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Hier beginnt die Erzählung eines Zeitzeugen aus Hamburg

Unser Zeitzeuge Heinz Schleusner ist durch die ganze Welt gereist und hat viel gesehen und erlebt. Ich durfte ihn im Sept. 2022 bei seinem Familien-Besuch in Hamburg ebenfalls besuchen und ausgiebig erzählen lassen, wie das war vor über 60, 70 und 80 Jahren, als ich noch gar nicht da war oder gerade mal 10 Jahre alt war. Als er im Okt. 2022 wieder zurück nach Guatemala geflogen war, hat er mir zusätzlich zu den 7 Stunden Sprachaufzeichnungen seine bereits aufgeschriebenen Notitzen gemailt. Der Anfang beginnt hier.

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1947 - Wir hatten fast 2 Jahre keine Schule gehabt

Wir wurden auch in die einklassige Schule in Drethem eingeschult, nachdem wir fast 2 Jahre keine Schule gehabt hatten.

Eberhard hatte in Schneidemühl gerade mal die erste Klasse beendet, als die Schule geschlossen wurde und musste wieder bei 0 anfangen. Lothar hatte es ähnlich schwer, während die 8. Klasse, die ich zusammen mit 2 anderen bildete, für mich nach der Oberschulzeit in Schneidemühl langweilig war.

Als bekennende Christin hatte meine Mutter auch bald einen guten Kontakt zu dem Gemeindepfarrer und auch dem Schullehrer Brusch, der jede Woche eine Bibelstunde abhielt, zu der ich meine Mutter begleiten musste.

Pastor Gädtke war nur per Zufall oder auch durch göttliche Vorsehung Pfarrer in dieser weltfremden Gegend geworden und dafür überqualifiziert, da er vorher Pfarrer der deutschen evangelischen Gemeinde in London war und während des Krieges auch deutsche Gefangenenlager betreute.
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Ich soll aufs Johanneum nach Lüneburg

Lehrer Brusch und Pastor Gäthke kamen also nach kurzer Zeit zu dem Schluss, daß versucht werden sollte, mich aufs Johanneum nach Lüneburg zu schicken.

Dazu fuhren der Pastor, meine Mutter und ich irgendwann im September nach Lüneburg zur Vorstellung beim Direktor des Johanneums.

Man war dort sehr skeptisch, ob ich es schaffen würde, mich einzugliedern, zumal ich unter anderem anderthalb Jahre Latein nachholen musste, aber ich wurde aufgenommen.
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Sommer 1948 - endlich ein eigenes Fahrrad Marke RIXE

Das bedeutete, dass ich jeden Tag die 7 Kilometer von Glienitz über Wietzetze zum Bahnhof Leitstade und zurück allein zu Fuss laufen musste, bis zum Sommer 1948, als ich mir nach der Währungsreform mit dem Sammeln von Bickbeeren und Pilzen und Bäumepflanzen in Leitstade und der Hilfe der ganzen Familie für 107 DM ein Fahrrad der Marke RIXE kaufen konnte.
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  • Anmerkung : Als ich (Gert Redlich) 1965 mit 15 Jahren 6 Wochen lang bei der Post Briefe sortiert hatte, konnte ich mir von meinem Verdienst (zuzüglich Darlehen der Eltern) ebenfalls ein Rennrad kaufen - Marke RIXE.

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Einzelheiten aus der "Schule" im Jahr 1948

Ich hätte den Anschluss in Lüneburg nicht geschafft, wenn der Winter nicht wieder sehr streng gewesen wäre und der Unterricht mehr als 3 Monate lang
ausfiel, weil es keine Heizung gab. Wir mussten nur jeden Morgen um 8 Uhr antreten, die Hausaufgaben des Vortags abliefern, die neuen empfangen und wieder abmarschieren.

Nun war es aber so, dass unser Zug morgens von Dannenberg nach Lüneburg fuhr und erst nachmittags um 2 Uhr wieder zurück fuhr.

Alle Betroffenen mussten also zusehen, wie sie die Zeit dazwischen überbrückten und es gab nur eine öffentliche Stelle, die beheizt war; das war die „Brücke“ eine „Begegnungsstätte“ zwischen Engländern und Deutschen, die die Militärregierung eingerichtet hatte. Die war natürlich immer überfüllt.
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Als Dank für die höhere Schule wollte ich lernen

Ich dagegen konnte die Zeit vornehmlich dazu benutzten, Nachhilfestunden in Latein und Mathe zu nehmen bei Lehrern des Johanneums, die wegen der noch schwebenden „Entnazifizierung“ nicht an der Schule unterrichten durften.
Das hatte jedoch keinen negativen Einfluss auf ihr Wissen und so holte ich die fehlenden Kenntnisse auf und schaffte die Versetzung.

Es muss auch erwähnt werden, dass ich ohne Unterstützung der Kirche nicht in der Lage gewesen wäre, die höhere Schule zu besuchen, denn meine Mutter bekam für die ganze Familie weniger als 100 DM Rente. Deswegen bekam sie eine kleine Unterstützung von der Kirche.

Dafür war ich auch dankbar, besuchte neben den Bibelstunden jeden Sonntag die Kirche, und war auch sonst kirchlich aktiv. Ich habe auch die ganze Bibel gelesen, zum Teil mangels anderer Bücher.
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Phantastische Lehrer, zum Teil ehemalige Schuldirektoren aus dem Osten

Ganz ehrlich gesagt, bin ich gern zur Schule gegangen, wir hatten phantastische Lehrer, zum Teil ehemalige Schuldirektoren aus dem Osten, die froh waren, als Studienräte tätig zu sein und die uns vor allem menschlich nahe standen, wohl aus der gemeinsamen Erfahrung der Flucht oder Vertreibung.

Da war zum Beispiel unser Lateinlehrer „Suppenzwerg“ Skorzyk aus Ostpreussen, der seinen Namen dem Posten als Leiter der Schulspeisung verdankte. Er war stets für jeden da, ging auch in die "Brücke", um dort bei den Schularbeiten zu helfen. Selbst din den Fächern, in denen er nicht firm war, versuchte er zu helfen, z. B. In Englisch und bald war seine Aussprache von „ se pöple of Cheikego“ ein bei uns Schülern beliebter Slogan.

Ein anderer Ostpreusse und ehemaliger Oberstudiendirektor war unser mehrjähriger Klassenlehrer Dr. Wolf. Er war Witwer und wirklich dem Verhungern nahe. So veranstalteten wir eine heimliche Lebensmittelsammlung für ihn, die allerlei von „Hausgemachtem“ unserer einheimischen Mitschüler bis zu Konserven aus CARE Paketen zusammenbrachte und die ich dann anonym in seiner Wohnung abgeben durfte. Natürlich hat er den Ursprung erahnt und diskret gedankt.
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Es gab auch das "Gegenteil von Lehrer"

Das Gegenteil von Lehrer war wenigstens für mich unser mehrjähriger Mathe Lehrer Rumpf. Mit ihm verband mich eine innige Feindschaft und gegenseitige Abneigung. Ich konnte machen was ich wollte, aber in Mathe kam ich nicht auf den grünen Zweig. Er ahnte auch immer ganz genau, wenn ich etwas nicht wusste und stellte mich dann mit Freuden vor der Klasse bloss.

Als ich einmal wirklich gut drauf war, hatte ich mir gerade den rechten Arm gebrochen. Obwohl ich deswegen die Klassenarbeit nicht hätte mitschreiben müssen, wollte ich glänzen und schrieb die Arbeit mit links. Das sah natürlich nicht sehr elegant aus, aber ich hatte nur einen halben Fehler. Das Ergebnis in rot war „ wegen des Geschmieres nur 3“.

Da ist mir der Kragen geplatzt und ich bin mit dem Heft in der Hand und meinem rechten Arm in der Schlinge zum Direktor gegangen. Es gab eine Gegenüberstellung und Berichtigung, aber wirklich geholfen hat es mir natürlich nicht.
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Trotz Drängeln der Kirche - ich wollte kein Pfarrer werden

Durch die kirchliche Unterstützung wurde immer wieder angedeutet, dass ich doch sicherlich Theologie studieren würde. Das belastete mich immer mehr, weil ich daran wirklich kein Interesse hatte und als dann die Einführung des 13. Schuljahres verkündet wurde, entschied ich mich , das Johanneum nach der 10. Klasse aufzugeben und die einjährige Höhere Handelsschule zu besuchen, deren Abschluss gute Berufsaussichten in Hamburg bot.
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Ein Jahr Handelsschule und Mädchen in der Überzahl

Das Jahr Handelsschule war eins der schönsten und interessantesten. Sowohl wegen der Qualität der Lehrer, wie des Stoffes und der Mitschüler. Die Mädchen waren in der Überzahl und die Mehrzahl hatte auch bereits das Abitur. Mit dem Abschlusszeugnis der Handelsschule konnte ein Mädchen sofort als Sekretärin anfangen und das war damals sehr beliebt.

Ich war der jüngste in der Klasse und habe die Prüfung trotzdem als einer der Besten gemacht. Wie üblich, hatte ich im Abschlusszeugnis alle möglichen Zensuren, von der eins bis zur fünf. Die fünf stand natürlich für die Schrift, denn als geborener Linkshänder habe ich es mit rechts nie zur Schönschrift geschafft.
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Die "Höha" - die Höhere Handelsschule

Die "Höha" war ja eine gemischte Klasse und daraus ergab sich natürlich der erste tägliche Kontakt mit den Mädchen, die dazu in der Überzahl waren. Für mich war das in gewisser Weise eine völlig neue Erfahrung, da ich ja in einer Familie von Jungen aufgewachsen bin. Natürlich spielte auch das Alter eine Rolle.

Meine absolute Bewunderung galt Margret Optiz, deren graziler Gang, das schön geschnittene Gesicht und der dunkelhaarige Bubikopf meine Phantasie und Träume beflügelten. Wir haben uns sehr gut verstanden und auch gemeinsame Fahrradausflüge – natürlich zusammen mit Horst Clemens und seinem Schwarm Gesine Ohmstede, gemacht, aber zu mehr kam es leider nicht.
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Mein Schwarm war 4 Jahre älter - eine platonische Liebe

Irgendwie hatte ich auch Respekt vor dem Altersunterschied. Margret war damals 21 und ich war erst 17 Jahre alt. Wir haben auch noch mehrere Jahre losen Kontakt gehabt und sie hat mich 3 Jahre später in Hamburg besucht. Da hätte eigentlich alles klappen können, wie man so sagt. Ich wohnte allein in Katie Pierre´s Holzhaus in Iserbrook und Fritz Scharenberg hatte mein Zimmer am Steindamm.

Margret war nun 24 und das war für mich vom Anblick her ein ernüchternder Unterschied, das Gesicht war strenger geworden, die Wangen glatter und es gab auch einen Ansatz zu einem Doppelkinn, jedenfalls sah ich das damals so. Wir gingen abends ins Schauspielhaus und danach - das weiss ich aber nicht mehr genau – wohl auch – wie das bei mir üblich war, ins RODINA, den „Kosakenkeller“ an der Ecke Holzdamm, danach fuhren wir nach Iserbrook, ich überliess ihr mein Haus und fuhr zurück nach Hamburg, um die Nacht am Steindamm zu verbringen, da Fritz zum Wochenende zu seinen Eltern gefahren war.

Am nächsten Morgen waren wir beide sehr wortkarg. Margret schützte Migräne vor und wünschte sich, mit dem nächsten Zug nach Ülzen zurück zu fahren. So endete meine erste, noch platonische Liebe.
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Sommer 1949 - eventuell 1 Jahr USA - leider zu spät

Im Sommer 1949 durfte die Höha 2 Schüler für den Schüleraustausch mit USA vorschlagen. Ich war einer der Auserwählten und reichte die geforderten Dokumente ein. Daraufhin wurde ich zum Konsulat nach Bremen zur Vorstellung eingeladen und dort sagte man mir vor der Rückfahrt, dass ich auserwählt sei und wieder von ihnen hören würde.

Leider kam die Zusage mit dem Reisetermin erst im April 1950, als ich bereits die Lehre in Hamburg angetreten hatte und die Einladung wurde storniert, weil ich nicht mehr zur Schule ging.
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1950 - eine „Eignungsprüfung“ für eine Lehrstelle

Anfang 1950 mussten alle, die nach dem Schulabschluss eine Lehrstelle suchten, beim Arbeitsamt Lüneburg eine „Eignungsprüfung“ machen. Ich hatte mich für den Aussenhandel entschieden, für den es in Lüneburg keine Ausbildungsmöglichkeiten gab.

Also – so wurde mir erklärt – müsste ich überdurchschnittlich abschneiden, um für eine „überbezirkliche“ Bewerbung, also nach Hamburg zugelassen zu werden. Das klappte natürlich wegen unserer guten "Höha" und den Sprachkenntnissen auch für Kalli Brunhöber, Dieter Pfaffenberger und Jochen Täger, so dass wir uns alle danach in Hamburg bewerben konnten.
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Die Firma AUGUST HARMS in der Mönckebergstrasse

Fritz Scharenberg, unstetig und ungeduldig wie immer, hatte schon im Herbst die Höha verlassen und eine Lehre bei Lucas Mayer angetreten, die sein Vater, ein ehemaliger Berufsoffizier, ihm besorgt hatte -  zufällig im gleichen Haus in der Mönckebergstrasse, in der ich meine Lehre bei der Firma AUGUST HARMS antreten sollte.

Eine „Ausbildungsbeihilfe“ vom Arbeitsamt

Hamburg war ja im Krieg sehr stark zerstört worden und damit der Zuzug dahin genehmigungspflichtig. Bei mir kam hinzu, dass ich wegen der finanziellen Lage meiner Mutter zusätzlich eine „Ausbildungsbeihilfe“ brauchte, um überhaupt in Hamburg leben zu können.

Diese bestand aus einer Zuzahlung vom Arbeitsamt in Höhe der Differenz zwischen Lehrlingsentgelt und dem damaligen Lebenshaltungsminimum. Das betrug 105 DM im Monat und da ich anfangs 35 DM von der Firma bekam, erhielt ich gegen Vorlage einer Bescheinigung von der Lehrfirma jeden Monat die Differenz von 70 DM ausgezahlt vom Arbeitsamt . Als sich dann das Lehrlingsentgelt erhöhte, ermässigte sich der Zuschuss; erhöhte sich der Minimalbetrag, ergab sich wieder mehr Zuschuss und so weiter.

Die Umsiedlung nach Hamburg war auch ein Abenteuer. Ich hatte wohl die Berechtigung, aber das Wohnungsamt hatte damit noch kein Zimmer für mich, sondern ich stand auf einer Warteliste, zumal ich gewünscht hatte, möglichst zu Fuss zur Arbeitsstelle gehen zu können.
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Wohnen in Bargteheide auf dem Dachboden

Also kam ich zunächst bei unserem früheren Bertriebsleiter RICHARD RUX in Bargteheide unter, dort schlief ich auf dem Dachboden, ohne Licht und sonstige Annehmlichkeiten, ausser einem Feldbett auf gestampftem Lehmboden.

Das war natürlich nicht lange tragbar, mehr noch für meine Gastgeber als für mich. Familie RUX waren Baptisten. Sie hatten Glaubensfreunde, die in Hamburg Barmbek wohnten und sich bereit erklärten, mich bis zur Zimmerzuteilung aufzunehmen. Ich musste in ihrem Wohnzimmer auf dem Sofa schlafen.
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Erste Erfahrungen mit Sekten- "Predigern"

Sonntags ging die ganze Familie zu Ihrem Gottesdienst, der in einem Zelt stattfand, das in der Bachstrasse aufgestellt war.

Anfangs ging ich aus Dankbarkeit für die Aufnahme mit und war erschrocken über die Darbietungen. Das Volk wurde von den Predigern richtig aufgeheizt, sodaß anschließend Teilnehmer aus dem Publikum auf die Bühne rannten, um sich und ihre Gotteserlebnisse zu „offenbaren“.
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Samstags - eine Badewanne, 4 Personen, nach Alter geordnet

Gebadet wurde bei Petersens, so hiess die Familie, immer Sonnabends. Eine Badewanne, 4 Personen, nach Alter geordnet, Vater war der letzte und beim Abendessen roch dann die ganze Familie nach NIVEA. Ich bezahlte übrigens pro Tag 2 DM. Das schloß das Frühstück und das Abendbrot, jeweils kalt, und die Couchbenutzung ein.

Ich suchte also nach einer Ausrede, dieser sonntäglichen Veranstaltung zu entgehen. Ich erfand dann zunächst als Ausrede, daß ich doch auch mal baden müsste und dass wäre doch nur am Sonntagmorgen möglich.

Irgendwie wurde das dann auch akzeptiert. Ich blieb also sonntags so lange im Bett, bis das Türklappern den Abzug der Familie meldete.
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Eines Sonntags klopfte es an meiner Tür ......

Petersens hatten 2 Töchter. Inge, die mit einem Prediger verlobt war, und Heike, die damals 17 oder 18 Jahre alt und ein dralles mit fraulichen Formen üppig ausgestaltetes Mädchen war.

Eines Sonntags, die Tür hatte schon geklappert, klopfte es an meiner Tür und schon schlüpfte Heike in geblümten Nachthemd herein und fragte, ob sie sich ein Buch aus dem Wohnzimmerschrank holen könnte, der auch als Bücherschrank diente.

Ich war natürlich erstaunt „Warum bist Du denn nicht mit zur Kirche?“ Ach, weisst Du, ganz ehrlich gefällt mir das gar nicht so wie den anderen und darum habe ich gesagt, dass ich Halsschmerzen habe und bin hier geblieben.“

Sie stolzierte mit noch schwachem Nivea Duft an meinem Sofa vorbei und holte sich ein Buch. Dann setzte sie sich zu mir aufs Sofa und fing alle möglichen Geschichten an und ihr grosser, straffer Busen wedelte immer dichter an meiner Nase herum.

Leider waren dralle Mädchen mit grossen Busen nie anregend für mich und ich schaffte es schliesslich, dass sie samt Buch wieder abzog. Das ganze war mir ziemlich unangenehm, aber wieder stand mir das Glück zur Seite.
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Fritz Scharenberg wollte lieber zur See gehen

Fritz Scharenberg, der zusammen mit Kalli Brunhöber ein Zimmer in der Overbeckstrasse in Uhlenhorst hatte, erklärte mir, dass es bei Lucas Mayer „in den Sack“ gehauen hätte und jetzt zur See ginge. Ich könnte also seinen Platz bei Kalli übernehmen.

So geschah es, und wir wohnten wohl 2 Monate dort zusammen. Abends spielten wir oft Schach. Kalli war schon lange Raucher, ich aber nicht. Das war für mich nicht immer angenehm, besonders aber, wenn er mal am verlieren war – meistens gewann er ja, denn ich war kein Spezialist,- blies er mir den Rauch direkt in die Augen, die bald brannten und schmerzten und um mich zu verteidigen, nahm ich mir eine seiner Zigaretten und versuchte das gleiche ihm gegenüber. So kam ich zum Rauchen.
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Sommer 1950 - endlich ein eigenes Zimmer

Im Sommer kam ich dann endlich ein Zimmer zugewiesen, 18 Quadratmeter, am Steindamm 3, 3.Stock bei Clausen-Harms, Miete 18 DM plus 2 DM Licht. Das Zimmer war mit 2 Feldbetten, einem kleine Tisch und 1 Stuhl ausgerüstet, die der Vormieter dagelassen hatte und von mir übernommen werden konnten.

So zog Kalli Brunhöber jetzt zu mir. Das war natürlich ideal. Zusätzlich besorgte ich mir vom Lebensmittelhändler gegenüber leere Apfelsinenkisten, die wir mit Schrankpapier auskleideten und so ein modulares Vielzweckmöbel aufbauten.

Unten wurde es mit einem Vorhang versehen und diente sowohl zur Unterbringung der Lebensmittel wie der wenigen Kleidung. In den oberen Fächern hatten wir Bücher und andere persönliche Sachen. Wir hatten auch eine Kochplatte.

Bratpfanne und Kochtopf fanden unter einem Bett Platz. Später staubte ich auch einen Einkreiser Marke EMUD in der Firma ab, für 28 DM. Dadurch hatten wir nun auch Unterhaltung.
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Mit Kalli Brunhöber in einem Zimmer

Kalli war „Einheimischer“ und dadurch natürlich in vielem besser gestellt als ich, obwohl seine Eltern nur die Poststelle in Edendorf verwalteten und nebenbei noch Erfrischungsgetränke und Bier verkauften.

Er fuhr jedes Wochenende nach Hause und brachte montags immer jede Menge Nahrungsmittel mit, deren Wert wir aushandelten, und der dann von seinem Mietanteil von 10 DM abgezogen wurde. So wurde ich unter anderem mit dem Genuss von Ziegenbutter und Käse vertraut, die er jede Woche aus elterlicher Produktion mitbrachte.
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Meine Erwartungen an die Firma AUGUST HARMS

Der Lehrantritt bei AUGUST HARMS war im Grunde genommen enttäuschend für mich. Ich war mit hohen Erwartungen angekommen und durfte dann zunächst alle Papier- und Ablagekörbe leeren, dann das ganze Büro ausfegen und schliesslich die eingesammelten Akten in die entsprechenden Ordner abheften.

Das hatte zügig zu geschehen und wenn der Eindruck entstand, dass ich diesen oder jenen Brief oder sonstige Akte auch las, dann gab es einen Anranzer. Das nahm in der Regel den ganzen Vormittag in Anspruch.

Danach durfte ich andere minderwertige Arbeiten wie Packen, Muster auszeichnen und ähnliches verrichten. Ein Positivum war, dass wir – mein Vorlehring EGON NEHRMANN und ich, das Altpapier auf eigene Kosten entsorgen durfte. Der Koreakrieg war im Gange und Altmaterial aller Art wurde teuer. Auch für unser Papier bekamen wir bis zu 30 Pfennig pro Kilo. Der Erlös wurde in der Regel verfuttert.
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Die Geschichte zu Weihnachten und „Würstchen satt“

In der Budenstadt am Hauptbahnhof, dort steht heute Karstadt Sport, gab es Buden aller Art. Unser Favorit war ein Stand, der Pferdewürstchen briet. 5 Stück zu 55 Pfennig. Mit den Inhabern wurde auch fleissig geflachst und ihnen das Versprechen abgerungen, dass wir zu Weihnachten „Würstchen satt“ gratis bekommen würden.

Damals mussten wir Sonnabends noch bis 1 Uhr arbeiten, das bedeutete für uns real bis nach 2 Uhr, denn wir mussten die Post machen, die in der Regel erst ab 1 Uhr von den Chefs unterschrieben wurde, erst danach konnten wir sie einpacken, mit Briefmarken bekleben und ins Postbuch eintragen. So auch am Sonnabend, dem 23. Dezember.

Gegen 3 Uhr kamen wir mit Kalli zu dritt, auch Walter Hillewerth war noch dabei, bei unseren Pferdeschlachtern an. Sie waren schon am aufräumen, hatten aber noch ein fast volles Blech mit heissen Würstchen. Mit „Fröhliche Weihnachten“ begrüssten wir sie und forderten ihr Versprechen ein. Sie waren zwar nicht überglücklich, aber fügten sich doch in Ihr Schicksal, als wir das Blech leer futterten.
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1950 - Für 5,40 DM mit dem Zug Nachhause

Ich ging dann noch kurz in mein Zimmer, holte die schmutzige Wäsche und dann gings mit dem Zug über Lüneburg nach Leitstade und dann zu Fuss nach Glienitz, wo Weihnachten in der Familie gefeiert wurde. Die Hin- und Rückfahrt kostete damals 5,40 DM
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Unser Chef AUGUST HARMS und seine Söhne

Unser Chef hatte 4 Söhne, der älteste ebenfalls Lorenz geheissen, war im beinahe wörtlichen Sinne „dick und doof“ dafür aber frech und selbstbewusst. Er hatte – wie, das ist mir ein Rätsel – bereits ausgelernt und war der Schrecken in der Firma und das Ziel der Spässe aller jüngern Angestellten und natürlich von uns Lehrlingen.

Zum Glück und zur Erleichterung aller wurde er bald nach Punta Arenas in Südchile zu einem unserer besten Kunden – CODIMAGA geschickt, wo er dann dem Geschäftsführer LIEBIG so auf den Wecker fiel, dass die Geschäftsverbindung empfindlich darunter zu leiden begann.

Später ist er dann in Caracas gelandet und – wohl wegen seiner Körperfülle – dort recht jung verstorben. Lorenz folgten Zwillinge, in meinem Alter, Rolf und Henning, während Gerd der Jüngste war.

Um seinen Söhnen auf Kosten der Firma französich beizubringen, kontrahierte der Chef einen pensionierten Lehrer aus seiner Nachbarschaft, Dr. Schmidt, der viele Jahre in Frankreich gelebt und dort unterrichtet hatte. Egon Nehrmann und mir wurde verordnet, zweimal in der Woche nach Feierabend jeweils anderthalb Stunden, an diesem Unterricht teilzunehmen.

Ich war Feuer und Flamme. Egon hatte keinen Bock und die Harms Jungens
mussten ja gehorchen. Das ging so fast ein Jahr. Ich habe die Grundlagen des Französichen gelernt, die mir sofort und auch später zugute kamen.
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Mein Kumpel und Freund Walter Hillewerth

Walter Hillewerth, unser ältester Mitlehrling, der bei Abschluss meines ersten Jahres schon die Prüfung machte, hatte mich besonders unter seine Fittiche genommen, er weihte mich in viele Dinge ein. Er war als einziger in der Firma in der Gewerkschaft, was auch dazu führte, dass er nach dem Lehrabschluss nicht weiter beschäftigt wurde.

Er war ein kauziger, aber entschlossener Mensch mit schon fest eingeteiltem Lebensziel. Er hatte eine feste Freundin, mit der er zusammenlebte und später auch heiratete. Er wollte aber keine Kinder. Als sie ihm nach langen Ehejahren doch eins "abluchste" – er war schon selbstständig und recht wohlhabend - trennte er sich von ihr, gab ihr aber einen Anteil an dem erwirtschafteten Besitz.
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Walter Hillewerth war ein Büchernarr und Weinliebhaber

Während wir in der Regel unser Papiergeld in Pferdewürstchen umsetzten, kaufte er in dem Antiquitäten Buchladen im Pressehaus am Spersort alte Bücher.

Schon damals erzählte er mir, sein Ziel sei es, bis maximal zum 45. Lebensjahr zu arbeiten, falls nötig Tag und Nacht, und dann soviel Geld verdient zu haben, dass er sich zur Ruhe setzen könne, um sich nur noch dem Lesen zu widmen.

Als Vertreter der Firma HAKO, die Geräte für die Landwirtschaft und Reinigung herstellte, hat er das auch geschafft und von dem Einkommen Mietshäuser gekauft, die damals noch preiswert zu haben waren.

Kassel war für ihn der Mittelpunkt Deutschlands und dort liess er sich nach seinem Rückzug aus dem aktiven Geschäftsleben zum Lesen seiner Bücher nieder.

Soweit waren seine Pläne aufgegangen und er hätte Zeit gehabt, alle seine Bücher zu lesen, was – wie er mir bei einem Besuch einmal erklärte – bis zum Jahre 2012 dauern würde.

Leider hat er es nicht geschafft, weil er das Lesen mit kontinuierlichem Rotweingenuss verbunden hatte. Dies wiederum vertrugen seine Nieren nicht und er starb bereits im Jahre 1989 mit 61 Jahren.
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Mein anderer Kumpel EGON NEHRMANN

Wie gesagt, nahm Walter Hillewerth mich unter seine Fittiche, zumal EGON NEHRMANN zwar ein guter Kumpel, sonst aber recht phlegmatisch war und ausser den ihm aufgetragenen Arbeiten keine Initiativen entwickelte.

Dafür war er ein guter Fussballspieler und guter Tänzer, der dann auch mit 19 Jahren von einer 10 Jahre älteren Frau verführt wurde und mit ihr noch als Lehrling Jahr für Jahr Kinder zeugte, so dass er jede Menge Überlebensprobleme hatte, an deren Lösung auch ich mich zeitweise finanziell beteiligt habe.

Schliesslich wanderte die Familie nach Australien aus und der Kontakt ging verloren. Erst nach Erfindung des Internets rief ich das Telefonbuch von Melbourne auf, fand seine Anschrift und schrieb eine Weihnachtskarte. Noch am ersten Weihnachtstag erhielt ich einen Anruf seiner Frau, allerdings mit der traurigen Mitteilung, dass er bereits vor 2 Jahren an Lungenkrebs verstorben sei.
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Walter Hillewerth war kein Sprachtalent

Aber wieder zurück zu Walter Hillewerth, er brachte mir in der Zeit, in der ich „frei“ war, Warenkenntnis und den Umgang mit dem Rechenschieber bei. Ich half ihm dafür mit der Korrespondenz, denn sein Englisch war nur mässig und Französisch und Spanisch konnte er gar nicht.

Er bearbeitete zweitrangige Kunden sowohl in Afrika, wie Indochina, Madagaskar, Australien und Venezuela. Die Vertreter in Australien und Venezuela waren Deutsche, so dass dies die Korrespondenz erleichterte, aber mit Indochina und Madagaskar mussten wir in französisch korrespondieren.
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Mein „Durchbruch“ bei August Harms .....

Mein „Durchbruch“ bei Agust Harms, war wieder einmal ein Zufall in Verbindung mit Walter Hillewerth. Ich weiss nicht mehr, was es war, aber er war einige Wochen krank – so etwas nahm er ja sehr genau und nach den Gesundheitsregeln des Gewerkschaftsbundes – und danach nahm er seinen Urlaub, so dass ich zwangsläufig seinen Arbeitsplatz mehrere Wochen übernehmen musste.

Je nach Land hatte ich sowohl mit dem Inhaber LORENZ HARMS, wie auch dem dem Prokuristen HENRY HELMER zu tun und musste ihnen meine Arbeit zur Abzeichnung und Unterschrift vorlegen.

Beide staunten, dass ich Walters Aufgaben ohne Schwierigkeiten bewältigte und da dieser ja nach kurzer Zeit seine Prüfung machte und dann die Firma verliess, übernahm ich sein Arbeitsgebiet.
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Die Geschichte mit den Blanko Proformarechnungen

Wir hatten rund ein Dutzend Kunden in Saigon, die meisten Chinesen und in Cholon ansässig. Da man damals Lizenzen beantragen musste und dazu eine Proformarechnung des Lieferanten benötigte, was langwierig und aufwendig war, kam LORENZ HARMS auf die Idee, den Kunden Blanko Proformarechnungen zu schicken.

Diese mußten gestempelt und unterschrieben werden. Um etwaigen Unannehmlichkeiten oder Problemen aus dieser Machenschaft vorzubeugen, wurde ich als Lehrling damit beauftragt, diese Blankorechnungen zu unterschreiben und zu versenden. Es sind hunderte gewesen und im Falle einer Panne hätte man wohl gesagt, daß der Lehrling das ohne Wissen und Auftrag der Geschäftsleitung gemacht habe.

Nun war aber der Koreakrieg ausgebrochen und verursachte Hamsterkäufe in der ganzen Welt. Auch für Deutschland wurde so in verstärktem Maße Lizenzen erteilt. So hatten nun viele unserer Kunden auch Angebote der Konkurrenz und auch Angebote von Erzeugnissen, die gar nicht zu unserem Lieferprogramm gehörten.

Aber nur von AUGUST HARMS hatten sie Blankoproformarechnungen unterschrieben von SCHLEUSNER. Sie gingen also den Weg des geringsten Widerstandes und füllten sie mit den Produkten aus, die sie kaufen wollten und erhielten so die Lizenzen im Namen von August Harms, ohne daß die Firma zunächst etwas davon wusste.
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Das erste telegrafische Akkreditiv

Eines schönen Tages klingelte dann morgens das Telefon bei mir. Es war ein Anruf von der Deutschen Bank „Wir haben da ein telegrafisches Akkreditiv Avis für Sie, wollen sie mitschreiben?“

Ich notierte also, zunächst ohne Nebengedanken :

Eröffner XYZ über US$ 23.000,00 für 200 Reiseschreibmaschinen OLYMPIA ... gültig bis .......

Als der Chef kam, hatte ich schon eine Reihe solcher Meldungen und ging aufgeregt zu ihm und erklärte, „das haben wir doch garnicht angeboten“ worauf er dann erklärte „aber liefern werden wir es schon“.
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Ganz schnell waren gesicherte Aufträge für 1 Million US$ zusammen

Auf diese Weise bekamen wir innerhalb von wenigen Wochen Akkreditive im Wert von über 1 Million US$ von denen mehr als 90% nicht auf Angeboten von uns beruhten.

Darunter waren Goggomobile und Motorroller, Zeiss Mikroskope, Schreibmaschinen, Photoapparate, Chemikalien usw. Die eigentlichen Hersteller wollten auf das Gechäft natürlich nicht verzichten und alle Aufträge wurden mit mehr oder minder hohem Nutzen (Gewinn) ausgeführt. Er lag praktisch nie unter 10%.

Aus diesem Zufall hat sich dann auch ein Indochina Geschäft entwickelt, das im Jahr 1956 – als ich schon nicht mehr in der Firma war – zur Gründung einer Niederlassung in Saigon führte, die von GüNTER LEHMANN aufgebaut und erst nach Aufgabe Vietnams durch die Amerikaner geschlossen wurde.
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Und ich bekam mehr Geld - von 75 DM auf 150 DM

Lorenz Harms muss sich wohl auch Gedanken darüber gemacht haben, wie er zu diesem Millionen Geschäft gekommen ist, denn kurze Zeit später rief er mich in sein Büro und eröffnete mir, dass er ja wohl um meine bescheidene finanzielle Lage wüsste und deshalb in Anbetracht meiner Situation (nicht meiner Leistungen) entschieden habe, mir anstelle des damaligen Lehrlingsentgelts von inzwischen 75 DM monatlich 150 DM zu zahlen. Das bedeutete für mich nach Abzug der Ausbildungsbeihilfe, die ja jetzt wegfiel, ein Plus von 30 DM und das war doch positiv.
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Dazu wollte ich meine Anschluss-Prüfung vorziehen

Ich benutzte diese einmalig günstige Gelegenheit sofort, um ihn zu bitten, mir doch die Teilahme an der vorzeitigen Abschlussprüfung zu erlauben, die man mit „gut“ abschliessen musste, um den „Gehilfenbrief“ – so nannte sich das Ding damals – zu erhalten. Zu meinem Glück stimmte er zu.

Meine Wohnung am Steindamm war wegen ihrer Lage immer ein gern angesteuerter Treffpunkt sowohl der Kumpel von der Höha, wie auch sonst und dort ist so mancher Tarragona für 1,50 DM vom Händler gegenüber aber auch Hochprozentigeres geköpft und genossen worden. Unsere Zimmernachbarin, Fräulein Beginski, sie war so um die 50 Jahre alt, hatte immer volles Verständnis für ihre „Jungens“.
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Der Stehplatz im 3. Rang war billiger als das Kino

Da das Schauspielhaus nur „um die Ecke“ war und der Stehplatz 3. Rang nur 70 Pfennig, später 1 DM kostete und somit billiger war als Kino, war ich ein häufiger Gast dort und hatte bald die Platzanweiserinnen auf meiner Seite, die mir oft nach der Pause einen excellenten frei gebliebenen Sitzplatz verschafften.

Unser neues „Behelfsheim“ in Iserbrook - zu dritt

Die Chefsekretarin, Käthi Piérre, sie war schon in den Vierzigern, war zwar eine echte Hamburgerin, hatte aber einen Franzosen geheiratet, der Chefkoch im Hotel Reichshof war. Beide bewohnten ein „Behelfsheim“ in Iserbrook, also bei Blankenese. Es bestand aus einer kleinen Küche und einem Wohnschlafzimmer.

Als der Koch eine Stelle in Köln annahme, wollte natürlich auch Käthi mit nach Köln und fragte mich, ob ich inzwischen nicht ihr Haus „einhüten“ wolle. Natürlich wollte ich.

Hinzu kam, dass Fritz Scharenberg die christliche Seefahrt an den Nagel gehängt hatte und nun mit der ersparten Heuer das Abitur nachmachen wollte. Das Institut Brecht, an dem ich damals das gleiche machte, war am Holzdamm und so war die Wohnung am Steindamm geradezu ideal für ihn und damit er auch seine Ruhe hatte, zog Kalli Brunhöber mit nach Iserbrook.
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Die Berufsschule am Berliner Tor in Lüneburg

Im letzten Jahr der Lehrzeit mussten wir trotz der Ausbildung an der Höheren Handelsschule in Lüneburg zur Berufsschule am Berliner Tor. Unser Lehrer, Herr Pfaue, war der Faulste aller Lehrer, die ich je gehabt habe.

Da er schnell feststellte, dass wir den Stoff schon kannten, überließ er den Unterricht im großen ganzen Jochen Täger und mir, fläzte sich in eine der hinteren Bänke und griff nur ab und zu in den Unterricht ein. Jochen unterrichtete kaufmännisches Rechnen und Buchhaltung, während ich für Betriebswirtschaft und Englisch zuständig war.

Wir durften sogar Zensuren verteilen und Jochen durfte wegen seiner guten Handschrift auch alle Zeugnisse schreiben. Pfaue unterzeichnete sie nur. Um glaubwürdig zu erscheinen, teilten wir uns die Fächer zwischen gut und sehr gut auf.

Dann kam die Prüfung und alles lief praktisch nach Plan. Wir bestanden beide nur mit „gut“, obwohl die schriftliche Prüfung besser war, weil die aus Mitgliedern der Handelskammer bestehende mündliche Prüfungskommission uns mit Fragen bombardierte, die uns nicht so geläufig waren.
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Feiern und Essen unter Studenten

Die Lehrzeit hatte auch sonst ihre guten Seiten, vor allem, weil wir das Dasein liebten und auch unseren Spass daran hatten. Besonders, wenn etwas gratis oder sehr preiswert war. Sei es nun das Feiern oder das Essen. Wir mischten uns unter die Studenten sowohl der Uni wie der Hochschule der Künste und machten fleissig mit als gehörten wir wirklich dazu.

Ein Problem nicht nur für uns Lehrlinge, sondern auch für die unverheirateten jungen Angestellten war ein preiswertes warmes Mittagessen. Irgendwer hatte herausgefunden, dass die Eisenbahnerkantine im Keller des Museums für Völkerkunde am Hauptbahnhof war.

Die Essenskarte kostete 1,50 pro Woche für 5 Mahlzeiten und am Anfang wurde kein Ausweis verlangt. Das Essen war gut. Entweder Suppe oder Salat, Hauptgericht und Nachtisch. Leider wurde wohl soviel Propaganda für dies Schlaraffenland gemacht, dass später wegen des Andrangs Kontrollen eingeführt und wir so ausgesondert wurden.
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Das Essen im Finanzamt - endete mit Hausverbot

Unsere nächste Beute war die Kantine des Finanzamtes in der Bugenhagenstrassse, aber auch dort erhielten wir nach einiger Zeit Hausverbot.

Inzwischen hatte ich ja auch ein etwas besseres Einkommen und konnte mir daher auch ein Essen für rund 1,50 im “Brandseck“, einer Eckkneipe in der Brandstwiete leisten, die auch unser Stammlokal für die wöchentliche Skatrunde wurde.
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Ende September 1953 hatte ich meinen Gehilfenbrief ......

Als ich Ende September 1953 dem Chef meinen Gehilfenbrief präsentierte, war er überhaupt nicht begeistert. Hatten seine Zwillinge es doch nicht geschafft.

Ich hatte nun Anspruch auf das niedrigste Angestelltengehalt, das waren 185 DM - aber Ende Oktober passierte nichts. Ich erkundigte mich bei unserem Buchhalter und der sagte mir, dass er noch keine Anweisung vom Chef erhalten habe. Auch Ende November passierte nichts.
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Weihnachten gibts Weihnachtsgeld - dachte ich jedenfalls

Na, dachte ich, zu Weihnachten gibts ja neben dem Weihnachtsgeld in der Regel auch Gehaltserhöhungen und da wirst du schon dabei sein.

Die Weihnachtsfeier kam, die Briefe auch und meine Enttäuschung, ja sogar der Ärger waren gross. Ich hatte weder eine Gehaltserhöhung – nicht einmal die Anpassung an den Tariflohn erhalten, noch ein Gehalt als Weihnachtsgeld, wie die anderen sondern eine Summe zusammengesetzt aus 9 Monaten Lehrlingsentgelt von 75 DM und 3 Monaten Gehalt auf Basis von 150 DM, zusammen also 125,00 DM. Auch mein Gehalt blieb bei 150 DM und damit unter Tarif.
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Das Ende der Lehrzeit sowie der Episode AUGUST HARMS

Am nächsten Morgen ging ich zum Chef und bat um Aufklärung. Statt auf meine Argumente einzugehen, schnauzte er mich an; „Das ist der Dank dafür, dass ich sie gefördert habe“.

Ich entgegnete, dass von Förderung nichts zu erkennen sei und so ging es hin und her mit dem Ergebnis, dass ich kündigte, dies sofort schriftlich bestätigte und um Auszahlung des Restbetrages bei Berücksichtigung des noch ausstehenden Urlaubs bat.

“Ich will sie hier auch nicht mehr sehen“ erklärte er laut zum Erstaunen der anwesenden Mitarbeiter und damit endete meine Lehrzeit und Episode AUGUST HARMS.
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