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Gerhardt Ronnebergers Autobiographie - Deckname "SAALE" - aus 1999 - ein Generaldirektor erzählt .....

Gerhardt Ronneberger, geboren im März 1934 in Saalfeld († 2013 ?) schreibt 1999 in seiner Autobiographie (1982–1999) auf etwa 370 Seiten, wie es wirklich zuging beim MfS, der Stasi und den Betrieben in der "Deutschen Republik". Da er nie in einem richtigen Ossi-Gefängnis eingesperrt war, fehlt diese Erfahrung völlig, dafür aber die Zustände in einem West-Gefängnis und wie es dazu kam und vor allem, was danach bis zur Wende im Dez 1989 kam. Der Einstieg beginnt hier und mein Resume über das Buch endet hier.

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Uneingelöste Wechsel

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O. A. Machinery - Vorwort

Das 1973 gegründete Handelshaus O. A. Machinery mit Sitz in Tokyo war neben Toshiba unser wichtigster Partner in Japan. Die Firma war eine Aktiengesellschaft. Hauptaktionär und Präsident war Hirokuni Matsuda, der Sohn eines einflußreichen Geschäftsmannes mit umfangreichen Beziehungen zu japanischen Wirtschaftskreisen und Politikern.

Darauf bauten auch fast sämtliche Geschäftsbeziehungen von O. A. Machinery Corporation. Die Aktiengesellschaft selbst hatte 26 Aktionäre, darunter die Mitsubishi Bank, wobei Matsuda die Aktienmehrheit besaß.

Seit Jahren verfügte Matsudas Unternehmen über gute Verbindungen in die DDR. So bestand ein recht enges Verhältnis zum Institut von Professor Dr. Manfred von Ardenne in Dresden. Zwischen Matsuda und Helmut Schindler, dem Generaldirektor von Transinter, dem Verband der DDR-Vertreterorganisationen, gab es ebensolche fruchtbaren Beziehungen wie zu Roland Winkler, dem Generaldirektor des Außenhandelsbetriebs Elektrotechnik.

Von letzterem wurden u. a. Plasmaschweißanlagen an Matsuda verkauft. Und nicht zuletzt nutzten die DDR-Botschaft in Japan und besonders unser Handelsrat Herrn Matsuda als Informationsquelle und Kontaktvermittler zu japanischen Wirtschaftskreisen und Politikern, wobei sein Vater als Zwischenglied fungierte.
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Matsuda - ein schwieriger Partner

Matsuda war allerdings ein schwieriger Partner: impulsiv, rechthaberisch und oft unbeherrscht. Er liebte das süße Leben und weniger die Arbeit. Er war mehr in seinen Clubs anzutreffen als im Büro. Wegen seiner Körperfülle bekam er von uns den Codenamen „der Dicke" verpaßt.

Matsudas ausschweifender Lebensstil kostete freilich Geld, viel Geld, das mit normalen Geschäften eines Vertreters nicht zu verdienen war, wohl aber mit dem Embargohandel. Für diese Unternehmungen waren die Connections und der Einfluß des Vaters, der sich jedoch nicht mit diesen Geschäften seines Sohnes identifizierte, eine sehr gute Voraussetzung. Sie öffneten ihm die Türen in den Chefetagen.

Jahrelang galt Matsuda für uns als zuverlässiger Erfüllungsgehilfe. Was wir auch benötigten — Matsuda fand fast immer den erforderlichen Zugriff. Beispielsweise auf die Ausrüstungen von Canon, die weltweit bei Chipproduzenten unentbehrlich waren. Vom gleichen Unternehmen versorgte uns Matsuda problemlos mit mehreren Justier- und Belichtungseinrichtungen, auch Stepper genannt.

Allein 1988 hatten wir acht Stück im Wert von über 35 Mio. DM unter Vertrag, die für die neue Chipfabrik in Erfurt vorgesehen waren. Zu den Lieferungen von Matsuda gehörten auch Laser-Repair-Stationen und moderne Testsysteme der Type Asia 720, an deren Beschaffung die speziellen Beschaffungsorgane des MfS gescheitert waren.

Oder als 1987 das Mikroelektronik-Forschungszentrum von Zeiss in Dresden dringend ein Chip-Check-System benötigte - im Wert von über 11 Mio. DM - nur O. A. Machinery konnte helfen.
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Matsuda lieferte meist auf Umwegen

..... so über die Firma Seong Ju Machinery in Südkorea oder über China (Schanghai). Das war für uns weniger ein Problem als vielmehr die Tatsache, daß wir aufgrund des hohen Auftragsvolumens teilweise Anzahlungen leisten mußten, da Matsuda bei diesen Summen in Finanzierungsschwierigkeiten kam.

Unsere Anzahlungen waren durch persönliche Wechsel von Matsuda abgesichert, aber dafür hätten wir uns im Notfall nichts kaufen können. Sie besaßen mehr einen moralischen Wert.

Zwar war die Zusammenarbeit mit Matsuda immer etwas schwierig und problembehaftet, doch erfüllte er bis Ende 1987 alle eingegangenen Lieferverpflichtungen.

Das Risiko steigt und dunkle Wolken ziehen auf

Mitte 1988, das Unternehmen hatte sich inzwischen in Prometron Technics Corporation umbenannt, traten erste Schwierigkeiten auf. Vertraglich vereinbarte Termine konnten von Matsuda nicht eingehalten werden, wodurch wichtige Vorhaben in der DDR gefährdet wurden. Es ging um ein Gesamtvolumen von rund 60 Mio. DM, und wir hatten immerhin schon 13,5 Mio. angezahlt. Sofort schrillten bei uns die Alarmglocken.

Ich informierte Schalck über das außerordentlich hohe finanzielle Risiko, welches wie ein Damoklesschwert über uns schwebte. Und dessen Faden schien jeden Augenblick zu reißen angesichts der zunehmenden Unzuverlässigkeit Matsudas und seiner nicht eingehaltenen Lieferterminzusagen.

Da Schalck auf der bevorstehenden Leipziger Herbstmesse sowieso mit Matsuda zusammentreffen wollte, bat ich ihn um persönliche Unterstützung. Er sollte gegenüber den Japanern seinen Unwillen zum Ausdruck bringen und auf der Einhaltung der zugesagten Liefertermin bestehen.

Gewiß, wir stellten zu diesem Zeitpunkt die weitere Zusammenarbeit mit Matsuda noch nicht grundsätzlich in Frage, denn solch ein Lieferant war in Kürze nicht ersetzbar. Jedoch drohten wir vorsichtig mit dem pädagogischen Zeigefinger und übertrugen Matsuda vorerst keine neuen Aufträge. Wir wollten abwarten, bis die Firma ihre Zuverlässigkeit erneut unter Beweis gestellt hat. Es half wenig.

Geschäftsbeziehungen im Stottergang

Die Verträge wurden zwar weiter realisiert, aber nur schleppend und mit ständigen Terminverzögerungen. Anfang Mai 1989 befand ich mich mit Experten von Robotron in Japan zu Sondierungsgesprächen.

Wir verhandelten mit EPSON über den Bau einer modernen Druckerfabrik im Sömmerdaer Betrieb des Kombinats. Logisch, daß ich den Aufenthalt nutzte, um mit Matsuda zu sprechen und ihm die beschleunigte Erfüllung der noch offenen Verträge ans Herz legte.

Ich konnte nicht wissen, daß es wahrscheinlich ein glücklicher Umstand war, als Beratungsort nicht das Prometron-Büro, sondern den Privat-Club Spa im Hotel New Otani zu nutzen, in dem Tokyos Spitzenmanager relaxten und auch Matsuda Mitglied war.
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Ich hatte wieder mal Glück gehabt

Denn kurze Zeit nach meiner Rückkehr wurden wir von einer Blitzinformation der DDR-Botschaft in Tokio überrascht: Prometron war mit seinen Embargogeschäften aufgeflogen, und ab dem 8. Mai liefen offizielle Untersuchungen durch die japanischen Behörden wegen Verstoßes gegen die Embargobestimmungen.

Die bisherigen Ermittlungen hatten ergeben, daß Hafnium-Metall sowie ein Gerät zum Mitschneiden von Telefongesprächen in die DDR geliefert worden wären. Weiterhin würde es sich dabei um Transaktionen zwischen Matsuda mit dem DDR-Außenhandelsbetrieb Elektrotechnik handeln.

Toll - erst jetzt erfuhren wir, daß auch der AHB Elektrotechnik über sein Büro in Tokio mit Matsuda Embargogeschäfte abwickelte. Es ging um hochreine Metalle, die Matsuda und seine Mitarbeiter in die DDR geschmuggelt hatten.

Alle anderen Darstellungen - wie die des einstigen Pressesprechers des DDR-Generalstaatsanwatt Peter Przybylski - entsprechen leider nicht den Tatsachen.

Peter Przybylski: Tatort Politbüro, Band 2, Berlin 1992, S. 270 ff.

Es sind höchstens schön erzählte Legenden, die aber dadurch nicht an Wahrheitsgehalt gewinnen. Deshalb mußte auch Beil als verantwortlicher Minister für Außenhandel und nicht Schalck die Parteiführung informieren.
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Wir waren unverdächtig - jedenfalls noch

Unabhängig davon berichteten selbstverständlich auch wir über unsere Geschäfte, wozu Schalck die entsprechenden Fallmeldungen abgab. Noch standen zwar unsere Verbindungen mit Matsuda nicht im Blickpunkt der Untersuchungen in Japan, doch unsere vorbeugenden Maßnahmen sollten sich schnell als nützlich erweisen.

Indessen ging in Tokio alles Schlag auf Schlag. Der Leiter des Technisch-Kommerziellen-Büros des Außenhandelsbetriebs Elektrotechnik, der keinen diplomatischen Status hatte, konnte sich durch sofortige Ausreise in ein asiatisches Drittland einer möglichen Verhaftung entziehen.

Er hatte bereits eine Vorladung zur Vernehmung erhalten. Vermutlich befand auch ich mich in ähnlicher Gefahr, wurde doch die Firma Prometron schon längere Zeit duch die japanischen Sicherheitsorgane überwacht Doch zum Glück verhandelte ich ja - wie schon beschrieben - mit Matsuda nicht in dessen Firmenbüro.

Anders dagegen das Tokyoer Büro von Elektronik Export/Import - es wurde von den japanischen Behörden nicht verdächtigt. Tatsächlich waren diese Mitarbeiter von uns niemals in Embargogeschäfte eingeweiht oder gar einbezogen worden. Sie waren nur für die Exporte zuständig, die im bescheidenen Umfang und mit wenig Erfolg von Elektronik Export/Import mit O. A. Machinery bzw. Prometron abgewickelt wurden.

Ein großer Medienrummel setzte in Japan ein

Mit der folgenden Verhaftung von Matsuda ging in allen englischsprachigen und japanischen Zeitungen, im Fernsehen und im Rundfunk ein großer Medienrummel in Japan los.

So kommentierte der Fernsehsender NHK am 6. Juli 1989:
„Im Zusammenhang mit der Verletzung des CoCOM-Gesetzes wurde heute nachmittag der Präsident der Firma Prometron Technics, Herr Hrokuni Matsuda, von der Polizei verhaftet. H. Matsuda wird verdächtigt, Hafnium, welches einem COCOM-Exportverbot in kommunistische Länder unterliegt, von den USA importiert und 1987 zweimal in einer Gesamtmenge von 10 kg für 4,3 Mio. Yen nach Ostdeutschland exportiert zu haben. Dieser Preis war doppelt so hoch wie der Importpreis. Hafnium wird als Steuerstab in Atomreaktoren verwendet. Es wird auch für militärische Zwecke eingesetzt, wie zum Beispiel in Atom-U-Booten. Deshalb ist der Export von Hafnium in kommunistische Länder beschränkt

Die japanische Polizei hat seit Mai dieses Jahres Hausdurchsuchungen und Vernehmungen beteiligter Personen durchgeführt. Im Ergebnis dessen kann festgestellt werden, daß Matsuda die Angestellten von Prometron Technics angewiesen hat, bei ihren Reisen nach Ostdeutschland Hafnium in ihren Koffern nach Ostdeutschland zu bringen. In diesen Export war die ganze Firma einbezogen. Es ist nicht auf eine Einzelperson zu reduzieren. Unter diesen Verdachtsmomenten wurde Herr Matsuda heute wegen Verstoßes gegen das Devisengesetz und das Steuergesetz verhaftet.

Prometron Technics hat im Mai 1980 in Ostberlin ein Büro eröffnet. Seitdem wurden in 12 Fällen insgesamt etwa 58 kg Hamium, das entspricht etwa 22 Mio. Yen, illegal exportiert. Ein Teil dieser Exporte ist jedoch bereits verjährt ..."

Frage: Entspricht es den Tatsachen, daß Sie Hafnium nach Ostdeutschland exportiert haben?
Antwort: Naja, wir haben eine technische Lizenz von der DDR gekauft und forschen gemeinsam an der Entwicklung von Elektroden. Hafnium könnte als ein Material für die Forschungsarbeit exportiert worden sein.
Frage: Obwohl Sie wissen, daß es gegen das CoCOM-Gesetz verstößt?
Antwort: Ich kann nicht sagen, daß ich davon wußte. Ich kann lediglich sagen, daß ich mir nicht so viel Gedanken darüber machte.

Die japanische Polizei verdachtigt Prometron Technics außerdem, daß die Firma neben Hafnium auch Maschinen zur Herstellung von Halbleitern über Korea oder Hong Kong illegal nach Ostdeutschland exportiert hat."
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Auch unsere umfangreichen Geschäfte wurden aufgedeckt

Es dauerte gar nicht lange, bis mit den fortschreitenden Untersuchungen sowohl unsere umfangreichen Geschäfte mit Produktionsausrüstungen als auch die Abwicklungswege aufgedeckt wurden. Das japanische Sicherheitsamt ging weiter von einem „mengenmäßig großen Export von Radargeräten, Werkzeugmaschinen etc. über die firmeneigene Filiale in Singapur bzw. eine Scheinfirma in Hong Kong" aus.

Die Strohfirma von Prometron in Südkorea wurde nicht nur enttarnt, sondern aufgrund des Rechtshilfeabkommens zwischen Japan und Südkorea geschlossen, ihr Aufsichtsratsvorsitzender wurde in Südkorea verhaftet.

Ab August 1989 wurde die Prometron-Affäre in den japanischen Medien ein zweites Mal aufgekocht. Nur daß sich diesmal zahlreiche Veröffentlichungen mit der tatsächlichen und angeblichen Spionagetätigkeit der DDR beschäftigten.

Sogar meine Person geriet ins Scheinwerferlicht der japanischen Öffentlichkeit, auch wenn ich nicht immer namentlich genannt wurde. So schrieb Sankei Shimbum am 2. August in einer Mixtur aus Spekulationen, Vermutungen und Erkenntnissen:

„Im Falle der CoCom-Verletzungen durch die Firma Prometron hat sich in der Abteilung für öffentliche Sicherheit der Polizeibehörde bis zum 2.8.1989 der Verdacht verstärkt, daß eine Reihe von in Tokio stationierten Mitarbeitern von Außenhandelsbetrieben Ostdeutschlands, die zum Geheimdienst Ostdeutschlands gehören, an den ungesetzlichen Exporten von Hochtechnologieprodukten durch den Firmenchef Matsuda beteiligt sind.

Es sind Deutsche, die zum ostdeutschen Geheimdienst (Ministerium für Staatssicherheit) gehören. Danach sagte Matsuda aus, daß in Tokio stationierte Mitarbeiter von Außenhandelsfirmen einen ungesetzlichen Handel mit großen Mengen von CoCOM-Waren zu hohen Preisen aufgrund deren Einstufung als gefährliche Waren führten.

In der Abteilung für öffentliche Sicherheit ist bereits bekannt, daß ein führender Mitarbeiter einer Außenhandelsfirma Ostdeutschlands als Spezialist für Hochtechnologiefragen Mitarbeiter des MfS-Geheimdienstes ist. Diese Person wurde durch den sowjetischen Spionagedienst KGB ausgebildet und wurde vor einigen Jahren durch die westdeutsche Regierung wegen des Verdachts der Spionage des Landes verwiesen. Die gleiche Person kam für geheime Gespräche mit Matsuda dreimal nach Japan."
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Matsuda wurde von einem leitenden Mitarbeiter verraten

Bemerkenswert war, daß Matsuda nicht durch japanische Sicherheitsdienste oder Behörden aufgeklärt wurde. Vielmehr hatte ihn ein abtrünniger leitender Mitarbeitern verraten. Kein Wunder, pflegte er doch gegenüber seinen Untergebenen stets ein sehr unpersönliches Verhältnis.

Matsuda war ihnen gegenüber unberechenbar, unbeherrscht und ungerecht. Ein wirkliches Vertrauensverhältnis, das für solche diffizilen Geschäfte erforderlich ist, existierte zwischen ihm und seinen Mitarbeitern überhaupt nicht. Das von ihnen eingegangene hohe persönliche Risiko verstand er niemals zu würdigen, geschweige denn finanziell zu belohnen.

So wurde er mit der anonymen Anzeige das Opfer seines eigenen Verhaltens. Der Denunziant nannte ihn bei den Behörden einen Top-Verbrecher. Matsuda half kein Leugnen, alle Beweise lagen auf dem Tisch. Er packte vollständig aus.

Der Prozeß gegen Matsuda fend im Oktober 1989 statt. Er wurde zu einer Gefängnisstrafe auf Bewährung und zu einer geringen Geldstrafe verurteilt. Mitarbeiter seiner Firma wurden gerichtlich nicht zur Verantwortung gezogen.
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Beide Japaner sprachen Deutsch ...... und wie es zuende ging

Prometron wurde auch nicht aufgelöst, sondern arbeitete als Aktiengesellschaft mit etwa 20 Mitarbeitern weiter. Das gleiche betraf das Berliner Büro der Firma, dem seit Jahren Toshiaki Sasaki als Leiter vorstand. Sasaki, der wie Matsuda deutsch sprach, war übrigens unser Vertrauensmann, über den wir alle firmeninternen Informationen erhielten.

Nachdem Sasaki aus Tokio zurückgekehrt war, wo er auch verhört wurde, überbrachte er uns Anfang November 1989 schlimme Neuigkeiten: Mit einer Realisierung der zu diesem Zeitpunkt noch ausstehenden Lieferungen könne nicht mehr gerechnet werden, und außerdem sei es unwahrscheinlich, daß unsere bereits geleistete Anzahlungen in Höhe von 5,9 Mio. DM zurückgezahlt werde.

Das Geld sei zwar von den Lieferanten an die Mitsubishi Bank zurückgeflossen und wäre auch nicht von den staatlichen Stellen Japans konfisziert, aber die Mitsubishi Bank würde es anstelle der Matsuda gewährten Kredite einbehalten.

Bei so vielen schlechten Nachrichten mußten wir erst einmal nach Atemluft schnappen. Unmöglich konnte solch ein Betrag von Matsuda innerhalb seiner Firma aufgebraucht worden sein! Doch Sasaki schilderte uns äußerst anschaulich, wie Matsuda Millionenbeträge verpulvert hatte, um sein kostspieliges Privatleben zu finanzieren. Da war es für uns nur ein schwacher Trost, daß dies auch gegenüber den anderen Aktionären in Japan eine zivilrechtliche Fehlhandlung darstellte.

Dennoch versuchten wir alles erdenkliche, um wieder an unser Geld zu kommen. Die Firma Prometron verfügte zwar nicht mehr über ausreichende finanzielle Mittel, um von dort eine Rückzahlung erwarten zu können. Doch schätzte Sasaki ein, daß das Privatvermögen von Matsuda mindestens ausreichen müßte, um die fälligen Schulden an uns zurückzuzahlen.

Und wir hatten ja noch die persönliche Wechsel von Matsuda in der Hand. Gleichwohl brachten sie uns gar nichts. Unter Nutzung der persönlichen Verbindungen meines Stellvertreters Kupfer hatten wir im Februar 1990 sogar die Bayerische Vereinsbank zum Geldeintreiben eingeschaltet.

Doch das stattliche Inkassohonorar von 20 Prozent, das wir den Bankern bei Erfolg zugesichert hatten, konnte bzw. brauchte nicht ausgezahlt werden. Außerdem trudelte die DDR damals schon ihrem endgültigen Zusammenbruch entgegen.

Unterm Strich stand also wenig: Lieferungen erfolgten von Prometron nicht mehr. Trotz Intervention der DDR-Botschaft in Tokio äußerte sich Matsuda zu seinen finanziellen Verpflichtungen uns gegenüber überhaupt nicht mehr.

Sein Vater war natürlich nicht bereit, die früher mündlich ausgesprochene Bürgschaft für seinen Sohn einzulösen. Für uns blieb nicht nur ein hoher finanzieller Verlust, sondern eine bittere Niederlage.
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Wiener Charme

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Österreich als Drehscheibe des Embargohandels

Der Eiserne Vorhang in Europa hatte ein paar Tore. Eines der wichtigsten war Österreich, vor allem seine Hauptstadt Wien. Während des Kalten Krieges begegneten sich hier Diplomaten zum vertraulichen Ost-West-Dialog, hier tummelten sich die Geheimdienste beider Seiten, hier residierten Waffenschieber.

Und natürlich war das Transitland Österreich sowohl Treffpunkt als auch Residenz zahlreicher ausländischer Embargohändler. Nicht nur letztere genossen die Vorzüge des Landes: die geographische Lage, seine Neutralität, d. h. die Nichtzugehörigkeit zu NATO und CoCOM, sowie das lasche Sicherheitssystem mit seinen großzügigen Zollorganen. Und nicht zu vergessen die österreichischen Firmen, die sich vom Kuchen ein dickes Stück mit Rosinen abschneiden wollten.

Westeuropäische Konzerne und ihre Ostgeschäfte

Dutzende westeuropäische Konzerne und namhafte Unternehmen nutzten ihre Filialen in Österreich, um hier Ostgeschäfte abzuwickeln. Die US-Geheimdienste wollen herausgefunden haben, daß insgesamt mehr als 100 Firmen von oder über Österreich Embargogeschäfte tätigten. Sie konnten weitgehend ungestört arbeiten.

Denn der lukrative illegale Handel war den österreichischen Behörden meist irgendwie bekannt, doch man sah großzügig darüber hinweg, duldete stillschweigend und unternahm ganz selten etwas dagegen.

Nur wenn mit öffentlicher Begleitmusik handhabbare Beweise über konkrete Einzelaktivitäten auf den Tisch gepackt wurden, begannen die österreichischen Behörden zu agieren. Und das geschah dann auch meist charmant und larmoyant, um nicht zu sagen nachlässig und oberflächlich. So verliefen die Untersuchungen schnell wieder im Sande. Konsequenzen blieben aus, die Geschäfte konnten weitergehen.

Wie immer, wurde lautstark protestiert

Die CoCOM-Staaten, allen voran die USA, protestierten stets lautstark gegen die Gepflogenheiten im Wiener Embargo-Eldorado, aber ohne Erfolg. Da die Österreicher untätig blieben, mußten die CoCOM-Staaten selbst aktiv werden.

In ihren Botschaften in Wien wurden die Geheimdienstresidenzen aufgestockt, gemeinsam mit Beamten des US-Außenministeriums durchforsteten Zollfahnder, CIA-Spezialisten und Agenten des Pentagon-Nachrichtendienstes den Embargodschungel, auf dem Wiener Flughafen und in wichtigen österreichischen Speditionen wurden Spitzel eingeschleust, die den Amerikanern Hinweise liefern sollten.

Wir wußten natürlich davon und berücksichtigten es als feste Größe bei der Planung unserer Außenhandelsgeschäfte.
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Einer der Hauptlieferanten - der Moneten-Müller

Bereits seit Mitte der sechziger Jahre hatte das Direktorat Anlagenimport - und später selbstverständlich auch unser Handelsbereich 4 - Verbindungen zu Embargolieferanten, die in Wien ansässig waren bzw. zu ausländischen Unternehmen, die ihren Firmensitz nach Österreich verlagert hatten.

So arbeitete Anlagenimport mit den Firmen von Dietmar Ulrichshofer zusammen, einem Partner des international bekannten Münchner Kaufmanns Werner Jürgen Bruchhausen.

Dieser war mit seinen Firmen neben dem Kaufmann Richard Müller aus Jesteburg im Hamburger Elbevorland, dem sogenannten Moneten-Müller, einer der Hauptlieferanten von amerikanischer Elektronik und Computertechnik für die UdSSR.

Ulrichshofer wurde als Partner von Bruchhausen in der Öffentlichkeit bekannt, als beim Eintreffen einer Embargolieferung aus dem USA auf dem Flughafen Wien-Schwechat in den Kisten nicht die erwarteten Spezialöfen, für die die Sowjetunion 1,5 Mio. DM zahlen wollte, enthalten waren, sondern reiner Sand. Ulrichshofer blieb die Spucke weg.

Die Amerikaner waren rechtzeitig hinter das Geschäft gekommen und hatten von ihren Spezialagenten rechtzeitig die in mehreren Kisten verpackten Geräte mit einem Gesamtgewicht von fünf Tonnen gegen Sand ausgetauscht und die Lieferung von den USA bis nach Wien genau verfolgt. Bruchhausen wurde spater verhaftet, in die USA ausgeliefert und verurteilt.
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Andere aus diesem Kreis machten weiter

Ulrichshofer konnte dem Schicksal entgehen und im kleinen Rahmen auch danach seine Geschäfte weiterführen.

Daran war unser Handelsbereich 4 allerdings nicht beteiligt, da eine Zusammenarbeit mit dem einstigen Partner von Bruchhausen zu viele Risiken in sich barg. Geschäfte mit jemandem zu tätigen, der gleichzeitig die UdSSR oder andere sozialistische Länder belieferte, waren uns zu heikel.

Verwicklungen mit den sowjetischen Partnern und vor allem mit den sowjetischen Geheimdiensten wollten wir vermeiden. Die Genossen Einkäufer von den Speziellen Beschaffungsorganen der Staatssicherheit sahen das freilich nicht so eng.

Sie arbeiteten noch im begrenzten Umfang mit Ulrichshofers BfB Betriebs- und Finanzierungs GmbH Wien zusammen und unterstützten auch tatkräftig „Moneten-Müller" in seiner Zusammenarbeit mit der UdSSR.

Quellen: Friedrich Wilhelm Schorlemmer: Operationsgebiet Bundesrepublik, München 1986, S. 255 f. - Jay Tuck: Die Computerspione, München 1984, S. 42 ff.
24 Schorlemmer: ebenda, S. 256 f. -Tuck: ebenda, S. «4 ff.
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Wir brauchten Meßtechnik, Computer, Software und Peripherie

Unser Interesse an der Kooperation mit österreichischen Firmen hing vor allem davon ab, ob wir über sie Meßtechnik, leistungsfähige Computer, Software und periphere Geräte beziehen konnten.

Als Hersteller dieser Erzeugnisse kamen vor allem Hewlett & Packard (HP), Textronix, Digital Equipment Corporation (DEC) und Convex in Frage, also die führenden US-Firmen auf diesen Gebieten.

Und in der Tat gelang es uns, über zwei leistungsfähige Lieferanten in Wien den größten Teil unseres Bedarfs problemlos zu decken.
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Kleinere österreichische Partner für Embargowaren

Ging es um andere Embargowaren oder Produktionsausrüstungen, orientierten wir uns an kleineren österreichischen Partnern. Zu diesen zählten Premaberg Industrieanlagen, Schlumberger Technologies, Aristo Instrumente Dennert KG - Filiale Wien, Packmatik Handelsgesellschaft, Exportcontact und Radio Zemanek.

Einer unserer wichtigsten Lieferanten in Österreich stammte aus dem Umfeld von Ulrichshofer aus der Zeit seiner Zusammenarbeit mit Bruchhausen. Günther Gath, der Direktor meines Kontors 40, verantwortlich für Computer- und Meßtechnik, hatte bereits während seiner Arbeit im Direktionsbereich Anlagenimport die von Leopold Hrobsky gebildete Firma Sepoco AG zu einem sehr leistungsfähigen Embargolieferanten aufgebaut.
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Die Firma Sepoco AG von Leopold Hrobsky

Hrobsky war gleichzeitig Geschäftsführer der Schweizer Unternehmens IPAVAG, seine Ehefrau betrieb in Wien die Handelsagentur Ursula Hrobsky. Leo, wie wir ihn kurz nannten, besaß ausgezeichnete Verbindungen zu den Filialen von DEC, Textronix und HP in Wien.

Hinzu kamen gute Beziehungen zum Wiener Zoll, von dem er auch schon mal dezente Hinweise bekam, wann Kontrollen oder Razzien zu befürchten waren. Leo war immer informiert und konnte rechtzeitig reagieren. Leo arbeitete auch mit anderen sozialistischen Ländern zusammen, und wir vermuteten, daß er direkte Kontakte zum MfS und zum Komitee für Staatssicherheit der UdSSR (KfS) unterhielt.
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Von Österreich über die CSSR direkt in die DDR

Die Ware, in erster Linie hochleistungsfähige Rechnersysteme VAX unterschiedlichster Konfigurationen, lieferte Leo meist mit seinen Fahrzeugen selbst an. Sein Weg führte ihn von Österreich über die CSSR direkt in die DDR. Beim Grenzübergang in Zinnwald hatten wir für ihn natürlich eine „Zollfreimachung" organisiert.

In den letzten Jahren hatte Leo in Ungarn ein Zollfreilager eingerichtet. Von dort konnte nunmehr auch über Speditionen ausgefahren werden, da der rapide gestiegene Lieferumfang nicht mehr nur mit eigen Fahrzeugen zu bewältigen war.

Besonders erfolgreich war Leo bei der Beschaffung von Software, mit der seit Einführung der CAD/CAM-Technik in der DDR die Computerlieferungen erst wirtschaftlich nutzbar wurden.

Was Leo außerdem vor anderen Lieferanten auszeichnete, war die Tatsache, daß wir über ihn auch Schulungen, Kundendienste und Reparaturleistungen absichern konnten. Das alles machte Leo für uns so wertvoll, der bis zur Wende erfolgreich mit uns zusammenarbeitete.

1987 - Glanzstückwar der erste Großrechner Convex

Unser zweiter wichtiger Lieferant war Suny, die Firma eines in Österreich lebenden Jugoslawen. Er hatte die günstige Gelegenheit beim Schopfe gepackt, daß Jugoslawien von den CoCOM-Behörden und vor allem von den USA immer freizügiger behandelt wurde als die anderen sozialistischen Länder.

Die über ihn beschaffte Ware hatte in der Regel den Bestimmungsort Jugoslawien und ging auf dem Schiffsweg zum jugoslawischen Hafen und von dort risikolos per Landtransport im Transit über andere sozialistische Länder in die DDR.

Ein Glanzstück (oder war es ein Gaunerstück) in der Zusammenarbeit mit Suny war der erste Großrechner Convex, den wir über diese Linie abwickelten. Eine hochleistungsfähige Konfiguration, die weit über der Leistungsfähikeit der VAX-Typen von DEC lag, etwa 5,7 Mio. US-Dollar kostete, und die wir im Januar 1988 im Zentralinstitut für Kybernetik und Informationsprozesse der Akademie der Wissenschaften installierten.

Gerhard Beil, der DDR-Außenhandelsminister, war nicht erfolgeich

In unserer jahrelangen Arbeit auf dem österreichischen Markt ist es trotz der liberalen Haltung der österreichischen Behörden leider nicht gelungen, staatliche Unternehmen oder Konzerne für Embargo-Geschäfte zu gewinnen.

Sogar ein Versuch von Gerhard Beil, des DDR-Außenhandelsministers, die VOEST-Alpine AG zur Lieferung von Computertechnik und anderen Embargowaren für die DDR Elektronik zu begeistern, schlug fehl.

Beil besaß nicht nur beste persönliche Kontakte zur Konzernspitze, sondern dem Unternehmen wurde immerhin der Kauf von zwei kompletten Leiterplattenfabriken im Wert von mehreren Hundert Millionen DM in Aussicht gestellt.

Auf Einladung von Beil reiste zwar eine hochrangige Verhandlungsdelegation unter Leitung der beiden Vorstandsmitglieder Othmar Pühringer und Peter Strahammer mit Elektronik-Experten nach Berlin, aber die unter meiner Leitung geführten Gespräche ergaben sehr schnell, daß die Österreicher ausschließlich am Bau von zwei schlüsselfertigen Leiterplattenfabriken in Dresden und Berlin interessiert waren.

VOEST wollte Generalauftragnehmer werden, Technologie und die Produktionsausrüstungen sollten aus Japan kommen. Also war ich mehr als überrascht, als mein Toshiba-Partner Sento als Delegationsmitglied von VOEST in der Verhandlung auftauchte. Verständlich, daß wir auf VOEST als Vermittler verzichteten und Direktverhandlungen mit Toshiba aufnahmen.

Letztlich kauften wir auch nicht bei Toshiba, weil die Japaner zwar die modernste Technologie der Welt mit dem höchsten Automatisierungsgrad anboten, aber zu einem Preis, der nicht akzeptabel war.
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Auch Firmen aus dem Westen rochen die Moneten

Den Auftrag im Wert von rund 350 Mio. DM für beide schlüsselfertigen Fabriken vergaben wir an die Firma Intrac in Lugano/Schweiz als Generalauftragnehmer, Technologie und Produktionsausrüstungen, die nicht dem Embargo unterlagen, lieferte Hans Kolbe & Co - Fuba - aus Bad Salzdetfurt in der Bundesrepublik.
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