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Ein Relais ist ein elektrischer Schalter

Typische Industrie-Relais
hier mit vielen Kontakten

von Gert Redlich im April 2015 - In unserem Sprachgebrauch ist ein "Relais" ein Schalter für elektrische Ströme. Und davon gibt es zwei Varianten, (1.) den (elektro-) mechanischen Schalter und (2.) den elektronischen Schalter.

Beginnen wir mit dem elektronischen Schalter (2.), mit dem man fast jede Art von (Dauer-) Verbrauchern elektronisch und kontaktlos an- und abschalten kann. Doch der ist für unsere Audio-Zwecke (Musik) nicht geeignet. Die ganz modernen Schalt-ICs lassen wir noch mal außen vor, die kommen in einerm anderen Artikel.

Der (elektro-) mechanische Schalter (1.) hat (fast) die Eigenschaften
, die wir benötigen, um in weiten Bereichen schwankende Leistungsverbraucher (Lautsprecher-Boxen) in unserem Audiobereich "von Ferne" zu schalten. Selbstverständlich können auch kleinste Leistungen oder sogar nur Spannungen ferngeschaltet werden. Beispiele kommen noch.
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  • Anmerkung : Auf dieser Seite geht es nicht um die prinzipiellen Eigenschaften eines Relais an sich, sondern um das Verständnis für die in unserem Hifi-Bereich wichtigen Detailinformationen.

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Einfaches mechanisches Relais
die Relais-Platte im E-210
ein Zugband in einem Grundg Verstärker

Das mechanische Relais

Das mechanische Relais ist allermeist ein magnetisch betätigter Kontakt. Doch das könnte man alles immer noch mit einem ganz einfachen Schalter machen. Dann jedoch müssen die Drähte bis zu diesem Schalter verlegt werden und das geht oft nicht bzw. das möchte man ja vermeiden.

So werden bei dem Accuphase E-210 Vollverstärker (und vielen andern hochwertigen Vorverstärkern) die Eingänge gleich hinten an der Rückwand direkt an den (Cinch-) Buchsen mit einer Vielzahl von Relais umgeschaltet.


Grundig hat das teilweise mit an langen Zugbändern angehängten Schalterstreifen auf rein mechanisch passive Weise ohne Relais gelöst (SV 2000).
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2 Lautsprecher Relais in einem Grundig Verstärker

Wichtiger sind diese Relais, wenn es bei uns um die Lautsprecher An- und Abschaltungen geht. Eines der größten Probleme bei hochwertigen Hifi-Verstärkern ist, die in der Leistungsendstufe erzeugten Signale auf kürzestem und schnellstem Wege verlustfrei zu den Boxen zu transportieren. Und da ist jedes Milliohm (in der Summe jedenfalls) zu viel.

Ein Relais kann mehrere (viele) Kontakte "bedienen"

6 Doppelblock-Kontakte

Richtig interessant wird diese Schalt-Technik, wenn man mehrere Kontakte gleichzeitig öffnen und/oder schließen muß - zum Beispiel ein Paar Stereo-Lautsprecher. Das ist mit einem mechanischen Tast- oder Druck-Schalter immer schwierig.

Auch kann man unter Umständen ein Relais von einer elektronischen Sicherheits-Schaltung stromlos werden lassen (und damit werden zum Beispiel die Lautsprecher von gerade "gestorbenen" defekten Endstufen abgekoppelt).
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"Dicke" Einschaltströme muß man begrenzen

Auch kann man bei ganz dicken Kraft-Verstärkern wie dem BOSE 1800/1801 einen strombegrenzenden 5 Ohm Hochlastwiderstand in der 230 Volt Netz-Zuleitung - nach einer Einschaltverzögerung von ca. 2 Sekunden - automatisch überbrücken. Das rettete so manche 16 Ampere Sicherung. Dazu hatte man bei BOSE ein ganz dickes Spezial-Relais ausgesucht, damit der Verstärker bei 2000 Watt Vollast die volle Netzspannung verlustfrei aus der Steckdose ziehen konnte. Diese Relais scheint aus dem Militärbereich zu kommen, denn es hat einen definierten Kontaktdruck - also nicht über die Kontaktarme, sondern über eine Druckfeder und einen starken Zwangs-Abwurf, damit es garantiert öffnet und nicht verklebt.
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Es geht also um richtg dicke Ströme

Jetzt kommt der ureigenste Anwendungszweck der allermeisten Relais. Ich möchte mit einem ganz kleinen Ström"chen" einen richtig dicken (Last-) Strom steuern.

Das wären zum Beispiel die Lautsprecher-Ströme an einer 2 x 400 Watt Endstufe. Und die müssten ja in jedem beliebigen Zustand an- und abgeschaltet werden können. Im Prinzip ist das alles noch kein besonderes Problem. Doch wir sprechen hier nicht von 230 Volt oder noch höhreren Spannungen, sondern von recht niedrigen (Audio-) Spannungen um die 60 bis 100Volt. Damit habe ich bei gleicher Leistung viel höhere Ströme als bei der Netzspannung.

Und jetzt macht sich wiederum jeder Kontaktwiderstand von Steckverbindern und Schaltern und Relais- Kontakten bemerkbar - zusätzlich zum Zuleitungswiderstand. Wie gesagt, wir bewegen uns in den oberen und höchsten Sphären der Hifi-Technik.
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Die Schwachstellen bei den Relais sind die Kontakte

Der Kontakt ist der Schwachpunkt bei jedem Relais. Die eigentlichen Kontakte bzw. die Kontaktkuppen sind anfällig. Zurück zur Physik: Um den geringstmöglichen Übergangs- widerstand bei den Kontakten zu erreichen, sind die Zuleitungen und die Kontaktarme meist aus dicken Kupferbahnen und massivem Messingblech oder benachbarten Legierungen. Beide Materialien eignen sich aber nicht als Kontaktmaterial für (hundert-) tausendfache Schaltvorgänge mit unerwünschten kleinen Randerscheinungen wie Lichtbögen und Funkenflug aller Art. Und das geht schnell.

Stellen Sie ihren Hightech Camcorder bei fast Dunkelheit vor solch ein Relais und stellen den auf Zeitlupe ein, also ca. 400 oder mehr Bilder pro Sekunde und dann schalten Sie eine Labor-Last an 30 Volt mit 30 Ampere Gleichspannung ein (es sind "nur" 900 Watt), dann haben Sie ihren Funken ordentlich dokumentiert. Das können Sie jetzt 100 mal machen und Sie haben fast 100 Funkenstrecken auf Video drauf.

Betrachten Sie jetzt bei hellem Sonnenlicht die beiden Kontaktkuppen Ihres Relais-Kontaktes, erkennen Sie eine angefangene Schwärzung rund um die Kuppe. Denken Sie jetzt diese Spielerei virtuell weiter und schalten Sie das ganze 7 virtuelle Tage lang rund um die Uhr aus und ein, dann sind (dann wären) die Kontakte schwarz verbrotzelt.

Der Relais-Hersteller prüft das wirklich im Labor nach und spezifiziert dann die Lebensdauer auf zum Beispiel 10.000 Schaltvorgänge unter der angegebenen Nennlast.

Hochstromkontakte
gekapselte Kontaktkuppen
flache Doppelblock-Kontakte

Extrem wichtig - das Kontakt-Material

Jetzt waren und sind die Physiker und Metallurgen gefragt. Welches Kontakt- und/oder Oberflächenmaterial ist geeignet, bei möglichst langer Lebensdauer und möglichst geringem Kontaktwiderstand diese zum Beispiel 10.000 Schaltzyklen mit möglichst geringen Blessuren (so könnte man den Abbrand des Kontaktmaterials nennen) zu überstehen.

Ist es zu weich,
bilden sich beim Aufeinanderprallen der beiden Kontakte kleine Kuhlen oder Löcher. Ist es zu hart, kommt es vermehrt zum sogenannten Prellen, das ist ein mehrmaliges Abprallen mit erneuter Kontaktierung. Man kann die Kontaktköpfe oder Kuppen auch mit einem anderen Metall überziehen (veredeln), zum Beispiel mit Gold oder Silber oder Nickel oder auch Platin. Es gibt da noch andere Legierungen, mit denen gearbeitet wird.

Da inzwischen fast 40 Jahre vergangen sind, die manche Relais klaglos überstanden haben und andere nicht, wissen wir, daß Silber keine gute Beschichtung war. Es läuft schwarz an und der Kontakt ist sehr oft recht früh schon weg. Gold war zu weich und die Beschichtung war relativ schnell ab.

Weiterhin ist die Form der Kontaktköpfe für den (dauerhaften) Übergangswiderstand von Bedeutung. Es ist einleuchtend, daß eine kugelförmige Variante eine deutlich kleinere Kontaktfläche - und damit einen höheren Übergangswiderstand - hat als eine große nahezu ebene Kontaktfläche. Auch das ist an bestimmte weitere Bedingungen wie den Pressdruck geknüpft und hat wieder Vor- und Nachteile.

und dann noch der Anpressdruck

leicht abgebrannte Kontaktkuppen
6 Doppelblock Umschaltkontakte

Gibt es weitere Randbedingungen, die auch noch eine Rolle spielen ? Natürlich gibt es die. Da ist zum Beispiel die Geschwindigkeit, mit der das Relais anziehen und abfallen soll. Diese Zeiten sind wiederum von der Anzahl der Kontakte und den geforderten Anpressdrücken anhängig.

Und das hat wiederum Einfluß auf die Größe der magnetischen Kraft, die die Magnetspule aufbringen muß, um die Kontakte sicher zu schließen. Je stärker die Magnetkraft, desto höher der zum Betrieb notwendige der Dauer-Strom, der die ganze Zeit über gebraucht wird. Die Leistung muß von der Steuerelektronik aufgebracht werden, egal wie laut Sie gerade hören.

Ergebnis : Je stärker die Kontakte (für hohe Ströme) ausgelegt sind, desto höher muß der Anpressdruck sein und desto größer wird das Bauelement "Relais" und desto mehr Strom wird dauerhaft verbraucht.

Und damit ist der Kompromiss vorprogrammiert, der bei Revox, Grundig und all den anderen Endstufen zuschlägt, wenn die Alterung einsetzt. Das macht auch vor den Relais-Batterien in teuersten Verstärkern wie dem Accuphase C280L nicht halt.
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Da habe ich doch fast den Preis vergessen

Warum haben so viele dicke Endstufen keine hochwertigen bzw. gar keine Schalt-Relais am Lautsprecher-Ausgang ? Es ist offensichtlich schlicht teuer oder bereits zu teuer, das mit der zugehörigen elektronischen Steuerung - auch noch - einzubauen.
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Die zweite Seite der Anforderungen

Ein sehr teures voll gekapseltes Spezial-Relais

Abseites der Hochstrom-Kontakte gibt es auch die Kleinstrelais, die kleinste Spannungen und Ströme "verläßlich" schalten sollen. Wir sprechen hier von (Wechsel-) Spannungen von 1 Millivolt bis 1,5 Volt und fast nicht mehr meßbaren Strömen.

Das sind dann unsere Eingangsumschalter bei Edel- Vorverstärkern und Vollverstärkern und - bei den meisten Lesern völlig unbekannt - die großen sogenannten "Kreuzschienen" beim Rundfunk und beim Fernsehen.

Wenn ich bei einem Hifi-Vorverstärker lediglich 4 bis 8 Stereo-Eingänge zu dem einen Hauptverstärker bzw. zum Lautstärkeregler durchschalten muß, habe ich im Rundfunk-Studio ein "Schienen-Kreuz" von vielleicht 30 Quellen und 20 Abnehmern, in großen Sendern sind es aber 100 x 100 "Wege", die ich miteinander verbinden muß, und das sogar noch gleichzeitig. Da ist unser "Verstärkerchen" eine belanglose Randerscheinung.

Doch die Bedingungen sind die gleichen, es muß funktionieren, - immer und ohne wenn und aber. Dies wiederum bedeutet, ich brauche ganz edle Relais, die weder verbrotzeln, noch korrodieren, noch sonstwie den Geist aufgeben.
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Voll verlötete oder vergossene und vergoldete Relais

Natürlich gibt es solche Relais, sogar schon seit über 50 Jahren und darum wissen wir ja, daß sich der Aufwand gelohnt hat. Ganz speziell in der Fernsehtechnik gab es in den Anfängen den Hauptschaltraum, bei dem "zwei Hände" in riesen großen Steckfeldern diese Schaltungen getätigt haben. Mehr darüber steht im Fernsehmuseum1. Mit zunehmender Automatisierung mußte das aber direkt von der (Bild- und/oder Ton-) Regie aus bedient werden, aber bitte genauso zuverlässig wie bisher.

Es gab nur wenige Firmen, die aus den verfügbaren Relais dann solche Kreuzschinen-Verteiler konstruierten und in den "Anstalten" installierten. Hinten kamen dennoch riesige Kabelbäume raus, die durch den ganzen Sender liefen.

Viele Relais sind mit Gas gefüllt

Wenn da nichts blitzen, funkeln oder gar brennen darf, ist Sauerstoff sehr hinderlich. Stickstoff muss her. Doch dieses Gas bleibt da nicht freiwillig drinnen. Die Schutzkappe muß langzeit-dicht sein, vergossen zum Beispiel.

Dann kann ich auch in die Kontakte echtes Gold investieren, die verbrotzeln fast nicht, auch nach Jahren nicht.








Weitere Bilder sind im Kommen


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