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Wir schaun zurück ins Jahr 1963

von Gert Redlich im Sept. 2014 - In 1963 im August zur Funkausstellung gab es drei (nein, es waren vier) für uns (im Rückblick) sehr bedeutende historische Ereignisse. Die hier dargestellte Reihenfolge hat nichts mit der eigentlichen Gewichtung zu tun. Der Marketing Effekt war aber sehr unterschiedlich.
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  1. Die Firma DUAL stellt im Herbst erneut den neuen Hifi-Plattenspieler DUAL 1009 vor.
  2. Die Firma GRUNDIG stellt erstmalig einen völlig neuen Hifi-Verstärker vor, den weltweit ersten in Serie gefertigten reinen Transistor- Vollverstärker Grundig SV-50.
  3. Philips stellt ein völlig neues Kassettengerät vor, klein, häßlich, billig - aber leicht und transportabel samt Batterien, Lautsprecher und Mikrofon.
  4. Der Berliner ARD Sender "SFB" strahlt während der Funkausstellung Musikprogramme nach dem in den USA entwickelten UKW-Stereo Verfahren (mit 19 kHz Pilotton) aus.

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Maßgeblich beteiligt an der Demonstration und der Einführung von UKW Stereo im Herbst 1963 war der damalige SFB Technik- Chef Dr. Dietrich Schwarze.

Der größte und leistungsfähigste Receiver von H.H.SCOTT aus USA

Als ich bei meinem Besuch in Stuttgart zur Demonstration der Linkwitz Boxen am späten Abend im Feb. 2014 einen angeblich neuwertigen Röhrenreceiver aus sehr alter Zeit angeboten bekam, war ich schon etwas skeptisch. Prof. Jens Hergesell zeigte und schenkte mir diesen Scott Stereomaster 380. Und wirklich, er ist optisch nahezu neuwertig, nach über 50 Jahren. Er stamme von Prof. Dr. Schwarze, der ihn über diese lange Zeit aufgehoben hatte.

Der SFB (Sender Freies Berlin) und damit die SFB-Technik bekam als ortsansässiger ARD Sender von der ARD die Aufgabe, zur oder auf der Funkausstellung die UKW-Stereo Demonstrationen der ARD professionell vorzubereiten und auch publikumswirksam durchzuführen. Und dafür brauchte Dietrich Schwarze professionelle beeindruckende Wiedergabe-Technik.

Doch das war nicht alles, das Stereo-Programm mußte auch beeindruckende Musiken enthalten. Und dafür brauchte man erstmal das Wissem um diese neue Stereo Technik im UKW-Rundfunk an sich. Und dieses spezeille Stereo- Rundfunk-Wissen ist gar nicht so einfach, sogar heute noch.

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Im Herbst 1965 blickt Prof. Schwarze auf 1963 zurück :
"Die Rundfunk-Stereophonie"

von Prof. Dr. Dietrich Schwarze (aus dem Jahr 1965) - erhalten im Sept. 2014

Am Anfang war UKW nur "Monophon"

Das herkömmliche Verfahren zur Übertragung von Schallereignissen, entweder Musik oder Sprache, ist die Einkanal-Übertragung, auch oft monophone Übertragung genannt. Die Information wird bei Sprache zumeist von einem Mikrophon, bei Musik von mehreren Mikrophonen aufgenommen und über Verstärker einer Regieeinrichtung zugeführt. In dieser werden die einzelnen über Verstärker geleiteten elektrischen Signale so zusammengeschaltet, daß sich ein optimal ausgeglichenes Klangbild bei der Wiedergabe mittels Lautsprecher ergibt.

Dieses System der Übertragung vermag wohl eine hinreichende Abbildung der Information des Klangbildes zu geben, doch wird nur wenig über den mit den Schallquellen verbundenen Raum und der Verteilung dieser Schallquellen im Raum ausgesagt. Wird die elektroakustisch wiedergegebene mit der echten Musik im Konzertsaal verglichen, so haften der mit Lautsprechern wiedergegebenen Musik nicht zu übersehende Mängel an.

Die Technik sei Schuld - das stimmt aber nicht mehr

In den frühen Jahren der Elektroakustik konnte man sehr einfach die Schuld für alle Mängel dem technischen Instrumentarium zuschieben, was heute nach Vervollkommnung der Technik kaum noch möglich sein dürfte. Bei aller technischen Perfektion ist jedoch der Lautsprecher auch heute noch das schwächste Glied der gesamten Übertragungskette.

Als man sich die Frage stellte, woran es denn liegt, daß wesentliche Unterschiede zwischen der Musikwiedergabe durch Lautsprecher und durch ein Orchester hörbar sind, oder anders ausgedrückt, in welchen Fällen sie weniger befriedigten und in welchen Fallen mehr, so zeigte sich, daß die Wiedergabe mittels Lautsprecher einer einzigen, räumlich in einem Punkt festlegbaren Schallquelle — wie der menschlichen Stimme oder einem kleinen Musikinstrumentaruim - allgemeinen bei natürlicher Lautstärke am meisten befriedigte.

Das Beispiel mit dem „Loch in der Wand"

Allein schon bei kleinen Orchesterbesetzungen wird in der Lautsprecherwiedergabe einiges vermißt. Nun kann aber ein noch so idealer Lautsprecher hier nicht mehr tun, als die vom Mikrophon aufgenommenen Schallschwingungen getreu wiederzugeben. Dann stellt aber diese Anordnung nichts Anderes dar als ein „Loch in der Wand" des Konzertsaales, befreit von allen technischen Hilfsmitteln. Die Größe des Loches ist dabei von untergeordneter Bedeutung. Ein zu spät gekommener Konzertbesucher, dem nur ein Türspalt offensteht, hört das Orchester in Form von klassischem Rundfunk. Er versucht sich dabei vorzustellen, wie die Musik im Saal wohl klingt; er wird aufatmen, wenn er den Saal betritt und seinen Platz eingenommen hat.

Dieses Loch in der Wand vermittelt demnach einige Informationen, die das Mikrophon über dem Orchester nicht erhalten hat. So erfährt nämlich der zu spät gekommene Konzertbesucher, ob das Klangbild nah oder fern ist, und er wird auch angeben können, ob die Schallquelle eng begrenzt oder räumlich ausgedehnt ist.

Wie hört der Mensch eigentlich ?

Diese beiden Effekte lassen sich bei einer monophonen Aufnahme mit Hilfe technischer Tricks in der Regieeinrichtung ebenfalls erreichen, so daß das wiedergegebene Klangbild im Lautsprecher nah oder fern, schmal oder breit erscheint. Diese Form des Klangbildes bezieht sich sowohl auf die einzelnen Solisten wie auf das zugehörige Orchester. Es bleibt lediglich der empfundene Lautstärkeunterschied zwischen den Solisten und dem Orchester erhalten.

Um alle diese Mängel der monophonen Übertragungen zu beseitigen, ist es notwendig zu fragen, wie der Mensch mit Hilfe seines Gehörs die Lage einer Schallquelle im Raum feststellt.

Der Ortungsmechanismus

Nur der Ortungsmechanismus des Gehörs kann die Voraussetzung für den Aufbau einer elektroakustischen Übertragungskette schaffen, die in der Lage sein soll, einen mittleren Platz im Konzertsaal naturgetreu abzubilden, in welchem der Raumeindruck, die Richtung sowie die Breite und die Tiefe des Klangbildes enthalten sind.

Dieser Ortungsmechanismus des Ohres setzt sich aus der Bestimmung der Entfernung und der Richtung zusammen. Die Bestimmung der Entfernung ist bereits schon beim einohrigen Hören möglich, wobei das Wort „Bestimmung" eher durch den Begriff „Abschätzung" ersetzt werden sollte.

Das Gehör vergleicht Lautstärken und Klangfarben

Hierbei führt der Gehörmechanismus einen Vergleich von Lautstärken und Klangfarben zwischen dem Schallereignis am Sendeort und am Empfangsort durch. Selbstverständlich sollte dem Hörer die Originallautstärke und die Originalklangfarbe des Schallereignisses aus der Erinnerung bekannt sein.

Wir schätzen die Entfernung eines Donners als Nebenfolge eines Blitzes in der Regel unter Zuhilfenahme der Augen dadurch ab, daß wir die verstrichene Zeit zwischen dem optisch wahrgenommenen Blitz und dem gehörten Donner messen und diese Zeit mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit des Schalles von 340 Meter pro Sekunde multiplizieren. Aber auch wenn wir den Blitz nicht sehen würden, könnten wir auf Grund der Klangfarbenänderung des Schalles abschätzen, ob der Einschlag sehr nah oder weit entfernt erfolgte.

Bei der Ausbreitung des Schalles in Luft werden die Lautstärkeanteile der hohen Frequenzen des hörbaren Bereiches infolge molekularer Schwingungsverluste stärker geschwächt als die tiefen Frequenzanteile. Der Schall eines nahen Blitzes klingt bekanntermaßen beim Hörer sehr hell, der eines fernen Blitzes sehr dunkel.
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Am Nachhall kann man einiges erkennen

In geschlossenen Räumen gibt der Anteil des Nachhalls einen Hinweis auf die Entfernung von der Schallquelle. Je geringer die Entfernung, um so weniger wirken sich die akustischen Eigenschaften des Raumes aus. Bei dieser Abschätzung hat es den Anschein, als ob die akustischen Eigenschaften des Raumes dem Hörer objektiv bekannt sind, was keineswegs der Fall ist.

Erstaunlicherweise erwirbt der Mensch ein Gefühl für die Hörsamkeit in einem Raum; er erwartet geradezu einen bestimmten Nachhall. Eine große Kirche wird in der Regel einen langen Nachhall, ein Kammermusiksaal einen kurzen Nachhall besitzen. Für bewegte Schallquellen - insbesondere im Freien - ergeben sich neben den Klangfarbenänderungen noch weitere Gesichtspunkte zur Entfernungsabschätzung.

Die Entfernungsabschätzung

Bewegt sich beispielsweise eine Schallquelle quer zum Hörer, so läßt sich aus der Abstands- und damit aus der Lautstärkeänderung, welche bei kurzem Abstand größer ist als bei weitem, auf die Entfernung schließen. Darüberhinaus erlaubt auch die Änderung des Winkels und deren Geschwindigkeit, ein Maß für die Entfernung anzugeben. Es ist jedoch zur Ermittlung der Winkeländerung, das zweiohrige Hören notwendig.

Der Richtungseindruck beim natürlichen zweiohrigen Hören einer Schallquelle kommt grundsätzlich dadurch zustande, daß den beiden Ohren die von der Schallquelle ausgehende Information in unterschiedlicher Form zugeführt wird. Der Unterschied stellt ein Maß für den Einfallswinkel der Schallquelle dar.

Laufzeitunterschiede und Intensitätsunterschiede

Hierbei treten sowohl Laufzeitunterschiede als auch Intensitätsunterschiede zwischen beiden Ohren auf, die durch die Abmessungen des Kopfes gegeben sind.
Ein Laufzeitunterschied des Schalles zwischen den beiden Ohren wird durch die verschieden großen Abstände der Schallquelle von den beiden Ohren hervorgerufen. Hierbei ist jedoch nicht einfach die Distanz zwischen beiden Ohren anzunehmen, vielmehr ist zu berücksichtigen, daß der Schall von der Schallquelle teilweise um den Kopf herumlaufen muß, um zu dem abgewandten Ohr zu gelangen (Bild auf Seite ?).

Über die Präzision unseres Gehörs

Es ist erstaunlich, mit welcher Präzision der Ortungsmechanismus des menschlichen Gehörs arbeitet, welche kurzen Zeitdifferenzen für die Erkennung der Richtung einer Schallquelle notwendig sind.

Befindet sich beispielsweise ein Schallsender im Winkel von 90 Grad zur Kopfsymmetrieachse, dann beträgt der Schall-Laufzeitunterschied 0,63 Millisekunden zwischen den beiden Ohren, bei 30 Grad beträgt er nur noch 0,28 Millisekunden (Bild auf Seite ?).

Diese Ortungsfähigkeit, Laufzeitdifferenzen in Seitenwinkel umzudeuten, ist frequenzabhängig und in gewisser Weise auch von der Art des Schallereignisses bestimmt, wobei unter der Art verstanden wird, ob es sich um reine Töne oder um kurze impulsartige Schalle handelt. Anhand der bisher durchgeführten Versuche ist zu schließen, daß die Ortungsfähigkeit aufgrund von Lautzeitdifferenzen unterhalb 250 Hertz (Schwingungen pro Sekunde) praktisch nicht vorhanden ist.

Jeder Kopf hört anders

Schallintensitätsunterschiede zwischen beiden Ohren werden durch die Gestalt des Kopfes und die Form des Außenohres verursacht. Sie sind frequenz- und winkelabhängig und wirken sich vornehmlich bei mittleren und hohen Frequenzen aus, da zur Abschattung des Schalles die Schallwellenlänge in vergleichbarer Größe zu den Abmessungen des Kopfes stehen muß. Deshalb haben Intensitätsunterschiede unterhalb 800 Hertz kaum einen Einfluß auf die Ortungsfähigkeit.

Bei konstantem Seitenwinkel sind jedoch die Intensitätsunterschiede oberhalb 800 Hertz kaum frequenzabhängig. Die angegebene untere Grenze zur Richtungsbestimmung aus Intensitätsunterschieden hat jedoch praktisch kaum Bedeutung. Bei einem natürlichen Schallereignis genügen Einschwingvorgänge infolge ihres vorhandenen Anteiles oberhalb von 800 Hertz liegenden Teiltönen, um die Ortungsfähigkeit zu erhalten (Bild auf Seite ?).

Die Richtungsbestimmung beim natürlichen Hören

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Richtungsbestimmung beim natürlichen Hören aufgrund von Laufzeit- und Intensitätsunterschieden des Schalles erfolgt, wobei durch die spektrale Zusammensetzung üblicher Klänge eine der beiden Bestimmungsgrößen prinzipiell dafür ausreichend wäre. Man könnte sagen, daß sich beide Bestimmungsgrößen gegenseitig kontrollieren, um die Ortungsgenauigkeit zu erhöhen. Diese Genauigkeit beträgt beim natürlichen Hören in der Kopfsymmetrieachse etwa 3 Grad, bei größeren Seitenwinkeln etwa 5 Grad.

Den natürlichen Hörvorgang nachbilden

Nach Bekanntwerden dieser Gehöreigenschaften galt es, nur noch den natürlichen Hörvorgang technisch mit Hilfe eines „künstlichen Kopfes" nachzubilden, um von dem Eeingangs beschriebenen Loch in der Wand des Konzertsaales wegzukommen und einen mittleren Platz im Saal elektroakustisch abzubilden.

Die Frühform der „Stereophonie", wie diese Technik im Gegensatz zur Monophonie genannt wird, bestand darin, auf einer hölzernen Kugel, deren Abmessung der eines menschlichen Kopfes entspricht, rechts und links je ein Mikrophon zu montieren, dieses Gebilde etwa an die Stelle des Dirigenten zu setzen und die von den Mikrophonen aufgenommenen beiden Informationen über Verstärker zwei Kopfhörern zuzuführen.

Die „kopfbezogene Stereophonie"

Dieses Verfahren, das unter dem Begriff „kopfbezogene Stereophonie" bekannt ist, erfüllt die gesetzten Erwartungen, doch ist evident, daß es für einen allgemeinen Gebrauch ungeeignet ist. Es erinnert den Betrachter einer solchen Szene an die Frühzeit des Hörrundfunks, als jedes Mitglied der Hörergemeinschaft mit Kopfhörern versehen bei absoluter Stille im Raum den Klängen eines Orchesters lauschte.

Führt man andererseits die von den Mikrophonen des künstlichen Kopfes aufgenommenen Signale zwei in einem bestimmten Abstand stehenden
Lautsprechern zu, dann tritt eine Minderung der Ortungsschärfe ein. Darüber hinaus beeinflussen die Eigenschaften des Abhörraumes das Gesamtklangbild.

Randbedingungen beim UKW Stereo Rundfunk

Wollte man so aufgenommene Klangbilder über einen Rundfunksender ausstrahlen, könnten sie von denjenigen Hörern, die nur die bisherigen monophonen oder einkanaligen Empfänger benutzten, nicht ausgewertet werden, da die beiden Stereoinformationen für sich gesehen keine lückenlosen monophonen Informationen enthalten.

Die Zusammenschaltung des akustischen, aus zwei Anteilen bestehenden stereophonischen Signals ist bei diesem Aufnahmeverfahren praktisch nicht möglich, weil durch Auslöschungen, die für einzelne Frequenzen infolge der Gegenphasigkeit in den beiden Stereokanälen eintreten würden, keine vollwertig befriedigende Wiedergabe erreicht werden kann.

Läßt man jetzt bei dem beschriebenen Verfahren die Holzkugel weg und vergrößert den Abstand der beiden Mikrophone auf 1 bis 2 Meter, so liegt ein Verfahren vor, das sich nur der Laufzeit-Unterschiede bei der Richtungsbestimmung bedient, da die zur Erzielung von Intensitätsdifferenzen notwendige Abschattung fehlt.

Der Begriff der „A-B-Stereophonie"

Diese Art der Aufnahmetechnik ist unter dem Begriff „A-B-Stereophonie" bekannt. Infolge der Vergrößerung des Mikrophonabstandes erhält man bei der Wiedergabe mittels Lautsprecher im Gegensatz zur kopfbezogenen Stereophonie eine erhöhte Ortungsgenauigkeit und eine nahezu korrekte akustisch-geometrische Abbildung des Klangkörpers.

Unabdingbare Mono-Kompatibilität gefordert

Doch liefert auch dieses Verfahren bei der für den Rundfunk so wichtigen Zusammenschaltung der Stereoinformationen - aus den gleichen Gründen wie bei der kopfbezogenen Stereophonie - kein vollwertig befriedigendes monophones Klangbild bei der Wiedergabe. In der Frühzeit der Stereophonie wurde jedoch dieses Verfahren neben der des künstlichen Kopfes in überwiegendem Maße angewandt, obwohl die Bedingung der zusätzlichen Gewinnung eines befriedigenden monophonen Klangbildes, das sich aus der geometrischen Addition der beiden Stereosignale ergibt, nicht bestand.

In der Rundfunkstereophonie müssen jedoch beide Bedingungen gleichzeitig erfüllt werden. Werden nun, wie bei der A-B-Stereophonie üblich, die beiden in 1 bis 2 Meter Abstand auf einer Stange montierten Mikrophone übereinandergesetzt, so verschwinden die Laufzeitdifferenzen. Handelt es sich bei den übereinandergesetzten Mikrophonen um Druckempfänger, deren Richtcharakteristiken die Form einer Kugel zeigen, so wären die von beiden Mikrophonen aufgenommenen Schallsignale identisch in Bezug auf die Amplitude (Höhe der Schwingungsberge) und die Phase (Gleichzeitigkeit der Schwingungen).

Es ergeben sich demnach reine monophone Informationen, die keine Aussagen über die Richtung der einzelnen Instrumente des Klangkörpers beinhalten.

Eine Lösung wäre die „Intensitätsstereophonie"

Werden jetzt diese beiden Mikrophone durch „Druckgradientenempfänger", also Mikrophone mit Richtcharakteristiken - zum Beispiel in Form von Nieren und diese um etwa 90 Grad gegeneinander gedreht - ersetzt, so sind zwar die Phasen der von beiden Mikrophonen aufgenommenen Schallwellen gleich, doch sind die Amplituden unterschiedlich.

In diesen Amplituden - oder richtiger Intensitätsunterschieden - ist die gewünschte Richtungsinformation enthalten. Das abgeleitete Aufnahmeverfahren ist unter dem Begriff „Intensitätsstereophonie" bekannt. Es liefert, obwohl nur eine Komponente des Ortungsmechanismus des Gehörs technisch nachgebildet wird, nämlich aus Intensitätsdifferenzen Richtungen anzugeben, bei der Wiedergabe mittels Lautsprecher eine saubere akustisch-geometrische Abbildung beispielsweise eines Orchesters.

Sämtliche Instrumente sind entsprechend dem Original im Konzertsaal auf einer vor dem Zuhörer horizontal liegenden Ebene verteilt. Diese Ebene ist in ihrer Ausdehnung natürlich nicht identisch mit der Ausdehnung im Konzertsaal, sondern sie ist auf den Abstand der beiden Lautsprecher verkleinert (Bild auf Seite ?).

Ein einwandfreies monophones Mittensignal

Das intensitätsstereophone Verfahren liefert darüber hinaus als einziges der beschriebenen Verfahren ein einwandfreies monophones Mittensignal. Damit ist die Möglichkeit gegeben, eine auf die verschiedenste Weise durchgeführte Aufnahme, sowohl stereophon als auch monophon wiederzugeben. Nach Abschluß dieser Entwicklung wurde die Stereophonie für den Rundfunk interessant und versprach, anwendbar zu sein.

"Stereo" wurde bereits zwischen 1950 und 1960 vervollkomnet

An dieser Stelle ist einmal der Schallplattenindustrie Dank zu sagen für die zwischen 1950 und 1960 geleistete Entwicklungsarbeit für die Stereophonie. Doch hat es auch im Rundfunk nicht an Versuchen gefehlt. Es kann vermerkt werden, daß die Wiege der Stereophonie in Deutschland im „Haus des Rundfunks" an der Masurenallee in Berlin stand. Die Frage der Stereophonie ist schließlich verbunden mit einem Schallaufzeichnungsgerät, das gestattet, zwei getrennte Informationen im einwandfreien Synchronlauf zu speichern. Hierzu bot sich das von v. Braunmühl und Weber entwickelte Magnettongerät geradezu an, das für den genannten Zweck ohne weiteres herzurichten war.

Stereo auf dem Magnetophon 1941 bis 1944

In den Jahren 1941 bis 1944 entstanden im Berliner Funkhaus etwa 200 Stereomusikaufnahmen nach dem A-B-Verfahren, davon 5 vollständige Opernaufführungen. Leider gingen fast alle diese historisch so wertvollen Aufnahmen in den Wirren des Kriegsendes verloren. Die Schallplattenindustrie, die 1956 die ersten Stereoschallplatten produzierte, gab in Berlin den Anstoß dazu, Stereosendungen über zwei UKW-Sender auszustrahlen. So, wurden ab Weihnachten 1958 und jeweils an den hohen Festtagen bis Ende 1963 vom Sender Freies Berlin Versuchssendungen nach dem Zweisenderverfahren über zwei UKW-Sender am Berliner Funkturm ausgestrahlt.

Der SFB begann bereits 1961

Seit 1961 produziert der SFB in seinen eigenen Studios Stereomusikaufnahmen ausschließlich nach dem intensitätsstereophonen Verfahren. Auch entstand in Berlin im Herbst 1964 das erste Stereohörspiel in Deutschland.

Praxis der Rundfunkstereophonie

Die Rundfunkstereophonie ist primär mit dem Aufnahmeverfahren verbunden. Die erwähnten Doppelmikrophone werden allgemein Koinzidenzmikrophone genannt. Je nach Wahl ihrer Richtcharakteristiken werden zwei Systeme des intensitätsstereophonen Verfahrens unterschieden. Handelt es sich um zwei um 90° versetzte Nierencharakteristiken, so wird vom X-Y-System gesprochen, bei einer quer zur Schallquelle liegenden Acht-Charakteristik und einer dazu senkrecht stehenden Nieren-Charakteristik wird das System MS (Mitte-Seite) genannt.

Diese beiden Systeme können physikalisch als gleichwertig betrachtet werden und sind ineinander überführbar. Eine solche Überführung von einem in das andere System wird als „Kompatibilität" bezeichnet. In der Stereotechnik wird jedoch unter diesem Begriff noch etwas anderes verstanden.

Was für den Hörer wichtig ist

Vergleicht man das Stereosignal mit dem durch Summenbildung erhaltenen Mitten- oder Monosignal im Wiedergaberaum, so ist vom Zuhörer zu fragen, ob beide Signale, für sich gehört, ein künstlerisch befriedigendes Klangbild ergeben, ob also beide Informationen sich miteinander vertragen.

Dieser Vergleich verlangt zweifellos eine künstlerische Antwort, während die Überführung aus dem M-S-System in das X-Y-System einen reinen physikalischen Vorgang darstellt. Es wäre demnach sinnfälliger, bei dem künstlerischen Vergleich von der „Verträglichkeit" beider Signale zu sprechen. Es hat sich jedoch der Begriff „Kompatibilität" für beide Vorgänge eingebürgert (Bild auf Seite ?).

Nachhilfe mit Stützmikrophonen neben dem Koinzidenzmikrophon

Da intensitätsstereophone Aufnahmen grundsätzlich kompatibel sind, erscheint die künstlerische Prüfung der Kompatibilität nicht zwingend notwendig zu sein. Es ist jedoch die Verwendung von sogenannten Stützmikrophonen neben dem Koinzidenzmikrophon nur in den seltensten Fällen vermeidbar. Diese Stützmikrophone, die einzelnen Instrumentengruppen zugeordnet sind und deshalb einen räumlichen Abstand von dem Stereomikrophon haben, bringen Laufzeitdifferenzen mit sich. Damit diese Laufzeitdifferenzen auf die Richtungsbestimmung nicht wirksam werden, also zu Interferenzen führen und damit die Summenbildung zu einem monophonen Signal nicht möglich werden lassen, ist hier besonders auf die Schallintensitätsverhältnisse an den beiden Mikrophonen zu achten (Bild auf Seite ?).

Mono-Kompatibilität von übergeordneter Bedeutung

Die Bedingung der Kompatibilität ist jedoch für die Rundfunkstereophonie von grundsätzlicher Bedeutung. Es kann auch in der Zukunft nicht erwartet werden, daß alle Rundfunkhörer über Stereoanlagen verfügen. (Anmerkung: Dieser Artikel ist aus dem Jahr 1965, als Stereo gerade mal eingeführt wurde.) Deshalb sind die Rundfunkanstalten verpflichtet, sowohl dem monophonen Hörer als auch dem stereophonen Hörer gleichermaßen ein künstlerisch befriedigendes Klangbild anzubieten.

Bewertung der Verbesserung durch "Stereophonie"

Welche Verbesserung bedeutet nun die Stereophonie gegenüber der Monophonie für den Hörfunk. Bei Musikaufnahmen, und um diese handelt es sich primär, wird mit dieser Technik ein hoher Grad an möglicher "Illusion des jeweiligen Ereignisses" vermittelt. Das Eingangs zitierte Loch in der Wand des Konzertsaales, also die punktförmige Abbildung eines Klangkörpers, wird durch eine Hörfläche ersetzt, in der die Instrumente oder Instrumentengruppen in ihrer räumlichen Ausdehnung und in ihrer Raumzuordnung erscheinen. Es ist dem Hörer die Möglichkeit gegeben, Teilschallquellen sehr genau zu orten.

Dieser Ortungseffekt ist jedoch nicht in dem Sinne wichtig, daß er die Feststellung erlaubt, ob die ersten Geigen rechts oder links sitzen, sondern weil mit der Möglichkeit des bewußten oder unbewußten Richtungshörens ein wesentlicher Anteil des sogenannten intelligenten Hörens übermittelt wird.

Bei der stereophonen Wiedergabe können musikalische Ereignisse in ihrem Neben- und Hintereinander, aber auch in ihrem Miteinander gleichzeitig plastisch gehört werden, ohne daß sich die Einzelschallquellen gegenseitig überdecken.

Man nennt das Durchsichtigkeit, Deutlichkeit usw.

Daraus resultieren die vielgerühmte Durchsichtigkeit, Deutlichkeit, Plastik, Tiefenperspektive und der naturgetreue Klang der Stereophonie. Zur Besonderheit der Musik gehört es aber auch, daß vokale oder instrumentale Klangkörper in verschiedener Gruppierung miteinander korrespondieren. Die Wiedergabe dieser Form wird überhaupt erst durch die Stereophonie möglich.

Dabei denke man an die mehrchörigen Werke der Renaissance, wie sie auf den gegenüberliegenden Emporen von St. Marco in Venedig erklingen, oder an die vielen Stücke des Barocks für mehrere Orchester oder Chor und Orchester, beispielsweise, an die Bachsche Matthäuspassion. Diese Beispiele lassen sich um viele vermehren. Aber auch die moderne Musik setzt sich heute mit dem Problem „Musik und Raum" auseinander, obwohl hier oft zusätzliche elektroakustische Mittel bei der Aufführung im Konzertsaal angewandt werden, die nicht ohne weiteres mit der Stereoaufnahmetechnik erfaßbar sind.

Der Hörer erlebt den Raum jetzt bewußt

Wenn Eingangs gesagt wurde, daß ein Unterschied zwischen dem Original und der monophonen Wiedergabe einer einzigen in einem Punkt festlegbaren Schallquelle kaum erkennbar ist, so kann heute mitgeteilt werden, daß es sich lohnt, auch einzelne Instrumente oder ein Streichquartett stereophon aufzunehmen. Es wird dem Hörer dabei bewußt, daß der Raum, in dem musiziert wird, mitspielt.

SFB Stereo Versuchssendungen bereits seit 1958

Die Stereophonie im Rundfunk ist jedoch nicht allein auf die niederfrequente Aufnahme und Wiedergabe beschränkt. Wenn in Berlin 1958 mit der Ausstrahlung über zwei UKW-Sender bei gleichzeitigem Empfang mit zwei Rundfunkempfängern begonnen wurde, so ist verständlich, daß dieses Verfahren nicht allgemein in Deutschland eingeführt werden konnte. Zwei Modulationsleitungen zur Übertragung der Stereoinformation vom Funkhaus zum Sender kann man noch in Kauf nehmen.

Es müßte jedoch in Anbetracht der zur Verfügung stehenden zahlenmäßig geringen UKW-Frequenzen ein hochfrequentes Ausstrahlungsverfahren so beschaffen sein, daß nur ein einziger UKW-Sender benutzt wird, um das Stereosignal abzustrahlen, und daß außerdem der monophone Hörer gegenüber dem stereophonen Hörer nicht benachteiligt wird.

Die UKW Stereo-Technik Vorlage kam aus Amerika

Die European Broadcasting Union (EBU) hat aufgrund amerikanischer und europäischer Versuche 1963 das sogenannte Pilottonverfahren empfohlen, nach dem heute in Europa allgemein gearbeitet wird. Hierfür kam nur der UKW-Rundfunk in Frage, weil allein die damit erzielbare Wiedergabegüte eine Ausstrahlung lohnend erscheinen läßt.

Am Sender wird das vom Funkhaus kommende (doppelte) Signal, also der X-Kanal und der Y-Kanal, in einer besonderen Schaltung zum Summen- (M) und Differenzsignal (S) umgeformt. Danach erfolgt die eigentliche Codierung mit anschließender Modulation. Das Summensignal gelangt unmittelbar an die Modulationsstufe des Senders. Der UKW-Sender ist mit diesem Signal allein so moduliert, wie es der monophone Hörer benötigt.

Wie das mit dem Stereo-Pilotton funktioniert

Für die stereophone Ausstrahlung muß noch das Seitensignal S, das die Richtungsinformation enthält, in dem Gesamtspektrum der Modulation erscheinen. Dieses Signal muß in einem anderen Frequenzbereich gelegen sein, was dadurch geschieht, daß es einen Hilfsträger von 38 Kilohertz (amplituden) moduliert. Zusätzlich wird noch der eigentliche Pilotton mit einer Frequenz von 19 Kilohertz übertragen, der für den Decodiervorgang am Empfänger notwendig ist. Die beiden aus der Amplitudenmodulation gewonnenen Seitenbänder werden neben dem Pilotton der Modulationsstufe zugeführt (Bilder auf Seite ?).

Man kann jetzt Mono oder Stereo hören

Beim Empfang einer Stereosendung mit einem herkömmlichen monophonen Empfänger hört man im Lautsprecher nur das Summensignal M. In einem Stereoempfänger werden das vom Sender angebotene Summen- und das Differenzsignal M und S in einem (Stereo-) Decoder getrennt und durch abermalige Summen- und Differenzbildung die X- und F-Komponente des Stereosignals wieder gewonnen und zwei Lautsprechern zugeführt.

Erst wenn die Qualität der Empfänger stimmt ......

Für den Sender und den Empfänger ist es schlechthin entscheidend, daß die Codierung und die Decodierung sehr sorgfältig vorgenommen werden, um die ursprünglichen Signale X und Y in möglichst vollkommener Trennung voneinander für die Lautsprecherwiedergabe zurückzuerhalten. Ist jedoch diese Trennung nicht ausreichend, und zwar so, daß sich die beiden Signale vermischen - technisch ausgedrückt bedeutet dies, daß die Übersprechdämpfung unter einem bestimmten Wert liegt - dann hätte sich die große Sorgfalt, die auf die Aufnahme verwandt wurde, nicht gelohnt.

Nach der Musik im Rundfunk profitiert auch das Hörspiel

Die Stereophonie umfaßt insgesamt den Problemkreis der Hörpsychologie, der Raumakustik und der Studiotechnik. In Zukunft gilt es, die diesen drei Gebieten innewohnenden Gesetze weiter zu erforschen und in die Praxis umzusetzen. Der Blick für den Hörfunk ist auf Wortproduktionen, also auf das Hörspiel, gerichtet, welches durch die Stereophonie möglicherweise eine neue dramaturgische Form erhalten wird.

Das war ein Artikel von Professor Dr. Schwarze
aus dem Jahr 1965 ......

als UKW Stereo sich so langsam "mauserte". Die Stereo-Testsendungen wurden nach und nach von allen Rundfunkanstalten aufgenommen, manchmal aber nur 2 Stunden pro Tag. In 2014 ist das alles Geschichte, sogar die Nachrichten werden mit Pilotton gesendet - bis der analoge UKW Stereo-Rundfunk irgendwann gänzlich abgeschaltet wird.

Nachtrag aus 2020 - schlechte Erfahrung
mit Internet-Radio und DAB

Es gibt immer mehr Widerstand gegen das aktuelle digitale Radio, das ja angeblich so toll sein soll. Doch es setzt immer häufiger aus und knackt und stockt. Auch das sogenannte "Durchstimmen" von Sender zu Sender ist dermaßen mühselig, daß es keiner mehr macht. In meinem Bekanntenkreis stehen diese Dinger inzwischen überall nur noch rum. Irgend etwas läuft da schief.

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