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Roger Lagadec erklärt In der Hifi-Stereophonie 1980 Heft 09 den Stand der Digitaltechnik in den Studios

Roger Lagadec, Dr. sc. techn., geboren 1946, studierte in Paris (humanistisch) und Zürich (technisch). 1968 Dipl. Ing. Elektrotechnik ETHZ. Er dissertierte 1974 an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich über „Digitale Signalverarbeitung in der Telefonie". Nach einigen Jahren an der ETH Zürich als Forscher und Dozent ist Roger Lagadec heute Produktleiter Audio-PCM bei Studer-Revox, Regensdorf, Schweiz.

Herbst 1980 -
Der heutige Stand der digitalen Studiotechnik

Die heutige Audiotechnik ist gekennzeichnet von einer kaum überblickbaren Vielfalt von Audiogeräten mit den verschiedensten Funktionen und für ein breites Spektrum von Anwendungen. Die Audiotechnik richtet sich im wesentlichen an drei verschiedene Anwendergruppen, deren Abgrenzungen jedoch keineswegs leicht zu definieren sind.

Der professionelle Sektor beschäftigt sich vorwiegend mit der Aufzeichnung und mit der Verarbeitung des Musikmaterials, der Rundfunksektor sorgt für die Radioübertragung, und schließlich ist man im Amateursektor vor allem, wenn auch nicht ausschließlich, mit der Wiedergabe kommerziell erhältlichen Materials beschäftigt.

Die Geräte sind sehr verschieden

Entsprechend diesen stark unterschiedlichen Aufgaben und Interessen sind auch die Audiogeräte für die professionelle Schallplatten- und Rundfunktechnik sowie für den HiFi-Bereich in ihren Anforderungen hinsichtlich Qualität, Lebensdauer, Bedienungsfreundlichkeit und Preis sehr verschieden.

In allen drei Sektoren war jedoch in den letzten dreißig Jahren eine stete Qualitätsverbesserung zu beobachten. Dieser erfreuliche Trend hat keineswegs nachgelassen; man denke zum Beispiel an die Einführung der Stereotechnik, der verschiedenen Rauschunterdrückungssysteme - wie Dolby und High Com - oder an die Entwicklung von Cassettengeräten hoher Qualität und des Metallbandes.

Braucht es eine digitale Audiotechnik?

Trotz dieser ständigen Qualitätsverbesserung ist die Frage angebracht, ob es nicht mit Hilfe grundsätzlich neuer Techniken möglich wäre, Schwächen der heutigen Audiotechnik zu beheben. Eine kritische Betrachtung der Audiogeräte macht in der Tat deutlich, daß noch viele Mängel zu beseitigen sind.

Wie jeder Anwender weiß, ist beispielsweise eine Bandaufnahme kaum je frei von Rauschen und Verzerrungen, und dies bei einem naturgemäß beschränkten Dynamikumfang. Bekanntlich kann man Bandaufnahmen auch nicht beliebig kopieren, ohne daß sich die Qualität der Aufzeichnung deutlich hörbar verschlechtert. Die heute verwendeten „Speicher" (vor allem Tonband und Schallplatte) sind staub- und schmutzanfällig und können leicht beschädigt werden. Neben der ständig fortschreitenden Qualität der Technik gibt es also grundsätzliche Schwächen, die wohl nur nach radikaler Umstellung auf eine neue Technik verschwinden werden.

Die heutige Audiotechnik arbeitet bekanntlich analog, d.h., die Tonsignale werden als kontinuierliche Wellenformen dargestellt, sei es mechanisch in den Rillen einer Schallplatte, magnetisch auf einem Tonband oder elektrisch in den Verstärkern und Rundfunkempfängern.

Beispiel : Digitaltechnik in der Telefonie

Das Beispiel der Telefonie zeigt, daß die digitale Technik beim gegenwärtigen Stand der Technologie (der Artikel ist von 1980) nicht nur machbar ist, sondern auch erhebliche technische und wirtschaftliche Vorteile bietet.

Vor etwa zwanzig Jahren (also etwa 1960 !!!) begann man, die Übertragung der Telefonie-Sprachkanäle zu digitalisieren. Damit erreicht man bekanntlich eine ebenso gute, jedoch weit gleichmäßigere Tonqualität als zuvor, ohne die bei langen Übertragungswegen unvermeidliche Signalverschlechterung zu erhalten. Die Erfahrungen mit der Telefonie-PCM-Technik haben auch gezeigt, daß die anfänglich recht teure neue Technologie längerfristig doch konkurrenzlos ist.

Digitale Audiotechnik: Was spricht dafür und was dagegen?

Bild 1 Übertragungskette einer professionellen Aufnahmeapparatur für ein Schallplattenstudio. In den gekennzeichneten Bereichen ist eine Digitalisierung technisch möglich

Die Frage bleibt, ob die heutige Audio- technik zu einer ähnlichen Umstellung auf digitale Verarbeitung bereit ist. Vieles scheint dagegen zu sprechen. Bei der kaum übersehbaren Vielfalt an Anforderungen und Funktionen ist das erforderliche Material weit weniger einheitlich als in der Telefonie (Bild 1).

Zudem sind die qualitativen Anforderungen ungleich höher. Prinzipielle Probleme stellen sich beispielsweise bei der hochqualitativen Digitalisierung sowie hinsichtlich der Zuverlässigkeit einer Digitalaufzeichnung. Bei einer derart komplexen Aufgabe und bei Produkten, deren Stückzahl für längere Zeit beschränkt bleiben muß, zögert man verständlicherweise beim Gedanken, eine extrem aufwendige und auf teurer Forschung beruhende neue Technik zu erproben.

Wir müssen anfangen - zwangsläufig

Es gibt jedoch bereits heute ganz klare Gründe dafür, die Digitalisierung der Audiotechnik zumindest in bestimmten Teilbereichen in Angriff zu nehmen. Gelingt es zum Beispiel, bei Schallplattenaufnahmen im Studio eine digitale Tonaufzeichnung sehr guter Qualität herzustellen, so ergibt sich daraus unmittelbar - gute Pressung der Platten vorausgesetzt - eine hörbare Verbesserung der Tonqualität bei den kommerziell erhältlichen Schallplatten, ohne daß an den Amateurgeräten etwas geändert werden müßte. Man kann sogar ganz allgemein sagen, daß die Aufzeichnung bzw. Speicherung der Audiosignale auf Tonband und Platte heute das bei weitem schwächste Glied jeder Audiokette ist und daß eine entscheidende Qualitätsverbesserung auf diesem Gebiet mit analogen Mitteln nicht mehr möglich ist.

Die Vorteile "abklopfen"......

Um ein Bild von den Vorteilen der digitalen Technik zu bekommen, ist es sinnvoll, zuerst den Vorgang der Digitalisierung, d.h. der Umsetzung von analogen Signalen zu ihrer digitalen Darstellung, zu skizzieren.
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Vom Analogen ins Digitale und zurück :
Das Prinzip der Abtastung

Bild 2 Prinzip der Abtastung und Digitalisierung
Bild 3 Blockschaltbild der Analog-Digital-Wandlung
Bild 4 Störeinfluß von unerwünschten Signalen außerhalb des zulässigen Frequenzbereiches.

Unter der Digitalisierung eines analogen Signals versteht man die Ermittlung einer Folge von digitalen Größen (= digitalen Informationen, in der Regel mit mehreren "bit"), die eine zeitechte und qualitativ befriedigende Rekonstruktion des ursprünglichen analogen Signals erlauben. (Anmerkung: Ein "bit" hat einen von zwei absolut eindeutigen Zuständen, 0 oder 1 - ohne Ausnahmen)

Bei den vielgestaltigen, für die Audiotechnik charakteristischen Signalen wird meistens eine einfache Form der Digitalisierung gewählt (Bild 2). Das analoge Signal wird durch digitale Größen konstanter Wortlänge dargestellt, welche den momentanen Werten des kontinuierlichen Signals zu regelmäßigen Zeitpunkten entsprechen.

Man nennt das PCM (Pulse Code Modulation)

Nach einer vor etwa vierzig Jahren im englischen Sprachgebrauch eingeführten Bezeichnung spricht man dabei von PCM (Pulse Code Modulation).

Die Theorie zeigt, daß ein kontinuierliches analoges Signal durch periodisch gemessene Momentanwerte beliebig genau dargestellt werden kann, vorausgesetzt, die Entnahme der Momentanwerte erfolgt mit genügend hoher Repetierhäufigkeit (Abtastfrequenz oder Abtastrate).

Genauer lautet die theoretische Bedingung, daß ein kontinuierliches Signal der Bandbreite von B kHz ohne Informationsverlust durch Momentanwerte mit einer Abtastfrequenz von 2 x B kHz dargestellt werden kann. Bei einer technischen Realisierung gilt diese Bedingung freilich nicht ohne Einschränkung, da sie die Verwendung ideal steiler Tiefpaßfilter für die Signalrekonstruktion voraussetzt.

Vielmehr muß in der Praxis eine gewisse Reserve an Bandbreite einkalkuliert werden, um die Anforderungen an die Filter zu reduzieren. Die Abtastfrequenz zur Digitalisierung eines Analogsignals muß deshalb wenigstens 5% höher liegen als die theoretische Abtastfrequenz und soll mit Vorteil sogar 20% höher liegen.

Die Analog/Digital-Wandlung

Aus den obigen Betrachtungen lassen sich die Operationen herleiten, die zur Digitalisierung eines analogen Signals führen (Bild 3). Zuerst muß das analoge Signal gegebenenfalls in der Bandbreite begrenzt werden, um die Abtastbedingung zu erfüllen. Dies geschieht mit Hilfe eines Tiefpaßfilters, das um so selektiver (also sehr steilflankig) sein muß, je stärker die unerwünschten Komponenten vorhanden sind, die es zu unterdrücken gilt. (Unvollständig unterdrückte Signale von außerhalb des zulässigen Frequenzbereichs werden durch den Mechanismus der Abtastung in den hörbaren Frequenzbereich hinuntermoduliert und machen sich dort gehörmäßig sehr unangenehm bemerkbar (Bild 4).

Aus einem Signal wird eine Zahl

In einer Abtastschaltung werden dann dem gefilterten Signal Momentanwerte entnommen und in einer Haltestufe für die Zeit gespeichert, die der Analog/Digital-Wandler zur Ermittlung der dem Eingangswert entsprechenden Zahl braucht. Die ganze Operation der Analog/Digital-Wandlung muß natürlich innerhalb eines Abtastintervalls erfolgen. Die vom Analog/Digital-Wandler ermittelte Zahl wird anschließend ausgegeben, entweder in seriellem oder in parallelem Format. Es kann sich dabei um eine Zahl im herkömmlichen Binärcode handeln oder aber um eine solche in Gleitkommadarstetlung.

Die Parameter der Digitalisierung : Abtastfrequenz und Wortlänge

Wie soeben geschildert, wird die Digitalisierung durch zwei wichtige Parameter gekennzeichnet: die Abtastfrequenz und die Wortlänge. Die Abtastfrequenz gibt an, welcher Frequenzbereich des Signals durch die Abtastwerte dargestellt werden kann, während die Wortlänge eine Grenze für die Genauigkeit der einzelnen Momentanwerte angibt.

Oder, anders ausgedrückt, eine hohe Abtastfrequenz entspricht dem analogen Konzept einer großen Bandbreite, während eine große Wortlänge bei der digitalen Verschlüsselung eine hohe Auflösung und Dynamik ermöglicht, was im Analogen durch Begriffe wie Rausch-und Klirrarmut wiedergegeben wird.

Wir brauchen 20 KiloHertz (!! eine Forderung von 1980 !!)

Bei den professionellen Audioanwendungen ist eine Bandbreite von 20 kHz erforderlich. Daraus ergibt sich eine Abtastfrequenz von wenigstens ca. 44kHz bzw. von ca. 50kHz, falls Änderungen der Tonhöhe von einigen Prozent gefordert werden. Für professionelle Anwendungen wird zur Zeit eine Wortlänge von 16bit bei gleichmäßiger Quantisierung als ausreichend angenommen. Im Rundfunkbereich wurde dagegen eine Abtastfrequenz von 32 kHz normiert, welche eine Nutzbandbreite von 15 kHz erlaubt und damit die Übertragung von Tonrundfunkprogrammen auf dem PCM-Telefonienetzwerk erleichtert.

Und das sind dann 14 bit

Die Wortlänge beträgt dabei 14 bit mit gleichmäßiger Quantisierung bzw. ca. 11 bit unter Verwendung einer Kompandierung. Schließlich steht noch nicht fest, welche Abtastraten und Wortlängen im Amateurbereich erforderlich sein werden. Bei der Beurteilung dieser Zahlen muß man beachten, daß eine Wortlänge von 14 bit theoretisch einen Rauschabstand und Dynamikumfang von mehr als 80dB gewährleistet. Bei einem 16-bit-Format vergrößern sich diese theoretischen Werte sogar auf ca. 96dB.

Anforderungen an den Wandler (wie gesagt, eine Anforderung von 1980 !!)

Es ist im Rahmen dieses Beitrags nicht möglich, auf die Einzelheiten des Analog/Digital-Wandlers einzugehen. Erwähnt sei jedoch, daß es sich dabei um außerordentlich genaue und schnelle Schaltungen in gemischter analog/digitaler - und zur Zeit noch sehr teurer - Technik handelt.

Auch die Hilfsschaltungen der Analog/Digital-Wandler, die Eingangsfilter und die Abtastschaltung, müssen von extrem hoher Qualität sein, um den Einsatz des teuren Wandlers überhaupt sinnvoll zu machen. Das analoge Filter muß beispielsweise sehr klirr- und rauscharm arbeiten, ebenso wird ganz allgemein ein sehr gutes Phasenverhalten vorausgesetzt.

Beim heutigen Stand der Technologie ist die Signalqualität eines A/D-Wandlers jedoch in der Praxis noch erheblich schlechter, als theoretisch möglich. Zum Beispiel liegt der Klirrabstand eines modernen 16bit-Wandlers bei max. 75 bis 80dB, und auch der Rauschabstand läßt zu wünschen übrig.

Die digitale Welt

Sind die Audiosignale einmal digitalisiert worden, bietet sich zu ihrer weiteren Verarbeitung das volle Arsenal der heutigen Digitaltechnik an.

Mit Hilfe von Methoden aus der digitalen Signalverarbeitung eröffnen sich vielseitige Möglichkeiten; so lassen sich die digital aufbereiteten Audiosignale beliebig filtern, mischen und modulieren. Weiter erlaubt die digitale Rechentechnik eine Datenverschlüsselung ebenso wie eine effiziente Fehlererkennung und -korrektur.

Dank der digitalen Speichertechnik mit Halbleiterschaltungen lassen sich ferner ideale Verzögerungsleitungen sowie Pufferspeicher zur Beseitigung von zeitlichen Schwankungen der Abtastfrequenz realisieren.

Verteilung bzw. Weitergabe fast ohne Fehler

Die digitale Übertragungstechnik ermöglicht zudem die Verteilung der Signale in serieller oder paralleler Form bei extrem niedrigen Fehlerraten. Schließlich erlaubt die digitale Schaltungstechnik den Bau von programmierbaren Einrichtungen sowie ihre effiziente Ausnützung im Zeitmultiplex.

Eine hohe Datenrate sei ein Nachteil (wir sind noch in 1980)

Dieser extremen Vielfalt von Möglichkeiten steht aber als Nachteil die zur Verarbeitung der digitalisierten Audiosignale notwendige hohe Datenrate gegenüber. Zur Digitalisierung eines einzigen Tonkanals nach der Rundfunknorm (mit 32 kHz Abtastfrequenz und 14 bit pro Wort) braucht man bereits eine Datenrate von 350 kbit/s; bei der voraussichtlichen Studionorm von ca. 50 kHz und 16 bit erhöht sich diese Zahl sogar auf 800 kbit/s. Versucht man die entsprechende bit-Folge bei einer Bandgeschwindigkeit von 76cm/s auf Tonband zu speichern, so kommt man auf eine Aufzeichnungsdichte von rund 1.000 bit/mm. Mit anderen Worten, auf dem Band belegt jedes Bit lediglich 1/1000mm (1um), was deutlich macht, wie extrem schwierig die digitale Aufzeichnung von Audiosignalen mit der heutigen Technologie noch ist.

Zurück ins Analoge

Bild 5 Blockschaltbild der Digital-Analog-Wandlung.

Zur Rekonstruktion des analogen Signals (also der analogen Wiedergabe) ist es notwendig, zuerst die digitalen Größen in entsprechende analoge Momentanwerte umzuwandeln, die ihrerseits unter Verwendung von Filtern zu einem kontinuierlichen Signalverlauf zusammengefügt werden (Bild 5). Verglichen mit den Analog/Digital-Wandlem sind die Digital/Analog-Wandler wesentlich einfacher und auch kostengünstiger. Dies soll jedoch nicht heißen, daß eine 16 bit genaue D/A-Wandlung ein triviales Problem ist. Insbesondere müssen die ausgangsseitigen Filter recht streng spezifiziert werden, damit das Ausgangssignal von störenden hochfrequenten Anteilen befreit wird. Zweifellos werden billige D/A-Wandler, besonders für den Amateurbereich, viel früher erscheinen als finanziell tragbare A/D-Wandler.

Die digitale Aufzeichnung

In den letzten fünfzehn Jahren (Anmerkung : Der Artikel ist aus 1980 !!) hat die analoge Aufzeichnung von Audiosignalen stetige Fortschritte erzielt. Man hat es insbesondere gelernt, bei niedrigen Bandgeschwindigkeiten eine befriedigende Tonqualität sicherzustellen. Bei der analogen Aufzeichnung von Videosignalen ist der Fortschritt erheblich schneller gewesen. Heute sind Videorecorder guter Qualität bereits kommerziell erhältlich.
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Diese Daten per EDV-Technik speichern

Schließlich muß hier kurz eine dritte Art der magnetischen Aufzeichnung erwähnt werden, die bisher nichts mit Audio zu tun gehabt hat: die Datenspeicherung für Rechenanlagen, sei es auf Magnetband oder auf Magnetplatte. Alle drei Gerätearten arbeiten in der Praxis mit unterschiedlicher Technik: Aufgrund des verwendeten Verfahrens spricht man beim Videorecorder häufig von einer Aufzeichnung mit rotierendem Kopf, beim herkömmlichen Audiotonbandgerät hingegen von einer Aufzeichnung mit stationärem Kopf. Hingegen erfolgt bei der Magnetplatte die Aufzeichnung mit einem fliegenden Kopf, der durch ein Luftkissen vor dem unmittelbaren Kontakt mit der speichernden Magnetschicht geschützt wird.

Die herkömmlichen Aufzeichnungstechniken

Bevor wir uns den einzelnen Techniken zur digitalen Aufzeichnung von Audiosignalen zuwenden, seien die an Aufzeichnungsgeräte zu stellenden Ansprüche kurz skizziert.

Die Profis müssen auf Kompatibilität achten

Im professionellen Bereich ist man je nach Aufgabe an Bandgeräten interessiert, die zwischen zwei und etwa zweiunddreißig unabhängige Audiokanäle aufweisen. Aus betrieblichen Gründen ist eine Spieldauer von mindestens etwa einer Stunde notwendig. Im Rundfunksektor arbeitet man meistens mit Mono- oder Stereogeräten, Mehrkanalgeräte sind dort eher selten anzutreffen. In beiden Fällen ist eine extrem hohe Tonqualität unbedingt erforderlich. Auch muß die Möglichkeit bestehen, bereits aufgezeichnetes Material weiter zu verarbeiten, das heißt Programme zu editieren, zu mischen und beliebig zusammenzustellen.

Bei den Amateuren ist es anders

Im Amateurbereich hingegen sind die Qualitätsansprüche, wenn auch hoch, so doch um einiges bescheidener; im Vordergrund stehen wohl eine einfache Bedienbarkeit und ein vertretbarer Preis.

1980 - man kann Audio nicht nicht auf Magnet-Platten speichern

Von wenigen Prototypen abgesehen, ist es bisher nicht gelungen, Magnetplattenspeicher für Audioanwendungen einzusetzen. Ein großer Vorteil derartiger Speicher - der extrem rasche Zugriff zu einer beliebigen Stelle eines Musikprogramms - ist im Studiobereich nicht von besonders großem Interesse. Für den Betrieb im Musikstudio sind aufwendige Computerperipheriegeräte sicherlich ebenfalls kaum geeignet. Wir können uns deshalb auf die zwei anderen Aufzeichnungsverfahren konzentrieren.

Und somit bleibt der Video-Recorder übrig

Verwendet man einen Videorecorder zur Speicherung digitaler Audiosignale, so bietet sich die technisch bestechende Möglichkeit, die digitalen Signale zuerst in eine videokompatible Form umzuwandeln. Die anschließende Aufzeichnung und Wiedergabe kann dann ohne jeglichen Eingriff in den Videorecorder erfolgen. Hingegen werden beim Verfahren mit stationären Köpfen die digitalen Signale direkt auf das Band gebracht, ohne Berücksichtigung einer fremden Norm.

Digitale Aufzeichnung und Drop-outs

Diesen beiden Verfahren ist die hohe Aufzeichnungsdichte gemeinsam, die wesentlich höher liegt als bei den Datenrecordern der Computerindustrie. Dementsprechend wird sich auch in beiden Fällen das Problem der sogenannten Drop-outs bemerkbar machen. Es handelt sich um Fehler bei der Aufnahme oder Wiedergabe, die auf Oberflächenfehler des Bandes und/oder auf unvollkommenen Kontakt oder Staubpartikel zwischen Kopf und Band zurückzuführen sind. Bedenkt man, daß ein einzelnes Bit nur einen Bandabschnitt in der Größenordnung von einem tausendstel Millimeter belegt, so ist eine hohe Anzahl von Drop-outs pro Sekunde nicht erstaunlich.

Ein Drop-out ist ein fataler Fehler

Bei einem Drop-out ist eine sichere Wiedergabe der ursprünglich aufgenommenen Signale für eine kurze Zeit nicht mehr möglich. Die digitalen Signale werden unkenntlich und können beliebige Werte annehmen. Ohne besondere Schutzmaßnahmen entstehen dadurch Störgeräusche, die auch bei einer Aufzeichnung niedriger Qualität untragbar sind.

Alternative : Daten redundant abspeichern

Der Schutz gegen Drop-outs ist zugleich eine absolute Voraussetzung wie auch die größte technische Schwierigkeit bei der digitalen Aufzeichnung von Tonsignalen. Um ein digitales Signal vor Aufzeichnungs- oder Übertragungsfehlern zu schützen, verwendet man grundsätzlich immer die gleiche Technik. Sie besteht darin, neben den Nutzdaten auch redundante, nur aus dem Nutzsignal hergeleitete Signale aufzuzeichnen. Man spricht dabei häufig von Nutzdaten einerseits und Prüfdaten andererseits.

Wie geht das ?

Bei einer fehlerbehafteten Aufzeichnung oder Übertragung werden die Prüfdaten nicht mehr mit dem erwarteten Wert übereinstimmen, sei es, daß sie selbst einen Fehler erfahren haben oder daß die Nutzdaten verfälscht wurden. Die Verwendung geeigneter Verfahren zur Berechnung der Prüfdaten erlaubt es, Datenverfälschungen durch Drop-outs nicht nur festzustellen, sondern auch zu lokalisieren. Der Preis für diese Möglichkeit, die einzelnen Abtastwerte eines digitalen Audiosignals auf ihre Richtigkeit zu prüfen, ist aber beträchtlich. Ein guter Fehlerschutz wird durch eine Zunahme der Datenrate um etwa 50% erkauft.

Steht nun fest, daß ein einzelner Wert eines digitalen Audiosignals verfälscht wurde, so ist es ohne hörbare Verschlechterung der Signalqualität möglich, ihn durch einen plausiblen Schätzwert zu ersetzen. Dieser Schätzwert wird aufgrund der benachbarten, fehlerfreien Abtastwerte errechnet.

Wenn das nicht funktioniert, noch ein Trick

Bild 6 Prinzip der Code-Spreizung.

Dieses Verfahren versagt jedoch bei längeren Folgen von verfälschten Abtastwerten. Leider vermögen Drop-outs - als typische und auch physikalisch einleuchtende Eigenschaft - ganze Folgen von zwei- oder dreistelligen Bitmengen zu verfälschen.

Dieser Effekt läßt sich nun aber auf die Reihenfolge von Abtastsequenzen verteilen, indem die sogenannte Codespreizung angewendet wird (Bild 6). Bei dieser einfachen Technik, die sehr stark zum Fehlerschutz beiträgt, wird die Reihenfolge der Abtastwerte vor der Aufzeichnung stark verändert. Dadurch kommen ursprünglich benachbarte Werte auf dem Band weit auseinander zu liegen. Nach der Wiedergabe werden die Abtastwerte in ihre ursprüngliche Reihenfolge zurückgebracht, was wiederum durch Drop-outs verfälschte Abtastwerte weit auseinander bringt. Wie man sieht, sind Drop-outs zwar eine unvermeidliche Fehlerursache bei der digitalen Aufzeichnung, zur wirksamen Bekämpfung stehen jedoch eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Verfügung, für welche die analoge Aufzeichnungstechnik nichts Gleichwertiges kennt.

Audio-PCM-Aufzeichnungen auf Videorecorder (Pseudo-Videoformat)

Bild 7 Audio-PCM-Aufzeichnung auf Videorecorder (Pseudovideoformat)

Betrachten wir nun zuerst die digitale Aufzeichnung mit rotierenden Köpfen, also unter Verwendung der Videonorm (Bild 7). Um zwei Audio-PCM-Kanäle mit entsprechend hohem Fehlerschutz aufzuzeichnen, ist je nach angestrebter Auflösung und Signalqualität eine gesamte Datenrate zwischen 1,8 und 3,5 Mbit/s erforderlich. Diese Datenrate läßt sich mit kommerziellen bzw. professionellen Videorecordern gut bewältigen. Auch ist die dazu notwendige Modulation zwischen digitalen und Videosignalen technisch kein Problem. Inzwischen besteht für dieses Verfahren bereits eine japanische Norm. Das Verfahren hat gute Aussichten, weltweit standardisiert zu werden.

mit einem ganz "normalen" Videorecorder . . . .

Die Aufzeichnung von Audio-PCM im sogenannten Pseudovideoformat hat zweifellos den großen Vorteil, daß für die Speicherung eine Technik zur Anwendung kommt, die bereits seit langem normiert ist. Derselbe Videorecorder, den man für die Aufnahme und Wiedergabe von Audiosignalen verwendet, bleibt nach wie vor für Videosignale verwendbar. Zusätzlich braucht man lediglich einen Adapter zwischen digitalen und TV-Signalen sowie natürlich die aufwendigen Schaltungen für A/D- und D/A-Wandlung, Fehlerschutz und Fehlerkorrektur.

Doch damit können wir nur 2 Kanäle speichern

Dieses Verfahren hat jedoch den Nachteil, daß es beim heutigen Stand der Technik auf zwei Kanäle beschränkt ist. Auch ist es nicht möglich, im Pseudovideoformat aufgezeichnete Audioprogramme durch Schneiden von Bändern zusammenzustellen. Immerhin bietet die Pseudovideotechnik aber dennoch einleuchtende Vorteile, nicht zuletzt im Hinblick auf die Kosten. Die Verwendung von Videocassetten als Musikträger ist insbesondere für den Amateurbereich interessant, und es besteht kein Zweifel, daß diese Technik in den kommenden Jahren eine gewisse Verbreitung erfahren wird.

Längsaufzeichnung von Audio-PCM

Bild 8 Längsaufzeichnung von Audio-PCM

Neben der Pseudo-Videoaufzeichnung gibt es, wie bereits erwähnt, eine grundsätzlich andere und im Prinzip einfachere Art, digitale Signale auf Band zu speichern: die Längsaufzeichnung mit stationären Köpfen (Bild 8). Diese direkte Aufzeichnung der Nutz- und Prüfdaten verlangt aber im Vergleich zur analogen Aufnahme und Wiedergabe eine viel höhere Bandbreite. Im Gegensatz zur Pseudo-Videoaufzeichnung muß man hier zuerst eine vollständig neue und extrem anspruchsvolle Aufgabe lösen, wozu noch sehr viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit nötig sein wird.

Anmerkung :

Diese Art der Daten auf serpentinenartigen Spuren zu speichern, publizierte erstmals Digital Equipment in 1983 (Kurzform "DEC", die Firma wurde um 1998 von Compaq aufgekauft) und DEC stellt 1984 die ersten DLT Laufwerke vor. Darüber und über diese DLT Technik gibt es hier ein riesen Menge an Informationen im DLT Bereich. Diese DLT Technik war so um 2004 durch SDLT und LTO überholt worden.

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Noch ein paar theoretische Details aus 1980

Wohl kennt man Verfahren, um die Datenaufzeichnung mit sehr hoher Dichte zu erleichtern. Eine Möglichkeit besteht sicherlich darin, einen geeigneten Modulationscode zur Darstellung der Bits auf dem Magnetband zu wählen. Diese scheinbar einfache Aufgabe ist heute noch keineswegs gelöst, obwohl bereits sehr gute Vorschläge vorliegen.

Weiter kann die Aufzeichnungsdichte reduziert werden, indem man die digitalen Signale eines Kanals auf mehrere parallele Spuren verteilt, was andererseits aber die Anzahl der erforderlichen Aufnahme- und Wiedergabeverstärker erhöht. Zur Bewältigung des Problems ist es auch notwendig, die heutige Band- und Kopftechnologie zu überdenken.

Insbesondere arbeitet man bereits sehr konkret an Dünnfilmköpfen sowie an Ferritköpfen mit extrem kleinem Luftspalt.

Gegenwärtiger Stand der Längsaufzeichnungstechnik (1980 !!)

Beim heutigen Stand der Technik wäre es sicherlich verfrüht, alle diese Probleme als gelöst zu betrachten. Es existiert zwar bereits eine Vielzahl von Prototypen digitaler Spulenbandgeräte, einige wenige Typen mit zwei bis zweiunddreißig Kanälen sind sogar kommerziell erhältlich. Allerdings ist heute die Möglichkeit, digitale Bänder zu schneiden, entweder nur begrenzt oder überhaupt noch nicht vorhanden. Immerhin sind Formate für die digitale Aufzeichnung mit stationären Köpfen vorgeschlagen worden, die ein Schneiden möglich machen sollen. Es muß auch gesagt werden, daß die bisherigen Prototypen ausschließlich für professionelle Schallplattenstudios bestimmt sind.

Nichts geht bei den Profis ohne Normierung

Die digitale Längsaufzeichnung für den Rundfunk- oder den Amateurbereich liegt noch in einiger Entfernung. Eine Normierung der sehr vielen Parameter, die für die Längsaufzeichnung definiert werden müssen, ist zur Zeit nicht abzusehen und wäre wohl für eine derart junge Technologie auch verfrüht. Noch nicht einmal im Hinblick auf die Abtastrate hat sich bis heute ein Konsens gebildet, obwohl die Werte von 32 kHz für den Rundfunk- und eventuell den Unterhaltungssektor sowie von 44,1 bzw. 50,4 kHz für den professionellen Sektor (unter Berücksichtigung der Kompatibilität mit dem Pseu-dovideoformat) natürliche Kandidaten wären.

Die Profis müssen Bänder (Medien) austauschen können

Überhaupt gibt es bei der Längsaufzeichnung eine fast verwirrende Fülle von Eigenschaften, die in allen Details vereinbart werden müssen, bevor ein freier Bänderaustausch zwischen Geräten möglich sein wird.

Beispielsweise muß normiert werden, welches Material man für die Magnetbänder verwendet, wieviele Spuren man braucht, in welchem Geschwindigkeitsbereich das Band arbeiten soll, in welcher Reihenfolge die Codespreizung geschieht, nach welchen Verfahren die Prüfbits berechnet werden und wie die elektrischen Anschlüsse, die die digitalen Signale tragen, auszulegen sind. Es wird wohl noch einige Jahre dauern, bis eine Einigung erreicht wird, den vielen Anstrengungen in Richtung einer weltweiten Normierung zum Trotz.

Fazit zur Längsaufzeichnung (Stand 1980 !!)

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die digitale Aufzeichnung von Audiosignalen im Pseudovideoformat heute eine weitgehend ausgereifte Technik darstellt, die unmittelbar vor der Kommerzialisierung steht.

Die Längsaufzeichnung von Audiosignalen ist erwiesenermaßen prinzipiell möglich, die technische Entwicklung jedoch bei weitem nicht abgeschlossen. Zum heutigen Zeitpunkt läßt sich auch noch nicht sagen, welche Art der Aufzeichnung längerfristig für den Amateurbereich verwendet werden wird.

Im Mittelpunkt der Audio-Industrie: die Schallplatte

Herstellung und Verkauf von Schallplatten und teilweise auch von bespielten Musicassetten stehen heute ganz eindeutig im Mittelpunkt der Audio-Industrie. Das Endziel praktisch aller Arbeiten in den professionellen Studios sind die marktgerechten Tonträger, deren Verkauf die großen Investitionen der Studios decken. Ohne die Möglichkeit, diese Platten und Cassetten abzuspielen, hätte der Konsument auch wohl keine Veranlassung, für hochwertige Stereoanlagen teures Geld auszugeben. Schließlich kann man sich auch im Rundfunkbereich den Betrieb nur schwerlich ohne Schallplatten vorstellen.

Bei der Beurteilung der Aussichten einer grundlegend neuen Technologie ist es von Vorteil, sich diese einfache und scheinbar banale Wahrheit vor Augen zu halten. Die Schallplattenindustrie erzielt heute riesige Umsätze, und jeder Amateur - sowie jede Plattenfirma - hat in die bisherige analoge Technologie sehr viel investiert. Konsequenterweise wird wohl ein grundlegend neuer Typ von Tonträger (beispielsweise die Schallplatte mit echt digitaler Aufzeichnung) die herkömmlichen Tonträger nicht schlagartig ablösen, sondern für längere Zeit neben ihnen bestehen müssen.

Die digitale Schallplatte (Digital Audio Disc)
(später allgemein als "CD" bekannt)

Bislang verwendete man die digitale Studiotechnik, um technische Engpässe bei der Herstellung von analogen Schallplatten zu beseitigen. Seit mehreren Jahren arbeitet man aber auch an einem neuen Schallplattentyp mit echt digitaler Aufzeichnung. Hierzu liegen bereits technisch bestechende Vorschläge vor, die Entwicklung der „Digital Audio Disc" kann praktisch sogar als abgeschlossen betrachtet werden.

Hinsichtlich der hierbei anzuwendenden Technik existiert eine ähnliche Situation wie bei der vorhin besprochenen digitalen Aufzeichnung auf Band. Einige Vorschläge gehen dahin, für die Plattenspeicherung von Videobildern und Audiomaterial das gleiche Verfahren und damit auch den gleichen Plattenspieler zu verwenden. Andere Entwicklungsgruppen arbeiten an einer digitalen Schallplatte, die ausschließlich für den Audiobereich gedacht ist (vgl. HiFi-Stereophonie 6/79).

Noch denkt "man" an 3 Arten der Speicherung

Dazu kommt noch, daß die Abtastung der digital gespeicherten Daten auf der Platte nach verschiedenen Prinzipien geschehen kann, sei es mechanisch, elektrisch oder gar optisch. Am interessantesten und technisch aussichtsreichsten sind wohl die Vorschläge mit optischer, d.h. berührungsloser, Abtastung der Platte.

Bei diesem Konzept wäre eine fast herkömmliche Kunststoffplatte mit entsprechenden Einbuchtungen für die einzelnen Bits vorgesehen. Diese Platte wird anschließend metallisiert und mit einer dicken Schutzschicht aus durchsichtigem Kunststoff überzogen. Zur Abtastung wird der Lichtstrahl eines Halbleiterlasers auf die Einbuchtungen fokussiert. Staubpartikel und Defekte an der Oberfläche würden dadurch ignoriert. Damit wäre es zum ersten Mal möglich, einen Tonträger anzubieten, der berührungslos und frei von bisheriger Staub- und Kratzempfindlichkeit abtastet.

Nochmal : Der Stand der digitalen Platte von 1980

In der heutigen Technik läßt sich auch bei einer kleinen digitalen Schallplatte (z.B. 13cm Durchmesser) eine genügende Spieldauer erreichen, um eine längere Symphonie auf einer Plattenseite unterzubringen. Die Elektronik eines solchen digitalen Plattenspielers ist natürlich aufwendig. Es handelt sich dabei aber von vornherein um ein Massenprodukt mit dem Vorteil der entsprechenden Stückzahlen. Auch enthält der digitale Plattenspieler als reines Abspielgerät lediglich einen D/A-Wandler. Das Audioausgangssignal eines solchen digitalen Plattenspielers ist von sehr hoher Qualität und weist einen relativ hohen Pegel auf. Ein eigentlicher Vorverstärker ist deshalb nicht mehr erforderlich. In den Vorstellungen der Hersteller müßte ein solches Gerät mit konkreten kommerziellen Chancen in der gleichen Preisklasse liegen wie heute ein analoger Plattenspieler guter Qualität.

Neue Technik - neue Vermarktung

Zum Thema des digitalen Plattenspielers für den Konsumerbereich ist eine Bemerkung am Platz, die den deutlichen Unterschied zwischen der bisherigen und der neuen Technologie illustrieren soll. Ist einmal ein geeignetes Format für die digitale Schallplatte gewählt worden, so gelingt es fast nicht, ein Abspielgerät schlechter Qualität zu bauen.

Entweder erfolgt die Abspielung richtig, was zu einer sehr guten Signalqualität führt, oder das Gerät ist nicht imstande, die digitalen Signale richtig zu lesen, was eine unzumutbare Verstümmelung der Signale zur Folge hat. Solange das Gerät gut arbeitet, bleiben die Klirrwerte außerordentlich niedrig, und die Tonhöhenschwankungen werden elektronisch kompensiert.

Im Gegensatz dazu existieren im analogen Bereich Plattenspieler und andere Geräte, welche eine Palette von sehr bescheidenen bis zu allerhöchsten Ansprüchen decken.

In völlig neuen Gesichtspunkten denken

Die Vermarktung der neuen Technologie wird also nach völlig neuen Gesichtspunkten geschehen müssen. Der Unterschied zwischen einem Plattenspieler mit 14- und einem mit 16-bit-Auflösung existiert zwar sehr wohl, ist aber für den täglichen Gebrauch sicher nicht von Bedeutung. Der Preisunterschied hingegen kann beachtlich sein.

Mit anderen Worten: Der Unterschied zwischen den konkurrierenden Konzeptionen bei digitalen Geräten könnte vor allem in der Robustheit, in der Zuverlässigkeit, in der Bedienungsfreundlichkeit und - subtiler - in der Klangqualität liegen. Noch mehr als bisher wird sich der HiFi-Amateur mit technischen Details befassen müssen, die ihn nicht unbedingt interessieren.

Für den Hersteller solcher Geräte wird ebenfalls eine neue Situation entstehen. Die Elektronik zur Abtastung und Wiedergabe der Schallplattensignale wird praktisch vollständig normiert sein. Nur die allerwenigsten Großfirmen werden in der Lage sein, eigene Entwicklungen anzubieten. Nur auf dem Gebiet der unumgänglichen Mechanik und der Bedienung sowie in der analogen Verarbeitung des Ausgangssignals wird noch ein wenig Raum für Kreativität zu finden sein.

Wann kommt die digitale Schallplatte?

Daß die digitale Schallplatte heute praktisch ausgereift ist, heißt noch lange nicht, daß ihre kommerzielle Einführung unmittelbar bevorsteht. Die heutige Marktsituation scheint zu unsicher, der Zeitpunkt eindeutig verfrüht. Der Konsument wird sich kaum für eine Technik begeistern können, die zwar eine sehr hohe Tonqualität gewährleistet, jedoch nicht durch eine weltweite Normierung unterstützt ist.

Parallel dazu gibt es auch ständige Fortschritte in der analogen Technik, etwa durch die Digitalisierung der Masteraufnahmen auf Band und durch die Verwendung von Rauschunterdrückungsverfahren. Die bisherige Erfahrung scheint anzudeuten, daß mit Hilfe von digitalen Mastertapes hergestellte Schallplatten eine verbesserte Klangqualität aufweisen, auf die der Konsument zumindest im klassischen Sektor sehr positiv reagiert.

Die digitale Technik im Studiobereich

Bild 9 Übertragungskette einer professionellen Aufnahmeapparatur für ein Schallplattenstudio. In den gekennzeichneten Bereichen bestehen qualitative Engpässe bei Anwendung heutiger Analogtechnik

Im Studiobereich liegen bereits erste Erfahrungen mit digitalen Geräten vor, und es besteht kein Zweifel mehr darüber, daß die digitale Technik Einzug in die Studios halten wird. Der Zeitpunkt jedoch, bis weltweit nur 10% aller Tonbandgeräte digital sein werden, liegt noch in weiter Ferne.

Neben dem digitalen Recorder mit zwei bzw. vielen Kanälen haben die professionellen Studios auch für eine Vielzahl anderer digitaler Geräte Verwendung: beispielsweise für digitale Nachhallgeräte und Verzögerungseinheiten, wie man sie beim Schneiden herkömmlicher Schallplatten benötigt (Bild 9); für digitale Filter, die man insbesondere für das Abmischen der Mehrkanalaufzeichnungen auf Stereoformat braucht (bis jetzt geschieht die Abmischung der digitalen Mehrkanalmaschinen immer noch analog); und schließlich für Editierkonsolen für die vielen Manipulationen, die meistens notwendig sind, bis das Endprodukt eines Tonstudios vorliegt. Längerfristig können und müssen wohl auch alle diese Arbeitsgeräte digitalisiert werden.

Für den Konsumenten eröffnet sich damit die Aussicht auf eine verbesserte Klangqualität der kommerziell erhältlichen Tonträger, seien sie herkömmlich oder digital - alles unter der Voraussetzung, daß der Plattenpressung die gleiche Sorgfalt wie der vorherigen Erarbeitung des Musikmaterials zukommt.

Digitale Audiotechnik und Europa

Bei jeder technischen Neuerung erwartet man heute eine erdrückende Überlegenheit aus Japan und eventuell aus den Vereinigten Staaten. Interessanterweise ist dies im digitalen Audiobereich nicht unbedingt der Fall. Wohl ist die gezielte Entwicklung kommerziell gerichteter, digitaler Audioprodukte in Japan weiter fortgeschritten als in Europa, der Stand der europäischen Technik ist auf diesem Gebiet aber ebenfalls beeindruckend. Zur Erinnerung sei gesagt, daß die englische BBC auf dem Gebiet der digitalen Tonaufzeichnung mit stationären Köpfen Pionierleistungen erbracht hat.

Viele arbeiten auch in Europa an dieser neuen Technik

Andere Entwicklungsgruppen aus Großbritannien, Holland und Deutschland haben sich durch Ideenreichtum ausgezeichnet. Heute arbeiten viele europäische Firmen auf dem Gebiet der digitalen Audiotechnik. Es ist zu hoffen, daß die Hersteller, die bisher eine starke Stellung im professionellen Bereich oder mit HiFi-Geräten hatten, ihre Position auch in der beginnenden Ära der Digitaltechnik behaupten werden.

Sicher ist jedoch, daß die Konkurrenz stark sein und sich auch grundsätzlich anders stellen wird als bisher. Es geht nicht mehr um den Wettbewerb mit technisch ebenso guten, jedoch kostengünstigeren Geräten aus dem fernen Osten, es geht vielmehr um eine radikal neue, sehr anspruchsvolle Technik. Das schwer erarbeitete Know-How in analoger Technik läßt sich auf die neue Technologie nur sehr beschränkt übertragen. Die Signale sind anders, die Meßmethoden ebenfalls und sogar die Fehlersuche und die Reparatur eines Audiogerätes in digitaler Form sehen grundlegend anders aus.

Auf die Japaner aufpassen

Gelingt es der japanischen Industrie, marktgerechte Konsumergeräte in digitaler Form anzubieten, so wird sich für die europäische Audioindustrie mittelfristig eine massive Herausforderung stellen. Der Audiotechniker und der anspruchsvolle HiFi-Amateur können einer interessanten und bewegten Zukunft entgegenblicken.

Roger Lagadec

HS 1980 Heft 09

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