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aus Radio-Magazin 01/1955 (Januar)
Vorschläge zur stereophonischen Rundfunkübertragung

Angeregt durch unsere Aufsätze „3 D . . . Raumklang . . . Stereophonie" in RADIO - MAGAZIN 1954, Heft 9, Seite 282 und „Zwei Rundfunkprogramme über einen Sender" in Heft 6 des gleichen Jahrganges macht unser Leser, Rundfunkmechanikermeister Eilers, einen interessanten Vorschlag zum Thema stereophonische Rundfunkübertragungen. Gewiß, heute erscheint uns das alles als Zukunftsmusik, zumal sich der praktischen Verwirklichung viele Hindernisse entgegenstellen. Aber warum soll man sich nicht schon heute Gedanken über die Technik von übermorgen machen?

Anmerkung: Wir sind im Jahr 1955 - UKW ist gerade mal 3 bis 4 Jahre alt und Transistoren sind Wunderwerke der Technik.

Gebraucht werden zwei Übertragungswege

Echte stereophonische Rundfunkübertragungen benötigen zwei getrennte Übertragungswege zwischen Mikrofonen und Lautsprechern und damit zunächst auch zwei Sendefrequenzen. Im UKW-Bereich müßte es aber eigentlich möglich sein, mit einem einzigen Sender auszukommen. Dieser wird in der gewohnten Weise mit dem einen Übertragungskanal frequenzmoduliert und gleichzeitig mit dem zweiten Übertragungskanal als AM-Sender betrieben.

Sicher würde im AM-Übertragungsweg der Vorteil der Störbegrenzung wegfallen, aber die stereophonische Rundfunkübertragung wäre ohnehin nur bei Ortsempfang sinnvoll (Störfreiheit), und hierbei treten AM-Störungen wegen des günstigen Nutz/Stör-spännungsverhältnisses kaum in Erscheinung. Vielleicht könnte man den AM-Kanal vorwiegend für die Übertragung der Baßinstrumente ausnutzen und die hohen Töne hauptsächlich dem FM-Kanal zukommen lassen. Dann wirken sich die meisten Störgeräusche kaum nennenswert aus.

(Anmerkung : AM Stereo gab und gibt es in Japan.)

Das Empfangsgerät müßte zwei Demodulatoren und zwei Nf-Kanäle erhalten, etwa einen Ratiodetektor mit der EABC 80 und nachfolgender Endröhre und einen normalen AM-Gleichrichter mit nachfolgendem zweiten Nf-Verstärker. Daß man Empfänger mit Zweikanalverstärker schon in der 500-DM-Preisklasse bauen kann, hat die Industrie bereits bewiesen. Die UKW-FM-Sender sind ebenfalls vorhanden, sie müßten nur einen AM-Modulationszusatz erhalten. Soweit Herr Eilers.

Seine Überlegungen erscheinen auf den ersten Moment so einleuchtend, daß man sich unwillkürlich fragt, warum die Sendegesellschaften noch keine entsprechenden Versuche durchgeführt haben.

Wir wandten uns deshalb an einen maßgeblichen Senderfachmann und erfuhren folgendes: Stereophonische UKW-Sendungen nach dem AM/FM-Verfahren über einen Sender sind tatsächlich schon durchgeführt worden, und zwar überraschenderweise in einem arabischen Staat. Die Schwierigkeiten, die beim Ausstrahlen von zwei verschiedenen Programmen über einen Sender auftreten (gegenseitiges Üb er sprechen), stören bei siereophonischen Übertragungen kaum, da hierbei der Programminhalt beider Kanäle praktisch gleich ist. Im ungünstigsten Fall verschwindet für Sekundenbruchteile der stereophonische Eindruck, aber das wird vom Ohr kaum bemerkt. Gegen die Einführung des stereopho-nischen AM/FM-Rundfunks spricht aber ein anderes Hindernis: Die jetzigen FM-Sender könnte man nämlich nicht weiterverwenden.

Diese Sender werden — das sagt ja schon der Name — nicht in der Amplitude moduliert. Sie können daher immer mit der höchstmöglichen Leistung (Oberstrich) betrieben werden. Das ist der Grund dafür, daß man mit verhältnismäßig kleinen und billigen Sendern auskommt. Würde man sie gleichzeitig amplitudenmodulieren, so wäre es erforderlich, die Ausgangsleistung so weit herabzusetzen, daß die Oberstrichleistung erst bei den lautstärksten AM-Spitzen erreicht wird. Diese Leistungsverminderung hätte aber gleichzeitig eine Verminderung der Senderreichweite zur Folge.

Um das vorgeschlagene Verfahren zu verwirklichen, ohne an Versorgungsbereich einzubüßen, müßte man stärkere Sender bauen, bei denen die mittlere AM-Leistung der jetzigen FM-Oberstrichleistung entspricht. Außerdem würde wahrscheinlich die Begrenzerwirkung unserer heutigen UKW-Empfänger nicht ausreichen, um die zusätzliche Amplitudenmodulation im FM-Kanal restlos zu unterdrücken. Aber das ließe sich durch weitere Begrenzerstufen wahrscheinlich technisch befriedigend lösen. Man sieht also, der Vorschlag hat durchaus Hand und Fuß.

Aber hören wir, wie sich unser Leser die stereophonische Rundfunkübertragung auf der Niederfrequenzseite weiter vorstellt. Nach der AM-FM-Demodulation würde man zwei Nf-Spannungen erhalten, die zwar dasselbe Programm bringen, die sich aber etwas voneinander unterscheiden; sei es in der Tonfärbung oder durch eine winzige zeitliche Verschiebung. Beide Tonspannungen müßten zwei getrennten Verstärkern und zwei Lautsprechern zugeführt werden, die im Zimmer mit einigen Metern Abstand aufzustellen sind.

Am besten wäre es vielleicht, den einen Lautsprecher wie bisher in das Gerät einzubauen und den zweiten als Lautsprechergruppe für die Aufstellung in einer Zimmerecke auszubilden. Man könnte auch an einen Eckenlautsprecher mit einem Breitbandsystem denken und vielleicht den zweiten Nf-Verstärker in diesen Lautsprecher einbauen. Dann könnte die Zusatzanordnung, die man später zur Stereophonie braucht, gesondert angeschafft werden. Am Empfänger müßte dann nur ein getrennter Diodenausgang (AM-Ausgang für UKW) angebracht werden.

Eine solche zusätzliche Schallquelle hätte auch aus anderen Gründen Vorteile: Man könnte sie nicht nur universell verwenden (wie beschrieben für Stereophonie oder allein für normalen Rundfunk), sondern mit ihr auch gleichzeitig den heute bereits in Mittelklassengeräten üblichen Lautsprecheraufwand wirtschaftlicher gestalten. Ein zusätzlicher Lautsprecher in einer Eckenschallwand oder mehrere in einer Gruppe bringen eine überraschende Klangverbesserung. Eine solche Anordnung würde auch diejenigen . Hörer befriedigen, die sich über die zu harten Bässe mancher Rundfunkempfänger beklagen.

Diese Erscheinung ist darauf zurückzuführen, daß die meisten Empfängergehäuse für das richtige Abstrahlen der Bässe zu klein sind und daß das Fehlende durch Gegenkopplung erzwungen werden muß. Ein großer zusätzlicher Lautsprecher mit gutem Wirkungsgrad bei den Tiefen würde auch mehr dazu anregen, die hohen Töne voll auszunutzen (also den Höhenregler weit aufzudrehen), ohne daß die Höhen als überspitzt empfunden werden. Spät abends könnte man den großen Außenlautsprecher abschalten, um auf den Nachbar Rücksicht zu nehmen. Auch bei Sprachsendungen wäre das vorteilhaft, weil durch das Wegfallen der kräftigen Tiefen die Verständlichkeit zunimmt.

Mit dem Erwerb eines solchen Zusatzlautsprechers könnte auch der finanziell schwächere Käufer sein Mittelklassengerät zu einem Spitzensuper ergänzen. Denn das Spitzengerät unterscheidet sich von der mittleren Preisgruppe vorwiegend durch die Ausbildung des Nf-Teiles.

Zu allen diesen Überlegungen regt die 3-D-Technik an. Man wird wohl annehmen dürfen, daß sie nicht das Ende der bisherigen, sondern den Anfang einer neuen Entwicklung bildet. Herr Eilers hat recht, wenn er durch Gegenkopplung verursachte „harte" Bässe beanstandet, wie man sie gelegentlich noch bei manchen Empfängern beobachtet, nur ... solche Bässe werden nicht durch die Gegenkopplung, sondern gerade durch das Fehlen einer solchen erzwungen. Man bildet das Gegenkopplungs-Netzwerk so aus, daß nur in den Mittellagen die Verstärkung absinkt und Höhen und Tiefen ungeschwächt, also angehoben gegenüber den mittleren Tönen, in Erscheinung treten.

Da die Gegenkopplung bei den Bässen fehlt, bleibt auch der hohe Innenwiderstand der heute allgemein benutzten Endpentoden bestehen. Die kräftigen Bässe lenken die Lautsprechermembran sehr weit aus, und wenn der tiefe Ton vor dem Mikrofon bereits abgeklungen ist, schwingt die Membran des Lautsprechers noch einen Augenblick länger hin und her (Ausschwing Vorgänge). Der Erfolg ist ein verwaschener Baß, man bezeichnet ihn auch als „Dröhn- oder Bumsbaß".

Eine solche Wiedergabe ist aber nicht als „hart", sondern eher als zu weich zu bezeichnen. Man kann sie übrigens gut vermeiden, und in vielen modernen Geräten verfährt man wie folgt: Ein Gegenkopplungskanal ist frequenzunabhängig ausgebildet, so daß er auch bei den Tiefen wirksam ist. Dadurch wird der Innenwiderstand der Endröhre im gesamten Tonbereich verkleinert. Eine durch kräftige Baßamplituden zum Schwingen angeregte Lausprechermembran kann nun nicht mehr unkontrollierbar „nachhinken". Wenn sie „wild" ausschwingen will, wird ihre Schwingspule selbst zum Generator und erzeugt Induktionsspannungen. Diese brechen aber in dem niedrigen Innenwiderstand der Endröhre zusammen, und die nachschwingende Membran wird sofort abgebremst. Die eigentliche Baßanhebung erfolgt bei dieser Schaltung in einem zweiten Gegenkopplungskanal oder in einem besonderen RC-Glied im Übertragungsweg.

Es trifft auch zu, daß Lautsprechergruppen (Telefunken-Ausdruck: Strahlergruppen) oder Lautsprecher mit Spezial-Schallführungen (z. B. Ecklautsprecher) einen besonders guten Wirkungsgrad bei den Bässen besitzen. Man könnte hier zum Teil auf eine zusätzliche elektrische Baßanhebung verzichten. Diese Tatsache ist den Empfänger-Konstrukteuren wohl bekannt. Man weiß ganz genau, daß man mit weniger Aufwand unter Umständen bessere Wiedergabe erzielen könnte. Aber . . . , das Publikum lehnt es in der überwiegenden Mehrzahl ab, zwei getrennte „Kästen" aufzustellen.


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