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Hier beginnt die Erzählung eines Zeitzeugen aus Hamburg

Unser Zeitzeuge Heinz Schleusner ist durch die ganze Welt gereist und hat viel gesehen und erlebt. Ich durfte ihn im Sept. 2022 bei seinem Familien-Besuch in Hamburg ebenfalls besuchen und ausgiebig erzählen lassen, wie das war vor über 60, 70 und 80 Jahren, als ich noch gar nicht da war oder gerade mal 10 Jahre alt war. Als er im Okt. 2022 wieder zurück nach Guatemala geflogen war, hat er mir zusätzlich zu den 7 Stunden Sprachaufzeichnungen seine bereits aufgeschriebenen Notitzen gemailt. Der Anfang beginnt hier.

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Wir blicken nocheinmal zurück nach 1962 .....

Schon 1962 erhielt ich eine Einladung von der PAN AMERICAN in Hamburg zu einem Essen, in dessen Verlauf ich zum Mitglied des PANAMERICAN CLIPPER CLUBS gewählt wurde - mit Festessen und Urkunden Überreichung und einer Weltkarte. Diese hängen heute noch im Keller der Rahlstedter Strasse.

Dies war damals ein exklusiver Club, der nichts mit dem über 10 Jahre später aufkommenden "Mileage Clubs" zu tun hatte. Mit unserer PAN AMERICAN Mitgliedskarte hatten wir bevorzugte Behandlung und Upgrade auf die erste Klasse, falls Platz vorhanden war, sowie Lounge Aufenthalt, wo er vorhanden war.

Der Grund waren wohl meine vielen Reisen und unser hohes Luftfrachtaufkommen, da das "Wert:Gewicht" Verhältnis auch Sendungen mit hohen Gewichten erlaubten.
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Die Düsenflugzeuge und die Economy Klasse waren noch nicht im Einsatz.

Das Jahr 1963 war sehr anstrengend aber voller Erfolge. Daraus ergab sich die Notwendigkeit Personal einzustellen, die Firma aus der Wohnung in ein eigenes Büro zu verlagern. Dies fanden wir in der Hamburger Strasse 148 – also leicht zu Fuss von der Wohnung erreichbar.

Mit dem neuen Büro wurden auch moderne Betriebsmittel wie Fotokopierer (1 Nasskopierer von LUMOPRINT – über Schlosser gekauft) sowie Rechen- und elektrische Schreibmaschinen und ein Vervielfältiger für Rundschreiben und ähnliches angeschafft.

In Deutschland hatte ich damit keinen Erfolg, konnte aber die Vertretung der schwedischen Firmen ALPHA für Pressen und EUROPAFILM für Galvanikanlagen übernehmen.

Beide lieferten moderne hochqualitative Produkte, die aber auch teurer waren, als die amerikanische Konkurrenz.  Dadurch war der Verkauf zwar begrenzt - aber ich konnte doch mehr und mehr Erfolge erzielen.
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1964 gings wieder auf die Reise

So ging ich dann 1964 mit erweitertem Programm wieder auf die Reise. Schon in Mexiko konnte ich mit meinem Vertreter Carlos Breña einen Grossauftrag der mexikanischen CBS Niederlassung über ein grosses 4-Kanal Mischpult RE 85 von Geiling mit 16 Mikrofoneingängen und 8 EMT Hallplatten und einer Reihe von NEUMANN Mikrofonen verkaufen.

In Guatemala verkaufte ich ein Galvanikanlage von Europafilm an DIDECA – Discos de Central America S. A. und eine kleines RE 85 Mischpult an Casa AVELAR.
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Die Neumann Schneidanlagen waren hier zu teuer

Die kolumbianischen Schallplattenfabriken waren stark nach USA orientiert und so konnte ich dort keine Neumann Schneidanlage verkaufen. Aber der Ruf der RE 85 Mischpulte war auch nach Kolumbien gelangt, so dass ich an die Firma SONOLUX ein grosses Pult und 2 Hallplatten neben den Neumann Mikrofonen verkaufen.
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Medellin war das Schallplatten-Zentrum

Alle grossen Schallplattenfabriken waren in Medellin ansässig. In Bogota gab es nur ein kleines Tonstudio, das von einem Deutschen HEINZ RODECK praktisch als Hobby betrieben wurde, denn sein Hauptgeschäft war die Lieferung und Installation von Fahrstühlen.

Im Gegensatz zu allen anderen Ländern Lateinamerikas, in denen der private Ferneh- und Rundfunk vorherrschte, hatte die kolumbianische Regierung beschlossen, ein flächendeckendes Fernsehen zu installieren, in dem auch private Firmen Programme verbreiten konnten.
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SIEMENS bekam den Auftrag fürs Fernsehen in Kolumbien

Die internationale Ausschreibung der INRAVISION wurde von einem deutschen Konsortium unter Leitung von SIEMENS gewonnen. Diese kontrahierte DR. WILHELM PUTH als technischen Leiter des Aufbaus. Er wurde dort als "DR. PAPA BILL" bekannt.

"DR. WILHELM PUTH" alias "DR. PAPA BILL"

Ursprünglich arbeitete er bei der Deutschen REICHSRUNDFUNK Gesellschaft (RRG) und hat im Kriege unter anderem auch den SOLDATENSENDER BELGRAD errichtet.

Nach dem Kriege betrauten ihn die Amerikaer mit der technischen Leitung ihres RADIO LIBERTY Senders in München, der die kommunischen Länder mit Nachrichten versorgte.

Von dort kam er zu INRAVISION und wurde nach dem Ausscheiden dort AMPEX Vertreter für ganz Südamerika. Nach der Schliessung der Firma AMPEX arbeitete er als selbstständiger Vertreter und hat mit mir eine Reihe guter Geschäfte gemacht, u. a. die Ausrüstung der Polizeistationen mit REVOX Tondandgeräten.

Dazu gehörte auch eine Containerladung mit Tonbändern. Alles musste natürlich von Deutschland verschifft werden und so kauften wir die Tonbänder in Industrieverpackung bei 3M in den USA und verpackten sie in Hamburg in ESTEMAC Schachteln.
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Wenn immer ich nach Kolumbien kam, galt ihm mein erster Besuch. Ich brachte dazu immer eine Flasche guten Whiskeys mit und unsere Unterhaltungen und Fachsimpeleien endeten erst, wenn die Flasche leer war.
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Jürgen Gabbert aus Guayaquil

Ähnliche Prozeduren gab es über Jahre hinaus mit meinem Klassenkameraden Jürgen Gabbert in Guayaquil und meinem Freund und Landsmann EDMUND ALBRECHT in La Paz. Hier aber mit dem Unterschied, daß der Whiskey durch ASBACH URALT ersetzt und mit Bier zusammen getrunken wurde. Wenn die Flasche leer war, zogen wir singend durch die menschenleeren nächtlichen Strassen von La Paz.
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Endlich eine NEUMANN VMS 62 Schneidanlage verkauft

In Cochabamba gründete LAUREANO ROJAS eine Schallplattenfabrik und bat mich um Besuch und Beratung. Er hatte sein Geld durch den Schmuggel und Verkauf brasilianischer Schallplatten gemacht und musste sich jetzt an die entstandene lokale Konkurrenz anpassen. Ich verkaufte ihm eine NEUMANN VMS 62 Schneidanlage und die Tonstudio Ausrüstung, allerdings ohne Bandmaschinen.
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In Paraguay gab es nicht eine einzige Schallplattenfabrik

Paraguay war nun das einzige Land, das noch keine eigene Schallplattenfabrik hatte und auch nie eine haben sollte, obwohl die paraguaische Volksmusik überall grossen Anklang fand. Ich habe jedoch im Laufe der Zeit dort 2 Tonstudios verkauft, die Ihre Produktionen in den Nachbarländern pressen liessen.
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Schleppendes Geschäft in Brasilien

In Brasilien lief das Geschäft nach wie vor schleppend. Importe fanden da nur durch Schmuggel statt. Darin waren die Brasilianer Weltmeister. Ich hatte gute persönliche Kontakte zu CARLOS de ASSIS MOURA aufgebaut, der das beste Studio in Sao Paulo „ESTUDIOS REUNIDOS“ betrieb und der einer der besten Fachleute war, die ich je kennengelernt habe.

Wir verschifften die Sachen, die er und andere brauchten, immer nach Miami und von dort brachten die Schmuggelspezialisten sie dann nach Brasilien.
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Das Hausstrom-System in Peru war 1963 bis 1965 ein Problem

Es sei auch noch ein technisches Problem erwähnt, das wir zwischen 1963 und 1965 lösen mussten. - Die Elektrifizierung der Länder war weitgehend durch private Iinitiativen oder Finanzierungen durch die interessierten Lieferanten – staatlich oder privat – erfolgt.

Die stärker mit den USA verbundenen Länder führten somit das 115 Volt 60 Hertz Wechselstrom System der USA ein. Die mehr nach Europa orientierten südlichen Länder wie Argentinien und Chile dagegen setzen auf 220 Volt 50 Hertz Systeme.

Einige Länder wie Mexico, Brasilien und Peru hatten sowohl 50 als auch 60 Hz Systeme in Betrieb. Der Extremfall für mich war Jamaika, das dort ein 40 Hertz Wechselstromnetz hatte. So etwas konnten nur die Engländer erfinden.

Damit Verbundnetze geschaffen werden konnten, wurde nun ein allein gültiges System ausgewählt und die Benutzer mussten sich anpassen. Das betraf uns besonders bei den Schneidanlagen, die mit LYREC Synchronmotoren arbeiteten, deren Geschwindigkeit der Netzfrequenz entsprach.

Ein solcher Motor hatte daher 3 Wicklungen übereinander, eine für 78 upm, eine für 45 upm und eine für 33 1/3 upm, die umschaltbar war auf 16 2/3 upm. Der Motor mit einer Leistung von etwa 50 Watt !!!! wog ca. 40 kg. Zum Start musste er manuell angeworfen werden.
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Weiter geht es in 1967 in Huachipa

Das Wohnen in Huachipa machte es erforderlich, ein 2. Auto zu haben und so kauften wir den letzten vorhandenen Volkswagen Kaefer, der dann vornehmlich von Renate benutzt wurde.

Obwohl wir rund 25km vom Büro entfernt wohnten und das morgendliche Abliefern der Kinder in der Humboldtschule einen weiteren Umweg bedeutete, brauchten wir erst um 7 Uhr morgens abfahren, um 30 Minuten später an der Schule zu sein, weil es damals nur einen geringen Autoverkehr gab. Die Tatsache, dass ich vor 8 Uhr im Büro war, hatte zur Folge, dass auch die Mitarbeiter pünktlich waren.
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1967 - Ein erster Lehrling aus Hamburg kommt nach Lima

In Hamburg hatten wir schon 1967 mit der Ausbildung von Lehrlingen begonnen. Der erste war UWE ACKERMANN, den wir eingestellt haben, weil das Bauen von Verstärkern und Lautsprecherboxen sein vom Vater stark unterstütztes Hobby war und er deshalb mit Begeisterung bei uns arbeitete.

Nach Beendigung der Lehre boten wir ihm  einen 3-Jahresvertrag in Lima an. Er nahm an und heiratete noch schnell, was wir positiv beurteilten.

Das junge Ehepaar wohnte die ersten Wochen in einem unserer Gästezimmer und wurde praktisch in die Familie integriert. Als dann ihr Umzugsgut mit dem Schiff angekommen war, suchten sie sich eine eigene Wohnung.

Die Ehe kriselte jedoch von Anfang an und zerbrach schliesslich. Er hatte seine Vorliebe für die dunkelhaarige Weiblichkeit und sie das gleiche bei der Männlichkeit entdeckt. Dadurch kam es dann auch zu Unzuverlässigkeiten, so dass wir den Vertrag lösten. Beide blieben aber zunaechst weiter in Lima.
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Aus 2 Jahren Peru wurden 5 Jahre

Ursprünglich wollten wir ja nur 2 Jahre in Lima bleiben - um die Firma aufzubauen. Aus den schon bekannten Gründen kam es aber anders und so vergingen 5 Jahre ehe wir zum ersten Mal mit der ganzen Familie – obwohl nur als Urlaub – wieder nach Deutschland kamen. Inzwischen war aber auch für die Kinder Lima die Heimat geworden und sie flogen dann auch gerne wieder zurück.  
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Die Landnahme wurde von der Militärdiktatur gefördert ....

Die Militaerdiktatur brachte laufend politische, soziale und wirtschaftliche Änderungen mit sich. So führte die Agrarreform auch dazu, dass die Scharen besitzloser Indios aus dem Hochland, die in Lima Arbeit und eine Verbesserung ihrer Situation erhofften, unbenutzte aber private Ländereien vor allem im Norden und Süden der Stadt besetzten und ihre Esterashütten errichteten.

Da dies von der Regierung nicht nur toleriert sondern praktisch gefördert wurde, fuhr ich mit meinen Mitarbeitern, die unter ähnlichen Verhältnissen lebten, zur TABLADA de LURIN, die gerade invadiert wurde, und wir steckten dort ebenfalls „terrenos“ ab, auf denen sie später mit unserer Hilfe ihre Häuser errichteten und schliesslich auch den offiziellen Besitztitel erhielten.

Die Lebensbedingungen waren anfangs unglaublich primitiv.

Es gab weder Wasser noch Strom - und erst recht nicht Abwassersysteme. Das Wasser wurde von privaten Tanklastwagen verkauft. Jede Familie hatte sich ein gebrauchtes Fass besorgt, in das das Wasser aus dem Laster dann gefüllt wurde.

Als nach ca. 5 Jahren diese "Invasionen" registriert und einigermassen geordnet wurden, bot die Regierung an, den Bewohnern entweder zuerst Wasser oder aber Elektrizitaet zu installieren.

Ich riet dringend dazu, für Wasser zu stimmen. Die Mehrheit aber wollte Strom und das war für die Regierung auch leichter und billiger. Fernsehen war eben wichtiger als Waschen.
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Peru's erzwungene Industrialisierung

Eines der grossen Ziele der Militärs war die Industrialisierung des Landes, die dadurch praktisch erzwungen wurde, dass man den Import von den Produkten, von denen man sich eine lokale Herstellung erwünschte, einfach verbot.

Bis dahin war ihre Einfuhr nur lizenzpflichtig. Das betraf auch unser Lokalgeschäft und so wurde 1972 die Firma "ESLAB Laboratorio Electronico S.A." gegründet, die ursprünglich Verstärker und Lautsprecher bauen sollte.
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Wir begannen also mit Lautsprechern ...

Zunächst bauten wir Lautsprecher für unser Musikerprogramm von DYNACORD, die grossen Anklang fanden. Die Lautsprecherchassis dafür importierten wir von der Firma RCF in Italien. Dann importierten wir sogenannte “Driver” d.h. Druckkammersysteme für  Hornlautsprecher aus Taiwan und ließen die Trichter bei der lokalen Aluminiumfabrik MOLL machen, dessen Besitzer ein guter Freund unseres Mitarbeiters ERICH FRÖMKE war.

Wir brauchten nur die entstehenden Werkzeugkosten zu bezahlen. Erich Frömke, ein Elektroingenieur, war schon vor dem 2. Weltkrieg nach Peru gekommen und hatte für die dortige Telefunken Vertretung gearbeitet. Nach dem Krieg ging er dann wieder nach Lima und war zuletzt der technische Leiter eines Fernsehkanals, der dann von der Regierung "stillgelegt" wurde.
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Eine Anlage mit über 800 Lautsprechern

Zur gleichen Zeit gewannen wir die Ausschreibung der ELA Anlage fuer das neue Gebaeude des BANCO CENTRAL DE RESERVA. Die elektroakustische Ausruestung kam von DYNACORD und die Lautsrecher, Lautstaerkeregler u.ae. von RCF. In der Anlage wurden über 800 Lautsprecher eingebaut und sie war die grösste jemals von mir konzipierte und gelieferte Anlage. Die Installation und Übergabe organisierte und leitete Erich Froemke.

Die ersten japanischen Transistorradios in Peru

Der grosse Verkaufsschlager im ganzen Land waren damals die batteriebetriebenen japanischen Transistorradios  und später auch solche mit Cassettenspieler, da vor allem die Dörfer des Hochlandes noch keinen Strom hatten.

So kamen wir auf die Idee einen „Aktivlautsprecher“ zu bauen, der den Leuten dann das Volumen gab, das sie für ihre Fiestas brauchten. Er bestand aus einem Holzgehäuse mit eingbautem 15cm Lautsprecher, der von einem 3 Watt Verstärker angesteuert wurde, der von 4 x 1.5V Batterien gespeist wurde. Das Eingangssignal kam vom Kopfhörer Ausgang des Radios.  

Als die Idee dann von anderen „Bastlern“ nachgebaut wurde und den Preis kaputtmachte, haben wir das aufgegeben.
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Es wurde beim Zoll geklaut was das Zeug hielt .....

Der Bau von ELA Verstärkern kam nie in Gang, denn der Import der dafür notwendigen Bauteile wurde zu rund 70% im Zoll gestohlen und die Erstattung des Fehlbetrages durch die Versicherung bedeutete nicht, dass man auch die Devisen bekam, um das fehlende Material neu zu bestellen.
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