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Gerhardt Ronnebergers Autobiographie - Deckname "SAALE" - aus 1999 - ein Generaldirektor erzählt .....

Gerhardt Ronneberger, geboren im März 1934 in Saalfeld († 2013 ?) schreibt 1999 in seiner Autobiographie (1982–1999) auf etwa 370 Seiten, wie es wirklich zuging beim MfS, der Stasi und den Betrieben in der "Deutschen Republik". Da er nie in einem richtigen Ossi-Gefängnis eingesperrt war, fehlt diese Erfahrung völlig, dafür aber die Zustände in einem West-Gefängnis und wie es dazu kam und vor allem, was danach bis zur Wende im Dez 1989 kam. Der Einstieg beginnt hier und mein Resume über das Buch endet hier.

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Die Israel-Südafrika-Connection

In den sechziger Jahren arbeitete der Anlagenimport mit der Firma K. C. Gerlach zusammen, die zwar in Vaduz (Liechtenstein) registriert war, aber von Berlin-Weißensee (Anmerkung : Ost-Berlin) aus agierte.

Geschäftsführer war „Mischa" Wischnewski, in der Welt der Geheimdienste seit langem wohlbekannt. „Mischa" Wischnewski hieß eigentlich Hersz Libermann und war polnischer Abstammung. Sein Unternehmen war eine Tarnfirma des MfS und der Hauptabteilung I des Bereichs Kommerzielle Koordinierung zugeordnet, die von Manfred Seidel, Stellvertreter von Schalck, geleitet wurde.

Gerlach arbeitete auf Provisionsbasis als Vertreter für westliche Firmen und Konzerne, die mit der DDR Geschäftsbeziehungen unterhielten. Dazu gehörten solche renommierte Konzerne wie Thyssen, Mannesmann, Krupp und Klöckner. Außerdem mischte „Mischa" im Fleischexport mit und besaß beste Verbindungen zu diesen Kreisen in Westeuropa. Zu seinen besten Kunden gehörte die Firma Gebr. März KG. (Marox) in Rosenheim.

Kompagnon von „Mischa" Wischnewski war Simon Goldenberg, Inhaber der privaten Außenhandelsfirma Simon Industrievertretungen in Ostberlin, gleichfalls eine schillernde Figur im Dunstkreis der Geheimdienste und seit 1956 Partner östlicher Geheimdienste, inklusive des MfS.

Er war gleichzeitig Hauptaktionär der Gemischten Gesellschaft (DDR/Frankreich) namens Tradimex Paris und befreundet mit den Firmeninhabern der Gebr. März KG, Andreas und Willi März. Er zog im Mai 1976 mit seiner Familie von Ostberlin nach Rosenheim um.
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Man kannte sich ..... und die Probleme .....

Goldenberg war natürlich auch für den langjährigen HVA-Chef Markus Wolf kein Unbekannter:

„Ende der siebziger Jahre war ich noch einmal mit einem Problem der Strauß-Verbindung befaßt. Der Initiator des Kontakts, Simon Goldenberg, meldete sich von einer Geschäftsreise ins westliche Ausland. Er war erkrankt, lag in einem Wiener Hospital und erklärte, daß er nicht in die DDR zurückkehren werde.

Die Erklärung für diesen Schritt lag nahe. Die Abwehr hatte Goldenberg seit langem im Visier und wollte ihn verhaften lassen, denn manche seiner Geschäfte waren selbst bei großzügigster Auslegung auch mit DDR-Recht unvereinbar. Da Schalck die wichtigsten seiner Verbindungen übernommen hatte, war Goldenberg auch nicht mehr unentbehrlich.

Andererseits war es ohne Beispiel, daß sich ein nicht ganz unbedeutender inoffizieller Mitarbeiter des MfS einfach fernmündlich aus der DDR abmeldete - und das, als wäre nichts weiter dabei.

Er verlangte noch, daß seiner Frau die Ausreise in den Westen gestattet würde und daß er sein luxuriöses Anwesen in Berlin verkaufen könne. Seltsam war es dann, daß Mielke, der sonst jedem Fahnenflüchtigen Tod und Teufel an den Hals wünschte, von Fruck nicht lange dazu überredet werden mußte, Goldenbergs Wünschen nachzugeben.

Trotz Haftbefehl von einer starken Hand geschützt

Goldenbergs Ansinnen wunderte mich auch deshalb, weil wir wußten, daß in der Bundesrepublik ein Haftbefehl gegen ihn vorlag. Dort war nicht nur seine Verbindung zum MfS bekannt geworden, ihm wurde auch die Beteiligung an einer Entführung vorgeworfen. Um so erstaunlicher war es, daß wir ihn wenig später in Bayern orteten, wo er unbehelligt seinen Lebensabend genoß. Es muß eine starke Hand gewesen sein, die ihn vor Verfassungsschutz und der bundesdeutsche Justiz schützte."

Hannes Bahrmann/Peter-Michael Fritsch, Sumpf: Privilegien,
Amtsmißbrauch, Schiebergeschäfte, Berlin 1990, S. 38 fF.
Markus Wolf: Spionagechef im geheimen Krieg, München 1997, S. 192.

Wie ein Embargo Partner ausgewechselt wird

Als Anlagenimport kauften selbstverständlich auch wir über Gerlach Embargowaren ein, insbesondere Meßtechnik. Eines Tages machten die Mitarbeiter von „Mischa" Wischnewski allerdings einen Fehler. Wie sonst üblich, neutralisierten sie eine Lieferung an uns nicht.

So konnten wir dann aus der Verpackung entnehmen, daß die Ware von einer Firma transimpex in Westberlin geliefert wurde, die ihren Sitz im Europa-Center hatte. Ich machte mich also schnurstracks auf den Weg nach Westberlin zum Tauentzien.

Im Büro von transimpex traf ich auf Herbert Rübler als Gesprächspartner, dessen Ehefrau die Inhaberin der Firma war. Ich hielt mich nicht bei langer Vorrede auf und spielte mit offenen Karten, erklärte, daß wir bisher mit Gerlach zusammengearbeitet hatten. Rübler und ich wurden uns schnell einig. Der Umweg über Gerlach war nicht mehr notwendig, „Mischas" Verdienstspanne konnten wir einsparen.

Seit diesem Zeitpunkt bezogen wir Meßtechnik über transimpex, deren Möglichkeiten sicherlich begrenzt waren, die wir aber dennoch als zuverlässigen Partner schätzten.

In der Folge verhandelten wir entweder in Westberlin oder während der Leipziger Messen auf dem Messestand des bundesdeutschen Fleischimporteurs Moksel, dessen Interessen Rübler damals in der DDR ebenfalls vertrat. Zwar versuchte Gerlach immer wieder ins Geschäft zu kommen, aber er bereitete uns keine Schwierigkeiten.
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Mit meinem Ausscheiden aus dem Direktionsbereich Anlagenimport schlief die Zusammenarbeit mit transimpex langsam ein. Meinen persönlichen Kontakt zu Rübler hielt ich aber auch von Jena aus aufrecht, so daß ich die Verindung später als Generaldirektor des AHB Elektronik wieder aufnehmen und in den neu gebildeten Handelsbereich 4 überleiten konnte.
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Der Österreicher Herbert Rübler

Herbert Rübler war Österreicher, wohnte in Westberlin und arbeitete „nebenberuflich" für die Hauptverwaltung Aufklärung des MfS. Innerhalb der Stasi hatte er nützliche Kontakte, Generalmajor Hans Fruck war sein Freund und „Pate" und ähnlich wie beim Beginn der MfS-Kariere von Schalck der Geburtshelfer.

Als Geschäftsmann war Rübler ein „Hans Dampf in allen Gassen". Er verfügte nicht nur in der DDR über ausgezeichnete Verbindungen, sondern mischte in vielen großen Importgeschäften mit, egal ob es um Kohle aus Südafrika oder um Öl aus dem Iran ging. Seine von ihm gezogenen Fäden reichten bis nach Israel oder Österreich, wo er gemeinsam mit einem Herrn Prokesch die Firma Exim-pol betrieb.

Rübler wurde über das Industriebüro Carl Zeiss Jena vertreten, das im Auftrag von Günther Forgber arbeitete und seinen Sitz in der Leipziger Straße in Berlin-Mitte hatte. Dieses Zeiss-Büro bestand schon vor Aufnahme meiner Tätigkeit als Generaldirektor des AHB Carl Zeiss Jena und war anfangs ein Koordinierungsbüro unserer Gemischten Gesellschaft in London, der CZ Scientific and Instruments Ltd.

Die Aufgaben des Büros wurde unter Leitung des von mir eingesetzten Chefs, Peer Ikier, IM-Deckname „Olaf", schrittweise erweitert und in Abstimmung mit der Stasi-Hauptabteilung XVIII/8 zum Industriebüro von Forgber profiliert. Neben den Interessen von Rübler wurden die zahlreicher weiterer Firmen vertreten, darunter auch die von Caramant Wiesbaden.
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Rübler residierte in einer Luxussuite des Palasthotels

Rübler unterhielt in den letzten Jahren vor dem Zusammenbruch der DDR sein Büro nicht mehr in Westberlin sondern in der Luxussuite 8026/8027 des Palasthotels in Berlin-Mitte. Hier führte ich mit ihm Geschäftsverhandlungen oder traf mit Partnern zusammen, zu denen er die Verbindung hergestellt hatte.

Rübler war ein sehr geschwätziger Mann, was für unsere Art von Geschäften gewiß nicht vorteilhaft war. Wenn wir uns trafen, prahlte er fast immer mit seinen Connections zur Stasi, insbesondere zur Generalität, die sich bei ihm die Türklinke in die Hand geben würde.

Er machte auch keinen Hehl aus seinen Beschaffungsaktivitäten für die lamettabehangenen Schild- und Schwertträger der SED. Er stattete nämlich Objekte des MfS mit westlicher Technik und Luxusgütern aus, freilich nicht die gewöhnlichen Dienstobjekte, sondern vor allem Luxusherbergen, Freizeiteinrichtungen, private Urlaubs- und Wochenendhäuser und Villen der MfS-Prominenz.

Mit mir darüber so unbefangen und offen zu plaudern, war für ihn gefährlich. Warum er es trotzdem tat, bleibt mir bis heute schleierhaft. Abgesehen davon, daß er nicht hundertprozentig wissen konnte, mit wem er es bei mir zu tun hat, war er nicht naiv und mußte sich doch darüber im klaren sein, daß seine Suite vom MfS verwanzt wurde.

Obwohl ich befürchten mußte, daß Rübler an anderen Stellen auch so blauäugig über unsere Zusammenarbeit schwadroniert, fand ich dies nie bestätigt. Seine Geschäfte wickelte er stets seriös und zuverlässig ab.
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Wir brauchten DEC-Großcomputer der Typenreihe VAX

Nachdem Rübler für uns zahlreiche kleinere Embargoprojekte erfolgreich erledigt hatte, wollte er auch ins Computergeschäft einsteigen und uns DEC-Großcomputer der Typenreihe VAX liefern.

Er war Teilhaber der israelischen Firma RÜBLER TUCHLER LTD. in Tel-Aviv und in Herzliya (Israel). Sein Teilhaber Tuchler war ein in Israel lebender Deutscher, dessen Verwandte zum Teil noch in Ostberlin wohnten.

Die erste Lieferung über diese Firma wurde gerade vorbereitet, als ernsthafte Probleme auftraten. Da sie sein Partner Tuchler zu verantworten hatte, reiste dieser von Israel nach Ostberlin. Tuchler war im Gegensatz zu Rübler ein sehr schwieriger Partner und wurde von uns als nicht seriös eingeschätzt.

Wir vermuteten, daß der bereits bezahlte und zur Auslieferung in der Bundesrepublik bereitstehende Computer von gegnerischen Diensten observiert wurde. Rübler mußte in die Bresche springen.

Unter hohem persönlichen Risiko transportierte er den Computer selbst mit einem angemieteten Fahrzeug von der Bundesrepublik über Westberlin zu uns, was uns vor einem großen finanziellen Verlust bewahrte.

Hatten wir ursprünglich geplant, Rübler Tuchler Ltd. zu einer neuen Importlinie auszubauen, verzichteten wir nach dieser schweißtreibenden und nervenaufreibenden Erfahrung darauf.

Ein neuer Kontakt - Moshe Nathan

Herbert Rübler hatte Verständnis dafür, daß wir mit seinem Teilhaber nicht mehr zusammenarbeiten wollten. Als Alternative brachte er uns einige Zeit später mit Moshe Nathan, einem jungen Israeli, zusammen. Nachdem der Kontakt hergestellt war, überließ uns Rübler das Feld, wobei er weiterhin mit Nathan zusammenarbeitete und auch an dessen Geschäftsergebnissen beteiligt wurde.

Moshe Nathan war in Bulgarien geboren, hatte dort seine Kindheit und Jugend verbracht und war später nach Israel ausgewandert, Verwandte lebten noch in Bulgarien und hatten dort zum Teil einflußreiche Stellungen, so war ein Onkel von ihm ein bekannter bulgarischer Professor. Moshe selbst war auch recht gebildet und beherrschte mehrere Sprachen.

Moshe Nathan besaß in Israel gute Verbindungen zur Armee und vor allem zur Rüstungsindustrie. Er machte kein Geheimnis daraus, daß er während seiner Armeezeit für den militärischen Nachrichtendienst Israels gearbeitet hatte.

Wir waren fest davon überzeugt, daß diese Kontakte zum israelischen Geheimdienst immer noch bestanden und den Hintergrund für seine Geschäfte im Embargobereich bildeten. Es störte uns allerdings wenig, schließlich waren wir uns darüber im klaren, daß auch andere Lieferanten für fremde Dienste arbeiteten, ohne daß wir es wußten. Bei Moshe Nathan hatten wir wenigstens die Gewißheit und konnten uns darauf einstellen.
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Auch er wurde von der Stasi observiert

Selbstverständlich befand sich Moshe Nathan stets im Fadenkreuz der Stasi. Für Aufklärung dieses Mannes sorgten zum einen unsere Verhandlungsberichte, zum anderen wurde er auch direkt kontrolliert und bearbeitet. So beeinflußte IM „Olaf" die Arbeit von Nathan, wie er auch dessen Aktivitäten gegenüber anderen DDR-Außenhandelsbetrieben überwachte.

Um sich die Gunst seiner Geschäftspartner in der DDR, sprich weitere lukrative Aufträge, zu erhalten, geizte Nathan nicht mit materiellen und finanziellen Zuwendungen. Beispielsweise hatte er im März 1988 im Westen ein spezielles Konto aufgelöst und den Leiter des Industriebüros Forgber, Peer Ikier, mit 75.000 DM in bar geschmiert. Selbstverständlich reichte IM „Olaf" dieses Geld zum Auffüllen der MfS-Kassen weiter.
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Moshe Nathan und seine konspirativen Methoden

Wir wunderten uns auch kaum, daß Moshe Nathan von Anfang an konspirative Methoden anwandte. Er selbst bat uns um Zusammenarbeit unter dem Decknamen „Kolja", den wir dann auch verwendeten, nur innerhalb unseres Handelsbereiches nannten wir ihn „Victor".

Sein Wunsch war es auch, daß wir im notwendigen Telefonverkehr seinen Deckname sowie andere von ihm vorgegebene verschlüsselte Worte verwendeten. Schriftwechsel mit „Kolja-Victor" gab es nicht.

Bei seinen mehrfachen Einreisen nach Ostberlin arrangierten wir selbstverständlich, daß auf den obligatorischen Sichtvermerk in seinem Paß verzichtet wurde. Logisch, daß wir uns in der Öffentlichkeit niemals mit ihm sehen ließen.

Sowohl als Geheimdienst- als auch als Geschäftsmann war Moshe Nathan ein Multitalent. Er trat als Executive Manager der Firmen Export and Promotion of Israeli Technologie, Herzelia, Unicom-Universal Computers Ltd. und Ramat Hasharon (Israel) auf, deren Inhaber er war.

Unter diesen Firmennamen schloß er auch die Verträge mit uns ab. Für die Firmen RAM Robots, Automation & Manufacturing Systems Ltd. und Ramat Hasharon bezeichnete er sich als Manager Components Department, wobei uns nicht bekannt war, ob es sich ebenfalls um seine eigenen Unternehmen handelte.
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Die ersten Verträge probeweise abgeschlossen

Schon nach unserem ersten Zusammentreffen wurden wir uns handelseinig. Wir schlossen probeweise die ersten Verträge ab, die „Victor" exakt einhielt. In der Folge konzentrierten wir uns auf schwer beschaffbare Embargo-Bauelemente, zu denen Israel einen guten Zugriff hatte, da sie von der Elektronik- und Rüstungsindustrie des Landes ebenfalls eingesetzt wurden.

Die meisten dieser Verträge wickelte „Victor" über ein Land ab, zu dem Israel gute offizielle und inoffizielle Kontakte hatte - Südafrika. Von dort kamen die Lieferungen per Luftfracht nach Ostberlin.

Moral und Politik spielten auch hier eine untergeordnete Rolle, d. h. der DDR-Führung war oftmals das Hemd näher als die Jacke. So hatten wir Südafrika als Beschaffungsland bereits seit langer Zeit im Visier. Wir waren daran interessiert, dort einen leistungsfähigen Lieferanten für Embargowaren zu finden und einen Teil unserer Importe nicht mehr über Westeuropa, sondern über das Kap der guten Hoffnung zu beziehen.

Leider gelang uns das aus eigener Kraft nicht, denn aufgrund der Apartheidpolitik Südafrikas gab es mit der DDR weder politische noch Handelsbeziehungen und damit auch keine offiziellen Kontakte zu Firmen dieses Landes. Andererseits schien uns das Land mit seiner industriellen Struktur prädestiniert, als Endabnehmer von Mikroelektronik und Produktionsausrüstungen zu ihrer Herstellung glaubwürdig und damit für uns geeignet zu sein.
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Wir planten also eine neue leistungsfähige Bezugslinie

Und nun war uns Moshe Nathan in die Arme gelaufen und bot uns die Chance, eine solche leistungsfähige Bezugslinie aufzubauen. Wir entwickelten mit ihm gemeinsam ein Konzept. Dabei ging es uns nicht um einmalige rasche Erfolge, sondern um Langfristigkeit.

Wir wollten uns systematisch an besonders schwer zu beschaffende Produktionsausrüstungen mit Spitzenparametem, wie sie nur von wenigen Produzenten in Japan und den USA hergestellt wurden, herantasten.

Zum Beispiel Hochstromimplanter, um die sich sowohl wir als auch die Speziellen Beschaffungsorgane des MfS bis dahin vergeblich bemüht hatten, da kein glaubwürdiger Endabnehmer zur Zusammenarbeit mit uns bereit war.

Außerdem kamen als solche nur Firmen in Frage, die zumindest 1-MBit-Schaltkreise serienmäßig herstellen konnten. Zu diesem Zeitpunkt vermochte das in Europa nur Siemens, und sogar in Taiwan konnten diese Ausrüstungen nicht eingesetzt werden, womit auch diese Beschafrungslinie für uns ausfiel.

Das mit „Victor" erarbeitete Konzept entsprach annähernd unserem Taiwan-Projekt: Auch für Südafrika mußten wir vorfinanzieren und somit ein relativ hohes Risiko eingehen. Da das die Sache allemal wert war, schlossen wir einen ersten konkreten Vertrag ab und leisteten zur Finanzierung der notwendigen Schritte eine Anzahlung.

Die Beschaffungsaktivitäten von „Victor" liefen gut an, aber das Vorhaben wurde nicht mehr verwirklicht. - Die Wende in der DDR nahm ihren Lauf ... „Victor-Kolja" tauchte ab, er war für uns nicht mehr erreichbar - und damit auch unser bereits eingezahltes Geld.
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Und noch einen Verlust mussten wir verkraften

Auch Herbert Rübler konnten wir nicht mehr um Hilfe bitten, geschweige denn uns an ihm schadlos halten. Er war bereits im März 1989 auf mysteriöse Art und Weise, erst 68 Jahre alt, ums Leben gekommen. Es gab keine offizielle Information über sein Ableben.

Gerüchteweise hieß es, er habe im Ostberliner Grand-Hotel einen Herzinfarkt erlitten. Andere meinten, er sei im Palasthotel in der Badewanne seiner Suite ausgerutscht und tödlich verunglückt, was auch dann im nachhinein teilweise bestätigt wurde.

Ich erinnere mich jedenfalls, daß er mir bei einem Zusammentreffen noch Anfang 1989 sagte, sein Büro vom Palasthotel in das Grand-Hotel verlegen zu wollen, da er mit der Leitung des Palasthotels Ärger habe.

Tatsache ist auch, daß Rübler bereits in der Nachkriegszeit zu einem Kreis von Schmugglern und Spekulanten gehörte, darüber seine Verbindungen zu Mischa Wischnewski und Simon Goldenberg aufbaute und in den Dunstkreis internationaler Geheimdienste geriet.

Wie Wischnewski und Goldenberg war er ein Mann der Hauptverwaltung Aufklärung des MfS. Doch IM „Rübe" wurde bereits Anfang der achtziger Jahre verdächtigt, ein Doppelagent zu sein, der gleichzeitig für den BND arbeitet. Die Stasi fand zwar trotz Überwachung keine Beweise, ließ aber ihren Verdacht niemals fallen. Das hinderte das MfS freilich nicht, die Kontakte Rüblers zu Israel auszunutzen, auch wenn man hier wiederum argwöhnte, er könnte dem Mossad über israelische Geschäftspartner Zugang in der DDR Zugang verschaffen oder sogar selbst im Mossad-Auftrag tätig sein.

Wie dem auch sei, Herbert Rübler und sein Tod bleiben ein Rätsel. Ob ein Zusammenhang zwischen seiner Geschwätzigkeit, seinen privaten „Dienstleistungen" für die MfS-Generalität und seinem späteren mysteriösen Tod in der Suite des Palasthotels besteht, wird wohl genauso ungelöst bleiben wie die Vermutung, ob er ein Doppel- oder gar Mehrfachagent war. Zumindest ist der Mordverdacht immer noch nicht aus der Welt geräumt.
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Bei unseren Bezugslinien fuhren wir immer mehrgleisig

Die Verbindung Rübler - Nathan war nicht unsere einzige Bezugslinie, über die wir aus Südafrika Embargowaren erhielten. Einige andere Lieferanten benutzten gleichfalls diesen Weg, der so günstige Bedingungen für einen glaubhaften Endverbraucher-Nachweis bot. Dennoch war es alles andere als ein Kinderspiel, weil die Südafrikaner mitunter die Echtheit des Nachweises sehr ernsthaft kontrollierten.

So platzte einmal der vorgesehene Transport über Kapstadt, nur weil Siemens zum Spielverderber wurde. Der Konzern war nämlich nicht nur in Deutschland, sondern sogar in Südafrika auf seinen Ruf bedacht und sorgte sich auch hier um die Einhaltung der Embargobestimmungen.

Jedenfalls hatte Siemens bei einer Lieferung den Endverbraucher besonders gründlich überprüft und Verdacht geschöpft, daß die Ware in ein sozialistisches Land gehen soll. Sofort zogen die Westdeutschen ihre Lieferung zurück.

Überhaupt gab es für uns in Embargofragen viel "sympathischere und angenehmere" Hersteller als Siemens. Deshalb versuchten wir weder Beziehungen zu Siemens aufzubauen noch orientierten wir auf den Kauf seiner Erzeugnissen. Und mit Distanz verfolgten wir einige Versuche von KoKo oder des AHB Elektrotechnik, mit diesem Unternehmen zusammenzuarbeiten.
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Die Paketvermittlungsanlage für die DDR-Post

Das beste Beispiel war der Vertrag zur Lieferung einer Paketvermittlungsanlage für die DDR-Post, die den Aufbau eines Netzes zur Datenübertragung in der DDR ermöglichen sollte. Die Anlage stand im Westen unter Embargo. Ich sollte mich als erster darum kümmern und versuchte, einen Lieferanten in Westeuropa oder Japan zu gewinnen.

Doch selbst die Japaner sahen sich trotz unserer guten Zusammenarbeit nicht in der Lage, eine solche Anlage zu liefern. Den Beschaffungsauftrag übernahm dann der AHB Elektrotechnik und schloß einen Liefervertrag mit Siemens ab. Diese machten die Realisierung von einer Genehmigung durch CoCoM Paris abhängig, wobei man allerdings den DDR-Partner über die Chancen täuschte.

Kurzum: Die Genehmigung wurde nie erteilt, und die DDR bekam die dringend benötigte Anlage für die Post bis zur Wende nicht. Meine Bedenken zur Realität der Versprechungen von Siemens, die ich vor Vertragsabschluß mit Siemens gegenüber Schalck äußerte, hatten sich bestätigt.
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Versteckspiel

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Caramant (Wiesbaden) - Eine gefährliche Gratwanderung

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  • Anmerkung von Gert Redlich : Die damalige Firma Caramant ist mir persönlich bekannt, denn ich wohnte von 1960 bis 1965 als 15jähriger gerade um die Ecke in der Adelheidstraße und Caramant residierte in einem Neubau in der Adolfsallee. Von dort bekam ich auf Umwegen eine der von einer Tochterfirma hergestellten ersten schwarz/weiß Vidicon Fernsehkameras. Damit konnte ich zum ersten Male in meinem Leben ein eigenes Bild auf einem Fernseher darstellen - wie gesagt deutlich nach 1965. Heute würden wir diese Kamera als Bastelobjekt deklassieren, doch die Semiprofi- Industriekameras der Fernseh GmbH aus Darmstadt waren nicht viel besser, nur 5 Mal so teuer.

  • Es gab noch einen Berührungspunkt über die Firme Techno-Film Kurt Forst KG, in der unser Vater nach 1961 (bis 1965) gearbeitet hatte. Caramant wollte über die Firma Techno-Film 16mm Schmalfilm- Projektoren von RCA und Bell & Howell in den Ostblock verscherbeln. Warum 16mm Projektoren auf der Embargo Liste standen, ist wirklich nicht schlüssig, da im Ostblock auch solche Geräte gebaut wurden. Daher wußte sogar mein Vater, daß bei Caramant - zumindest merkwürdige - Ost-Embargo-Geschäfte abgewickelt wurden.

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Weiter mit dem Text im Buch:

„Hätte man in den USA die Rakete nicht schon geklaut und in die Sowjetunion verbracht, und wir als Caramant hätten sie liefern sollen, was ja gar nicht ausgeschlossen ist, dann wäre das ein äußerster Schwierigkeitsgrad gewesen, für den 100 Prozent Preisaufschlag in Frage kommen."

Antworten solcher Art, wie die auf meine Frage, was er unter schwer zu beschaffender Embargoware verstünde, hörte ich später noch oft. Der Mann, der um derartige Sprüche nie verlegen war, hieß Christoph Brandt und war Mitarbeiter der Firma Caramant, Gesellschaft für Technik und Industrie mbH und Co. KG. in Wiesbaden.

Ich hatte ihn auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1967 kennengelernt. Damals sprach Brandt mit dem verantwortlichen Mitarbeiter für den Import von Produktionsausrüstungen im VEB Halbleiterwerk Frankfurt/Oder (HFO) über die Lieferung von elektronischen Bauelementen.

Von Anfang an redete Brandt nicht um den heißen Brei, sondern machte uns den Mund wässrig, auch Embargowaren beschaffen zu können. Beispielsweise sei man sehr an der Lieferung von technologischen Ausrüstungen für die Herstellung von Bauelementen und besonders für Festkörperschaltkreise interessiert.
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Caramant wollte mit der DDR ins Geschäft kommen

Caramant, die seit zwei Jahren vergeblich versucht hatten, mit dem AHB Heim-Electric ins Geschäft zu kommen, wurden von den Frankfurtern an Anlagenimport vermittelt, weil das in unsere Zuständigkeit fiel. Also führte ich das erste Kontaktgespräch mit Christoph Brandt und betreute in der Folge Caramant. Eine Zusammenarbeit, die sich mit kurzen Unterbrechungen bis zur Wende erstreckte.

Brandt beschrieb seine Firma als ein in vier Geschäftsbereiche gegliedertes Handelsunternehmen. Caramant hätte in der Bundesrepublik gute Kontakte zu staatlichen Stellen, vor allem zum Wirtschaftsministerium, so daß man für „leichte" Embargowaren ohne Probleme Exportgenehmigungen erhalten könne.

Außerdem sei kein Geschäft unmöglich, da man schwierige Embargogeschäfte über Umwege durch Zwischenschaltung ausländischer Geschäftspartner abwickeln würde. Als Beispiel für die Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit anderen Ländern nannte er den ungarischen Außenhandelsbetrieb Elektroimpex, an den man computergesteuerte Endmeßtechnik für Festkörperschaltkreise von der amerikanischen Firma Fairchild geliefert habe.
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Caramant verkaufte DDR Maschinen im Westen

Schließlich verfugte Caramant bereits über Geschäftsbeziehungen zu anderen DDR-Außenhandelsunternehmen. So verkaufte Caramant Spinndüsen aus DDR-Produktion an westdeutsche Kunstfaserproduzenten und importierte gebrauchte Werkzeugmaschinen über den AHB Intrac und vertrieb sie mit großem Erfolg und hohen Verdienstspannen in der Bundesrepublik.

Ja, die DDR verfügte über große Stückzahlen „ausrangierter", aber noch funktions- und leistungsfähiger Maschinen, die von kleineren Betrieben in der BRD gern gekauft wurden - sie waren besonders preisgünstig.

Das alles klang nicht uninteressant. Um unseren Appetit anzudeuten und seinen anzuregen, übergab ich Brandt erste Spezifikationen für Meßtechnik der Firma H&P, die er uns besorgen sollte. Sodann schlug ich ein nächstes Treffen in Wiesbaden nach der Messe in Hannover vor, um die Firma und seinen Chef persönlich kennenzulernen. Wieder reagierte Brandt recht großspurig - eine Art, die ich bald als Stil der Firma und besonders ihres Chefs kennenlernen sollte: Er könne mich zu jeder Zeit an jedem beliebigen Ort in der Bundesrepublik abholen, entweder mit dem Pkw oder mit eigenem Flugzeug, da er gegenwärtig gerade seinen Flugschein mache und dann ein Sportflugzeug besäße.

Nun, ein Sportflugzeug habe ich in den folgenden Jahren weder bei ihm noch bei der Caramant gesehen. Aber wir waren mittlerweile Sprücheklopferei gewöhnt und ließen uns davon nicht sonderlich beeindrucken.
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Christoph Brandt - ein undurchsichtiger Mann

Insgesamt blieb Christoph Brandt für mich ein undurchsichtiger Mann. So informierte er mich zu späterer Zeit über seine Absicht, bei Caramant auszusteigen und eine eigene Firma zu gründen.

Seine Frage, ob ich dann auch mit ihm zusammenarbeiten würde, ergänzte er mit dem dezenten Hinweis, daß meine Anstrengungen überdies entsprechend entlohnt würden. Zu dieser Firmengründung ist es nie gekommen. Vermutlich war es nur eine taktische Variante, mit diesem Unternehmen eine neue Filiale oder Schwesterfirma von Caramant zu schaffen.

Einige Jahre später, während einer Leipziger Messe, mußte ich gemäß Weisung meines Führungsoffiziers auf dem Zeiss-Messestand ein Zusammentreffen zwischen Brandt und einem Mitarbeiter der HA XVIII/8 vermitteln. Ich staunte nicht schlecht, daß beide sich bereits kannten. Also mußte Brandt - wissentlich oder unwissentlich - mit der Stasi zusammenarbeiten.

Diese Vermutung wurde ich auch nicht los, nachdem Christoph Brandt Caramant verlassen und ich noch sporadischen Kontakt zu ihm hatte. Er firmierte entweder unter dem Namen CB Promotion in Maintal oder trat als Journalist auf. Seine wirkliche Rolle blieb für mich immer fraglich.
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Die Geschäftsbeziehungen wurden jetzt Chefsache

Nachdem ich mit Manfred Hardt, dem Geschäftsführer von Caramant, in Wiesbaden zum ersten Mal zusammengetroffen war, machte dieser die Geschäftsbeziehungen mit uns zur Chefsache. Oftmals besuchte er uns in Ostberlin, nicht selten ohne konkreten Anlaß.

Hardt war ein cleverer Geschäftsmann. In zahlreichen Gesprächen tastete er nicht nur unsere Rolle und Einflußmöglichkeiten innerhalb der DDR-Elektronik ab, sondern studierte auch andere Unternehmen, Betriebe und staatliche Stellen. Gemäß dem Motto, daß Beziehungen nur demjenigen schaden, der keine hat, versuchte er zudem, über uns Verbindungen zu diesen Institutionen oder zu Einzelpersonen zu knüpfen.

In der Tat kannte er sich innerhalb der DDR gut aus. Er verfügte sogar über sehr gute und vertrauliche Informationen, die er nicht aus Geschäftsverhandlungen mit uns gewonnen haben konnte.

Auffällig war, daß sich Manfred Hardt im Laufe der Zeit immer stärker auf das Gebiet der DDR-Datenverarbeitung konzentrierte. Er kannte Details und Namen über - wie er es nannte - „eine Stelle im Ministerium für Elektrotechnik und im Staatssekretariat für Datenverarbeitung, die Importe an Datentechnik straff koordinieren" würde. Da lag er nicht gänzlich falsch, auch wenn er irrtümlicherweise davon ausging, das von hier gleichermaßen unsere Arbeit gesteuert würde.

Bei seiner intensiven Kontaktsuche nach neuen Partnern in der DDR nahm Hardt gern meine Hilfe in Anspruch. Ihn interessierten vor allem Datenverarbeitung und Bürotechnik, das Institut für Energetik und die chemische, speziell die petrolchemische Industrie der DDR einschließlich der zugehörigen Außenhandelsbetriebe.

So bemühte er sich auch um Zusammenarbeit mit Interver, einer zum Transinter-Verband gehörenden Vertreterfirma, die als Vertreter für Caramant arbeiten wollte. Doch Caramant war schon nach kurzer Zeit mit der Arbeit von Interver unzufrieden, da keine Geschäfte vermittelt wurden.

Ich war hingegen in der Lage, ihm zu einem Vertrag über Meßtechnik in Höhe von über einer Million DM für den AHB Elektrotechnik zu verhelfen. Als Dankeschön schlug mir deshalb Caramant über Christoph Brandt vor, in die Kalkulation der Geschäfte einen angemessenen Betrag aufzunehmen, der meine Bemühungen abgelten sollte und über den ich dann persönlich in geeigneter Form verfügen könnte. Es sollte nicht bei diesem einmaligen Angebot bleiben.
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War Manfred Hardt ein (Doppel-) Agent des BND ?

Wenn Manfred Hardt uns in Ostberlin besuchte, drängte er uns in den Konversationen immer wieder das Thema der Strategie in der DDR-Elektronik auf. Gönnerhaft dozierte er dann :

„Wir studieren die Entwicklung unserer Geschäfte sehr augenfällig und müssen dabei feststellen, daß sie immer das Modernste und Neueste kaufen und dafür vom Staat alle Mittel zur Verfügung gestellt bekommen. Es ist bei uns der Eindruck vorhanden, daß sie aus solchen Lehren, die die Chemie der DDR ziehen mußte, gelernt haben und hier wirklich eine Entwicklung zum Weltstand der Technik erreichen wollen und sich das etwas kosten lassen."

Solche Sätze garnierte er dann und wann mit versteckten Andeutungen, daß Caramant durchaus über einen Teil unserer anderen Embargolieferanten informiert wäre. Natürlich wollte Hardt auf den Busch klopfen und unsere Reaktionen testen, was wir allerdings geschickt abblockten. Aber es war wohl alles andere als Zufall, daß Hardt mit uns gerade zu einem Zeitpunkt über Österreich plauderte und durchblicken ließ, daß einige Firmen ihre Lieferverpflichtungen uns gegenüber nicht erfüllen würden, als wir Schwierigkeiten mit Zemanek in Wien hatten.

Später bekam ich mit, daß man bei Caramant auch Kenntnis darüber hatte, daß sich die DDR um eine direkte Zusammenarbeit mit der amerikanischen Firma General Instruments bemühte oder daß mein Chef, Wolfram Zahn, IBM einen Besuch abgestattet hatte.

All dies konnten nur Auskünfte sein, die Caramant von offiziellen Stellen zugespielt wurden, da selbst innerhalb dieser Firmen der Kreis der Informationsträger sehr begrenzt und für Außenstehende nicht zugänglich war.

Wir hatten also durchaus guten Grund zu der Annahme, daß Manfred Hardt von bundesdeutschen Behörden oder anderen Institutionen" über unsere Geschäftsbeziehungen unterrichtet wurde, einschließlich meiner Reisen in den Westen.

Manfred Hardt wußte eigentlich zuviel .......

Jedenfalls notierte ich am 29. April 1970 in einem Verhandlungsbericht, „daß die Firma Caramant, vertreten durch Herrn Hardt, die Bemerkung machte, daß ich mich ja gegenwärtig recht oft in Westdeutschland aufhalten wurde und wahrscheinlich auch immer mehr unterwegs sei, als zu Hause. Ich hatte tatsächlich zwei Reisen kurzfristig hintereinander nach Westdeutschland durchgeführt und die Firma Caramant konnte nur von einer solchen Reise offiziell wissen, da ich mich telefonisch von unterwegs gemeldet hatte. Es kann angenommen werden, daß eine Benachrichtigung der Fa. Caramant durch westdeutsche Behörden erfolgte, da es sich bei den Bemerkungen des Herrn Hardt nicht nur um eine schnell dahingeworfene Behauptung handelte."
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Manfred Hardt kannte wirklich keine Skrupel

Als Mann der Tat zögerte Hart auch nicht, mich gleich zu Beginn unserer Zusammenarbeit zu korrumpieren. Ich zierte mich nicht lange und hielt die Hand hin - selbstverständlich wieder nur mit Zustimmung und Duldung meines Führungsoffiziers. Einmal mehr wurde damit das Vertrauen eines Geschäftspartners in meine Person gestärkt, es ergaben sich günstige Ansatzpunkte für intensivere Kontakte, und nicht zuletzt konnte ich dadurch viel über Caramant erfahren.

In gewohnter Manier hielt ich im bereits oben zitierten Verhandlungsbericht fest:

„Die Firma Caramant hat mir in den letzten Tagen einen Diaprojektor als Geschenk übermittelt. Aus einem vor Wochen bzw. vor Monaten geführten Gespräch mußte offensichtlich die Firma Caramant entnehmen können, daß ich noch nicht im Besitz eines solchen Gerätes bin. Auf Grund dessen wurde mir dieses Gerat per Post an die Adresse Sonntagstraße zugeschickt. Das Paket war in der DDR von einem Caramant-Mitarbeiter aufgegeben worden. Die persönliche Übergabe erfolgte nach Aussage von Herrn Hardt nicht, da man mir keine Schwierigkeiten machen wollte, was doch eventl. bei einem persönlichen Mitbringen beim Überschreiten der Grenze der Fall gewesen sein könnte.

Sie hätten sowieso die Erfahrung gesammelt, daß eine gute Möglichkeit zum Hereinbringen von Waren in die DDR ohne Kontrolle durch die DDR-Organe darin bestehe, wenn man Transitreisen von Westdeutschland über den Flugplatz Schönefeld dazu benutzen würde.

Hier werden angeblich so gut wie keine Kontrollen durchgeführt. Er hat mir weiterhin angeboten, in bestimmten Fragen bei der Beschaffung von Gegenständen behilflich zu sein. Ich brauchte in dieser Hinsicht keine Hemmungen zu haben, man würde keinen Gebrauch davon machen, daß es sich um Sachen handelt, die man mir gibt.

In den Belegen der Firma brauchte mein Name nicht in Erscheinung zu treten. Die Finanzierung würde aus Werbe- und Repräsentationskosten erfolgen, die in recht erheblichen Umfang vorhanden und deren Abrechnung die Nennung von Namen in Unterlagen, Akten u.a. nicht erforderlich macht"

Bei Bestechung kannte Manfred Hardt wirklich keine Skrupel. Wenn ich in Wiesbaden war, übernahm er die Übernachtungskosten, übergab mir aber die Quittungen, damit ich diese in der DDR nochmals abrechnen könne. Zusätzlich überreichte er mir stets in einem verschlossenen Briefumschlag mehrere hundert Mark in bar - als „Zuschuß zu den Reisespesen".

Persönliche Geschenke für mich und meine Familie wurden zu einer Selbstverständlichkeit und rundeten den Freundschaftsdienst ab. Zu Hause in der DDR dann das bekannte Procedere: Die Geldbeträge wanderten in die Kasse des MfS, die persönlichen Geschenke durfte ich behalten, sie wurden aber sorgfältig in den Stasi-Unterlagen erfaßt. Damit hatten die Genossen sicherheitshalber eine Fußangel ausgelegt...
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Manfred Hardt schmierte und korrumpierte locker weiter

Da Manfred Hardt ständig neue Geschäftsfelder sondierte, wollte er mich auch in späteren Gesprächen immer wieder als inoffiziellen Vermittler neuer Transaktionen mit der DDR gewinnen. Er bot mir sogar den Abschluß einer entsprechenden Vereinbarung an, wonach er mir monatlich einen Festbetrag auf ein Konto in Westdeutschland oder der Schweiz überweisen würde. Auch auf diesen Vorschlag ging ich ein, nachdem mein Führungsoffizier abgenickt hatte.

Rechneten wir doch fest damit, daß ich durch den Bakschisch erpressbar gemacht und für einen gegnerischen Geheimdienst angeworben werden sollte. Leider ging dieses strategische Planspiel des MfS nie auf. Es kam auch weder zu der angekündigten Vereinbarungen noch zur Zahlung der Festbeträge an mich. Keiner der Vorschläge von Caramant wurde verwirklicht, aber Manfred Hardt schmierte und korrumpierte locker weiter, als ob wir uns über alle Grundfragen einig wären.

Wenn ich mit Caramant verhandelte, waren Christoph Brandt, Manfred Hardt und dessen jüngerer Bruder meine direkten Partner. Werner Hardt war zwar nicht in die konkreten Einzelgeschäfte einbezogen, trug aber die Verantwortung für alle finanziellen Fragen der Firma. Er war ein nüchtern denkender Mensch, der bescheiden auftrat. Er wohnte mit seiner Familie in einem gepflegten, aber bescheidenen Einfamilienhaus.

Das ganze Gegenteil sein Bruder Manfred. Dieser hatte das Auftreten eines typischen Neureichen. Er gab sich stets allwissend, wirkte überheblich und lebte gern auf großem Fuß.

Repräsentation bedeutete ihm alles, Hauptsache edel und teuer. Er bewohnte immer luxuriöse Villen oder zeitweilig eine ganze Etage im Nobelhotel Schwarzer Bock in Wiesbaden. Der Lebensstil von Manfred Hardt prägte auch den Geschäftsstil der Firma und das Auftreten leitender Mitarbeiter. Die Büroräume waren modern und großzügig eingerichtet. Auch hier war Repräsentation angesagt.
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Die Tochterfirmen von Caramant

Aber Klappern gehört nun mal zum Geschäft, und das von Caramant war nicht das schlechteste. So war Manfred Hardt an mehreren Unternehmen im Ausland beteiligt, wo er auch selbst welche unterhielt. In Österreich war es die Firma System Ingeneering Austria, in Vaduz, Liechtenstein, Interlignum und in Pforzheim die kleine Produktionsfirma für Fernsehkameras namens Systel.

Caramant wurde unser Hauptlieferant von Meßtechnik

Insgesamt kein schlechter Boden, um kontinuierlich mit Caramant zusammenzuarbeiten. Recht schnell wurden die Wiesbadener unser Hauptlieferant von Meßtechnik der US-Firmen H&P und Tektronix sowie der westdeutschen Firmen Rohde & Schwarz und Wandel & Goldermann.

Caramant versorgte uns aus den USA mit modernen Testsystemen von Teradyn genauso wie mit Vergußmasse zum Verkapseln von Halbleiterbauelementen von Dow Corning.

Im Mai 1970 konnten wir durch Vermittlung von Caramant die Halbleiterfertigung in München besichtigen, um die praktischen Erfahrungen von Siemens beim Einsatz von Fairchild-Meßautomaten zu studieren. Natürlich nicht ohne Gegenleistung.

Denn Siemens hatte sich auf unseren Besuch gut vorbereitet und von der Filiale Berlin, mit der ich seit meiner Zeit bei Heim-Electric in Verbindung stand, genaue Informationen zu meiner Person eingeholt. Dr. Buchmann, damaliger AbteilungsbevoUmächtigter für Grundsatzfragen des Vertriebs, bat mich dann auch um Unterstützung, damit sein Unternehmen die Halbleiterfertigung in Frankfurt/Oder ansehen könne.

Ein Fingerzeig dafür, daß der Konzern sehr wohl an detaillierten Informationen über die Entwicklung der Elektronikindustrie und speziell der Halbleitertechnik in der DDR interessiert war. Die Fabriktore in Frankfurt/Oder blieben jedoch für Siemens verschlossen.
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Caramant verkaufte Telefunken Halbleiter

Ein anderer namhafter westdeutscher Partner von Caramant war Telefunken, zum damaligen Zeitpunkt ebenfalls Produzent von Halbleitern. Caramant verkaufte sie für Telefunken mit gutem Erfolg.

Als Gegenleistung hatte Telefunken angeblich schriftlich zugesichert, Erzeugnisse aus dem Produktionsprogramm der Firma Tektronix bis zu einem jährlichen Volumen von einer Million DM zu kaufen und an Caramant zu liefern, damit diese dann von Caramant in sozialistische Länder exportiert werden können.
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Die Frage nach Lieferung spezieller Farbteiler

Wir nutzten unsere Verbindungen zu Caramant insbesondere dazu, um Waren zu beschaffen, die nicht mit serienmäßigen Produkten westlicher Hersteller abgedeckt werden konnten. In einem Fall ging es um die Lieferung spezieller Farbteiler für neu zu entwickelnde industrielle Farbfernsehkameras des VEB Studiotechnik Berlin, die im Gebäude des Zentralkomitees der SED, im Palast der Republik und bei den Sicherheitsorganen eingesetzt werden sollten.

Caramant hatte als Produzenten Boxton-Beel in New-York ausfindig gemacht, einen Produzenten, der Spezialoptik für das Raumfahrt- und Rüstungsprogramm der USA herstellte. Vor allem waren die Amerikaner bereit, die Sonderfertigung zu produzieren, obgleich sie wußten, daß die Lieferungen in die DDR gingen.

Besser noch: Spezialisten des VEB Studiotechnik konnten in Wiesbaden mit dem Chefingenieur der amerikanischen Firma zusammenkommen. Zugute kam uns dabei sicherlich, daß dieser Chefingenieur der Sohn eines Optikers von Zeiss Jena war, der vor dem Zweiten Weltkrieg in die USA auswanderte und noch Verwandte in Jena hatte.

Sogar Gespräche über amerikanscihe Militärtechnik

Heimlich gab mir Manfred Hardt auch den Wink, daß diese US-Firma führend sei auf dem Gebiet der Periskope, also bei der Herstellung von Nachtsichtgeräten für Panzer, und keine Scheu hätte, mit anderen Ländern zusammenzuarbeiten. Er selbst würde gegenwärtig in aussichtsreichen Verhandlungen mit dem Verteidigungsministerium in Kairo stehen, um solche Apparate zu liefern, die speziell an sowjetische Panzertypen wie den T54 angepaßt wurden. Natürlich sei er auch daran interessiert, diese Geräte in die DDR und andere sozialistische Länder zu liefern, nur fehle ihm bei uns ein Kontaktmann, über den solche delikate Gespräche anlaufen könnten.

Da ich ihm bereits einige Kontakte außerhalb unseres unmittelbaren Arbeitsgebiets vermittelt hatte, fragte er mich kurzentschlossen nach solcher Hilfeleistung.

wie eine heiße Kartoffel fallengelassen

Schnurstracks gab ich meinem Führungsoffizier Bescheid. Der reagierte anfangs sehr interessiert, pfiff mich aber schnell zurück. Mir blieb nur die Verwunderung, daß ein Embargo-Bonbon wie eine heiße Kartoffel fallengelassen wurde.

Konnte ich zu diesem Zeitpunkt doch nicht ahnen, daß Manfred Hardt von 1961 bis 1967 für die Verwaltung Aufklärung beim Ministerium für Nationale Verteidigung der DDR arbeitete. Sein Auftrag: Beschaffung technischer und militärischer Informationen.

Nachdem Hardt zuerst auswertbare Information geliefert hatte, entwickelte er später keine nennenswerten Aktivitäten, so daß er wieder „abgeschaltet" wurde. Ihn zu reanimieren verspürte man wenig Lust, weil die Spionageabwehr der DDR Hardt verdächtigte, daß er bereits früher nur im Auftrag eines westlichen Geheimdienstes mit der Verwaltung Aufklärung der NVA zusammengearbeitet habe. Damit war auch das Thema Periskope vom Tisch. Nur mich ließ man völlig im dunkeln tappen.

Caramant wurde unzuverläsig

So problemlos, wie zunächst angelaufen, wurde das Geschäft mit den Farbteilern leider nicht abgewickelt. Weder wurden die ursprünglich zugesagten technischen Parameter eingehalten noch erfolgten die Lieferungen termingemäß.

Die Folge - bei uns kam es zu Störungen im Produktionsprozeß. Ähnliches wiederholte sich später mehrfach. Uns drängte sich die Vermutung auf, daß Caramant bewußt solche Störungen verursachte.

Also doch ein CIA Agent ode eine CIA Firma ?

Somit verdichteten sich die Anzeichen, daß Manfred Hardt nicht nur kommerziell, sondern auch nachrichtendienstlich tätig war, höchstwahrscheinlich für die CIA. Schließlich war Caramant früher schon einmal als Lieferant von amerikanischen Embargowaren aufgeflogen.

Die Firma wurde zwar von den Amerikanern auf die Schwarze Liste gesetzt, durfte aber seltsamerweise weiter ungestört von US-Unternehmen beliefert werden. Hardt selbst pflegte enge persönliche Kontakte zu Amerikanern, von denen ich ein paar auf einer Party in seinem Haus in Wiesbaden kennenlernen durfte.

Und nicht zuletzt hielten sich Manfred Hardt und einige seiner leitenden Mitarbeiter mehrfach für längere Zeit in den USA auf, wofür es unseres Erachtens nicht nur geschäftliche Zwänge gab.
Verständlich, daß Manfred Hardt von der Staatssicherheit verdächtigt wurde, gegen die DDR und andere sozialistischen Ländern zu spionieren.

Die Hauptabteilung XVIII/7 und andere Diensteinheiten durchleuchteten seine Aktivitäten, konnte aber keine ausreichenden strafrechtlich relevanten Beweise finden.
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Caramant Mitarbeiter Bergefeld

Mein Argwohn erhärtete sich, als ich 1970 Wiesbaden besuchte. Ich lernte damals Herrn Bergefeld, den verantwortlichen Mitarbeiter für das Werkzeugmaschinengeschäft mit der DDR, kennen. In einem Gespräch unter vier Augen mahnte er mich zur Vorsicht gegenüber seinem Arbeitgeber, denn das sei nicht nur eine Handels-, sondern eine geheimdienstlich gesteuerte Firma, und nur so wären Embargogeschäfte möglich.

Er selbst fühle sich sehr unwohl bei dieser gewonnenen Erkenntnis, müsse aber mit den Wölfen heulen.

Als ich bei späteren Visiten bei Caramant Bergefeld nicht mehr entdeckte, fragte ich Werner Hardt unverfänglich nach dessen Verbleib. Seine Antwort: Bergefeld sei nicht mehr in die Außendiensttätigkeit mit dem Ostblock einbezogen, sondern nunmehr für Pipelinemontagen in der Bundesrepublik und damit auch für den Einsatz von Arbeitskräften aus sozialistischen Ländern verantwortlich.

Und als ich mich bei Christoph Brandt nach Bergefeld erkundigte, meinte er vieldeutig, daß es sich bei einigen Caramant-Leuten nicht schlechthin um Fachkräfte handeln würde, sondern um Personen, die darüber hinaus offensichtlich noch andere Interessen hätten.

Vorsichtig deutete er Geheimdiensttätigkeiten an, ohne zu sagen für welche Seite. Jedenfalls sei Bergefeld aus der Firma geflogen und nun in der Bundesrepublik für einen anderen Betrieb tätig.

Meine Bedenken, Bergefeld könnte über die Embargogeschäfte von Caramant gegenüber den Behörden plaudern, entkräftete Brandt: „Er kann nicht mehr sagen als das, was dort ohnehin schon bekannt ist. Der Besuch von staatlichen Stellen der Bundesrepublik innerhalb der Firma Caramant ist normal und nicht selten. Mit einer solchen Sache muß man immer rechnen. Darauf sind wir vorbereitet, und das beinhaltet für uns kein Risiko."
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Ein Caramant Verwirrspiel - aber warum ?

Nun war ich nicht viel schlauer als vorher. Mit Gewißheit betrieb Caramant ein Verwirrspiel. Aber für wen und gegen wen? Arbeitete die Firma mit staatlicher Duldung und Unterstützung des Verfassungsschutzes, des BND oder der CIA, und konnte deshalb Bergefeld seine Kenntnisse nicht vermarkten? Oder arbeitete Bergefeld für den Geheimdienst der CSSR und schleuste Agenten in den Westen? Fragen über Fragen, die wir leider nicht beantworten konnten.

Bei allem Versteckspiel wurde jedoch eins deutlich: Caramant kontaktierte mit Vorliebe Embargolieferanten, die in Schwierigkeiten geraten waren und ihren Verpflichtungen uns gegenüber nicht mehr nachkommen konnten.
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Hartwig Müller von Exportkontakt

Meist handelte es sich dabei nicht um Partner des Anlagenimports, sondern um solche von Hartwig Müller. Der ehemaliger Mitarbeiter der VVB Bauelemente und Vakuumtechnik war bei Exportkontakt, einer Schwesterfirma von Günther Forgber, tätig.

Ohne unser Mittun, aber Hand in Hand mit der Stasi, kümmerte sich Müller gleichfalls um spezifische Importe der Mikroelektronik für das MfS als direkten Bedarfsträger. Bei den gegnerischen Geheimdiensten galt er als guter alter Bekannter.

Bereits Anfang der 19sechziger Jahre, also in der Gründungsphase von Anlagenimport, hatte er Pionierarbeit bei der Realisierung von Embargoimporten geleistet. Mit diesen Unternehmen, meist mit Sitz in Liechtenstein und der Schweiz, arbeitete er weiter zusammen.

Einer dieser früheren Lieferanten von Müller war die Firma Otavi, die Anfang der 19sechziger Jahre die erste Produktionsstraße für Transistoren im Halbleiterwerk Frankfurt/Oder besorgt hatte.

Zur Leipziger Frühjahrsmesse 1970 informierte mich Manfied Hardt darüber, daß die DDR mit irgendeiner Firma im Westen einen Vertrag zur Lieferung eines Prüfautomaten Teradyn T 331 abgeschlossen hätte, und daß der Partner aber nicht in der Lage wäre, das Gerät zu liefern.

Er bot seine Hilfe an, obwohl er wußte, daß wir als Anlagenimport nicht der Vertragspartner waren. Wenngleich ich nichts von dem Vorgang wußte, leitet ich dieses Angebot natürlich weiter.

Später sickerte die Information durch, daß sich Hartwig Muller hilfesuchend an Caramant gewandt hatte.
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Mein Erkenntnisgewiin wuchs immer mehr

Bei einem Besuch im Juli 1970 in Wiesbaden erzählte mir dann Hardt, daß er das Gerat geliefert habe und daß es bereits durch einen Caramant-Spezialisten im Funkwerk Erfurt in Betrieb genommen worden sei. Fast beiläufig verkündete er, daß es ohne die wertvollen Hinweise von Hartwig Müller nicht machbar gewesen wäre, diesen festgefahrenen Vertrag wieder in Bewegung zu bringen.

Und schlitzohrig ergänzte er, daß er sich nun neue Gedanken über die Realisierung von Embargoimporten machen müsse. Was er so elegant durch die Blume sagte, war ein deutlicher Fingerzeig, nicht auf uns und unsere Preisangebote angewiesen zu sein, da es in der DDR bessere Partner und Verdienstmöglichkeiten gäbe.

Ich erlebte somit zum ersten Mal, wie unkoordiniert die verschiedenen Beschaffungsorgane der DDR agierten. Anstatt uns abzustimmen, warfen wir uns Knüppel zwischen die Beine, schwächten unserer Position und gaben unseren Partnern die Chance, uns gegeneinander auszuspielen. Von den Valutamitteln, die die DDR damit unnötigerweise ausgab, ganz zu schweigen.

Caramant ausgebooted durch Hartwig Müller

Ein sinnfälliges Beispiel dafür war auch die illegale Beschaffung eines Maskensatzes für Leseverstärker von der Firma Texas Instruments (TI). Mit diesem Maskensatz wollten wir die Voraussetzungen schaffen, um dieses dringend benötigte Bauelement selbständig herzustellen. Manfred Hardt hatte sich verpflichtet, die Ware für uns zu besorgen und war schon in die Spur gegangen.

Doch mitten in der Realisierungsphase mußte Caramant Erstaunliches feststellen: Hartwig Müller stand nämlich inzwischen im Direktkontakt mit Texas Instruments, und die Amerikaner waren unter Zwischenschaltung einer Drittfirma zur Zusammenarbeit bereit.

Caramant kannte den Namen dieser Firma und brach sämtliche Beschaffungsaktivitäten für den Maskensatz sofort ab. Fürwahr, die Wiesbadener wurden in der Zusammenarbeit mit dem „Spezi" Müller selten glücklich, zumal er deren Aktivitäten mehrfach hinter ihrem Rücken durchkreuzte.
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Das Auf und Ab der Kontakte zu Caramant

Die Geschäfte zwischen Caramant und Anlagenimport wurden von mir bis zu meinem Ausscheiden Ende 1972 fortgeführt, dann von einem anderen Mitarbeiter übernommen und liefen langsam aus. Ich brach die persönlichen Kontakte zu Manfred und Werner Hardt sowie zu Christoph Brandt auch während meiner Tätigkeit als Generaldirektor des AHB Carl Zeiss Jena nicht ab, was nicht zuletzt im Interesse des MfS war.

Außerdem hatte zu diesem Zeitpunkt das Industriebüro Zeiss, das meiner Weisungsbefugnis als Generaldirektor unterstand, mit der Interessenvertretung von Caramant in der DDR begonnen.

Später, als Generaldirektor des AHB Elektronik, nahm ich wieder offizielle Kontakte zu Caramant auf. Im geringen Umfang kauften wir beispielsweise über eine Schwesterfirma von Caramant in der Schweiz Schaltkreise und andere elektronische Bauelemente.

Manfred Hardt trat dabei nur wenig in Erscheinung. Zwischen uns herrschte auf einmal eine völlig veränderte Atmosphäre: formal und kühl, als hätten wir beide keine gemeinsame Vergangenheit. Er unternahm keinerlei Versuche, die alten Verbindungen wieder zu beleben und hatte auch kein großes Interesse, die Zusammenarbeit auszuweiten. Für dieses Verhalten fand ich keine Erklärung.

Die geschrumpften Geschäftsbeziehungen wurden auf Mitarbeiterebene abgewickelt. Ich fühlte mich irgendwie erleichtert, für mich war eine gefährliche Gratwanderung beendet Ich konnte noch nicht wissen, daß sie noch weitergehen sollte.
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Zur Spionage erpreßt

Alles, was wir über Caramant in Erfahrung bringen konnten, was Manfred Hardt und seine Mitarbeiter trieben und äußerten, ging natürlich postwendend zur Staatssicherheit. Dort wurden die Berichte von der HA XVIII/8 gründlich ausgewertet, ebenso die gleichlautenden Auskünfte von zahlreichen anderen Verhandlungspartnern Hardts aus dem Außenhandel und der Industrie der DDR-Und wen wundert's - dabei war auch stets die Rede von fortlaufenden Bestechungsversuchen durch Manfred Hardt. Ich war also kein Einzelfall.

Wie in einem Papier der Hauptabteilung XVIII/8 festgehalten wurde, erhärteten alle diese Berichte „das Ausgangsmaterial zur Fa. Caramant. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung der Verbindungen der Firma in die DDR".

Und in Auswertung eines meiner Verhandlungsberichte wurde auch die Rolle definiert, die ich laut Drehbuch zu spielen hatte: „Mit dem IMS Saale wurde ein Eingehen auf das Angebot von Brandt festgelegt. (Motiv: materielle Interessen, große Familie, Stagnieren der beruflichen Entwicklung - Gründe: Vorzeitige Abberufung aus Kairo, Kündigung im Außenhandel) - Forderung nach persönlicher Sicherheit"

Um Manfred Hardt kümmerte man sich ganz besonders. Er wurde unter „operative Personenkontrolle" (OPK) mit der Vorgangsbezeichnung „Karat" gestellt, das heißt er wurde laufend überwacht. Um festzustellen, ob er gegen die DDR spioniert, gab man sich jedoch damit nicht zufrieden. So nahm neben der Berliner Zentrale die Bezirksverwaltung (BV) Suhl des MfS ihrerseits Caramant mit dem Operativvorgang „Kristall" unter Bearbeitung.

1988 keine strafrechtlich verwertbaren Ergebnisse oder doch ?

Aber sämtliche Recherchen und Observationen brachten keine strafrechtlich verwertbaren Ergebnisse. Die Stasi stellte 1988 ihre „operative Personenkontrolle" ein und schwenkte auf eine andere Taktik um. Das Ganze nannte sich dann „operative Nutzung" von Manfred Hardt.

Die Fußangeln dafür waren - wie schon erwähnt -längst ausgelegt. Wozu hatte man schließlich die umfangreiche Dokumentation angelegt, in der die zahlreichen Bestechungs- und Korruptionshandlungen von Manfred Hardt gegenüber mehreren DDR-Wirtschaftskadern fein säuberlich festgehalten waren, eines Tatbestandes übrigens, der laut Strafgesetzbuch der DDR kriminell war.

Am 19. April 1988 schnappte die Falle zu. Manfred Hardt wurde in das konspirativen Objekt „Kiefer" in Blankenfelde bei Berlin gebracht und dort von Offizieren der HA XVIII/8 und HA IX/3, der Untersuchungsabteilung des MfS, in die Mangel genommen. Seine Schmiergeldaffären lagen als Beweis auf dem Tisch, er hatte keine Chance zu leugnen.
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Wiedergutmachung für Mielkes „Kriegskasse"

Um einer strafrechtlichen Verfolgung entgehen zu können, legten ihm die Stasi-Offiziere nahe, zur „Wiedergutmachung" ein „Bußgeld" zu zahlen. Natürlich erklärte sich Hardt damit einverstanden. Er war keine Ausnahme, die Erpressung solcher „Wiedergutmachungsleistungen" gehörte zur standardmäßigen Ausrüstung der MfS-Trickkiste. Die Gelder flössen stets in Mielkes „Kriegskasse".

Damit war allerdings für Manfred Hardt die Sache längst nicht ausgestanden. Bei zahlreichen weiteren Treffen mit MfS-Offizieren wurde er für eine Zusammenarbeit weichgeklopft. Er wurde als IM von der HA XVIII/8 erfaßt und von einem Mitarbeiter dieser Abteilung geführt. Hardt verpflichte sich in der Folge wieder Embargowaren, wissenschaftlich-technische Informationen und Unterlagen zu liefern. In der Praxis sah das aber anders aus.
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Innerhalb des MfS gab es auch Verwirrspiele

Artur Wenzel, mein FührungsofFizier und Chef der Abteilung 8 in
der HA XVIII, informierte mich über die Kontakte der „Firma" zu Manfred Hardt, freilich ohne mich in Details einzuweihen. Er erzählte mir auch, daß es bei der „Unterredung" mit Hardt auch um die Korruptionshandlungen mir gegenüber ging.

Aber Manfred Hardt hätte sich mir gegenüber sehr loyal verhalten und sich nur positiv über mich geäußert. Ich wiederum fand, daß meine bisherige Ehrlichkeit gegenüber meinem FührungsofFizier in Sachen Caramant nun bestätigt wurde. Das war nach der Gratwanderung in der Vergangenheit für mich sehr wichtig.

Obwohl Manfred Hardt die Stasi im Nacken hatte und sich redliche Mühe gab, konnten wir von seiner Seite bis auf ein paar Bauelemente keine nennenswerten Lieferungen mehr verzeichnen.

Er bemühte sich wohl auch nicht ernsthaft um eine Leistungssteigerung. Ich vermutete damals, daß er an die Grenzen seiner Möglichkeiten gestoßen war, zumal sich inzwischen die Voraussetzungen für solche Geschäfte entscheidend verändert hatten und unsere Anforderungen an den zu beschaffenden Ausrüstungen enorm gestiegen waren.

Für mich eine merkwürdige Situation jetzt als Statist

Dennoch versuchten wir immer wieder, eine langfristige Zusammenarbeit mit Caramant aufzubauen. Die Ermunterung dazu kam von Artur Wenzel. Zugleich koordinierte er persönlich alle Aktivitäten von Manfred Hardt, wobei ich nicht genau wußte, ob er stets selbst mit ihm zusammentraf. Wenzel kündigte mir nur immer vorher an, wann Hardt wieder bei mir vorsprechen würde. Er verriet mir auch immer das Gesprächsthema und die Vorschläge, die Hardt mir in der jeweiligen Verhandlung unterbreiten wolle.

Also waren alle Fragen vorher zwischen der Stasi und Hardt abgestimmt, ich selbst hatte in den Besprechungen nur noch begrenzte Entscheidungsmöglichkeiten. Im nachhinein nicht mehr als ein lustiges Ringelspiel, allerdings ein sehr zeit- und kräfteraubendes.

Um ein solches handelte es sich auch 1988, als mir Wenzel vorschlug, eine neue Bezugslinie in Südkorea aufzubauen. Das sollte unter Vermittlung und aktiver Mitarbeit von Manfred Hardt geschehen, der angeblich über die erforderlichen Verbindungen verfügte. Gemeinsam mit Hardt und einigen ausgewählten DDR-Mikroelektronikexperten sollte ich im Januar 1989 nach Südkorea fliegen, um dort Fertigungsstätten in Augenschein zu nehmen und Kontakte für die weitere Zusammenarbeit zu knüpfen.

Da ich immer noch aus Sicherheitsgründen Reiseverbot hatte, sollte ich genau wie für Japan vom MfS eine Ausnahmegenehmigung erhalten. Aus dem Gespräch mit Wenzel konnte ich entnehmen, daß er alle Fragen bereits detailliert mit Hardt abgesprochen hatte.

Tatsächlich kam dann Hardt mit dem bereits bekannten Sachverhalt zu mir und unterbreitete ihn als seinen Vorschlag. In der Folge verhandelten wir mehrfach über dieses wichtige Projekt, wobei Hardt immer wieder neue Argumente dafür fand, daß sich alle geplanten Aktivitäten verzögerten. Ich wußte nicht genau, ob er nicht wollte oder nicht konnte. Doch mein Führungsoffizier akzeptierte meine Zweifel nicht und verordnete weiter Optimismus.
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Bis zum Herbst 1989 ...

Trotz dieses sich bereits abzeichnenden Desasters wurde Hardt beauftragt, den Besuch einer Expertengruppe der DDR bei BASF vorzubereiten und zu organisieren. Bei der Besichtigung der Fertigungsstätten für Festplattenspeicher - an der Spitze der DDR-Delegation stand übrigens Staatssekretär Nendel - nahm Hardt dann auch persönlich teil.

Das geschah zu einem Zeitpunkt, als für ein solches Importvorhaben bereits von den Speziellen Beschaffungsorganen der Stasi und BIEG die Verträge mit der Robert Placzek AG abgeschlossen waren. Man fuhr also einmal mehr doppelgleisig. Jedenfalls übergab Hardt einen internen Abschlußbericht der BASF-Konzernspitze über diesen Besuch von Nendel an die Stasi. Dort wurde er als inhaltlich nicht wertvoll eingeschätzt, bevor ihn mir Wenzel übergab, damit ich ihn an Nendel zur Auswertung weiterleiten konnte.

Wollte oder durfte Hardt nicht mehr ?

Auch die Informationen und Unterlagen aus dem Technologiebereich, die Hardt in der Folgezeit an das MfS lieferte, wurden alle unter der Kategorie „nicht besonders wertvoll" und „nicht aufschlußreich" eingestuft. Zum Teil handelte es sich nur um ausführliches Prospektmaterial oder um Artikel aus Fachzeitschriften, die allgemein zugänglich waren. Das konnte das MfS keinesfalls zufriedenstellen, aber wahrscheinlich wollten die Genossen Hardt langfristig als Agent aufbauen.

Nach der Wende wurde gegen Manfred Hardt ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts geheimdienstlicher Agententätigkeit durchgeführt. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main stellte fest, daß das Verhalten von Manfred Hardt ab April 1988 strafrechtlich relevant sei und er sich gegenüber dem MfS zu einer geheimdienstlichen Tätigkeit gegen die Bundesrepublik bereiterklärt und bis 1989 Gegenstände und Erkenntnisse für einen Nachrichtendienst der DDR geliefert habe.

Allerdings wurde durch Beschluß vom 3. September 1992 das Ermittlungsverfahren gegen eine Geldbuße von 100.000 DM eingestellt. Das Gericht sprach von einer „geringen Schuld" und ging davon aus, daß „das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung des bisher unbestraften Kaufmanns (...) durch eine Geldzahlung an die Staatskasse beseitigt werden" könnte.
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