlung. Denn zahlreiche auf der Liste befindliche Finnen setzten ihre Embargolieferungen ungestört fort, weil sie meist keinerlei juristischen Konsequenzen zu befürchten hatten. So stand die Firma Caramant aus Wiesbaden bereits in den siebziger Jahren auf der Schwarzen Liste, lieferte aber noch in den achtziger Jahren unverdrossen in die DDR.
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Embargomaßnahmen "seien" völkerrechtswidrig

Selbstverständlich betrachtete die DDR die westlichen Embargomaßnahmen völlig entgegengesetzt: als völkerrechtswidrig. Demnach verstieß die Beschaffung von Embargowaren nicht gegen DDR-Recht, und die DDR sah es als legitim an, solche Importe zu tätigen, selbst wenn sie im Westen unter Verdikt standen.

Diese Rechtsposition stützte sich im übrigen auch auf die Auffassungen einiger Rechtsexperten der Bundesrepublik, die in den Strafbestimmungen über ungenehmigten Warenverkehr im innerdeutschen Handel eine Verfassungswidrigkeit sahen.

Die westdeutschen Verfassungsschützer wiederum stellten in ihrem Jahresbericht 1981 lapidar fest:
„Nach vorliegenden Erkenntnissen läuft in den Staaten des kommunistischen Machtbereiches ein systematisches Technologie-Beschaffungsprogramm zur Unterstützung der militärischen Aufrüstung. Dabei gehen diese Staaten zweigleisig vor, offen - so weit wie möglich -, ansonsten mit illegalen Mitteln und Methoden. Nachdem sie während der 1900sechziger und siebziger Jahre elektronische Technologien überwiegend offen erwerben konnten, verstärken sie nunmehr angesichts gewachsenem Problembewußtsein im Westen ihre illegalen Aktivitäten, um die Ausfuhrbestimmungen zu umgehen."

Und in der Bundestagsdrucksache 9/1907 aus dem Jahre 1982 hieß es :
„Ziele, Mittel und Methoden der Bemühungen um westliche Technologien sind unterschiedlich; dabei spielt es eine Rolle, für welchen Zweck und für welche Phase des Werdegangs einer Technologie (Forschung, Entwicklung, Produktion, Nutzung) Informationen beschafft werden sollen. Die feststellbaren Beschaffungsbemühungen reichen von der Ausnutzung aller offenen Quellen, der Teilnahme an wissenschaftlichen Veranstaltungen über den erlaubten Außenhandel bis zur illegalen Beschaffung von Unterlagen und Gerät durch Nachrichtendienste der Warschauer Pakt-Staaten.

Beschaffungen rüstungstechnisch relevanter Technologien im Westen lassen sich zu einem großen Teil, bei einzelnen Technologiearten überwiegend, auf illegale Handlungen und Operationen östlicher Geheimdienste zurückführen. Derartige Beschaffungen dienen auch zur Feststellung der Leistungsfähigkeit der westlichen Streitkräfte und ihrer Ausrüstung."
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Mikroelektronik grundsätzlich rüstungsrelevante Technologie

Natürlich hatte die westliche Seite mit solchen Einschätzungen - zumindest aus ihrer Sicht - nicht völlig unrecht. Die NATO-Länder legten den Finger auch auf einen wunden Punkt, indem sie die Mikroelektronik grundsätzlich als rüstungsrelevante Technologie einstuften.

Und nicht zuletzt bewies man in Bonn, Brüssel oder Washington, daß man im geheimdienstlichen Geschäft die Hände nun wirklich nicht in den Schoß legte. So verfügte man in der Bundesrepublik seit langem über die Erkenntnis, daß mit der systematischen Beschaffung westlicher Technologie und Embargowaren die Außenhandelsgesellschaften, in den Westen reisende Fachkräfte und Spezialisten sowie die Nachrichtendienste der jeweiligen sozialistischen Länder befaßt waren; vor allem kleine Import-Export-Firmen, die hierfür eigens gegründet wurden. Diesen angeworbenen Händlern oblag es, den Einkauf der Waren so zu verschleiern, daß der Empfänger in den Geschäftspapieren nicht ersichtlich wurde.
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Endempfänger verschleiert und Behörden getäuscht

Doch dazu bedurfte es selten der klassischen nachrichtendienstlichen Methoden. Vielmehr gelangten ausfuhrbeschränkte Waren meist auf indirektem Weg in den Osten. Damit wurden die wirklichen Endempfänger verschleiert und die Behörden getäuscht. Diese Transfers wurden von im jeweiligen westlichen Land ansässigen Firmen und Personen oder über sie abgewickelt.

Die BRD, Österreich und die Schweiz hatten sich zur Drehscheibe dieser Geschäfte entwickelt. Nicht zuletzt konnten wir die Zollkontrollen im Westen auch dadurch umgehen, indem der Transfer der Ware auf dem Transitweg nach Westberlin erfolgte, da Frachtsendungen nach Westberlin in der BRD zollrechtlich nicht überwacht wurden.

Die Ware wurde auf der Transitstrecke innerhalb der DDR unbeobachtet umgeladen, wozu spezielle Zwischenlager unmittelbar an der Transitstrecke verdeckt eingerichtet wurden.

Die Geschäfte, die ich im Technologietransfer mit abwickeln half, konnte man also von sehr unterschiedlichen Gesichtspunkten betrachten: als normale und übliche Gepflogenheit im legitimen wirtschaftspolitischen Interesse der DDR, die sich damit nur gegen ein Instrument des Kalten Krieges wehrte, oder eben als illegale Beschaffung im nachrichtendienstlichen Auftrag.

Das war für mich in meiner acht Quadratmeter großen Gefängniszelle in München-Stadelheim nicht nur eine theoretische oder rhetorische Frage. Vielmehr mußte ich auch damit rechnen, daß die bundesdeutsche Seite den illegalen Technologietransfer mit Industriespionage gleichsetzt.
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„Direktorat T - Industriespionage des Ostens"

Dazu heißt es in dem Buch von Jay Tuck und Karlhans Liebl „Direktorat T - Industriespionage des Ostens":

„Wirtschaftsspionage ist in erster Linie auf die Beschaffung von Informationen ausgerichtet und hat neben technischen Vorlagen und Produktproben auch allgemeine Wirtschaftsdaten zum Ziel. Sie wird ausschließlich von gegnerischen Diensten betrieben.

Schwerpunkt des Technologietransfer ist dagegen die Beschaffung von funktionsfähigen Endprodukten (z. B. Mikrochips, EDV-Programmen oder Computeranlagen). Hierfür sind neben den Nachrichtendiensten auch andere Institutionen, wie zum Beispiel die sowjetischen Außenhandelsvereinigungen und die Akademie der Wissenschaft, mitverantwortlich.

Von Nachrichtendiensten wird der größere Teil dessen beschafft, was von westlichen Landern durch Embargobestimmungen gesetzlich geschützt ist. Die Geheimdienste sind also vornehmlich im Bereich des illegalen Technologietransfers tätig.

Methodische Unterschiede bestehen ebenfalls. Die wirtschaftliche Spionage ist primär durch die konspirativen Methoden der klassischen nachrichtendienstlichen Arbeit gekennzeichnet. Technologietransfer - auch illegaler - wird überwiegend auf dem Handelsweg als scheinbar normales Geschäft abgewickelt. In der konkreten Ausprägung und für die Spionageabwehr lassen sich Wirtschaftsspionage und Technologietransfer jedoch oft kaum auseinander halten.

Die Vorgehensweise der Nachrichtendienste bei der Steuerung von Embargogeschäften hat durchaus Ähnlichkeiten mit Beschaffungsbemühungen im Rahmen von bestehenden Ost-West- Geschäftsbeziehungen. Der illegale Technologietransfer ist aber oft mit betrügerischen geschäftlichen und finanziellen Manövern verbunden. Unter dem Deckmantel staatlicher Institutionen und Außenhandelsfirmen bemühen sich oft Mitarbeiter kommunistischer Nachrichtendienste um den Ankauf und Ausfuhr von Embargoware."

Meine Erkenntnis

Natürlich war mir klar, daß ich mit dem Rechtsstandpunkt der DDR in München keinen Blumentopf gewinnen konnte. Da biß die Maus keinen Faden ab, daß nach BRD-Recht die Ausfuhr oder Weitergabe von Gütern und Informationen, die der Ausfuhrbeschränkung unterliegen, ohne Genehmigung des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft, illegaler Technologietransfer und somit strafbar ist.

Vorsätzliche oder fahrlässige Verstöße gegen die devisenrechtlichen Bestimmungen können nach dem Militärregierugsgesetz 53 in Verbindung mit dem Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch mit einer Geldbuße bis zu 50.000 DM oder als Wirtschaftsstraftat mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet werden. Auf diese Alternativen hatte ich mich einzustellen.

Ein flexibler Schriftführer der CSU (Seite 52)

Um alles in der Welt mußte es mir gelingen nachzuweisen, daß ich nichts, aber auch absolut gar nichts mit Spionage zu tun hatte. Ich mußte überzeugend begründen, daß meine mit Scholz getätigten Geschäfte die Sicherheit der Bundesrepublik Überhaupt nicht beeinträchtigten. Das würde dann enorme Auswirkungen darauf haben, ob mein „Vergehen" bloß als Ordnungswidrigkeit oder als Straftat geahndet wird.

Daß das ein Knackpunkt der Anklage und somit meiner Verteidigung werden könnte, ahnte ich bereits während der ersten Vernehmungen, noch bevor der Haftbefehl gegen mich unterschrieben war.

Die Herren beim Staatsschutz hatten mich nämlich in jenen Stunden mehrfach mit Transaktionen der Firma Alltransistor konfrontiert, mit denen ich nun wirklich nichts zu tun hatte und die auch in keinerlei Verbindung zu meinem Außenhandelsbetrieb Elektronik standen.

Dafür durfte ich mich nicht zur Verantwortung ziehen lassen, zumal es sich dabei um Geschäfte von rüstungsrelevantem Charakter handelte. Andererseits waren die Vorwürfe vermutlich nicht aus dem luftleeren Raum gegriffen.

Aber was waren das für Geschäfte, wer hatte sie abgewickelt? Wenn es tatsächlich solche zwischen der DDR und Alltransistor waren, dann konnte es nur Wolfram Zahn gewesen sein. Denn Scholz hatte mir gegenüber einmal vertraulich ausgeplaudert - ohne sich in Einzelheiten zu verlieren -, daß er auch mit Zahn in Verbindung stehe. Aber offiziell hatte ich davon natürlich keine Ahnung.

Meine Geschäftsbeziehungen zu Alltransistor und Scholz

Ich war also gut beraten, mir vor Beginn der weiteren Verhöre nochmals einen genauen Überblick über die Entwicklung meiner Geschäftsbeziehungen zu Alltransistor und Scholz zu verschaffen.

Meine Bekanntschaft mit Albert Scholz lag erst gut zwei Jahre zurück. Die ersten Geschäftskontakte knüpften wir im November 1979 während der Ausstellung „Productronica" in München. Albert Scholz ließ sich durch Otto Zemanek, einen Unternehmer aus Wien, ein Gespräch mit mir vermitteln.

Letzterer war mir bereits seit vielen Jahren persönlich bekannt und einer meiner bewährten Embargolieferanten. Offenbar sollte Zemanek von Scholz für zustande gekommene Geschäfte mit uns jeweils eine Vermittlungsprovision erhalten, woran sich Scholz jedoch niemals hielt. Daraufhin versuchte nun Zemanek - allerdings ohne Erfolg -, Kenntnis über die Geschäfte zwischen Scholz und uns zu erlangen und diese zu stören. Aber das nur am Rande ... jedenfalls bot mir Scholz Lieferungen für alle Gebiete der Elektrotechnik/Elektronik an.

Seine Liefermöglichkeiten würden auf einem raffinierten, aber einfachen Abwicklungsprinzip beruhen: Er hätte beim Rüstungskonzern Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) Vertrauensleute, die in seinem Auftrag beliebige Lieferungen sehr schnell beschaffen könnten, indem MBB als Käufer auftrete.

Von MBB würde die Ware an eine Firma in der Schweiz weiter verkauft und dann von dort in die DDR geliefert. Das klang prima, aber ob MBB von Scholz tatsächlich in die Transaktionen einbezogen war, konnte ich nie feststellen.
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Ab Juni 1980 - erste Embargowaren aus Japan

1980 fütterte ich Alltransistor an, als Test erhielt Scholz von mir Aufträge zur Beschaffung von Waren, die nicht dem Embargo unterlagen. Im Juni 1980 zogen wir die Schraube an, wir erteilten erste Bestellungen von Embargowaren.

Scholz lieferte problemlos und pünktlich. Das waren in diesem kurzen Zeitraum Waren für insgesamt 4 Mio. DM-West, davon etwa die Hälfte Embargowaren, die aber relativ einfach zu beschaffen waren.

Ein Jahr später bezogen wir Alltransistor in die Lieferungen japanischer Unternehmen, so von Toshiba, Mitsui und Tokyo Boeki, mit ein. Dabei ging es auch um ein Gesamtprojekt zur Herstellung von Leistungstransistoren, zu dem das gesamte Know-how und ganze Produktionsanlagen geliefert wurden.

Den Vertrag selbst hatte ich zwar direkt mit Toshiba abgeschlossen, die Lieferung der Ausrüstungen sollte jedoch - mit Kenntnis und unter Mitwirkung von Toshiba und anderer japanischer Hersteller - über eine von mir zwischengeschaltete westeuropäische Handelsfirma erfolgen - eben Alltransistor.

Also vermittelten wir zwischen Alltransistor, Toshiba und den anderen japanischen Herstellern den Direktkontakt, und zwischen ihnen erfolgte dann der Vertragsabschluß. Gegenüber Alltransistor wiederum traten wir, Elektronik Export/Import, als Käufer auf. Die Montage und Inbetriebnahme des Gesamtprojektes in der DDR oblag schließlich Toshiba.

Das Gesamtgeschäft hatte einen Wertumfang von rund 15 Mio. DM-West, von denen über 3 Mio. DM auf den Lieferanteil von Alltransistor entfielen.
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Und dann gab es Probleme mit der Zahlung

Zum Zeitpunkt meiner Reise nach Bayern befand sich der Großteil der Anlagen bereits in der DDR, mehr als 12 Mio. DM waren also realisiert. Auch Scholz hatte seine Verträge im wesentlichen schon erfüllt. Bei der Abwicklung eines Teilauftrages von Scholz traten jedoch Schwierigkeiten auf.

Für drei Tester, das sind computergesteuerte Meßautomaten für hochintegrierte Schaltkreise, im Wert von 1,1 Mio. DM erkannte plötzlich die Schweizer Bank das von der DDR-Außenhandelsbank eröffnete Akkreditiv, also das Zahlungsversprechen unserer staatlichen Bank, nicht an, da die DDR-Staatsbank offensichtlich Kreditprobleme mit den Schweizern hatte.

Also fuhr ich zu Scholz, um mit ihm die Akkreditiv-Eröffnung mit Hilfe der Firma „Exportcontact" in Wien, der Schwesterfirma des DDR-Unternehmens Günther Forgber, über eine österreichische Bank zu vereinbaren und die Lieferungen damit abzusichern. Vom Erfolg meiner Mission, von der Einhaltung aller Verträge hing die termingemäße Inbetriebnahme des Gesamtprojektes Leistungstransistoren ab.

Ich überlegte hin und her, doch die Geschäfte von Wolfram Zahn blieben für mich eine Black Box.
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Doch andere Stasi-Leute waren bereits im Westen unterwegs

Natürlich konnte ich zum damaligen Zeitpunkt nicht wissen, daß Zahn als Stellvertreter des Generaldirektors im Kombinat Mikroelektronik "getarnt" in den Westen reiste. Als Beschaffer im Auftrag der Staatssicherheit hatte er seit 1980 gleichfalls mit Scholz Geschäftsbeziehungen aufgebaut und über 70 Objekte mit einem Volumen von mehreren Millionen realisiert.

Darunter befand sich „heiße Ware" aus den USA, die eindeutigen militärischen Verwendungszweck hatte, beispielsweise komplette Meß- und Überwachungsplätze für den Funkverkehr, automatische Frequenzanalysatoren, Aufzeichnungsgeräte und komplizierte Meßtechnik.

Zum Zeitpunkt meiner Verhaftung wußte ich auch nicht, daß Wolfram Zahn auf etwa 20 Bestellungen im Wert von 600.000 DM wartete. Dazu gehörten drei komplette Funküberwachungssysteme des amerikanischen Herstellers "Ailtech", für die nur Scholz als Lieferant in Frage kam. Und genauso unbekannt war mir die Tatsache, daß Scholz bis 1977 mit der im Auftrag der Hauptabteilung Aufklärung des MfS tätigen Firma „Cedap" zusammengearbeitet hatte.

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