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Peter Burkowitz (†) und "Die Welt des Klanges"

In der "stereoplay" Ausgabe Mai 1991 beginnt eine Artikelserie von Peter Burkowitz. - Der damalige Chefredakteur Karl Breh kannte sie alle, die Koryphäen der Tontechnik und der "highfidelen" Edelstudiotechnik. Ob es ein Siegfried Linkwitz oder Eberhard Sengpiel war, das waren die unbestech- lichen Geister, die mit dem Gehör jede Legende, jeden Mythos oder jedes virtuelle Wunschdenken und erst recht die verklärte Wahrheit der Erinnerung sofort entlarven konnten.
Das alles steht in den 25 Artikeln "über den Klang".

1991 - DIE WELT DES KLANGS
Musik auf dem Weg vom Künstler zum Hörer (9 von 25)

von Peter K. Burkowitz 1991 bis 1993.

Die Schall-"Verarbeitung"
Die technischen Ohren des Tonmeisters

Warum die Erfinder der "Mikrophone" diese grade so genannt haben, ist nicht überliefert. Daß sie in manchen Ausführungsformen winzig klein, eben "mikro", sind, ist heute jedermann geläufig.

Aber damals? Die ersten Bauformen hatten immerhin beachtliche Ausmaße, ganz zu schweigen von den Kohle-Querstrommikrophonen, die in einem soliden Marmorblock untergebracht und in einem unübersehbaren Ringstativ aufgehängt waren.

Man muß das wohl relativ zu den mächtigen Aufnahmetrichtern sehen, an denen gemessen die elektrifizierten Schallfänger in der Tat wie Miniaturen wirkten. Und die Silbe "phon" liegt auch heute noch jedem Entwickler auf der Zunge, wenn er etwas Schalltechnisches einigermaßen gebildet benennen möchte.

Apropos "phon"

 - ich werde mich auch im weiteren Verlauf dieser Serie standhaft weigern, die immer mehr um sich greifende Ver-f-ung (sprich: Vereffung) des altsprachlichen ph-Lautes mitzumachen.

Schließlich steigen eines Tages noch Filosofen, Filister und Füsiker wie Föniks aus der zeitgenössischen Asche des linguistischen Scheiterhaufens.

Nein.

Also: Mikrophone.

Inzwischen gibt es so viele Varianten, daß man sie gar nicht alle beschreiben kann, ohne wieder ein extra Buch anzufangen. (Was sich auch kaum lohnen dürfte, denn es ist reichlich Literatur vorhanden.) Für jeden denkbaren Anwendungsfall und Geschmack ist was am Markt. Deshalb für den nicht (oder noch nicht) aufnahmekundigen Interessenten hier nur das Wesentliche:

Die erste Verwandlung

Um Schall-"Ereignisse1' (wie sich Wissenschaft und Technik ausdrücken) mittels der heute gebräuchlichen Methoden festzuhalten, muß man die akustischen Schwingungen der Luft in elektrische Schwingungen umwandeln.

Deshalb rechnet man die Mikrophone auch zu den sogenannten "Wandlern" (wie Lautsprecher, Tonabnehmer und generell alle Einrichtungen, die akustische/ mechanische/elektrische/ magnetische/optische Signale in eine oder mehrere der anderen Formen umwandeln).

Es soll unbedingt "linear" sein

Grundsätzlich streben Mikrophonbauer danach, Schallschwingungen "linear", das heißt exakt proportional ihrer Stärke, in elektrische Schwingungen umzuwandeln. ("Stärke" ist nicht technisch exakt ausgedrückt, sondern dient hier lediglich der allgemeinsprachlichen Verständlichkeit). Diese Umwandlung gelingt jedoch nur innerhalb der physikalischen Grenzen, die durch das jeweilige Wandlerprinzip und die Bauform (Größe, Gestalt) des Mikrophonkörpers gegeben sind.

Die zwei Wandlerprinzipien

Wandlerprinzipien gibt es zwei: den "Druckempfänger" und den "Druckgradientenempfänger".

Der erstere reagiert auf den Schalldruck, was nichts anderes ist als der atmosphärische Luftdruck, mit dem die herannahende Schallwelle auf die Membran des Mikrophons drückt. Dieser Luftdruck schwankt entsprechend der Schwingungsform der aufzunehmenden " Schallereignisse", relativ zum Ruhedruck am Mikrophonort, zwischen positivem (Überdruck) und negativem (Unterdruck).
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"Kugeln"

Druckempfänger reagieren prinzipbedingt auf Schall aus allen Richtungen. Hätte das Gehäuse eines solchen Mikrophons die Abmessungen Null, hätte es also die ideale Gestalt eines Punktes, dann wäre der Empfang aus allen Richtungen exakt gleich.

Da es das körperlose Mikrophon jedoch weder heute gibt noch irgendwann in der Zukunft geben wird (es sei denn, jemand erfindet die immaterielle Druckmessung), bündelt jeder Druckempfänger die hohen Töne, je nach Größe mehr oder weniger.

Diese Bündelung hat zur Folge, daß für hohe Töne eine "Richtkeule" entsteht: Senkrecht auf die Membran einfallende Schallwellen werden nach den Höhen hin zunehmend stärker berücksichtigt, aber von den Seiten und von hinten schwächer empfangen.

In der Praxis bezeichnet man diesen Mikrophontyp schlicht als "Kugel" (weil er im Prinzip eben rundum "hört").

Das andere Prinzip, der "Druckgradientenempfänger", reagiert auf Druckunterschiede zwischen Vorder- und Rückseite der Membran. Eine Urform dieses Typs ist das

"Bändchen"(-Mikrophon) oder die "Acht"

Zwischen den messerförmig gestalteten Polschenkeln eines starken Magneten ist ein dünnes, schmales, zur Verringerung von Eigenresonanzen sägezahnförmig geprägtes Metallband gespannt. Trifft auf diese Bauform Schall von der Seite, werden beide Bändchen-Oberflächen entgegengesetzt "unter Druck gesetzt", und es passiert theoretisch gar nichts. Schalleinfall von der Seite wird von diesem Mikrophontyp also weitgehend ausgeblendet.

Da die Bauform symmetrisch ist, ergibt sich jedoch gleicher Empfang von vorn und hinten. Es handelt sich also um ein Mikrophon mit sogenannter "Achter-Charakteristik". Systembedingt erzeugt dabei ein positiver Frontal-Schalldruck (verabredungsgemäß) ein elektrisch positives Ausgangssignal, während der gleiche Schalldruck von der Rückseite ein negatives Signal produziert. Man sagt, Vorder- und Rückseite sind "180 Grad phasenverdreht". Dieser Mikrophontyp gehört also schon zu den Wandlern mit "Richtwirkung".
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"Nieren" und andere Innereien

Weitere wichtige Ausführungsformen von Richtmikrophonen sind die "Nieren". Man nennt sie so, weil ihr gezeichnetes Richtdiagramm der Form einer Niere ähnelt. Sie empfangen Schall überwiegend nur von der Frontseite. Der Effekt entsteht dadurch, daß man den seitlichen und rückwärtigen Schalleinfall mit elektrischen und/oder mechanischen Mitteln durch Umwege und/oder Dämpfungen schwächt.

Dann gibt es noch "Super-Nieren" und "Rohr-Richtmikrophone", die entweder nach dem physikalischen Prinzip des "Gradientenempfängers zweiter Ordnung" oder durch extreme Avisnutzung akustischer Laufzeitgebilde (geschlitzte Rohre mit graduell ansteigender Dämpfungsfüllung) konstruiert sind.

Die Variablen

Es lag nahe, zu versuchen, die verschiedenen Charakteristiken der Mikrophone umschaltbar zu machen oder sogar miteinander zu mischen. Erste Exemplare solcher Ausführungen gab es schon in den dreißiger Jahren, besonders auf der Basis von Bändchenmikrophonen. Moderne Konstruktionen lösen diese Aufgabe sehr elegant auf rein elektrischem Wege.

Solche Spezialitäten hier weiter zu erörtern würde jedoch zu weit führen. Die Details wären wohl auch nicht von allgemeinem Interesse. Nur soviel sei gesagt:

Wieder was Fundamentales

Je mehr technische Additive dem Grundprinzip hinzugefügt werden, um so deutlicher macht sich das bei der Umsetzung vom akustischen ins elektrische Signal bemerkbar. Das ist auch der Grund, weshalb klangsensible Aufnahmeleute am liebsten immer wieder zuerst nach der Kugel greifen, wenn noch nicht feststeht, ob das Projekt Tücken enthält, die den Einsatz von Richtmikrophonen erfordern.

- das relativ zu sehen ist

Allerdings ist auch das relativ. Wenn in einer Aufnahme nur Richtmikrophone zur Anwendung kommen, verschiebt sich das Unterscheidungsmerkmal von innerhalb der Aufnahme hin zum Vergleich mit einer komplett anderen Aufnahme. Und da wirken dann noch so viele andere Dinge mit, daß der kleine Unterschied zwischen den Mikrophontypen nicht mehr ins Gewicht fällt, jedenfalls für den Durchschnittshörer - sehr zum Leidwesen manches Experten, der schwören möchte, die Kugel aus jedem polymikrophonen Sammelsurium heraushören zu können.

Magnetisches & Statisches

Wie für alles Elektrische muß ja auch für Mikrophone irgendwoher der "Saft" kommen. Für die sogenannten "Kondensatormikrophone" trifft das zu.

Deren hochohmige Membrankapsel muß mittels Verstärkerstufe an die Leitung zum Aufnahmegerät angepaßt werden. Dieser Verstärker ist meistens mit der Kapsel zusammen in einem Gehäuse untergebracht und erhält seinen Betriebsstrom entweder von einem in der Nähe des Mikrophons unterzubringenden Stromversorgungsgerät oder, bei moderneren Konstruktionen, direkt vom Mischpult über die Mikrophonzuleitung per sogenannter "Phantomspeisung". Die Stromversorgung liefert gleichzeitig auch die Polarisationsspannung für die Kondensatorkapsel.

Kondensatormikrophone für den Amateur- und semiprofessionellen Bedarf enthalten oft eine sogenannte "Elektret "-Kapsel. Das ist im Prinzip nichts anderes, nur wird keine Polarisationsspannung benötigt, weil die in dem Elektretmaterial auf (praktisch) unbegrenzte Dauer gespeichert ist.

Anders die "dynamischen" Mikrophone.

Ähnlich wie bei dem vorhin beschriebenen Bändchen schwingt auch hier die Membran (meist rund und mit einer Schwingspule versehen) in einem Magnetfeld.

Die Anordnung ähnelt der in einem dynamischen Lautsprecherchassis. Das Magnetfeld wird von einem Dauermagnet geliefert. Dieses Mikrophon braucht also keinerlei Stromversorgung, ist in der Regel sehr robust und weniger störanfällig. Dafür reicht sein Klang wegen der prinzipbedingt größeren Membranmasse nicht an den von besten Kondensatormikrophonen heran.

Dennoch findet es auch im professionellen Bereich viele Liebhaber, vor allem dort, wo große Lautstärken umzusetzen sind und geringe Körperschallempfindlichkeit gefordert ist. Allerdings sind in diesem Bereich ebenfalls Kondensatormikrophone im Vormarsch, die sich mehr und mehr auch in harten Anwendungen bewähren.

Körperschall

Als ich in jungen Lernjahren diesen Begriff zum erstenmal hörte, war ich leicht verunsichert. Es wäre ja nichts Neues gewesen, wenn liebe Kollegen wieder mal eine Fachfloskel für eine Naturerscheinung erfunden hätten, der es ohnehin an Literaturtauglichkeit mangelt. Daß der Argwohn unbegründet war, wurde jedoch sofort klar, als der Vermittler meines neuen Wissens dicht neben dem Mikrophonstativ kräftig aufs Parkett trat. Das Erdbeben, das der Lautsprecher produzierte, muß etwa Stärke 6 auf der Richter-Skala gehabt haben.

Poltergeister

Und das ist einer der wundesten Punkte beim Einsatz von Mikrophonen, besonders von baßtüchtigen: Jeder Schall, der sich in Gebäudeelementen und/oder durch technische Hilfsmittel wie etwa Stative fortpflanzt, versetzt den Mikrophonkörper in Schwingungen. Da die Membran, die ja mit dem Mikrophonkörper zusammen eine Baueinheit bildet, nicht unterscheiden kann, ob sie in Ruhe ist und die Luft schwingt, oder ob es umgekehrt ist, führt jede Relativbewegung zu einem Signal am Mikrophonausgang. Und Körperschallschwingungen liegen naturgemäß vorwiegend in tiefen Tonlagen mit beträchtlichen Amplituden.

Hilfe kommt hier nur durch sehr sorgfältigen Aufbau, komplizierte Aufhängungsdämpfüngen oder überhaupt durch Vermeiden von Stativen und statt dessen Abhängen von der Decke, vorausgesetzt, wenigstens die ist frei von Körperschall.

Ein Tiefton-Syndrom

Wenn man so viele Jahre täglich mit Aufnahmen zu tun hat, stimmt es doch nachdenklich, daß manche teure Produktion nur deshalb keine 10 in der Klangbewertung verdient, weil die in der Partitur verzeichneten Baßtöne durch den parallel über Boden und Stative zu den -zig Mikrophonen gelangenden Tiefton-Körperschall im schlimmsten Fall total vermanscht werden.

Allerdings nimmt das wohl nur wahr, wer auch sonst Bässe von Kesselpauken, großer Trommel, LKWs und U-Bahn unterscheiden kann. Diese Fähigkeit beruht durchaus nicht immer nur auf angeborener Musikalität, sondern schlicht auf den Qualitäten der Wiedergabeanlage.

Wer für diesen Zweck in den Wohnzimmerecken nur Billigbumser stehen hat, darf sich nicht wundern, wenn ihm obiges widerfährt. Und nicht vergessen darf man an dieser Stelle, daß zu solchen Störerscheinungen auch so mancher handelsübliche Plattenspieler beigetragen hat.

Das ist ja nun mit Beginn des CD-Zeitalters vorbei. Um so mehr muß der Aufnahmebetrieb auf die Restursachen achten. Aber davon später mehr, wenn es um Klangerwartung und Hörgewohnheiten geht.

Welches "Mikro" wofür?

Dies wird ein ziemlich heikles Kapitel. Denn auf kaum einem Gebiet der Audiopraxis gibt es so viele Variationen zu ein und derselben Aufgabe: Eine Schallquelle optimal aufnehmen.
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  • Was ist denn optimal?
  • Ist es die Auswahl der Instrumente und Methoden laut Lehrbuch?
  • Ist es das, was dem Tonmeister am besten gefällt?
  • Oder dem Künstler?
  • Oder dem Produzenten?
  • Oder dem Sponsor?
  • Oder sitzt da vielleicht im Olymp des eigenen Hauses ein Weiser, der selbst noch keine Aufnahme gemacht hat, aber genau weiß, wies geht?
  • Oder ist es schlicht das, was sich am besten verkaufen läßt und von dem der Vertrieb schon immer gesagt hat, daß es die Amerikaner eben doch besser können?

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Im Gestrüpp der Interessen, Kompetenzen und Egos

Sie sehen, die Frage "welches Mikrophon wofür" verästelt sich sehr bald im Gestrüpp angrenzender Interessen, Kompetenzen und Egos. Ganz zu schweigen von den Werbepapierfluten, die täglich auf den Anwender herniederschweben und ihm einhämmern, daß erst das brandaktuelle QY 201-L mit seiner revolutionären Polycyclocarbonylmembran (was immer das sein mag) wirklich echt klingt.

Wirklich und erstmalig "echt" klang es auch schon für unsere Vorfahren, und zwar immer dann, wenn ein neuer Plattentyp oder ein neues Grammophon erschien.

Ja wie denn nun ?

Wenn es denn so viele Wege zum Heil gibt, liegt die Frage nahe, wonach der Praktiker sich denn nun orientiert. Da ist natürlich einmal das Wissen um die technisch-physikalischen Zusammenhänge. Und dann ist da die Erfahrung. Beides zusammen gibt ein gutes Fundament ab. Gepaart mit einiger Phantasie und der Begabung, im Bedarfsfall auch technisch unbedarften, aber kommerziell einflußreichen Mitwirkenden die eigene Wahl der Schallfänger schmackhaft zu machen, erreicht man sowohl Freiheitsgrade wie auch Vertrauen.

Besonders in der Frühzeit der elektrischen Mikrophone war es den Ausübenden keineswegs gleichgültig, welche Mikrophone der Tonmeister wo und wie aufbaute. Es kam sogar vor, daß Stars auf der Verwendung eines ganz bestimmten Typs bestanden.

Die Vorlieben der POP-Stars

Mir selbst ist das zugestoßen, als ich einem seinerzeit sehr populären Popsänger zwecks betonter Herausarbeitung seines sonoren Organs eines Tages die "Preßkohle" (siehe oben) aufs Stativ schraubte. Vom ersten Abhören an weigerte er sich, künftig in ein anderes Mikrophon zu singen.

Diese Art interessierter Zuwendung erlebt der Studiomensch in der heutigen Zeit nivellierender Hochtechnologie nur noch dort, wo jene schillernd-elektrisierende Mischung aus Charisma, freizügigem Budget und Zeit(verschwendung) am Werke ist. Oder - wenn Anfänger (meist auf eigene Kosten) experimentieren.

Beim Klassik-Tonmeister ist Anders gefragt

Diese Umstände wird ein Klassik-Tonmeister in der kommerziellen Routine selten oder auch nie erleben. In seinem Metier wird es normalerweise auf sachlich saubere Arbeit ankommen. Das heißt, seine Auswahl an technischem Gerät orientiert sich an Datenblättern, Meßwerten und seriöser Erfahrung.

Im Pop-Geschäft hingegen können daneben echte wie auch vermeintliche Effekt-Eigenschaften von Geräten und Methoden oft eine dominierende Rolle spielen. Dies um so mehr, je stärker die elektronische Klangerzeugung und Direktspeicherung gegenüber der reinen Mikrophon-Aufnahme hervortritt.

Und das ist heute bei der Mehrzahl aller Pop-Produktionen der Fall.

Es ist eine vielschichtige Problematik

Ich sagte: Das wird ein heikles Kapitel. Typisch dafür ist, daß ich erst mal bei vielschichtiger Problematik lande, statt sofort die rein sachlichen Auswahlkriterien zu erläutern. Und die gibt es ja auch. So wird man bei musikalisch gut ausbalancierten Werken (oder solchen, die sich mit nicht allzu heftigen Verrenkungen akustisch ausbalancieren lassen und bei denen sich auch im Verlauf der Darbietung nichts Wesentliches ändert) zu Kugel-Mikros greifen, und zwar möglichst nur zu einem Kugel-Mikro. Vorausgesetzt natürlich, der Saal ist dafür geeignet.
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Etwas Stereo vorweg

Wenn ich "zu einem Kugel-Mikro" sage, meine ich natürlich im Stereo-Zeitalter ein Stereo-Paar. Und da sind wir schon wieder mitten in der Problematik.

Denn: Kugel-Mikrophon-Paare, oft bei größeren Klangkörpern in 80 bis 100cm Abstand voneinander als Hauptmikrophon eingesetzt, sind theoretisch ein Kompromiß. Der richtige Stereo-Eindruck bei Lautsprecher-Wiedergabe verlangt nämlich, daß der in der Natur von links nach rechts über das Panorama hinweg vorhandene Laufzeit-und Lautstärken-Unterschied der verschiedenen Schallerzeuger erhalten bleibt.

Beipiel : ein Hornsolo

Ein Hornsolo beispielsweise, das von halblinks hinten aus dem Orchester ertönt, wird bei der Wiedergabe nur dann aus der gleichen Richtung kommen, wenn die Lautsprecher den Klang an unseren Ohren zwischen links und rechts mit dem gleichen Zeit- und Lautstärken-Unterschied wieder "zusammensetzen", mit dem wir ihn im Konzertsaal selber gehört hätten.

Von dieser theoretischen Bedingung ausgehend, ist es nicht schwer, für alle denkbaren Mikrophonanordnungen vorauszusagen, wie weit sie sie erfüllen können.

"Laufzeit"- und "Lautstärke"-unterschiede

Die Kugeln beispielsweise werden als Stereo-Hauptmikrophon "Laufzeit"-unterschiede zwischen links und rechts korrekt abbilden. Mit den "Lautstärke"-unterschieden dagegen wird es hapern. Aufgrund ihrer nahezu gleichen Empfindlichkeit in allen Richtungen wird auch eine seitlich einfallende Schallquelle von beiden gleichlaut erfaßt.

Das so umgesetzte Klangbild bietet dem Gehör für die Richtungswahrnehmung also nur Laufzeitunterschiede, kaum Lautstärkenunterschiede.

Die Folge ist, daß man wohl Richtungen wahrnimmt, aber nicht mit der Eindeutigkeit und Fokussierung, die man hätte, wenn auch der richtungsabhängige Lautstärkenunterschied vorhanden wäre.

Hauptmikrophone mit Nieren wäre besser

Trotzdem wird diese Anordnung sehr oft verwendet, weil sie andererseits den bestmöglichen Raumeindruck vermittelt und weil die deutlicheren Richtungswirkungen sowieso meistens von den mehr oder weniger zahlreichen Stützmikrophonen stammen, die mit dem Hauptmikrophonpaar gemischt werden.

Stereophonisch korrektere Ergebnisse erzielt man da schon mit einer Hauptmikrophon-Anordnung aus Nieren. Die lassen sich in Abstand und Empfangsrichtung so aufbauen, daß beide Forderungen nach Unterschied in Laufzeit und Lautstärke besser erfüllt werden. Der Nachteil ist nur, daß Nieren den oft erwünschten rückseitigen Raumklanganteil dämpfen und aufgrund ihres Konstruktionsprinzips die "Goldenen Ohren" der Tonmeister nicht so überzeugen wie die Kugeln.

Experten hören das

Technisch gesprochen kann man den Frequenzgang der Richtmikrophone nicht ganz so linealglatt hinkriegen wie den der Druckempfänger. Und das hören die Experten eben. Andererseits sind Nieren unersetzlich, wenn es darum geht, auf begrenzter Fläche wenigstens noch einen Rest von akustischer Trennung zu bewerkstelligen. Und als Gradientenempfänger nehmen sie tiefe Töne um so stärker auf, je näher sie an der Schallquelle dran sind.

Das theoretisch beste Stereo-Mikrophon, was die Winkelverteilung der Intensitätsunterschiede anbelangt, ist die "Kreuz-Acht"; zwei Mikrophonkapseln mit Achter-Charakteristik, zusammengebaut auf einer Achse. Dieses Prinzip wurde schon Anfang der dreißiger Jahre in einer Patentschrift von dem Engländer A. D. Blumlein angegeben.

Die "Intensitätsstereophonie"

Stereophonie nach dieser Methode nennt man daher auch "Intensitätsstereophonie". Die ersten in Deutschland kommerziell verfügbaren Stereo-Mikrophone beruhten genau auf diesem Prinzip.

Mit einem der ersten lieferbaren Exemplare nahm ich 1956 in einer Berliner Kirche mit den Berliner Philharmonikern unter Leopold Stokowski für die U.S.-Firma "Capitol Records" den Feuervogel und die Petruschka-Suite auf. Simultan lief eine übliche Mono-Aufnahme mit mehreren Mikrophonen. Als Beispiel für Ein-Mikrophon-Stereo-Aufnahmen ist die Stereo-Version heute noch interessant, obgleich sie wegen der beträchtlichen Nachhallzeit dieser Kirche zu großräumig und zu entfernt klingt.

Eine praktisch perfekte Abbildung des Klangkörpers

Hört man bei Aufnahmen, die mit einem Kreuz-Acht-Mikrophon gemacht wurden, genau auf der Mittelachse zwischen den Lautsprechern, dann erhält man eine praktisch perfekte Abbildung des Klangkörpers. Da jedoch keine Laufzeitunterschiede erfaßt werden, wandert der scheinbare "Quellort"  (wie der Stereo-phoniker sagt: die "virtuelle" Quelle) mit jeder Ortsveränderung des Zuhörers mit. Außerdem haben Achter-Mikrophone, bei aller Attraktivität wegen ihrer seitlichen Ausblendwirkung, die häufig unerwünschte Eigenschaft, alle aus dem Raumklang stammenden Baßanteile zu unterdrücken.

Deshalb klingt eine Acht immer relativ "flach", wenn man sie mit dem Klang einer Kugel aus demselben Saal vergleicht. Andererseits kann man diese Eigenschaft auch vorteilhaft nutzen, wenn in einem zu tiefenlastigen und etwas überakustischen Raum aufgenommen werden muß. Aber, wie schon gesagt, der richtige Saal, zusammen mit einer Kugel, ist immer besser.

Hilft viel viel?

Die Preisfrage, wieviele Mikrophone denn nun einer Aufnahme zu gutem Klang verhelfen, kam bisher schon mehrfach zum Vorschein. Ich habe sie nur noch nicht vertieft, weil erst das Elementare verstanden werden muß.

Grundsätzlich gibt es eindeutige Konturen in einem Klangbild nur, wenn kein Ton und kein Geräusch eine Chance hat, auf mehreren Wegen zum Ohr des Hörers zu gelangen. Hierzu zählen natürlich nicht die gewollten Reflexionen des Nachhalls und die ebenso gewollten zwei Wege über ein Stereo-Mikrophon und die zwei Lautsprecher.

Peter K. Burkowitz

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