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Hier beginnt die Erzählung eines Zeitzeugen aus Hamburg

Unser Zeitzeuge Heinz Schleusner ist durch die ganze Welt gereist und hat viel gesehen und erlebt. Ich durfte ihn im Sept. 2022 bei seinem Familien-Besuch in Hamburg ebenfalls besuchen und ausgiebig erzählen lassen, wie das war vor über 60, 70 und 80 Jahren, als ich noch gar nicht da war oder gerade mal 10 Jahre alt war. Als er im Okt. 2022 wieder zurück nach Guatemala geflogen war, hat er mir zusätzlich zu den 7 Stunden Sprachaufzeichnungen seine bereits aufgeschriebenen Notitzen gemailt. Der Anfang beginnt hier.

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1959 - Der zweite Wendepunkt in meinem Leben

Da ich Vertröstungen satt hatte, kündigte ich und entschloss mich zudem m Versuch, selbständig zu werden. - Ich schrieb an mir bekannte und mich als Vertreter interessierende Firmen und bot mich als reisenden Vertreter für Lateinamerika an.

Meine Bedingungen waren: ein einmaliger Reisekostenzuschuß von 800 DM und eine Provision von mindestens 5% oder mehr je nach Linie. Von mehr als 50 angesprochenen Firmen reagierten 7 positiv, darunter 3 mit einer Beteiligung von nur 400 DM.

Diese waren Kurt M. Bruns, Hamburg, eine Firma, die sogenannte "Kompensationsgeschäfte" mit der DDR (der Ostzone) machte und von dort Rundfunk- und Elektrogeräte sowie Fotoapparate als Gegenleistung erhielt. Die Preise dieser Geräte waren gegenüber westdeutschen Erzeugnissen "günstig".

  • Anmerkung : Wie in dem Buch von Gerhart Ronneberger 1999 ausführlich beschrieben, war die Firma Bruns eine von der STASI gesteuerte West-Firma zwecks Devisenbeschaffung. Der aktuell gültige DM zu Ostmark Kurs war beschämend 1:5 oder noch schlechter. Jede erfolgreich "eingewunkene" Westmark war für die illegalen Embargo-Geschäfte des Aussenhandelskombinates und der STASI Gold wert. Die Qualität der Ost-Geräte war ebenso miserabel und schwer verkäuflich.


Kiehn + Biermann, Hamburg, ein Exporteur, der ebenfalls Ostware, besonders aus Polen vertrieb, besonders Emaille und Glaswaren, Werkzeuge und Macheten mit der eigenen Marke DOS MONJES – nur für Mittelamerika.
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Weitere westdeutsche Firmen waren ........

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  1. Klein + Hummel, Kemnat, Hersteller von Verstärker- und Lautsprecher Anlagen der Marke TELEWATT
  2. Gottlieb Widmann Söhne, elektrische Küchengeräte
  3. Alfred Hirsch, Schwenningen, Hersteller von Armbanduhren
  4. FARYMAN Diesel, Mannheim, Hersteller von stationären Kleindieselmotoren
  5. UHER Werke München, Hersteller von Tonbandgeräten für Heimgebrauch.

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Mein Rundreise- Flugticket kostete 4.900 DM

Da ich nur 4000 DM eingenommen hatte, aber allein das Rundreise Flugticket 4900 DM kostete, hatte ich nach dessen Bezahlung nur noch rund 300 US Dollar von den eigenen Ersparnissen übrig, die bestenfalls für 3 Wochen reichen würden. Aber ich war jung und risikofreudig und sicher, daß es irgendwie schon klappen würde.
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Also ging meine 2. Weltreise los - direkt nach Mexico

Also ging die Reise los und zwar direkt nach Mexico wegen der Turbulenzen in Cuba.

Wie zu erwarten, war die BRUNS Linie in Mexiko am attraktivsten. Zwar nicht auf dem Rundfunksektor, sondern mit den Kameras, sowohl mit den einfachen wie auch mit den Spiegelreflexkameras von PENTACON. Für die UHER Geräte konnte ich die Firma INDUSTRIAS NADER gewinnen.
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Weiter ging es nach Guatemala

Von Guatemala aus südwärts war in Mittelamerika das ganze Programm gefragt.

In Guatemala war allerdings noch Vorsicht mit Ostware geboten. Die Emaille- und Glaswaren, die ja die Marke KIBEX trugen und die Bügeleisen der Marke CONVAIR liefen gut.

Für den Vertrieb der UHER Geräte in Guatemala konnte ich die Firma ELECTONICA PANAMERICANA S.A. gewinnen. Mit dem Besitzer ROBERTO FALLA konnte ich einen guten Kontakt aufbauen und wir waren auch bis zu seinem Tod gute Freunde.
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In San Salvador war es die Firma J.G. Alvarenga

In San Salvador war die Lage ähnlich, die Vertretung von UHER übernahm die Firma J.G. Alvarenga, die deutsche Mitarbeiter hatte. Mit Heinrich Appelt, dem technischen Leiter, verband mich eine jahrelange Freundschaft.

In Honduras gewann ich die Firma CASA UHLER

Honduras gehörte zu den weit weniger entwickelten Ländern, aber auch hier konnte ich die UHER Vertretung der Firma CASA UHER übertragen, die maßgebend von deutschen Juden geführt wurde und die Geräte der Firma Widmann wurden von der Firma Francisco Yones gekauft. Daneben lief natürlich auch das KIBEX Sortiment.
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Nicaragua war kritisch

In Nicaragua lief das Geschäft mehr schlecht als recht. Die politische Situation des Dikatators Anastasio Somoza war schon recht kritisch und das wirkte sich auch auf das Geschäft aus.

Costa Rica dagegen lief gut

Costa Rica dagegen lief gut auf allen Gebieten. Bruns und Kibex waren das Hauptgeschäft, aber auch für UHER fand ich in der Firma Holst Van Patteen einen Vertreter.

In Panama konnte ich die deutschen Macheten verkaufen

Auch in Panama waren Bruns und KIBEX die Renner, bei Kibex vor allem der Verkauf der Machetes DOS MONJES. Diese Marke hatte sich trotz der Unterbrechung durch den 2. Weltkrieg erhalten und war hier die Nummer 2 nach COLLINS.

Die Hauptkunden waren die Chinesen, die auch in ihrem Ladengeschäft wohnten und zum Teil praktisch unter dem Ladentisch schliefen. Ich mußte sie immer vor Öffnung ihres Ladens in der Regel um 7 Uhr morgens besuchen, um ihnen etwas zu verkaufen.

Leon Glattstein und die Bruns Musiktruhen

Bruns Musiktruhen konnte ich dank Leon Glattstein sogar an an die dortige SEARS Niederlaßung verkaufen. Kameras von Bruns kaufte Josef Bettsak, der Besitzer der Firma FOTO INTERNACIONAL war und der auch die UHER Vertretung übernahm.

Josef Bettsak war ein Jude aus Breslau, mit dem mich eine Freundschaft bis zu seinem Tod verband und der mich auch jedesmal zu sich nach Hause einlud. Er wohnte in einer Nebenstraße des HILTON Hotels und ging nach dem Abendeßen regelmäßig ins dortige Kasino, um ein paar TALER zu verspielen oder auch zu gewinnen. Er sagte nie Dollar sondern immer nur TALER.
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Weiter gings dann nach Quito

Von Panama gings dann weiter nach Quito. Dort konnte ich UHER und Telewatt Geräte an ALMACENES COLUMBIA verkaufen.

Bisher hatte ich keinen Erfolg mit den Dieselmotoren von FARYMAN gehabt, da die Konkurenz aus England gut eingeführt und billiger war..

In Guayaquil kam ich auch an der Bosch Vertretung vorbei und dachte mir, daß diese Leute, die ja Komponenten und Ersatzteile für Dieselmotoren machten, mir Tips für einen möglichen Kunden für Faryman Motoren geben könnten.
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Eine Überraschung und mein dummes Gesicht

Ich verlangte also, den Gerente zu sprechen und gab der Sekretärin, einer Chinita, meine Visitenkarte. Nach einer Weile kam sie wieder und bat mich, ihr zu folgen.

Als sie die Tür zum Chefbüro aufmachte, muß ich wohl einen Augenblick ein ganz dummes Gesicht gemacht haben, denn hinter dem Schreibtisch saß mein langjähriger Klassenkamerad Jürgen Gabbert.

Nach der obligatorischen und auch herzlichen Umarmung mit ordentlichem „Staubklopfen“ ging es dann bald zu Jürgens Stammkneipe am Malecón, wo wir - wie für Jürgen schon Tradition – ein herzhaftes Ceviche mit einem guten kühlen Bier genoßen.

Es gab viel zu erzählen und er lud mich ein, den Abend mit seiner Familie zu verbringen.
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Wie Jürgen Gabbert nach Kolumbien kam .....

Er war ursprünglich für Bosch nach Kolumbien gegangen, wo er auch seine Frau Amparo kennenlernte und heiratete. Nach Vertragsende siedelte er dann nach Guayaquil zur dortigen Bosch Vertretung über, bei der er Teilhaber wurde. Als wir uns trafen, hatte er schon 3 Töchter und am Wochenende fuhren wir alle an den Strand nach PLAYAS zum Baden.

Mit Faryman bin ich trotzdem nicht weiter gekommen, konnte aber auch in Guayaquil sowohl UHER wie auch BRUNS Produkte gut verkaufen.

Lima war auch wieder ein guter Markt für Radios, Musiktruhen und Kameras von BRUNS. Die UHER Vertretung ging an CASTELLANOS S.A. und auch sonst lief alles wie am „Schnürchen“.

Und weiter nach La Paz

In La Paz hatte sich die wirtschaftliche Situation erheblich gebessert und so liefen auch die Geschäfte. Die UHER Vertretung ging an die Firma RADEZ, die auch Blaupunkt vertrieben.

BRUNS fand mehrfaches Interesse und da ich die Firma Rudolf Otto Mayer in Oruro von Harmsen her kannte, fuhr ich mit dem Zug auch nach Oruro.
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Eine Zugfahrt im Pullmann Waggon ...

Das war ein Abenteuer der besonderen Art. Ich fuhr „Clase Pulman“ die es nur zweimal in der Woche gab, da es anscheinend nur einen Pullman Wagen gab und dieser – da der Zug ja noch nach Cochabamba weiterfuhr und von dort dann wieder zurück nach La Paz – solange brauchte um wieder in La Paz zu sein.

Der Pullman hatte gepolsterte Ledersitze, die in allen Farben schillerten und wohl schon alle erdenklichen Flüßigkeiten und Feststoffe eingesogen haben mußte, um diese Farbkomposition zu entwickeln.

Die Fahrt – rund 250 km – dauerte mehr als 8 Stunden bei ebener Strecke auf dem Altiplano und ich hatte den Eindruck, daß man an der Strecke nur die Hand zu heben brauchte, damit er anhielt und einen mitnahm.
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Das Hotel Oruro in Oruro und Rodolfo Mayer

Abends kam ich an und mietete mich im Hotel „ORURO“ ein. Am nächsten Morgen besuchte ich den ALMACEN MAYER, bei dem ich herzlich empfangen wurde und auch am Nachmittag dem Kurzwellenempfang der BBC Nachrichten beiwohnen durfte, ein „heiliger“ Akt, obwohl anstrengend und mehr aus Geräuschen und Statik als aus Nutzmodulation bestehend.

Es war aber Rodolfo Mayers einziger Kontakt zum Rest der Welt. Das Radio war ein englicher PYE Empfänger noch aus der Vorkriegszeit, betrieben mit 2 Batterien für die Anoden und die Fadenheizung, deren Beschaffung ihm immer schwieriger wurde.

Eine exzellente Gelegenheit, Herrn Mayer für die Erweiterung seines ALMACEN auf Rundfunk- und Elektrogeräte zu überzeugen. Bisher bot er nur Kleidung und traditionelle Haushaltswaren an.

Auf Anraten von Herrn Mayer fuhr ich dann mit dem Bus zurück, muß aber sagen, daß ich den „PULMAN“ der Enge und den noch intensiveren Gerüchen der Busreisenden und ihres Reiseproviants vorziehe.
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Grundig Radios aus Arica

Von La Paz ging es dann nach Arica, auch, um die Montagefabrik von BOLOCCO kennenzulernen, der dort Grundig Radios zusammenbaute. Die Bolocco`s kannte ich noch aus Rehbein Zeiten. Ich hatte ihnen damals geholfen, die Grundig Vertretung für Chile zu bekommen.
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Arica, die besondere chilenische Stadt mit Freihafen

Arica war damals wegen der Förderung der Industrieansiedlung durch den chilenischen Staat eine aufstrebende und schnell wachsende Stadt und entsprechend gut waren deshalb auch die Verkäufe, zumal ARICA ein Freihafengebiet war und Sachen importiert werden durften, die im Hauptland CHILE verboten oder mit hohen Zöllen belegt waren.

Santiago de Chile ist wohl die europäischste aller südamerikanischen Hauptstädte

Das war damals jedenfalls mein Eindruck. Viele meiner Produkte waren dort nicht verkäuflich. Von Bruns konnte ich auch nur die Photoprodukte an die Firma REIFSCHNEIDER verkaufen. Diese Firma übernahm auch die UHER Vertretung.

In Santiago traf ich auch meinen Freund Enzo Bolocco, der seinerzeit seinen Vater nach Hamburg begleitet hatte und mit dem wir natürlich einen echten Reeperbahnbummel gemacht hatten.

Seine chilenische Angebetete ROSEMARY war deutscher Abstammung und um ihr zu zeigen, wie gut er schon deutsch konnte, haben wir damals gemeinsam die Liebesbriefe an sie verfaßt. Das muß seinen Zweck erfüllt haben, denn inzwischen waren sie verheiratet.
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Die Firma Victor BOLOCCO y COMPANIA in Valparaiso

Der Hauptsitz der Firma Victor BOLOCCO & COMPANIA war in Valparaiso und Don Victor wohnte in Viña del Mar, während Enzo in Santiago wohnte und die dortige Niederlassung leitete.

Als Don Victor von meiner Anwesenheit erfuhr, lud er mich zum Wochenende nach Viña ein. Ich nahm dankend an und fuhr mit dem Zug nach Valparaiso, wo er mich zusammen mit Doña Emilia abholte. Wir hatten alle ein schönes Wochenende, an dem er mir Valparaiso und Viña zeigte.
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Buenos Aires war für mich leider unerfolgreich

Der einzige Kontakt in Buenos Aires war die Firma OCIAL auch ELAFUNK, die sich schon an UHER wegen der übernahme der Vertretung gewandt hatte.

Sie hatte ein kleines Büro in Charcas Straße, geleitet von Ben Joseph, einem Juden aus Bremen, dessen Familie nach seinen Aussagen Beteiligungen an Reedereien und Industrieunternehmen in Bremen gehabt hatte. Ben Joseph war ein Endfünfziger, der in der Vergangenheit schwelgte und hoffte, möglichst bald die erwartete Entschädigung der deutschen Regierung zu erhalten, ohne die schon finanziell überhaupt keine Zusammenarbeit möglich war.

Er war begeistert von meinem UHER Mustergerät und wir verbrachten Stunden damit, seine alten deutschen Platten auf Band zu überspielen, es waren vor allem Filmmelodien und sein absoluter Stolz war eine Aufnahme des alten Schlagers Lili Marleen, gesungen von Lale Andersen.

Mit Glück habe ich noch heute eine Kopie davon (muß sie nur suchen). Joseph war Elektroingenieur und verdiente sich seinen Unterhalt unter anderem mit der Wartung der ELA Anlagen des TEATRO COLON, dessen Einrichtungen und Möglichkeiten er mir bei einer Führung eingehend erklärte.
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LUMO, ein Unternehmen der Familie Schlosser in Uruguay

Uher hatte mir auch für Uruguay Adressen von Interessenten gegeben, die ich auch aufsuchte. Meine Wahl fiel auf die Firma LUMO, ein Unternehmen der Familie Schlosser, deren Namen aus der Verbindung mit der deutschen Firma LUMOPRINT hervorgegangen ist. LUMOPRINT war damals eine führende Firma auf dem Sektor der Mikrofilmkopie und Speicherung von Unterlagen und Daten.
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Ein Blick in die Familiengeschichte der Schlossers

Die Schlossers hatten auch eine interessante und ereignisreiche Familiengeschichte. Er, Selmar Schlosser, war Diplom Agrarwirt – und wirklich ein leidenschaftlicher Landwirt, der bis zu seinem Hinauswurf durch die Nazis auf der landwirtschaftlichen Versuchsanstalt in Radebeul bei Dresden tätig war.

Danach fand er bei einer Rosenzüchtung in der Nähe von Hamburg eine Stelle und dort lernte er, der Jude, seine Frau, Tochter eines evangelischen Pfarrers kennen und lieben. Das erste Kind, Miriam wurde noch in Deutschlanbd geboren, der Sohn Peter, soweit ich mich erinnere, auf der Überfahrt nach Argentinien, wo sie auch die Kriegsjahre recht und schlecht überstanden.

Nach dem Krieg bekam er eine Anstellung bei der Administraciòn de Parqüs in Montevideo, die aber auch nicht viel einbrachte. Anneliese Schlosser, gelernte Drogistin, erwarb einen Kiosk und verkaufte und entwickelte unter anderem Filme, um zum Unterhalt der Familie beizutragen.

Daraus entwickelte sich LUMO, denn sie hatten eine Ausschreibung zur Mikrofilierung der gesamten Stadtakten gewonnen, deren Ausführung 3 Jahre dauerte und ihnen den Grundstock für das Unternehmen brachte.
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Danach landete ich in Sao Paulo.

Hier hatte ich weder Kontakte noch beherrschte ich die Sprache. Mit „Portuñol“ und englisch kam ich aber einigermaßen zurecht. Brasilien hatte mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, wollte sich industrialisieren und hatte deshalb ein Importlizenzsystem und hohe Zölle.

Ich konnte die Firma EMILE H. STAUB, er war Schweizer, für UHER interessieren und diese Verbindung hat dann auch einige Jahre den Möglichkeiten entsprechend funktioniert.
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Weiter ging es nach Rio de Janeiro - mein Geld wurde knapp

In Rio war ich weniger erfolgreich, habe die Stadt aber genossen, obwohl ich gerade in der Regenzeit dort war, denn ein Streik bei der PAN AMERICAN WORLD AIRWAYS hielt mich dort fast eine Woche lang fest.

Wie ich wohl schon früher erwähnt hatte, waren meine flüssigen Mittel für die Finanzierung der Reise überaus gering und es bedurfte einiger Kunstgriffe, um dieses Manko zu beheben.

So verlangte ich, wo es sich machen ließ, bei Neukunden eine Sicherheit in Form einer Anzahlung, die ich auch in Landeswährung annahm, denn eine globale Wirtschaft wie heute gab es noch nicht.

Den Firmen, denen das Geld eigentlich zustand, schrieb ich dann, ich hätte nur Landeswährung als Anzahlung bekommen können und sie sollten den Gegenwert meinem Provisionskonto belasten. Möglicherweise war díes denen nicht immer recht oder angenehm, aber ich war ja zu weit weg und den Auftrag wollten sie schon haben.
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Die letzten Länder - also Argentinien, Uruguay und Brasilien

Da nun aber die letzten Länder - also Argentinien, Uruguay und Brasilien – wenig Verkäufe und keine Vorauszahlungen eingebracht hatten, war bei mir wirklich „Matthäi am Letzten“. Nach dem Abflug von Rio nach Port of Spain – Trinidad, hatte ich nur noch rund 20 Dollar in der Tasche.

Bei Ankunft im Hotel Bretton Hall waren es 5 Dollar weniger. Obwohl die Verkäufe nicht schlecht waren, hatte ich es nicht geschafft, irgendwo eine Vorauszahlung "herauszuschinden", STANDARD Distributors zum Beispiel, eine große Firma, die unter anderem BOSCH und BLAUPUNKT vertrat, nahm die UHER Vertretung mit Freuden an, aber eine Vorauszahlung war nicht ihre Sache.

Ähnlich war es bei der Firma HARRIMAN, der ich BRUNS Radios und Elektrogeräte verkaufte, wie auch bei anderen Firmen. Im Hotel hatte ich zwar Frühstück, aber das war für einige Tage dann auch die einzige Mahlzeit. Nach einer Woche erhielt ich dann die Rechnung vom Hotel mit der Bitte, die vergangene Woche zu begleichen. Aber wie ?
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Es wurde ernst - ich hatte gerade noch 15 Dollar

Ich überlegte und spielte in Gedanken eine Reihe von Möglichkeiten durch und entschloß mich endlich dafür, am nächsten Tag unter Hinterlaßung meiner Habseligkeiten, nur mit meinem Aktenkoffer Trinidad als „NASSAUER“ (Anmerkung : Kleiner Gauner oder nur Schluri) zu verlassen. Im schlimmsten Fall würde ich über Caracas und Curacao direkt nach Deutschland zurückfliegen. Das Ticket hatte ich ja und an Bord gab es auch etwas zu essen.

Die Rettung, ein recht junger Chinese - Herr Chan

Bei Standard Distributors hatte ich einen jungen Schwaben kennengelernt, der dort als Bosch Techniker arbeitete und mich am Tag vorher auch zum Abendessen eingeladen hatte. Dabei hatte er beiläufig erwähnt, daß er mich gern am Sonnabend zum Flughafen fahren würde, wenn ich interessiert wäre. Natürlich war ich das.

So zog ich dann wieder in die Stadt, zu Fuß, obwohl das vom Hotel aus mehr als 2 km waren – und das bei der dortigen Hitze. Ich fand einen Laden, den ich noch nicht kannte: CHAN`s Photographers, und hinein gings mit dem Mut der Verzweiflung.

Herr Chan, ein wirklich netter, noch recht junger Chinese war nicht nur erfreut, meine Bekanntschaft zu machen, sondern hatte auch Interesse an den Fotoapparaten und Blitzlichtgeräten. Nur beklagte er sich über die hohen Zölle.
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Mein Gedankenblitz

Hier hatte ich plötzlich einen Gedankenblitz und erklärte ihm, daß sich das sicher arrangieren ließe, denn wir könnten den Wert einer Vorauszahlung, die er als Neukunde ja nun mal machen müßte, von der offiziellen Rechnung absetzen, so daß er so eine Zollersparnis hätte.

Das erfreute ihn absolut, aber er warf ein, daß er nur in Trinidad Dollar zahlen könne. Das sei keine Schwierigkeit erklärte ich ihm, und wir verblieben, daß ich ins Hotel gehen und den Auftrag zur Unterschrift fertigmachen und am frühen Nachmittag wieder zurückkehren würde.
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Schweißtriefend aber glücklich in der Badewanne

Ich bin wohl noch nie so erleichtert - trotz der Hitze - zum Hotel marschiert, bei dem ich schweißtriefend ankam und mich erst einmal eine halbe Stunde zur Reklimatisierung in die Badewanne legte, denn das Wasser war nur um die 28 Grad, also angenehm kühl.

Dann tippte ich den Auftrag und sauste in der Hitze wieder zu Chan, der unterschrieb und mir - entgegen meinem Wunsch - aber wohl zur eigenen Sicherheit einen Scheck über den vereinbarten Betrag gab, den ich sofort, noch ganz kurz vor Bankenschluß auch einlöste.

Dann zog ich mit geschwellter Brust ins Hotel zurück und verkündete stolz der Kassiererin, daß ich die Rechnung begleichen wolle, die sie mir freundlicherweise ins Schlüsselfach gelegt hätte.
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Es hatte in letzter Minute geklappt - mit der Hotelrechnung

Am nächsten Morgen – es war ja Sonnabend - verkündete ich ihr dann meine Abreise für den frühen Nachmittag und fragte, ob sie nicht freundlicherweise die von mir zuviel umgetauschten Trinidad Dollar wieder in US Dollar umtauschen könnte. Sie hatte nichts dagegen und ich war nun um rund 150 Dollar flüssiger. Damit und mit der Hilfe des Schwaben ging es dann zum Flughafen und weiter nach Caracas.
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Weiter gings nach Caracas

Während Caracas in einem Talkessel auf rund 900 Meter Höhe liegt, der von der Küste aufsteigt, liegt der Flugplatz in MAIQüTIA direkt am Meer. Die Hauptstadt ist über eine Autobahn mit mehreren Tunneln erreichbar per TAXI „por puesto“ für nur 5 Bolivares.

Die UHER Vertretung hatte die Firma FILMICA ELECTRONICA über die Exportfirma Kuhlenkampf + Konitzky aus Bremen inne. Ich machte meine Vorführungen und buchte für diese Leute einen schönen Auftrag über UHER Geräte. Dafür half mir Erhard Bake, ihr dortiger Büroleiter beim Verkauf von BRUNS Geräten.
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Dann gings nach Curacao

Das ist einer zollfreie Insel - die gute Geschäfte mit den umliegenden Ländern und den Inseln des britischen Comonwealth machte.

Entsprechend gut waren meine Verkäufe auf allen Sektoren. Die UHER Vertretung übernahm die Firma BUITENWEG, die auch BRUNS Radios und Musiktruhen kaufte. Auch die Kameras und die Haushaltswaren von KIBEX fanden guten Absatz.

San Juan in Porto Rico - die letzte Station

Die letzte Station war San Juan in Porto Rico. Das gehörte zwar politisch zu den USA, hatte aber eigene Zollhoheit. Ich fand in der Firma AUDIO SPECIALISTS OF PUERTO RICO einen Kunden für Bruns und UHER und gleichzeitig über viele Jahre einen Freund in dem Inhaber José Perez.

Seine Firma ging letztlich allerdings Pleite, aber der Verkauf des Grundstücks seines Vaters, das durch die Lage und das Wachstum von San Turce sehr an Wert gewonnen hatte, machte ihn trotzdem zu einem reichen Mann, der dann nach New York zog, wo unser Kontakt dann verloren ging.

Zufrieden mit meinem Erfolg und mit Zuversicht in meine Zukunft kehrte ich nach Hamburg zurück.
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Überall erfolgreich, nur mit BRUNS klappte es nicht mehr

Auch die meisten vertretenen Firmen waren zufrieden und vereinbarten die Fortsetzung der Zusammenarbeit.

Auch die Firma Kurt M. Bruns, mit der ich den größten Umsatz gemacht hatte, sagte mir einen neuen Vertragsabschluß zu, zögerte ihn aber mit immer wieder neuen Vorwänden bis in den November hinaus.

Dann erklärte mir Herr Bruns plötzlich, daß er der Meinung sei, daß das Geschäft noch viel besser sein könnte, wenn ich nur für ihn als Angestellter mit Erfolgsbeteiligung arbeiten würde.

Ich erwiderte, daß dies schon interessant und möglich gewesen wäre, wenn er diesen Vorschlag schon vor einigen Monaten gemacht hätte, bevor ich mit den anderen Firmen die neuen Verträge unterschrieben hatte. So kam also kein Vertrag zustande und wir gingen in Unfrieden auseinander.
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Kurt M. Bruns spielte ein falsches Spiel mit mir ....

Bruns hatte von mir einen ausführlichen Reisebericht mit Vorschlägen für das zukünftige Vorgehen erhalten. So war er bestens unterrichtet und stellte nun einen Mann ein, der mich als Reisenden für seine Firma ersetzen sollte.

Da Bruns meinen Reiseplan ja schon kannte, wurde der „Neue“, ein Herr Freitag, so eingesetzt, daß er immer mehr oder weniger gleichzeitig an dem Ort war, an dem auch ich war. So konnte ich bald feststellen, daß Bruns sich mit diesem Typen, er war so um die 50 Jahre alt, so richtig in die Nesseln gesetzt hatte.

Herr Freitag hatte lange in Kolumbien gelebt, von wo aus er sich aus nicht ganz koscheren Gründen ganz schnell wieder nach Deutschland zurückgezogen hatte und nun in BRUNS seinen neuen Brötchengeber fand.

Von Radios und Kameras hatte er so gut wie keine Ahnung, aber dafür um so mehr von den “Casas de Cita“ und ähnlichen Einrichtungen der leichteren lateinamerikanischen Art.
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Dieser Herr Freitag - außer Ärger und Spesen nichts gewesen !

Er hat daher Bruns außer Ärger und Spesen wenig eingebracht, aber das konnte mir nun auch nicht mehr weder helfen noch nützen.

Ich war mir bewußt, daß ich durch den Ausfall der Bruns Verkäufe mit den restlichen Linien bestenfalls eine Reise machen könnte, die mit „PLUS minus NULL“ oder schlechter enden würde.
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