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Hier beginnt die Erzählung eines Zeitzeugen aus Hamburg

Unser Zeitzeuge Heinz Schleusner ist durch die ganze Welt gereist und hat viel gesehen und erlebt. Ich durfte ihn im Sept. 2022 bei seinem Familien-Besuch in Hamburg ebenfalls besuchen und ausgiebig erzählen lassen, wie das war vor über 60, 70 und 80 Jahren, als ich noch gar nicht da war oder gerade mal 10 Jahre alt war. Als er im Okt. 2022 wieder zurück nach Guatemala geflogen war, hat er mir zusätzlich zu den 7 Stunden Sprachaufzeichnungen seine bereits aufgeschriebenen Notitzen gemailt. Der Anfang beginnt hier.

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1960 - Der dritte Wendepunkt in meinem Leben

Januar 1960 - ESTEMAC - die Firmengründung mit 2 Partnern

Zusammen mit meinem Schulfreund Jochen Täger und Jürgen Schütz, den ich in La Paz kennengelernt hatte, gründeten wir im Januar 1960 noch eine eigene Firma, die "ESTEMAG Außenhandels Gesellschaft mit beschränkter Haftung", mit Jochen als Geschäftsführer und Jürgen als stillem Teilhaber.

Die erforderliche Stammkapitaleinlage von 5.000 DM wurde von mir und Jürgen aufgebracht, wobei ich meinen Anteil dann wieder zum Kauf des Flugtickets herausnahm, so daß ein effektives Kapital von ca. DM 5.000 übrig blieb.

"ESTEMAG" –später mußte auf "ESTEMAC" umgewandelt werden, weil die Endung ... AG seit 1959 nur noch von Aktiengesellschaften benutzt werden durfte. ESTEMAG – bedeutete - phonetisch angewandt, wegen der Außprache auf spanisch - "Schleusner - Täger Maschinen Außenhandelsgesellschaft".
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Nicht mehr nur vermitteln, sondern selbst handeln

Wir wollten versuchen, mit der ESTEMAG die Produkte solcher Firmen zu verkaufen, die nicht in der Lage waren, selbst zu exportieren. Bei einem eingezahlten Kapital von 5.000 DM bei 20.000 DM genehmigtem Kapital sollte das ein recht schwieriger Beginn werden, und er wurde es auch.
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Meine 3. Reise nach Südamerika mit vielen Fragen

Zunächst einmal flog ich mit der Erkenntnis los, daß die verbliebenen Linien kaum ausreichen würden, die Reise mit positivem Ergebnis abzuschließen, bestenfalls erwartete ich, daß die Ergebnisse die Reisekosten decken würden, und mein persönlicher Einsatz eine Gratisleistung darstellte.

Das beunruhigte mich allerdings nicht besonders; denn ich war ja frei und ungebunden und allein die Tatsache, wieder in ferne Länder reisen zu können, war für mich Ansporn genug. Hauptsache war also, mit plus-minus 0 abzuschließen.
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Gleich am Anfang Ärger - die Deutsche Bank

Dafür gab es jetzt aber schon die ESTEMAC, die allerdings kein Geld hatte. So habe ich z. B. in Uruguay einen schönen Auftrag für ALPINA Schreibmaschinen buchen können mit Zahlung per Akkreditiv über rund US$ 7.000,00 um dann feststellen zu müssen, daß die Deutsche Bank zunächst nicht bereit war, gegen dieses Akkreditiv die Zahlung an den Hersteller vorzufinanzieren.
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Der Deutsch-Mexikaner, Herr Leininger aus Guatemala

Die Geschäfte liefen also in den erwarteten oder besser befürchteten Bahnen. In Guatemala lernte ich einen Deutsch-Mexikaner, Herrn Leininger kennen, der versuchte, sein Geschäft auf Mittelamerika auszuweiten, aber schon bald feststellte, daß dies für ihn zu anstrengend und nicht lohnenswert war - im Vergleich zu den in Mexico erzielbaren Auftragsgrößen.

Wir vereinbarten also, daß ich diese Linien bei Provisionsteilung für ihn ab El Salvador verkaufen sollte. Es waren 3 Linien, elektrische Rasierer von RIAM aus der Schweiz, Hornschuch DC-Fix selbstklebe PVC Folien und PABST Deckenventilatoren.
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"Nochwas" - die Überraschung war gelungen - ich werde Vater

Der Schlag ins Kontor aber kam im Mai 1960 mit einem Brief meiner damaligen Freundin Renate Schacht, die mir viel beim Aufbau geholfen hatte, und auch Jochen Täger bei der Bearbeitung meiner Anfragen und Aufträge half, mit der Mitteilung, daß sie schwanger sei. Das hatte mir gerade noch gefehlt.
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Damals kam nur eine baldige formelle Eheschließung in Frage

Als Ehrenrettung kam ja wohl nur eine möglichst baldige formelle Eheschließung in Frage. So waren jedenfalls damals noch die Zeiten.

Ich krempelte meinen Reiseplan entsprechend um und landete Ende Juni 1960 wieder in Hamburg. Mein damaliger offizieller Wohnsitz war bei Tünnermanns in Managua und Renate konnte darauf hin das Aufgebot bestellen, ohne daß ich anwesend war.
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Am 6. Juli 1960 wurde ich ein "Ehemann"

Also wurde kurz nach meiner Ankunft, ich glaube am 6. Juli 1960, beim Standesamt Langenhorn geheiratet. Jochen Täger und mein Onkel Heinrich waren Trauzeugen und die Hochzeitsfeier fand im kleinsten Kreis bei Jochen Täger statt, wobei Schwiegermutter Schacht den Hochzeitsbraten stiftete. Viel mehr war nicht drin.

Bisher hatten Onkel Heinrich, Eberhard und ich am Biedermannplatz gewohnt und jetzt sollte dort auch noch Renate unterkommen. Wir bekamen also das kleinste Zimmer.

Es war auch kaum Geld da, weil ja das schon befürchtete Minus der Reise durch die Verkürzung noch verschärft wurde.
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Ich war wie am Boden zerstört

Ich war also – "wie am Boden zerstört" – und fast entschlossen, das Abenteuer "Selbstständigkeit" aufzugeben und mich wieder als Angestellter zu verdingen.

Ein Telefonanruf von Herrn Biermann, dessen Firma ich ja in Mittelamerika vertrat, änderte jedoch alles.
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KIBEX und das Abenteuer - Radio-Export ins Ungewisse

KIBEX hatte sich in das Abenteuer eingelassen – ähnlich wie Bruns in der DDR - tschechische Radios in großem Stil zu sehr niedrigen Preisen – verglichen mit den bundesdeutschen Produkten – einzukaufen, in der Hoffnung, sie mit gutem Gewinn in Venezuela zu verkaufen. Sein dortiger Vertreter George Van Esch hatte ihm sehr positive Verkaufsmöglichkeiten zugesichert.

So hatte KIBEX insgesamt rund 6.000 Radios verschiedener Preisklassen mit der von ihr kreierten Marke VOLKSRADIO nach Venezuela verschifft und sie sicherlich auch verkaufen können, wenn das Wörtchen „wenn“ nicht gewesen wäre.
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Die Radios unverkäuflich und der Kredit abgelaufen

Die ganze Operation hatte die Hausbank finanziert, wohl weil es sich um ein altes Exporthaus mit gutem Ruf handelte.

Nun war der Kredit abgelaufen und die Bank verlangte das Geld zurück, das KIBEX aber nicht hatte. Zunächst einmal war Van Esch gar nicht in der Lage, die angekommene Ware vor Ablauf der Versicherung zu prüfen, sie wurde ungeöffnet eingelagert.

Was nach der Öffnung nicht funktionierte, wurde zur späteren Bearbeitung zur Seite gepackt. Die Mehrzahl der als funktionierend verkauften Radios kam aber nach kurzer Zeit wieder als defekt zurück.

Geld kam also nicht herein und die Bank übernahm praktisch die Verwaltung bei KIBEX. Die Einzelheiten kenne ich nicht.

Auf jeden Fall wurde jemand benötigt, der die Lage in Venezuela analysieren und dann versuchen sollte, das Beste aus der Situation zu machen.
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Sehr erfreulich - da hatte jemand an mich gedacht ...

Dafür hatte Herr Biermann an mich gedacht und angefragt, ob mich der Job interessieren würde. Dem war so und mit Zustimmung der Bank schlossen wir einen Vertrag über 6 Monate mit einem Festgehalt von US$ 750,00 pro Monat (in DM damals mal 4), bezahlter Hin- und Rückreise für mich und Renate und einer Provision von 2% auf den Verkaufserlös.

Damals war es noch leicht und schnell, eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung für Venezuela zu erhalten und so ging es dann Anfang September 1960 per KLM über Curacao nach Caracas. Renate war im 7. Monat schwanger.
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Renate bekam im Flieger Krabben und wollte sie nicht essen

Die Super Constellation der KLM war zwar vergleichsweise langsam, aber die Sitze entsprachen in der Breite den heutigen Sitzen der Busineß Class, auch das Essen war vergleichsweise ausgezeichnet.

Renate bekam zum ersten Mal in ihrem Leben Krabben serviert und hat sie gleich an mich abgetreten. Nach über 20 Stunden Flug über Amsterdam, Lissabon, die Azoren und San Juan kamen wir spät abends in Curacao an und stiegen im Hotel SAN CARLOS ab.

Nach einem Ruhetag ging es dann weiter nach Maiquetia, dem Flughafen von Caracas, an dem wir von George Van Esch abgeholt wurden. Zunächst mieteten wir uns in der PENSION ALEMANA en la Florida ein, starteten aber sofort die Wohnungßuche. In der Avenida Fuerzas Armadas, nahe der Firma und Wohnung von George fanden wir eine Neubauwohnung im Edificio San Jorge.
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Die einzige wesentliche Neuanschaffung war ein Bett

Tisch und Stühle erhielten wir von George und als weitere Möbelstücke dienten leere Kisten aus dem Radioimport.

George Van Esch war ein Einpersonen- Unternehmen, das er von seiner Wohnung aus betrieb. In der gleichen Straße hatte er einen Lagerraum gemietet, in dem sowohl die Radios wie auch seine sonstigen Importe lagerten, im wesentlichen Babybetten und Aluminium Tische und Stühle aus den USA.

Wir brauchten also ein kleines Büro mit Platz für die Ausstellung und Werkstatt und fanden es auch in günstiger Lage zwischen Georges Wohnhaus und dem Lager.
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Die Bestandsaufnahme

Zuerst wurde eine Bestandsaufnahme gemacht. Wir hatten im Wesentlichen 3 Modelle, ein kleines Tischradio aus Bakelit, entsprechend etwa der PHILETTA von Philips, ein mittleres Modell, mit Tastenwahl, ebenfalls aus Bakelit und ein sogenanntes Radio mit 3D Ton, mit Holzgehäuse und der damals beliebten Tastenbank für Bandeinstellung, Tonregelung und magischem Auge.

Wie ich erfreulicher Weise schnell feststelle, hatte der Hersteller TESLA sogar eine Kiste mit einem kompletten Meßgerätesatz geliefert, der noch nicht ausgepackt war.
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Jetzt der Reihe nach ....

Die Kleinradios hatten wenig Probleme und waren zum großen Teil bereits verkauft und hatten die Zollzahlung mitfinanziert. Auch die mittleren Modelle hatten sich anfangs gut verkauft, kamen aber nach einigen Wochen zurück mit der Angabe „ya no tiene volumen“. (Hat keine Lautstärke mehr.)

Bei allen Modellen gab es verhältnismäßig viele zerbrochene Gehäuse. Die einleuchtende Erklärung dafür war die unachtsame Behandlung bei der Ausschiffung und dem Transport. Anscheinend sind die Kisten wohl aus geringer Höhe fallengelassen worden, so daß die Gehäuse durch den harten Stoß rissen oder brachen.

Dadurch, daß dies oft zu spät bemerkt wurde, konnte auch die Versicherung nicht in Anspruch genommen werden und bei den Geräten, bei denen dies rechtzeitig geschehen war, lehnte die Versicherung nach anfänglicher Anerkennung die Entschädigung ab - mit dem Argument, die Verpackung sei nicht produktgerecht.
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Wir brauchten einfache Mitarbeiter

Als erstes wurden ein Techniker und ein Gehilfe für das Ein- und Auspacken, das Auf- und Zuschrauben der Gehäuse- Rückwände und ähnlicher Hilfsarbeiten gesucht. Ich fand einen recht tüchtigen Spanier mittleren Alters, der von den Kanarischen Inseln kam.
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Die Fehleranalyse war deutlich ..

Das Problem des nachlassenden Volumens entstand durch Oxydation der Kontaktelemente. Sie waren nur verkupfert. Wir reinigten sie und versiegelten sie mit Silikonleitpaste. Damit war das Problem gelöst.

Die großen Radios, die auch das meiste Geld bringen sollten, hatten die größten Probleme. Wohl wegen der im Ostblock herrschenden Materialknappheit hatten die Tschechen auch den Korb des großen ovalen Hauptlautsprechers aus Bakelit gemacht und der relativ schwere Magnet hat dann dafür gesorgt, daß er bei einem harten Aufsetzen des Gerätes abbrach. Das zweite Problem lag auch wieder an den Tastenkontakten.

Das Hauptproblem nach Behebung der geschilderten Fehler war jedoch, die Radios zu verkaufen. In Caracas und Umgebung waren sie praktisch nur mit großem Nachlaß unter den Kostpreisen oder überhaupt nicht mehr zu verkaufen. So schlecht war ihr Ruf schon geworden.
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Ein neues Vertriebsgebiet mußte gefunden werden

Also mußten wir ins Innere. Dadurch habe ich Venezuela wie kaum ein anderes Land kennengelernt, von Cucuta an der Grenze zu Kolumbien, Merida in den Anden, über Maracaibo, Barquisimeto und Valencia bis durch die Llanos nach Ciudad Bolivar über El Tigre, Cumana, Puerto La Cruz, Puerto Ordaz und wie die Orte alle heißen mögen, sind wir mit unseren Musterradios gefahren, um sie zu verkaufen. Montags ging es los und mit Glück waren wir zum Wochende wieder in Caracas.

So konnten wir den größten Teil im Laufe der Monate verkaufen und regelmäßig unsere Schecks nach Deutschland schicken.
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Immer wieder kamen Rückschläge wie die Abwertung

In diese Zeit fiel auch die erste Abwertung des Bolivar verbunden mit einer Devisenknappheit, so daß wir die Dollars ersteigern mußten, was natürlich den Nutzen weiter schmälerte und die Verluste erhöhte.
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Radiolas oder Musiktruhen waren damals die große Mode

Um die großen Radios verkaufen zu können, importierten wir Lautsprecher von Goodmans aus England, die preiswert, aber sehr gut waren und den Radios einen guten Klang gaben. Blieb aber noch das Problem der zerbrochenen Gehäuse.

Dazu klapperte ich die Tischler der Umgebung ab, die vornehmlich
Italiener waren und von denen hatte einer die großartige Idee, „porqué no hacemos radiolas con los chasis que paga mejor que los gabinetes de mesa.“

Radiolas oder Musiktruhen waren damals die große Mode und der Marktführer war Grundig. Also schauten wir uns die Grundig Modelle an, von denen der Tischler, eigentlich von der Größe her schon eine kleine Fabrik mit modernen italienischen Maschinen, einige auch transportbeschädigte zur Aufarbeitung hatte und kamen zu dem Schluß „das können wir auch hier machen“ und so geschah es.
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Der Tischler : „das können wir auch hier machen“

Von Miami importieren wir BSR Plattenwechsler, die billig, aber nicht schlecht waren, bauten den Goodmans Lautsprecher (Anmerkung : das Chassis) in der Mitte und die „3D“ Lautsprecher an beiden Seiten ein und kreierten so die ersten Musiktruhen „Made in Venezuela“. Es wurde ein großer Erfolg, weil sie gefielen, gut klangen und die billigsten am Markt waren.
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Dann waren die 6 Monate rum

Bei Ablauf meiner Vertragszeit war der Großteil des verwertbaren Lagers verkauft und der Rest mehrheitlich Schrott, so daß ich das Angebot, noch 3 Monate draufzulegen, ablehnte. Auch war ich wegen des monatelangen, harten Einsatzes als „Mann für alles“ ziemlich am Ende meiner Kräfte.

Für mich war dieser Kontrakt ja „ein Geschenk der Himmels“, denn durch die Gaunerei von BRUNS hatte ich keine Basis mehr für die ursprünglich geplante Reisetätigkeit, dafür aber die Verantwortung für eine wachsende Familie.

Ich war daher glücklich, daß Renate mitgespielt hat und bereit war, das Risiko der Reise und der neuen unbekannten Umgebung als Schwangere im 7. Monat einzugehen.
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Das Wichtigste - man braucht Freunde

In Caracas lebte auch die Schwester von der Frau unseres Försters KLAHR von Leitstade, die ich schon bei meinem ersten Besuch in Caracas kennengelernt hatte. So wurden wir auch von ihnen am Anfang unterstützt.

Der beste Kontakt entwickelte sich jedoch mit Erhard Bake und seiner Frau Teresa. Sie war Spanierin und konnte daher Renate in vieler – vor allem in sprachlicher Hinsicht helfen.

Hinzu kam, daß auch sie schwanger war, was die Beziehung natürlich weiter vertiefte. Sie machte Renate auch mit ihrem Frauenarzt Dr. Wiedebach bekannt, der deutsch sprach und dann später beide bei der Geburt betreute.
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Die Geburt war für Mitte November 1960 vorausgesagt

Dagmars Geburt war für Mitte November vorausgesagt und deshalb beschlossen George van Esch und ich, unsere Verkaufsreisen so zu planen, daß ich im November in Caracas bleiben konnte.

Wir fuhren daher in der 2. Oktoberhälfte in den Oriente bis hin nach Ciudad Bolivar. Venezuela war damals politisch und wirtschaftlich instabil. Man hatte zwar den Diktator Perez Jimenez vertrieben, aber die Nachfolge war noch umstritten und umkämpft.

Als wir also am letzten Oktoberwochenende wieder Caracas erreichten, war wieder mal Aufstand und die Straßse von Soldaten gesperrt, die den Befehl hatten, niemand in die Stadt zu lassen. Wir waren müde und verärgert, mußten uns aber der Situation ergeben.

Die Nacht wurde kühl und zum Ausgleich hatten wir uns eine Flasche RUM besorgt, die reihum ging und schließlich dazu führte, daß wir noch vor Sonnenaufgang weiterfahren durften und ohne weitere Kontrollen im Morgengrauen des Sonntags zu Hause waren.
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Am 2. November - ein gesunden Mädchen DAGMAR war geboren

Renate war natürlich schon unruhig und auch besorgt, daß die Geburt früher als geplant stattfinden könnte. Montags setzten dann auch die Wehen ein und als diese stärker und häufiger wurden, fuhren wir nachmittags in die CLINICA SANTIAGO DE LEON, wo sie von Dr. Wiedebach untersucht wurde.

Der sagte dann nur lakonisch „bleiben sie mal hier und unterhalten Sie Ihre Frau, wenn es soweit ist bin ich wieder da“. So verbrachten wir zwischen Wehen und Kreuzworträtseln die Nacht.

Am Dienstagmorgen dem 2. November, so gegen 6 Uhr war er dann wieder da und sagte, daß ich nun verschwinden sollte. Das nahm ich dankbar und müde an. Als ich dann gegen 8 Uhr in der Klinik anrief, beglückwünschte er mich als Vater eines hübschen und gesunden Mädchens DAGMAR war geboren.
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Antonio Gonzalez und ganz neue Ideen

Natürlich versuchte ich auch, so gut es ging, meine eigenen Interessen zu vertreten. Vor allem unterstützte ich technisch den UHER Vertreter, die Firma FILMICA ELECTRONICA S.A. Dort lernte ich auch Antonio Gonzalez kennen, der ein Tonstudio hatte und mit dem ich oft fachsimpelte. Er brauchte unter anderem bessere Mikrofone und ich bot ihm AKG an, mit denen ich über UHER Kontakt hatte.

Ihn interessierte aber ein „TELEFUNKEN“ Mikrofon, das aber gar nicht von Telefunken war, sondern von einer Firma GEORG NEUMANN aus Berlin, wie man am Sockel lesen konnte, obwohl das Mikrofon die Marke Telefunken drauf hatte.
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Von Antonio Gonzalez ganz viel gelernt

GONZALITO war auch sonst an der Verbesserung seiner Aufnahmegeräte interessiert und ich versprach ihm, Unterlagen und Angebote zu beschaffen.

Die DEUTSCHE GRAMMOPHON Gesellschaft, damals vertreten von SIEMENS in Caracas - hatte ihm nämlich erklärt, sie würde gern venezolanische Musik herausbringen, wenn ihre Qualitätsmaßstäbe erfüllt werden könnten.
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April 1961 - zurück nach Hamburg

Im April 1961 ging es dann mit der kleinen Familie über Mittelamerika, Mexico und einem Abstecher zu unseren Verwandten in Highland Park bei Chicago zurück nach Hamburg.

Natürlich wollte ich wenigstens die Kunden in Mittelamerika und Mexico besuchen, um die Kontakte zu erneuern und zu bekräftigen. Ich hatte ja inzwischen einiges Geld verdient und war wieder zuversichtlich, auf eigenen Füßen vorwärts zu kommen.
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Jetzt kommt ein Abstecher zu unserer Familie

In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts wanderten viele junge Leute aus, die zu Hause keine Zukunft sahen. So auch die älteste Schwester OLGA meines Großvaters mütterlicherseits.

Er war der einzige, der wenigstens brieflich den Kontakt mit ihr aufrecht erhielt und diese Aufgabe wurde dann von meiner Mutter übernommen, die nach dem Krieg die Anschrift wußte und die briefliche Verbindung wiederherstellte.

Olga heiratete einen SCHMIDT, an dessen Vornamen ich mich nicht erinnere und beide hatten 6 Kinder, 4 Jungen Henry, Louis, Herman und Adalbert und 2 Mädchen, OLGA und Harthia.

Olga war die älteste und starb bald nach der neuen Kontaktaufnahme, die dann von Harthia weitergeführt wurde. Alle haben uns durch Ihre Geschenkpakete in den ersten Nachkriegsjahren sehr geholfen.

Die Korrespondenz jedoch war schwierig, da keiner der „Amerikaner“ Deutsch schreiben konnte. So kam ich ins Spiel, da auf deutscher Seite sonst keiner etwas Englisch konnte.

Den Kontakt mir unseren amerikanischen Verwandten pflegen

Ich nutzte daher die erste Gelegenheit aus, zunächst die Kellers in Highland Park – Harthia hatten einen Frank Keller geheiratet - zu besuchen. Zusammen fuhren wir dann zum Wochenende nach Indiana, ins LA PORTE County, wo die anderen Schmidt Kinder in der Nähe von Michigan City lebten.

Jeder der Jungen hatte eine eigene Farm und baute vornehmlich Weizen und Mais an.

Wir trafen uns alle auf der elterlichen Farm, die von Henry Schmidt bewirtschaftet wurde. Die ganze Gegend war vornehmlich von deutschen und schwedischen Einwanderen besiedelt. Jeder wohnte auf seiner Farm. Dörfer gab es nicht.

Irgendwo dazwischen gab es eine Kirche und ein Schulhaus. Natürlich gingen wir am Sonntagmorgen alle zur Kirche. Dort gab es damals noch 3 Andachten nacheinander, deutsch, schwedisch und englisch. Als wir 1974 das letzte Mal dort waren, gab es nur noch englische Andachten, denn dies war inzwischen die Sprache aller Nachkommen.
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Henry Schmidt hatte eine große Küche für 12 Personen

Das Farmhaus der Schmidts war – wie alle – aus Holz und der Hauptraum war die Küche mit einem Tisch für mindestens 12 Personen. Man erinnerte sich noch einige plattdeutsche Brocken, denn hochdeutsch wurde wohl auch von den Eltern kaum gesprochen, aber die Umgangssprache war einfach Englisch.

Zusammen mit der deutschen Bibel hatte Henry auch noch einen Stoß von Briefen aus Deutschland. Man bat mich, diese doch zu übersetzen, was ich auch gern tat. Der Inhalt befaßte sich mit tagtäglichen Dingen, z.b. daß Olgas Lieblingskuh ein Kalb geboren hatte, daß es viele Birnen, aber wenig Äpfel gab usw.

Zwischen Schrieb und Antwort darauf verging immer fast ein Jahr. Es wurde auch von weiteren Auswanderungen berichtet, die dann weiter westlich in Ohio und Wisconsin landeten.

Frank und Harthia hatten 2 Kinder Hazel, die ältere und Donald in meinem Alter. Bei beiden bestand kein Interesse an einer Kontaktpflege. Wie wir bei unserem letzten Besuch 1974 erfuhren, war Donald sogar einige Zeit auf Montage in Hamburg, hat aber wohl nie Kontakt zu uns gesucht.
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Jetzt wieder zurück nach Hamburg in den Mai 1961

Wir kamen also im Mai wieder in Hamburg an. Dort hatte sich einiges verändert. Jürgen Schütz hatte das Interesse verloren und zog vor, sein Geld in einen eigenen kleinen Autoverleih zu investieren, während Jochen sich in irgendwelche Stahlgeschäfte verstrickt hatte und dabei in Konkurs gegangen war. Er hatte ja auch kein Kapital in die Firma ESTEMAC eingebracht.
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Ich war nun Alleininhaber der ESTEMAC

Ich war nun Alleininhaber, hatte aber wenigstens durch die Venezuela Einkünfte ein echtes, wenn auch geringes Eigenkapital.

Etwa zu der Zeit war Ursel, Renate´s Schwester aus Paris zurückgekehrt. Sie hatte im Export gelernt und war bereit, mit mir zusammen zu arbeiten. Durch ihre kaufmännische Ausbildung und die Englisch- und Französisch- Kenntnisse war das eine echte Hilfe.

Mit frischem Mut ging ich also an die Beschaffung neuer Verbindungen, jetzt schon gezielt auf den Vertrieb durch ESTEMAC anstelle von Provisionsverkäufen.
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Neue Ideen - aufbauend auf Antonio Gonzalez' Tonstudio

In Caracas hatte ich das Tonstudio von Antonio „Toño“ Gonzalez kennengelernt und war sofort von der Technik fasziniert. Da Toño sehr an einem Kauf der ihn interessierenden Mikrofone und anderer Studiogeräte interessiert war, war dies Anlaß genug, mich sofort nach der Rückkehr nach Deutschland um die Beschaffung solcher Geräte zu kümmern.

Ich flog also zunächst nach Berlin zur Firma George Neumann, die damals am Mehringdamm war.
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Die kleine Firma Georg Neumann

Es war eine kleine Firma. Der Chef Georg Neumann war damals Anfang 60. Er hatte gerade den Exklusivvertrieb durch Telefunken beendet und junge Mitarbeiter für den Ausbau der Firma eingestellt. Dies waren Günther Lützkendorf als technischen und Wolfgang Weiß als kaufmännischen Leiter.

Der Empfang dort war gut. Man erklärte mir, daß man am Aufbau eines eigenen Vertriebs sei und u.a. bereits Steve Temmer von der GOTHAM AUDIO in New York und die Firma Bauch in London ernannt hätte und gern mit mir in Lateinamerika zusammenarbeiten würde.
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Das war mehr als ich mir erhofft hatte.

Der Vertrieb der Schallplatten der "Deutschen Grammophon" und "Polydor" lag damals in Venezuela bei der dortigen SIEMENS Niederlassung und Siemens wollte venezolanische Musik ins Programm nehmen, deren Aufnahmen jedoch den Qualitätsansprüchen der DGG genügen sollten. Gonzalito war der einzige, der dafür in Frage kam, falls er die technischen Voraussetzungen erfüllte und das wollte er.
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Antonio „Toño“ Gonzalez wurde von SIEMENS eingeladen

Dazu wurde er im Sommer 1961 von Siemens nach Deutschland eingeladen, um die Anlagen der DGG und die ihn interessierenden Geräte kennenzulernen.

Ich war sein einziger Bekannter und damit sein Betreuer und Dolmetscher. Dadurch konnte ich viele der allgemein nicht zugänglichen Anlagen der DGG und auch des NDR kennenlernen und zusätzlich die Anlagen der TELDEC über den Kontakt zu NEUMANN.

Während die DGG mit Ortofon Schneidanlagen arbeitete, die für Gonzalito zu teuer waren, arbeitete TELDEC - Telefunken DECCA - mit NEUMANN Anlagen. Ich war natürlich auch sehr daran interessiert, daß er NEUMANN kaufte und das klappte dann auch.

So hatte ich innerhalb weniger Monate nicht nur Mikrofone, sondern auch eine Mono Schneidanlage AM 131 verkauft und das mußte NEUMANN wohl beeindruckt haben.
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Das Gebiet der Tonstudiotechnik war erfolgversprechend

Durch die Werksbesuche lernte ich auch andere junge, dort beschäftigte Techniker kennen, wie Eckhart Krieger, der sich gerade selbständig gemacht hatte, Franz Hormann von der RCL Electronic, Rüdiger Barth vom NDR, Harro Michna von Teldec und andere mehr, die mir weiterhalfen und von denen ich vieles lernen konnte.

Ich entschloß mich daher, das Gebiet der Tonstudiotechnik durch weitere Vertretungen abzurunden und zu meinem Spezialgebiet zu machen.
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