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Peter Burkowitz (†) und "Die Welt des Klanges"

In der "stereoplay" Ausgabe Mai 1991 beginnt eine Artikelserie von Peter Burkowitz. - Der damalige Chefredakteur Karl Breh kannte sie alle, die Koryphäen der Tontechnik und der "highfidelen" Edelstudiotechnik. Ob es ein Siegfried Linkwitz oder Eberhard Sengpiel war, das waren die unbestech- lichen Geister, die mit dem Gehör jede Legende, jeden Mythos oder jedes virtuelle Wunschdenken und erst recht die verklärte Wahrheit der Erinnerung sofort entlarven konnten.
Das alles steht in den 25 Artikeln "über den Klang".

1991 - DIE WELT DES KLANGS
Musik auf dem Weg vom Künstler zum Hörer (20 von 25)

von Peter K. Burkowitz 1991 bis 1993

Die Form der Norm
DIGITAL-SPURT (jetzt aus Mitte 1992)

Aus aktuellem Anlaß nochmals das Thema 'Digital": Es gibt schon wieder neue Nachrichten. Im Kapitel "ANALOG versus DIGITAL" hatte ich offengelassen, ob es schon bald nicht nur im Labor, sondern auch an der "Front" Digital-Mischpulte geben wird.

Während ich dieses schreibe (Juli 1992), ist es bereits soweit: Es gibt sie. Der Druck hinter der Chip-Entwicklung ist derart stark, daß, schneller als vorherzusehen, die für Mischpulte erforderlichen Wandler oberhalb 16 Bit verfügbar wurden.

Die "Deutsche Grammophon" mischt digital

Als erster hat bereits in diesem Frühjahr der Klassik-Marktführer "Deutsche Grammophon" seine sämtlichen Aufnahmeteams mit brandneuen, modular aufgebauten Digital-Mischpulten ausgerüstet.

Modular heißt hier, daß, je nach der gestellten Aufgabe, die erforderliche Anzahl Mischpult-Einheiten "zusammengesteckt" wird.

Digital gewandelt wird fast am Mikrophon

Und nicht nur das, die A/D-Wandlung findet konsequenterweise schon in unmittelbarer Nähe der Mikrophone statt, so daß die Einflüsse der elektroakustisch kritischen, langen Kabelverbindung zwischen Saal und Regie nun auch schon "Schnee von gestern" sind.

Die Zukunft hat schon begonnen

Damit werden ebenfalls schon jetzt manche Prognosen wahr, die die Einführung digitaler Mischtechnik begleiten: Viele Prozeduren, die analogtechnisch viel zu kompliziert oder gar nicht zu verwirklichen waren, lassen sich jetzt elegant und physikalisch exakt in die Tat umsetzen.

zum Beispiel

Um nur ein Beispiel zu nennen: der lange von vielen Tonmeistern gehegte Wunsch, Stützmikrophone (dienen der Hervorhebung von Einzelschallquellen) gegenüber dem Hauptmikrophon zeitlich zu verzögern (damit wegen zeitlichen Voreilens der "gestützten " Klanganteile keine unnatürliche "Präsenz "-Wirkung entsteht). Die klang- "technische" Verarbeitung zwischen Klangerzeugung und Klangaufzeichnung kommt damit der Vollendung wieder mehrere Schritte näher.

WUNSCHREPERTOIRE - über die Prioritäten

Als Mitglied eines Musikunternehmens wird man ja nicht selten gefragt, warum es grade dieses oder jenes Stück nicht auf Platten gibt. Der Fragende unterstellt damit in der Regel, daß die betreffenden Titel für den Aufnahmemarkt ebenso bedeutend sein müßten wie für ihn. Verständigen Musikliebhabern läßt sich das leicht erklären. Ich habe aber auch schon welche erlebt, die einen Anbieter als zweitklassig einstufen, wenn er die Oper "Rübezahl" von August Conradi nicht im Katalog hat.

Ein Repertoire nach Wunsch ?

Mit dem Repertoire nach Wunsch ist das überhaupt so eine Sache. Wie sollte ein Musikunternehmen planen, wenn es sich überwiegend auf das Einsammeln von Kundenideen stützen wollte? Ein Sammelsurium nicht integrierbarer Schallpopulismen käme heraus, und am Ende wären die besonders böse, deren Lieblingsländler nicht dabei ist.

Nein, das funktioniert besser (und erfahrungsgemäß sogar tadellos), wenn erfahrene Kenner der Materie über Jahrzehnte hinweg mit Herz und System Vorgaben erarbeiten, die allen Kunden in jeder Hinsicht Sicherheit bieten: in puncto Niveau, Bedeutung, Kompetenz und last, not least Qualität - nicht nur musisch, sondern auch technisch gesehen. In diese Strategie gute Kundenvorschläge einzubauen ist kein Problem. In "besseren" Firmen geschieht das seit jeher.
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Große Diskrepanzen beim " Teenager-Repertoire"

Die größten Abstände zwischen Hörerwunsch und Firmenwirklichkeit gibt es beim Teenager-Repertoire. Da hat kein Label die Chance, alle gängigen und neu aufkommenden "Schallquellen" unter ein Dach zu raffen. Das fluktuiert wie im Spülstein. Allein die Anzahl der in einem Moment publik gewordenen Gruppen kennt kein Mensch, geschweige denn die aller existierenden. Und da manche schon mit der ersten Nummer auch ihre eigene Produktion, ihren eigenen Verlag und ihr eigenes Label gründen, ist es fast witzlos, sich durch einen Blick auf letzteres wenigstens über die Qualität der Scheibe an sich kundig machen zu wollen.

Ein größeres Unternehmen muß funktionieren

Da hilft dann nur noch ein scharfer Blick auf die miniaturisierten Herstellerangaben. So die, meist rund um den Etiketten- beziehungsweise Mittellochbereich oder auf der Verpackung, überhaupt vorhanden sind. Und dies leitet uns nun nahtlos über zu einem nicht unwichtigen, weiteren Thema, von dem nach außen hin wenig bis gar nichts dringt, nämlich die in größeren Firmen seit Jahrzehnten gepflegte innerbetriebliche Normung und Gütesicherung.

GÜTE HAT VIELE VÄTER

Man kennt das ja: Wenn etwas schiefgegangen ist, findet man oft nur mit Mühe heraus, wie der Fehler zustande gekommen ist. Geschweige denn, wer das vermasselt hat.

Ganz anders bei Erfolgen. Da stehen plötzlich Leute mit strahlendem Gesicht an der Rampe, von deren Mitwirkung an der Großtat man vorher kaum was gehört hat. So ist das natürlich auch bei Gut und Böse im Wirtschaftsleben.

Und es ist ein Schelm, der die Politik zum Vergleich heranzieht.

Über die "Güte" bei den Produkten

"Güte" bei Produkten der Wirtschaft ist nun allerdings viel mehr als nur das Ergebnis von guten Maschinen, richtigem Material, fleißigen Menschen und ordentlicher Leitung.

Güte, in dem Sinne, wie der Kunde sie versteht, das heißt also Fehlerfreiheit, lange Lebensdauer, Erfüllung der Prospektversprechungen und einfache Bedienbarkeit, kommt, wenn überhaupt, erst am Ende einer langen Kette ineinandergreifender Maßnahmen zustande.

Jedes Teil, jeder Arbeitsschritt muß auf sein Zusammenwirken mit den anderen exakt zugepaßt werden.

Es muß minutiös dokumentiert werden

Da kann es denn nicht ausbleiben, daß jede dieser Einzelheiten dokumentiert werden muß. Und zwar minutiös. Wie anders sollte zum Beispiel die Fertigung von CD-Playern weiterlaufen, wenn der Zulieferant eines wichtigen Einzelteils Pleite macht und dieses Teil nun von einem anderen Hersteller bezogen werden soll? Diese und andere, in einem Produktionsbetrieb fast alltäglichen Situationen lassen sich nur beherrschen, wenn bis zur letzten Schraube alles exakt dokumentiert ist.

Aber damit nicht genug: Es wäre ja wohl ökonomisch ziemlicher Unsinn, für jede Weiterentwicklung eines bestehenden Produktes, oder eines ganz neuen Produktes, wieder mit allem von vorne anzufangen. Jedenfalls bei solchen Teilen, die unverändert in ein neues Produkt übernommen werden könnten.

Teile oder Aggregate und auch Prozeduren müssen genormt werden

Um also Doppelgemoppel zu vermeiden, müssen die betreffenden Teile oder Aggregate nicht nur dokumentiert sein. Sie müssen, zumindest für einen wirtschaftlich sinnvollen Zeitraum, innerbetrieblich genormt werden.

Der Entwickler ist dann verpflichtet, sich an eine solche Norm zu halten, es sei denn, er kann beweisen, daß eine abweichende Konstruktion funktionelle und kalkulatorische Vorteile bringt.

Das Letztere löst in der Regel komplizierte Berechnungen aus, für die der Techniker meistens auf die Hilfe einer kaufmännischen Fachabteilung angewiesen ist. Es sei denn, sein eigener Bereich verfügt über solche Tausendkünstler, die beides können, Konstruktionen verstehen und kalkulieren. Vielleicht ist er sogar selbst so einer. Dann gibt es das neckische Spielchen, wessen Rechnung siegt, die des technischen Kalkulators oder die des kalkulierenden Technikers. Mini-Betriebe haben es da natürlich leichter. Aber sie haben ja auch gar keine Wahl. Außerdem sind sie selten Hersteller von Großserien, wo all der geschilderte Aufwand getrieben werden muß.

Die wiederkehrenden Vorgänge vereinheitlichen

Egal wie, die innerbetriebliche Normung oder Standardisierung ist sogar eine Voraussetzung dafür, daß industrielle Massenfertigung überhaupt funktionieren kann. Deshalb ist sie auch so alt wie die Herstellung von Gütern mit gleichen Eigenschaften in größeren Mengen. Und weil das so ist, hat auch jedes bedeutendere Unternehmen der "Phonographischen Wirtschaft" in seiner Organisation Instrumente, die sich damit befassen, alles, was es im Hause an wiederkehrenden Vorgängen gibt, zu definieren und, wenn sinnvoll, zu vereinheitlichen - eben zu "normen".

Das fängt mit dem Formular für Reiseabrechnungen an und hört (vielleicht) beim Nachspannband im Aufnahmearchiv auf. Das letztere habe ich deswegen hier als Beispiel genommen, weil es sehr anschaulich zu den überbetrieblichen Nonnen überleitet, von denen es mehr gibt, als der Musikhörer sich in seinen kühnsten Träumen vorzustellen vermag.

Es sei denn, er ist selbst Audio/Phono-Profi und hat schon mal vor der Aufgabe gestanden, eine 1950 in Great Britain gebaute Tonbandmaschine in einen deutschen Regieraum des Jahres 1960 zu integrieren. Für den Zeitgenossen und Nicht-Profi genügt auch schon das Vorhaben, amerikanische Cinch-Norm-Geräte in eine deutsche DIN-Stecker-Umwelt einzugliedern und an die dann noch neuere Video-Geräte anzuschließen.

Es gibt (1991) 516 unterschiedliche Stecker-Kupplung-Anordnungen

Der Katalog eines potenten Stecker-Herstellers ist 65 DIN-A4-Seiten stark und nennt 516 unterschiedliche Stecker-Kupplung-Anordnungen, die alle für irgendeinen Zweck irgendwo eingebaut werden.

Wer es nicht glaubt, gehe in einen größeren Elektronik-Laden (Anmerkung : heutzutage einen der Elektronik-Versender wie ELV, Conrad, Reichelt oder Pollin oder die Vollprofis)) und suche nach dem Regal für Stecker und Adapter. Dort hängt in mühsam zu durchschauender Fülle ein winziger Ausschnitt von dem, das es alles gibt.

In der Regel ist Normung etwas Notwendiges und Nützliches

Nun habe ich ausgerechnet das Beispiel mit den Steckern und Adaptern nicht etwa gewählt, um mir selbst ein Bein zu stellen. Denn ich war ja grade dabei, Normung als etwas Notwendiges und Nützliches für den wirtschaftlichen Umgang mit Massenartikeln hinzustellen.

Was mich an diesem Beispiel gereizt hat, war zu zeigen, daß auch hier (wie überall) die gute Absicht ihre Kehrseite hat. Nämlich dann, wenn Entwicklungen nicht vorhergesehen werden können (extreme Miniaturisierung) oder wenn teutonische Gründlichkeit sich einer Aufgabe annimmt (1 Cinch-Stecker und 1 Cinch-Buchse in den USA gegen 6 DIN-Stecker und 6 DIN-Kupplungen hierzulande, die Winzlinge für Video nicht mitgerechnet).

Die lLosse : Cinch und DIN Stecker

Ich will aber nicht unfair sein: Mit den Cinchs gelingt es unbehindert, niederpegelige Eingänge auf hochpegelige Ausgänge zu schalten und so bei Bedarf Transistorschmorbraten mit Membransalat anzurichten. Oder links mit rechts zu vertauschen.

Laborleute mögen das ja mögen. Außerdem ist es (für den Gerätebauer) billig. Eine gnädige Fügung in Gestalt des Herrn Tuchel (erfand das selbstreinigende Messer- Stecksystem) ersparte jedoch dem deutschen Audio-Publikum die Überschwemmung mit jenen universell billigen Blechpimpeln und bescherte ihm statt dessen durch die Segnungen des DIN-Norm-Schutzes gerade noch rechtzeitig das ausgeklügelte DIN-Steckersy-stem. Mit diesem sind nun Fehlschaltungen ausgeschlossen (vorausgesetzt, es ist richtig beschaltet).

Zudem hat es die ganz zeitgemäße Nebenwirkung, daß fast keine Anwendung ohne (teure) Fachberatung nebst aufwendigem Handbuchstudium gelingt.

Es gäbe natürlich noch beliebig viele Beispiele . . .

für allgemeine Normung. In der Tat sind wir vom Frühstücksbrötchen bis zum Rinnstein von allgegenwärtigen Normen umgeben, die wir großenteils schon kaum noch wahrnehmen. Für jeden Wasserhahn und
jedes Klappfenster liegt beim Deutschen Institut für Normung ein DIN-Blatt mit Abmessungen und Passungen.

Die Erfolge dieses Instituts sind so eindrucksvoll, daß es in den vergangenen Jahrzehnten manche Nachahmer gefunden hat. Selbst in den USA, die in bezug auf institutionalisierten Papierkrieg wahrscheinlich Weltmeister sind und daher schon ab der ersten Dampfmaschine begonnen hatten, ihre industrielle Evolution passungsgerecht zu rationalisieren, stieß das echt deutsche Normungswesen auf neugieriges bis staunendes Interesse.
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Beispiel : Die Umgehungsstraße in Braunlage/Harz

Möglicherweise ist aber noch keiner der Standardisierungseuphoriker vor dem Bau der Umgehungsstraße in Braunlage/Harz gewesen. Denn dann könnte er mit einem Besuch nach deren Bau über die Segnungen des Straßenbaus nach DIN (beziehungsweise anderen einschlägigen Festlegungen) ins Sinnieren geraten. Die Leute dort wollten nämlich eine Umgehungsstraße haben, die sich unauffällig in die naturgeschützte Landschaft einfügt. Bekommen haben sie eine, an deren normgerecht ausgebaggertes Verkehrsflußbett sich nunmehr die Reste der Natur und des Ortes unauffällig anfügen.

Aber lassen wir das. Dieser Schwenker lag mir nur auf der Zunge, weil man beim Nachdenken über Vereinheitlichungsmöglichkeiten leicht Opfer des Strebens werden kann und gar nicht merkt, wie sehr dadurch unter Umständen lohnende Varianten zu einem Lösungsweg auch blockiert werden können.

Schwenken wir über zu den Binsenweisheiten

Ein markantes Beispiel paßt durchaus in dieses Kapitel. Da es sich um Normen für die digitale Aufzeichnungstechnik handelte, ist es sowohl aktuell wie auch inzwischen schon wieder fast historisch. Erinnern wir uns an die Binsenweisheit: Anwendersysteme wie Fernseher, Telephone, Autos, Computer, CD-Player oder Camcorder werden nur dann erfolgreiche Massenartikel, wenn man sie nicht nur kaufen, sondern auch benutzen kann.

Benutzen aber kann man viele dieser "Hardware"-Sachen nur, wenn ihre Gegenstücke genau dazu passen. Plattenspieler, Cassettenrecorder und CD- Player sind nur deshalb weltweit erfolgreich, weil sich alle Hersteller frühzeitig auf bestimmte Normen geeinigt hatten. Manchmal geschieht solche Einigung durch schiere Marktmacht des Erstlings, manchmal gedeiht sie auf dem Boden verborgener Absprachen. Manchmal aber auch gar nicht.

Das prägnanteste Beispiel : PAL, SECAM, NTSC

So zum Beispiel beim Fernsehen. Was gäben viele Medienstrategen heute darum, wenn sie sich damals aus nationalen Eifersüchteleien nicht drei inkompatible Fernsehsysteme hätten aufschwatzen lassen (PAL, SECAM, NTSC - daß jedes irgendwas besser kann als die anderen, ist belanglos gegenüber dem Manko der Nicht- Austauschbarkeit).

Seit es Satelliten gibt, ist plötzlich tätige Reue ausgebrochen, die sich nunmehr im wesentlich teureren, bandbreitefressenden HDTV niederzuschlagen scheint.

Beispiel Normung der Digitaltechnik

Als nun die Digitaltechnik vor den Studiotüren stand, versuchte man angesichts solcher Erfahrungen, die " Schlüssel-Parameter" rechtzeitig und international abzusprechen. Das war so gegen Ende der 70er Jahre. Zahlreiche Experten der bedeutendsten Hersteller trafen sich mehrmals und waren schließlich kurz vor der Verabschiedung eines Katalogs von (zunächst) Empfehlungen.

Eine der wichtigsten Positionen darin war die sogenannte "Abtastrate" (sampling rate - bezeichnet die Häufigkeit, mit der die Analog-Amplitude pro Sekunde auf ihre jeweilige Größe "abgefragt" wird).

Allen Beteiligten erschien es fundamental wichtig, daß hier eine Zahl gewählt wird, die es leicht macht, mit schon existierenden digitalen Systemen des 8kHz-Rasters (Fernmeldewesen, Satelliten, Übertragungsleitungen etc.) zusammenzuwirken.

Und sofort war einer dagegen

Kaum war das Vorhaben ruchbar geworden, erhob ein (mutmaßlicher) Gegner frühzeitiger Normung Beschwerde bei der US-AntiTrust-Behörde. Dazu muß man wissen, daß im amerikanischen Wirtschaftsraum Normen nur dann Chancen haben, wenn Geräte mit den zu normenden Eigenschaften bereits am Markt sind und niemand opponiert. In diesem Fall traf beides nicht zu, also mußte das Vorhaben aufgegeben werden. Als Folge haben wir bei den digitalen Geräten einen ziemlichen Systemwirrwarr und eine Abtastfrequenz (CD=44,1 kHz), die nicht zur kommenden Satelliten-Digital- Kommunikation (32, eventuell 48 kHz) paßt.

ine Krampflösung jagt die nächste

Entweder muß zwischen die Systeme ein analoges "Interface" geschaltet werden (was Digital-Puristen einen Schauder über den Rücken jagt und am billigsten wäre), oder es müssen an den Nahtstellen Normwandler eingesetzt werden (was Digital-Puristen freundlicher stimmt und am teuersten ist).

So bleibt beim Stande von heute (August 1992) abzuwarten, wer letzten Endes wem den Schwarzen Peter in die Schuhe schiebt und wer dafür bezahlt. Die Wette, daß es wieder mal der Endverbraucher sein wird, dürfte gute Chancen haben. Denn woher soll er wissen, warum sein Satellitenradio einen SRC (sampling rate Converter) enthalten muß? Daß die Satellitenbetreiber der CD zuliebe auf die krummen 44,1 kHz umschwenken, ist mindestens so unwahrscheinlich wie der Verzicht des Fiskus auf die Lohn- und Einkommensteuer.

Viele Jahre waren die USA dominant

Hier könnte sich übrigens die Frage aufdrängen, wieso das digitale Normengerangel ausgerechnet von einer US- Behörde lahmgelegt wurde. Dazu ist zu sagen, daß noch bis in die 80er Jahre hinein die maßgeblichen Impulse der Digitalentwicklung von amerikanischen Physikern und Technikern kamen. Außerdem war dort seit jeher der größte Markt für einschlägige Systeme und Neuerungen.

Wie früher schon in der Analogtechnik gab es daher für die Ortswahl eines Fachgipfels gar kein Überlegen: Man traf sich am Fach-Nabel der Audiowelt - im angloamerikanischen Raum, und dort, tunlichst zwecks Kostenersparnis, anläßlich von international bedeutenden Fachtagungen. Aber auch darin hat sich die Welt gewandelt. Heute, im Jahre 1992, haben durchaus auch andere Regionen Aussicht auf fachliches Conference-Charisma.

Quality und Güte

Neben dem Begriff "Güte" gibt es ja den vielleicht noch gebräuchlicheren Terminus "Qualität". Im Deutschen werden beide etwa gleich verstanden. Bekommt man es als Schallplattenmensch aber mit dem anglo-amerikanischen Raum zu tun, erkennt man recht bald, daß dort dem Wort "Quality" mehr die neutrale, ursprüngliche Bedeutung "Beschaffenheit" beigemesen wird. Mit diesem Sinngehalt steht es ja schließlich auch im lateinischen Vokabular, aus dem es als "qualitas" stammt.

Wenn man aber schon Qualität als Güte versteht, dann muß man sich nicht wundern, wenn auch Geschäftsleute den Begriff in ihrem Sinne okkupieren. Bei fachübergreifenden Planungsberatungen konnten gelegentlich Mißverständnisse entstehen, wenn in der (englischen) Konferenzsprache die Quality eines neuen Systems erörtert wurde und dabei die deutschen Techniker über die physikalische Präzision ins Schwärmen gerieten, während die Angelsachsen und die deutschen Kaufleute eigentlich den zu erzielenden Ertrag (den Profit) meinten.
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Einer guten Sache quasi einen Stempel aufdrücken

Bleiben wir einen Moment bei Qualität im Sinne von Güte. Güte ist schließlich kein Selbstzweck. Man will was damit erreichen. Vor allem soll der Benutzer einer guten Sache nicht auch noch die Mühe haben, das Gute ständig selbst immer wieder aufs neue herausfinden zu müssen. Außerdem gibt es Errungenschaften, wenn man die dem Kunden genau beschreiben wollte, würde er möglicherweise zum Konkurrenzprodukt greifen, bevor er die Beschreibung überhaupt zur Hälfte verstanden hat.

Also sind Kenner des Metiers schon sehr früh darauf gekommen, daß man der guten Sache quasi einen Stempel aufdrücken muß. Je einfacher, bildhafter und damit einprägsamer der ist, um so besser. Besonders wirksam ist die Kombination von Bild und Name. Das ist dann auch das klassische Modell des erfolgreichen Warenzeichens.

Peter K. Burkowitz

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