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Saul Marantz 1986

Interview mit Saul B. Marantz aus 1986

Dieses Interview wurde laut Mitautor Werner Eymann bereits 1986 von dem USA Korrespondenten Douglas Alemanne in New York aufgezeichnet und in einer wirklich selten gelesenen Zeitung (digital audio 1987) abgedruckt.

Saul B. Marantz (Saul Bernard Marantz 1911–1997) wurde im Juli 1911 geboren. Sein und Avery Fischers Name sind weltweit Synonyme geworden für die ersten HiFi-Geräte. Wir besuchten den Pionier der High Fidelity in Long Island, New York in seinem Einfamilienhaus.

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Saul, wie begann damals alles? Stimmt es, daß der Anfang dem Klischee entspricht, das den Audio-Industriellen als den Garagenproduzenten, der aber High Tech liefert, darstellt?

Herr Marantz : Es klingt unglaublich, aber in meinem Falle war es tatsächlich so. Es begann sogar alles hier, hier im Keller dieses Hauses. Ich war 1947 noch selbständiger Designer für Anzeigenagenturen, und Audio war mein Hobby. Zur damaligen Zeit gab es nur irgendwelche kleinen Kästchen, die als Vorverstärker für Plattenspieler dienten. Ich bastelte mir damals ein solide aussehendes Gerät, das die einzelnen Komponenten, mit denen die kleinen Kistchen und Kabel, mit denen Plattenspieler und Tonband in das Radio eingeschleift wurden und das man heute als Vorverstärker bezeichnet. Auf Drängen einiger meiner Freunde erstellte ich dann hin und wieder auch ein Gerät für meinen Bekanntenkreis.

Was war das erste produzierte Gerät?

Herr Marantz : Das erste Gerät in Serie war der Mono-Vorverstärker "Audio Consolette", der hier im Hause erstellt wurde. Tagsüber kamen zwei Frauen, die die Verkabelungen vornahmen, und nachts kamen zwei Männer von IBM, die die schwierigeren Dinge erledigten.

Was ermutigte Sie zur Serienproduktion?

Herr Marantz : Nun, das Drängen von immer mehr Freunden und Bekannten sowie die Anfragen lokaler Audio-Händler. Ich habe mich damals mit meiner Frau beraten und die meinte: o.k., warum versuchen wir es nicht einfach und produzieren erst einmal 100 Stück, dann sehen wir, wie die Sache läuft.

Wie groß war die Produktionsfläche?

Herr Marantz : Das waren etwa 12x5 Meter im ganzen. Aber wir mußten noch, während wir anfingen, die ersten hundert zu produzieren, schon ein kleineres Gebäude anmieten, da sich die Sache herumgesprochen hatte und nach wenigen Tagen schon über 600 Aufträge vorlagen.

Haben Sie alles selbst gemacht?

Herr Marantz : Nein, keineswegs, ich hatte ja nur die Grundidee und gar nicht die entsprechende Ausbildung dazu, so ein Projekt professionell anzugehen. Für Probleme und Tests habe ich gleich Sydney Smith angestellt, der den zur Audio Consolette passenden Endverstärker Modell 2 schuf.

Welche Konzeption stand hinter ihrem ersten Programm?

Herr Marantz : Es war der Wunsch, einen ersten soliden Vorverstärker zu bauen, der die technischen und praktischen Unzulänglichkeiten der Leitungen und in jeweils separaten Gehäusen zusammengefaßten Anpassungselektronik überwinden sollte.
Es sollte ein ästhetisches Gerät werden, dessen Bedienung einfach und zuverlässig ist. Sorgfältig verarbeitete Wahlschalter sollten jeden Komfort bieten. Die Audio Consolette wurde anfangs bronzefarben, später champagnerfarben ausgeliefert. Sie hatte eine externe Stromversorgung. Da es damals noch keinen RIAA-Standard gab und jede Schallplattengesellschaft noch eigene Equalizerkurven hatte, gab es einen Wahlschalter für die verschiedenen Kurven. Der Eingangswahlschalter umfaßte Mikrofon, Low Level Phono, Mid Level Phono, Tuner, TV (!) und Extra (Tonband etc.).

Wie schnell wuchs die junge Firma?

Herr Marantz : Rasend. Wir expandierten von 200 auf 5000 squarefeet, und wir mußten in dieser Phase tatsächlich leere Garagen etc. anmieten, da wir gar keine Zeit hatten, auf die Fertigstellung der zwischenzeitlich hochgezogenen Fabrikgebäude zu warten.

Wie entwickelte sich Ihre Produktpalette?

Herr Marantz : Nach den Monogeräten Audio Consolette und Modell 2 Endverstärker stellten wir 1954 das Modell 5 mit 45 Watt vor. Dann war da das Modell 7 von Sydney Smith - unser erster Marantz Stereo-Vorverstärker sowie die Modelle 8 und 8b/Stereoendverstärker. Das Modell 9 war schließlich ein Mono-70-Watt-Modell.

Das waren ja noch alles Röhrengeräte. Wann schufen Sie das erste Transistormodell?

Herr Marantz : Das war 1964. Wir produzierten simultan ein Modell mit Röhren und eins mit Transistoren, wobei wir in der Entwicklung anstrebten, daß die Meßwerte der neuen Transistortechnologie aufs Haar genau denen der Röhren entsprachen. Nach langen Messungen und aufwendigstem Abgleich hatten wir unser Ziel auch erreicht. Aber - ich muß es gleich sagen, und heute kann ich es auch offen zugeben - das Transistorgerät klang vergleichsweise wirklich lausig, trotz exakt gleicher Meßdaten. Das Ohr ist einfach ein besseres Meßinstrument als es unsere damaligen Meßplätze waren.

Das war ja schon ein recht abgerundetes Programm.

Herr Marantz : Ja, vor allem, nachdem wir 1963 mit einem Projekt begannen, das sehr viel Geld verschlang: der 10B FM Tuner. Für dieses Vorhaben konnte ich neben Smith einen weiteren hervorragenden Ingenieur gewinnen: Dick Sequerra. Beide arbeiteten verbissen daran, das Beste für den Weltmarkt abzuliefern.

Woher kamen die Gelder, um eine solche Expansion zu ermöglichen ?

Herr Marantz : Aus dem Verkauf meiner Firma an Superscope, den Importeur der Vereinigten Staaten für Sony Geräte, wobei Superscope schließlich den Namen Marantz annahm und ich dreieinhalb Jahre als Präsident dieser Gesellschaft vorstand.

Warum gaben Sie mit dem Verkauf Ihre Unabhängigkeit auf?

Herr Marantz : Mir kam es darauf an, weiter zu forschen, forschen zu lassen und meine Ideen bezüglich Gerätedesign und Handling zu verwirklichen. Ich bin mit Leib und Seele immer Designer gewesen.

Welche Modelle wurden damals produziert?

Herr Marantz : Sehr erfolgreich war das Modell 18 FM Receiver in solid State Ausführung, das sehr gut klang, obwohl im Prinzip die Transistorschaltung des die Meßdaten des parallel produzierten Röhrengerätes simulierenden Endverstärkers benutzt wurden. Das verwunderte uns alle, und wir konnten es uns nur durch die Vereinfachung der Grundschaltung und die herabgesetzte Leistung bei fast gleichen Bauteilen erklären. Der Receiver war also eine Zusammenfassung von Bewährtem - der vereinfachten Schaltungen unseres Power- und Pre-Amplifiers sowie des Timers.

Warum verließen Sie schließlich Ihre Firma?

Herr Marantz : Ganz einfach, meine Aufgabe war erfüllt, es gab für mich nichts mehr weiter zu tun, und ich war ja auch nicht mehr der Eigentümer.

Sie gingen also in den Ruhestand?

Herr Marantz : Nein, noch nicht. Ich machte wieder selbständig Industriedesign.

Wir konzipierten zum Beispiel Ansagesysteme für Zugstationen und zogen die entsprechenden Produktionsstätten dazu hoch. Für einen Musikverleger, der eine Chance in der PA-Industrie sah, schufen wir einen Gitarrenverstärker und richteten auch wieder die Fabrik für die Firma ein. Für mich war es nicht erlaubt, mit den Produkten der Firma Marantz zu konkurrieren. 1972 traf ich dann Jon Dahlquist, von dessen Lautsprecherkonstruktionen ich durch ihren natürlichen und räumlichen Klang sofort begeistert war.

Weil ich das Potential, das in seinen Ideen steckte, erkannte, gründete ich mit ihm zusammen die Dahlquist Corporation, mit der Intention, nur die ersten fünf Jahre zu bleiben und den Aufbau zu forcieren. Ich war ja inzwischen immerhin 61 Jahre alt. 1978 verließ ich dann auch die Firma Dahlquist, um mich in den Ruhestand zu begeben.

Aber doch nicht für immer?

Herr Marantz : Nein, dieses Jahr habe ich zusammen mit 4 anderen (Ed. Woodard, John Curl, Peter Winslow, John Curl die Firma Lineage gegründet, und in der "Sommer CES" haben wir die Prototypen unserer neuen Endverstärker PA 200 sowie Vorverstärker CP 100 vorgestellt. Es war dabei zuerst John Curl, der vor allem durch seine Arbeiten für Mark Levinson und Denessen eine weltweite Anerkennung gefunden hat, der mich darauf ansprach, ob ich Interesse hätte. Ich hatte, und ich werde mich wieder weiter in die Materie einarbeiten.

Wann werden die Modelle zu haben sein?

Herr Marantz : Pre und Power Amplifier werden voraussichtlich Mitte nächsten Jahres zusammen auf den Markt kommen.

Wieviele werden produziert werden?

Herr Marantz : Zunächst je 1000 Stück. Interessanterweise hat eine jener beiden Frauen, mit der zusammen ich hier im Keller anfing, die
dann auch später für Dahlquist arbeitete, als sie von unserem Projekt erfuhr, angefragt, ob sie nicht wieder für mich arbeiten könne und die Leute in der neuen Produktion anlernen solle. In Schulung der guten alten Manier, solider Handwerkskunst, werden solche Schlüsselleute ihre Erfahrung einbringen.

Eine Frage an Sie als Designer. Was halten Sie von den auch in den USA erfolgreichen europäischen Kreationen von Braun oder Bang und Olufsen?

Herr Marantz : Das Design beider Firmen ist sehr gut, wobei B+O mir creativer erscheint. Aber - es ist nicht die Art Design, die ich machen würde.

Was würden Sie jungen Designern mit auf den Weg geben wollen?

Herr Marantz : Es gibt keine Formel für gutes Design!

Zurück zur Technik. Was sagen Sie zu neueren Techniken, besonders der digitalen Signalverarbeitung und Speicherung?

Herr Marantz : Intuitiv fühle ich, daß digital immer besser werden wird. Im Augenblick kann ich jedoch nur darauf verweisen, was ich schon im Zusammenhang mit der Transistortechnik erklärte: Oft sagen die Messungen Ja, aber das Hören Nein. In meinem Alter habe ich dabei vor allem den Ohren Jüngerer zu trauen, insbesondere denen von John Curl und Jon Dahlquist. Wir haben auch mit moderneren Konzepten wie Operationsverstärkern experimentiert, aber die Resultate waren nicht voll befriedigend.

Mit welcher Anlage hören Sie selbst privat?

Herr Marantz : Sie sehen es selbst. Meine alten Röhrenverstärker, ein Denon Laufwerk, CD Spieler von Yamaha, die Dahlquist IQ 10 inclusive aktiver Frequenzweiche und Subwoofer. Die DQ 10 ist ein sehr analytischer Lautsprecher, der aber auch kritisch sein kann, weil er das Klipping schlechterer Verstärker hörbar macht. Aber auch: Dieser Lautsprecher braucht Raum.

Wie sehen Sie Ihre aktuellen Chancen gegenüber dem mächtigen Japan?

Herr Marantz : Für elegante ausgefallene Schaltungen gibt es immer einen Markt. Ebenso für höchste Qualität in Design, Handling und Qualität. Unsere Produkte veralten deswegen nicht und machen auch nach Jahren noch Freude.

Eine letzte Frage. Was sind Ihre Hobbies.

Herr Marantz : Ich liebe die Musik: leichte Klassik, Jazz, Swing. Ich spielte bis vor 10 Jahren noch selbst klassische Gitarre und besitze ein wertvolles Stück aus München. Dann liebe ich die Fotografie und besitze einige Leicas, eine Hasselblad und eine Nikon. Mit meiner inzwischen verstorbenen Frau teile ich die Liebe zur orientalischen Kunst, speziell Keramik und Drucke. Übrigens haben mich auch immer Farben und Technik südeuropäischer Höhlenmalerei fasziniert. Mein kleines Laster ist, daß ich zuviel rauche, auch wenn es xxxx-light sind, was besonders meine Tochter, die ab und zu vorbeischaut, nicht so gerne sieht.

Vielen Dank für das Gespräch.

Wir wünschen Ihnen weiterhin gute Gesundheit, daß Ihnen Ihre Agilität erhalten bleibt und viel Glück bei Ihrem Projekt.
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  • Amerkung : Das Gespräch fand irgendwan in 1986 statt.
    Saul Marantz ist 1997 mit 85 Jahren verstorben.

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