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Die Kolumne vom März 1983 (von Hermann Franz)
Das mußte mal gesagt werden : "No Future - null Bock ?"

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von Dr. rer. nat. Hermann Franz, Diplom-Physiker, Studium in Göttingen, Tübingen und Stuttgart. Ab 1956 auf dem Gebiet der Werkstofftechnik in der Industrie (Hanau und Berlin) tätig. Ab 1969 Technischer Geschäftsführer der Siemens-Tochter- Gesellschaft Vacuumschmelze GmbH, Hanau. 1978 Übertritt zur Polygram GmbH/BV, Mitglied der Gruppen-Geschäftsführung, Leiter des technischen Bereiches.

Anmerkung:

Selbstverständlich sieht Dr. Franz das Ganze aus der Sicht des Polygram Chefs - und meiner Meinung nach - etwas einseitig. Ein riesen Batzen der Entwicklungsarbeit wurde Jahre zuvor in den Philips Labors in Holland gemacht und ein zweiter Batzen an Entwicklungen wurde bei Bayer Leverkusen in deren Kunststofflabors sowie in der Verfahrenstechnik zu Herstellung des Polycarbonates in hochqualitativen "Riesenmengen" (ein ganzer Güterzug voller Polycarbonat) gemacht. Denn die ersten Probepressungen wurden bei Philips in Holland gemacht und nicht bei Polygram. Auch wollten die zukünftigen CD-Hersteller wie Polygram unbedingt das Philips Patent zur Pressung der CDs umgehen und die 10 Millionen DM Lizenzkosten (eine insgesamt jedoch marginale Kostenbeteiligung) einsparen. Darum dauerte das bei Polygram auch so extrem lange.

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Die aktuelle Lage 1983

An negativen Nachrichten über das Wirtschaftsleben haben wir uns nachgerade gewöhnt. Weltweit herrscht Rezession. Mutlosigkeit scheint sich auszubreiten. Die Stimmung ist mancherorten noch schlechter als die Lage. Bestätigt das die „no-future"- Einstellung in weiten Kreisen der jungen Generation? Und ist ihre „mal-sehen"- Abwartehaltung inzwischen von den Entscheidungsträgern der phonographischen Wirtschaft übernommen worden?

  • Anmerkung : Wie an vielen Stellen auf vielen Museen-Seiten angemerkt, stehen die tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten der Jahre 1990 bis 1993 zwischen den Zeilen, so wie auch wieder hier vom Technik-Chef von Europas größter Plattenfirma.


Oberflächliche Eindrücke aus der Medienlandschaft scheinen das zu bestätigen. Auch die Entertainmentbranche bietet kein rosiges Bild. Sehnlich herbeigewünschte neue Trends, umwerfende, möglichst weltweite Hits, entsprechend saftige Deals - nichts davon in Sicht. Und wie sieht es im Bereich der HiFi-Technik, bei den Geräten und Anlagen aus? Dem riesigen Angebot steht auch der informierte Käufer ohne Beratung durch Fachleute recht hilflos gegenüber! Und da das Bessere der Feind des Guten ist, füllen sich die Lager mit Geräten, die neu und doch schon von gestern sind; der Handel hat keine rechte Freude an der vorhandenen Fülle.

Das wär's? Nein, keineswegs!

Technischer Wandel ereignet sich. Wenn es stimmt, daß die Neuerungen in der Tonträgerindustrie, insbesondere bei Schallplatten, stufenweise und mit beträchtlichen zeitlichen Abständen erfolgen, dann sind wir gerade dabei, eine solche Stufe, und zwar eine große, zu ersteigen. Die Digitaltechnik umfaßt jetzt nicht nur, wie schon vor Jahr und Tag, den Aufnahmebereich, sondern auch die Wiedergabe aufgezeichneter Musik. Und das ist in der Tat ein Ereignis!

Compact Disc Digital Audio ist das Schlüsselwort für eine Innovation, die für die Musikbranche wie für die Konsumelektronik sehr viel mehr Neues bringt, als Skeptiker wahrhaben wollen. Wer Ohren hat zu hören, merkt es, und die Fachleute haben es in Japan, USA und längst auch in Europa getestet: Compact Disc vermittelt eine völlig andere, weiterreichende Dimension von Klangerlebnissen. Sie werden nun dort verfügbar, wo wir das Erlebnis „Musik" am häufigsten, aber bisher noch mit einer fühl- und meßbar reduzierten Qualität gegenüber dem Originalereignis haben: zu Hause.

Es war eine gewaltige Leistung . . .

Die Compact Disc, von Philips erfunden und gemeinsam mit Sony weiterentwickelt, wurde in nur anderthalb Jahren von Polygram fertigungsreif gemacht, die Markteinführung vorbereitet. (Siehe auch Anmerkung ganz oben) Am traditionsreichsten Standort der Tonträgerindustrie, in Hannover, konzipierte man die Prozeßtechnologie für die industrielle, die Massenherstellung des neuen Produktes. Dieses Ziel konnte rasch erreicht werden, weil in der Entwicklungsabteilung umfangreiche Vorerfahrungen auf dem Gebiet der optischen Bildplatte vorlagen. Immerhin hatte man dort für einschlägige Arbeiten in den letzten zehn Jahren rund 20 Mio DM ausgegeben. Ab dem ersten Quartal 1981 wurde die neue Fabrik geplant und aufgebaut. In anderthalb Jahren wurden 30 Mio DM in Bauten und Anlagen der CD-Fertigung investiert!

In Entwicklung und Fertigung arbeiten mit hohem Engagement bereits über 180 Mitarbeiter an der Herstellung des neuen Produktes bzw. an der zügigen Rationalisierung der Fabrikation. Diese Arbeitsplätze wurden entweder neu geschaffen oder blieben erhalten, obwohl die weltweite Rezession in der Schallplattenindustrie sonst allerorten zu einem beträchtlichen Stellenabbau geführt hat.

Und wir expandieren weiter . . .

Übrigens sind weitere Planungen für die nächste Ausbaustufe in Hannover abgeschlossen und zusätzliche, hohe Investitionen eingeleitet worden. Sie werden im Jahr 1983 noch einmal etwa so groß sein wie die bereits erfolgten, um zusätzliche Fertigungsmöglichkeiten zu schaffen. Nun rede noch einer vom mangelnden Mut zum unternehmerischen Wagnis oder davon, daß allenthalben im Lande Chancen ungenutzt und neue Wege unbeschritten blieben, Zukunft verspielt werde. Wer die Wirtschaftslandschaft kennt, weiß, daß solche Urteile voreilig, unvollständig, zum Teil grob falsch sind. Es wird hart gearbeitet, freilich unter meist erschwerten Umständen. Die Erfolge sind aber häufiger als der zur Mode gewordene, in den Medien eilfertig verbreitete Pessimissmus erwarten läßt. Die Wirtschaft kennt keinen „null Bock" - er wäre ihr Tod.

Der Sprung in technisches Neuland und das damit verknüpfte hohe Investment ist kühn. Ein beachtlich kostspieliger Wechsel auf die Zukunft wurde gezogen im Vertrauen auf die Durchschlagskraft einer hervorragenden technischen Leistung. Daß Musikliebhaber sich auf Compact Disc ein- und umstellen werden, daran besteht kein Zweifel! Das gilt auch für den Gerätesektor, in den - bereits jetzt erkennbar - neue Impulse ausstrahlen. Die Digitaltechnik bricht sich Bahn, denn - bestätigt durch Erfahrungen in Japan: Qualität gewinnt, und das neue System gewährleistet sie in einer früher nicht für möglich gehaltenen Weise.
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Die technische Glanzleistung in Hannover kann sich sehen - und hören! - lassen. Bei Polygram jedenfalls ist man ein bißchen stolz darauf, mit einem zukunftweisenden Produkt wiederum unter Beweis zu stellen, was „made in Germay" eigentlich heißt. Also doch Zukunft!

Das durfte - auch in eigener Sache - einmal gesagt werden.

Hermann Franz

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