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Der erste Artikel über POP-Musiker (aus 1977)

Eigentlich wollte ich im Hifi-Museum so gut wie nichts über Künstler schreiben, weil alles von und über Künstler, Stars, Sternchen, Pop-Ikonen eine ganz besonders spezielle Geschmackssache ist. In dem Artikel über EL&P steht aber so viel über deren Bühnen- und Beschallungs- und Ton-Technik drinnen, daß ich das hier mal aufzeigen wollte, mit welchem Aufwand ein super toller Open-Air Sound "gemacht" wurde.

KlangBild 1977/10 - Emerson, Lake & Palmer

Über die Musiker und die Technik der Gruppe Emerson, Lake & Palmer um 1977 herum. Über deren Musik bzw. deren Kreationen kann man sehr geteilter Meinung sein, das Album "Pictures of an exibition" genießt auch bei den Feinden Kultstatus.

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On The Road Again! (aus 1977)
Das größte Rockspektakel in der Geschichte.

Da war sie nun, die neue LP von Emerson, Lake & Palmer. Ein Doppel-Album voller Überraschungen. Für jeden eine ganze Seite.

  • Seite 1: Keith Emerson mit seinem Piano Concerto Nr. 1, unterstützt vom London Symphony Orchestra;
  • Seite 2: Greg Lake mit feinfühligen, romantischen Balladen;
  • Seite 3: Carl Palmer im Schlagzeug-Himmel mit konzertantem Donnergrollen; und
  • Seite 4: die Vereinigung der drei Musik-Heroen in gewohnter Weise.


Ein Mammut-Album einer Super-Group.

Nach fast 3 JahrenPause

Dessen jedoch nichtgenug. Emerson, Lake & Palmer „On The Road Again". Nach fast dreijährigem Bühnen-Fasten trifft ihr Motto wieder zu: „Welcome Back My Friends To The Show That Never Ends." Nun gut! Aber Shows hatten wir letztlich zur Genüge. Selbst die größten Musik-Fans leiden doch momentan an einem gewissen Überangebot. Von der Frustration angekündigter und wieder abgesagter Konzerte mal ganz zu schweigen. Also müßte schon etwas geboten werden, das sich eindeutig von den üblichen Konzerten abhebt. Und was hebt sich ab? Emerson, Lake & Palmer!

Sagt man doch, daß die momentane USA-Tournee von EL&P (1976 und 1977) das größte Ereignis in der Geschichte der Rock-Musik sei.
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3 x 70.000 Fans im Madison Square Garden

Es sind nicht nur die über 50 Konzerte allein im Land der unbegrenzten Möglichkeiten (allein der Madison Square Garden wurde dreimal hintereinander ausverkauft: insgesamt ca. 70 000 Zuhörer), die diese Tournee zum SuperSpektakel machen, sondern der ungewöhnliche Personalaufwand, die unge-
wöhnliche technische Ausrüstung und die ungewöhnlich hohen finanziellen Anforderungen.

Neue Maßstäbe setzen - ganz schön ambitioniert

Als Emerson, Lake & Palmer sich entschlossen, wieder auf die Bühne zurückzukehren, geschah dies nur unter dem Gesichtspunkt, neue Maßstäbe zu setzen. Sie wollten Geschichte machen. Neues vollbringen. Und so touren die drei Elektronik-Derwische mit 59 zusätzlichen Musikern (aufgrund von Anzeigen meldeten sich 5000 Musiker. EL&P suchten eigenhändig die Besten aus!) und einem Sechs-Mann-Chor.

Die gesamte Mannschaft zählt so um die 120 Personen. Unter ihnen Techniker (19), Roadies (6), Produktionsmanager (4), persönliche Assistenten (2), Verwaltungsfachleute (5), bis hin zu Bus-und Lkw-Fahrern und Flugzeugpersonal.
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Das Ziel : Musik und Licht in Einklang zu bringen

Während der einjährigen Vorbereitungszeit hatte man nur ein Ziel im Auge: so erfolgreich wie möglich den Sound der Band mit einem Orchester zu verschmelzen und gleichzeitig ein kommunikativ-visuelles Bild dieses Vorhabens zu gestalten.

Es scheint gelungen! Denn im Gegensatz zu den sattsam bekannten Rock-Shows ähnelt die EL&P-Show schon eher einer Theateraufführung oder anderen, sogenannten „ernsten" Versuchen, Musik und Licht in Einklang zu bringen.
Und um diese theaterprofessionelle Darbietung auch gewährleisten zu können, wurde eine Crew aus Theater-Fachpersonal zusammengesetzt.

Um nun eine Vorstellung von diesem außergewöhnlichen Musik-Epos zu geben, nachstehend eine Übersicht, die allerdings nur das Wesentliche abhandeln kann.
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Die nachfolgenden Absätze :

Diese Auflistung gliedert sich in fünf Abschnitte: Bühne - Sound - Licht - Instrumente - Transport.

(1) Die BÜHNE - beinahe leer

Das Schlüsselkonzept bei der Inszenierung der EL&P-Show lautet: spartanische Dekoration. Der Zuhörer und -schauer soll sich auf das Wesentliche, die Musik, konzentrieren können.

Und so sieht man die drei Musiker auf einer mehr oder weniger leeren Bühne. Keine himmelhohen Lautsprechertürme, keine Verstärker, keine Beleuchtungsapparaturen. So viel wie möglich wurde versenkbar gemacht. Selbst die Hexer am Mischpult sind verschwunden.

18 x 13 Meter - beeindruckender Gigantismus

Die Bühne wurde nach Maß gefertigt und hat eine Abmessung von 18 x 13 Metern.
Sie teilt sich in sechs Sektionen ein. Die vordere Hälfte (11 x 8 Meter) ist überhängend und 2 Meter hoch. Hier ist Platz für Emerson und Lake. Auf dem hinteren Teil (3 Meter hoch) thront Palmer auf seinem halbmeterhohen, kreisrunden Schlagzeugpodest.

fast 50 Mann im Orchester

In einem halbkreisförmigen Rund um die eigentliche Bühne ist das Orchester untergebracht. Links vorne (3 Meter hoch) und links hinten (4 Meter hoch) die Streicher. Rechts vorne (3 Meter hoch) die Holzbläser, rechts hinten (4 Meter hoch) die Blechbläser. Zwei zusätzliche Schlagzeuger, der Chor und weitere Gitarristen und Bassisten in der hinteren Mitte (4 Meter hoch). Und damit Dirigent Godfrey Salmon auch alles schön überblicken kann, steht er nicht an einem Pult, sondern in einem hydraulischen Lift. Gibt er dann seine Einsätze, so tut er dies 5 Meter über dem Boden.

16 Tonnen Ausrüstung und 4 Tonnen Eigengewicht

Die Bühne selbst ist mit schwarzem Teppich, und die Seitenteile sind mit Velour bespannt. Und um die Transportprobleme nicht unnötig zu erhöhen, wurde die gesamte Konstruktion in Aluminium-Leichtbauweise erstellt.

In und unter der Bühne ist die Technik zu Hause. Benötigt Emerson zum Beispiel sein Steinway-Piano - ein Knopfdruck, und der Flügel schwebt auf die Bretter, die der Rock-Welt so viel bedeuten.

Wie ein Himmel hängt über der Bühne ein 13teiliges Dach (24,5 x 24,5 Meter), das sich teilweise bis über den Zuhörerraum erstreckt. Dieses Dach verbirgt ein gewaltiges Kabelnetz und den Großteil der Beleuchtungsanlage.

Der vordere Teil des Daches ist 18 Meter hoch, der hintere Teil 12 Meter hoch. Insgesamt hängen hier fast 16 Tonnen Ausrüstung. Von den 4 Tonnen Eigengewicht mal abgesehen.

(2) Der SOUND

"Audio Analysts of Montreal", eine Firma, die auch für den Sound während der Olympischen Spiele verantwortlich war, entwickelte und baute das Soundsystem für diese Show. Es wurden allein 13 Wochen benötigt, um die einzelnen Systeme aufeinander abzustimmen. Und damit während der Tournee auch alles klappt, stehen elf Sound-Techniker zur Verfügung.

Sound für 1 Million Dollar

Das EL&P-Sound-System hat einen Nettowert von ca. 1 Million Dollar (2,2 Millionen DM). Das Grundverstärker-System setzt sich aus 40 herkömmlichen „SA"-Gehäusen zusammen. Jede dieser Boxen birgt jedoch eine kleine Anlage in sich: 10 JBL-Lautsprecher (Baß, Mittel- und Hochtöner), und um alles schön zum Klingen zu bringen, sind insgesamt die Kleinigkeit von 72 000 Watt Leistung erforderlich. Sie werden durch Phase-Linear-700-B- und SAE-2600-Verstärker erzielt.

„Wohnzimmer"-Sound fürs Publikum

Trotz dieser enormen Leistung ging es den Verantwortlichen jedoch nicht darum, schön Krach zu machen. Das Ziel: „Wohnzimmer"-Sound fürs Publikum. Und das auch in den größten Hallen, in Stadien.

Das größte Problem zeigte sich jedoch in der totalen Integration von Band- und Orchester-Sound. Weder sollte die Elektronik der Band das Orchester übertönen noch umgekehrt.

Eigene Tonabnehmer fürs Orchester

So hatte man auch hier nach neuen Wegen zu suchen. Die Lösung bestand darin, daß jedes einzelne Orchesterinstrument an einen Tonabnehmer angeschlossen wurde, die für diesen speziellen Zweck erst einmal entwickelt und gebaut werden mußten.

Diese Tonabnehmer zeichnen sich durch ein außergewöhnlich breites Aufnahmespektrum aus, durch eine absolut natürliche und nichtelektrische Wiedergabe. Ein kleiner, aber wichtiger Nebeneffekt: da Mikrophone nicht vorhanden sind, gibt es garantiert kein Feed-back.

Und da jeder einzelne Pick-up einen eigenen Kanal in einem der Mischpulte hat, wurde nicht nur ein klarer, sondern auch ein absolut kontrollierbarerSound geschaffen.

Sie stehen und spielen auf Schallwänden

Die sonst vor den Musikern stehenden Monitor-Lautsprecher sind hier unter der Bühne angebracht. Gewissermaßen stehen Emerson und Lake auf den Schallwänden. Der Sound kommt von unten durch ein Gitternetz direkt zu ihnen. Nur über diese Monitor-Lautsprecher hört die Band den Sound. Das Mischpult dafür befindet sich ebenfalls unter der Bühne. Bis auf den Mann an den Knöpfen. Er residiert, unsichtbar fürs Publikum, in einer Art Souffleurkasten mitten auf der Bühne. Dieses spezielle Mischpult für EL&P hat 24 Eingänge und 8 Ausgänge.

Der Orchester-Sound wird vorgemischt. Dieses Mischpult, ebenfalls unter der Bühne, hat insgesamt 60 Eingänge und 8 Ausgänge. Bei bestimmten Keith-Emerson-Effekten ist ein Vormischen ebenfalls notwendig. Hierfür steht ihm ein persönlicher Assistent zur Verfügung, auch unter der Bühne (muß ja ein furchtbares Gedrängel sein, da unten!).

Das Hauptmischpult in der Halle hat ebenfalls 60 Eingänge, und obwohl Voll-Stereo, wird auch im hintersten Winkel ein so ausgeglichener Sound erzeugt, daß auch dort sowohl der linke als auch der rechte Kanal voll zur Geltung kommen. Insgesamt erfolgt die Klangzauberei an 5 Mischpulten an 5 verschiedenen Standpunkten.

(3) Das LICHT

Nicholas Cernovitch, bisher bekannt für seine außergewöhnlichen Lichtarbeiten für Ballet und Oper, entwickelte und entwarf das Licht-System für die EL&P-Show. Seine voll durchkonzipierte Light-Show wirkt teils theaterhaft dramatisch, teils ausgesprochen elegant. Und wie bei Theaterproduktionen üblich, erfolgt die Regieanweisung an den Operator per Mikrofon vom Bühnen-Manager.

In dem Dach über der Bühne sind 5 gewaltige Lampenbatterien installiert, unsichtbar vom Zuhörerraum aus. Auf die sonst üblichen, aber recht schwerfälligen Richtscheinwerfer wurde bewußt verzichtet.

Das gesamte Operations-System der Light-Show basiert auf computergesteuerten Magnetbändern, auf denen pro Band bis zu 200 Lichtkombinationen für die insgesamt 311 Lampen und 60 Abblender gespeichert sind.

Ein System dieser Art ist absolut neu und wurde während dieser Tournee zum erstenmal eingesetzt.

(4) Die INSTRUMENTE

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  • Keith Emerson:
    Xamaha GX-1 Synthesizer. In ganz Nordamerika gibt es von diesem Synthesizer lediglich 3 Exemplare, und es ist auch das erstemal, daß ein Instrument dieser Art „On The Road" eingesetzt wurde. Nicholas Ros, EL&P-Elek-tronik-lngenieur, entwickelte dazu ein computergesteuertes Tuning-System, das es ermöglicht, auf Knopfdruck eventuelle Verstimmungen auszugleichen. Weitere Instrumente: Hammond C-3 und L-100-Orgeln; Custom Moog Console; Mini Moog; Steinway 9' Grand Piano; Accordian.
  • Greg Lake:
    Alembic-Baßgitarren, darunter ein 8-Seiten-Baß, der von Alembic speziell für Lake entwickelt und angefertigt wurde. Travis-Bean-Electric-Gitarre; Zematis-12-Saiten-Akustik-Gitarre sowie 3 Vintage-Martin- Akustik-Gitarren. Vor sich hat Greg Lake einen TV-Monitor, über den man ihm nicht nur die Reihenfolge der Songs einspielt, sondern auch die gesamten Textpassagen.
  • Carl Palmer:
    Das Hauptschlagzeug (handgraviert) wurde ebenfalls speziell angefertigt und besteht aus insgesamt 11 Trommeln und 5 Cymbals und Hi-hats. Darüber hinaus: Xylophone, Glockenspiel, Congas, Tympani, Chimes, Gongs, Kastagnet-ten, Crotales u. a. Die kreisrunde Plattform ist Chromfarben. Eingebaute Lichtsysteme erzeugen einen eigenartig fließenden Effekt. Die riesigen Gongs werden je nach Bedarf hydraulisch auf die Bühne gefahren.

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(5) Die Ausrüstung und der Transport

Für die gesamte Ausrüstung werden 8 vierzehn Meter lange Lastkraftwagen (Tieflader bzw. Trucks) benötigt. Tritt die Gruppe in Stadien auf, kommen 4 weitere Lkws hinzu.

Um die insgesamt 115 Personen zu transportieren, setzt man mehrere Busse ein: Einen für EL&P und ihre persönlichen Assistenten; einen für das Orchester und einen für den Rest der Mannschaft. Sind die Entfernungen zu groß, oder ist der Terminplan zu eng, dann stehen Charterflugzeuge zur Verfügung.

Grundsätzlich wurde dabei auf größtmöglichen Komfort Wert gelegt. Denn die Reisezeit ist für alle Beteiligten Erholungszeit. Um die Bühne und die Anlage aufzubauen, werden ca. 8 Stunden benötigt. Das Abbauen dauert 4 Stunden.

Was Emerson, Lake & Palmer hier durchziehen, erfordert eine Unmenge Mut, denn die Tour könnte durchaus aus finanziellen Aspekten von heute auf morgen platzen. Wöchentlich sind ca. 120.000 Dollar (270.000 DM) aufzubringen, die ja erst einmal eingespielt werden müssen.

Aber Emerson, Lake & Palmer stehen hinter ihrem Vorhaben, investierten ihr eigenes Geld und werden unbedingt alles daransetzen, ihrem Motto treu zu bleiben: „Welcome Back My Friends To The Show That Never Ends!"

Hoffentlich im Herbst (1977) dann auch bei uns in Deutschland !

PePe
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