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Peter Burkowitz (†) und "Die Welt des Klanges"

In der "stereoplay" Ausgabe Mai 1991 beginnt eine Artikelserie von Peter Burkowitz. - Der damalige Chefredakteur Karl Breh kannte sie alle, die Koryphäen der Tontechnik und der "highfidelen" Edelstudiotechnik. Ob es ein Siegfried Linkwitz oder Eberhard Sengpiel war, das waren die unbestech- lichen Geister, die mit dem Gehör jede Legende, jeden Mythos oder jedes virtuelle Wunschdenken und erst recht die verklärte Wahrheit der Erinnerung sofort entlarven konnten.
Das alles steht in den 25 Artikeln "über den Klang".

1991 - DIE WELT DES KLANGS
Musik auf dem Weg vom Künstler zum Hörer (4 von 25)

von Peter K. Burkowitz 1991 bis 1993.

Das Orchester, ein komplexes Gebilde, Teil I
Die Kleinen (Orchester)

Die Kammermusik kam in der vorangegangenen Folge nur kurz zur Anmerkung. Wenn man über Stilarten und deren Klangmerkmale spricht, verdient aber gerade diese Kategorie einen hervorragenden Platz. Sind es doch die Duos, Trios, Quart-, Quint-, Sex- und sonstigen -tette, die Bach-, Mozart-, Händel-, Haydn- und unzähligen anderen Besetzungen im Kammermusikbereich, die sowohl dem Musikliebhaber als auch dem Aufnahmeexperten den Wert stilgebundener Klangästhetik täglich neu vor Ohren führen. Sie ist in diesem Bereich sogar ein wertprägendes Element.

Und damit meine ich nicht nur die Erzeugung eines ästhetischen Klangbildes durch die Ausübenden, sondern ganz besonders auch dessen Umsetzung einschließlich eines angemessenen akustischen Umfeldes bis zur verkäuflichen Aufnahme. Denn wer hört schon gerne ein Streichquartett in Bahnhofshallenakustik oder eine Bach-Kantate mit dem Schallambiente eines Kleiderschranks. Das ist womöglich etwas drastisch, aber nichtsdestoweniger spielt die akustische Aufbereitung gerade im Kammermusikbereich eine besonders hörbare Rolle.

Müssen "Kleine" leiser sein?

Bei der Behandlung von Kammermusik lohnt es sich, ein Thema vorzuziehen, das fast so alt ist wie die Phonographie, aber dennoch nie zur Ruhe kommt: die Frage, warum denn (beispielsweise) ein Streichquartett viel zu laut ist, wenn man es zu Hause von Schallplatten nach einem großen Orchesterstück spielt? Die Antwort ist simpel und hängt mit der Tonträgertechnik zusammen:

Die Pegelspielwiese

Alle Medien, auf denen man Töne speichern kann, haben nur ein begrenztes Fassungsvermögen. Und zwar nicht nur für die Spieldauer, sondern auch für die Lautstärke, oder, wie die Techniker sagen, den „Pegel".
(Daß der Pegel auf der Platte und die „Lautstärke", die Sie zu Hause an Ihrem Gerät einstellen können, zwei verschiedene Dinge sind, bleibe hier vorerst mal „außen vor".)

Dieses begrenzte Fassungsvermögen ist es, beziehungsweise war es in der Vor-CD-Vergangenheit, das zu dem unerwünschten Lautstärkesprung zwischen großen und kleinen Klangkörpern führte.

So rauschfrei wie möglich

Denn: Auch nach unten, zu den kleinen Lautstärken hin, musikalisch gesagt im pppp, haben alle Tonträger, und apropos auch alle Übertragungseinrichtungen, ihre liebe Not. Es fängt früher (LP) oder später (CD) an zu rauschen. Also ist der Tonträgerhersteller bemüht, seinen Kunden die Aufnahmen so rauschfrei wie möglich und so nahe an der oberen Pegelfüllmarke (des Tonträgers) wie nötig anzubieten. So einfach ist das.

Den gewünschten Unterschied zwischen Groß und Klein muß man sich also nach eigenem Gusto zu Hause einstellen. Das ist ja auch gar nicht mal verkehrt.

Bleibt anzumerken, daß bei der CD (wie bei allen digitalen Medien) der Spielraum wegen der größeren Spannweite zwischen Übersteuerung und Grundrauschen erheblich zugenommen hat.

Von Profis und Pegeldraufgängern

Man findet daher schon häufiger Veröffentlichungen, in denen bei kleinen Besetzungen der Pegel nicht mehr (im übertragenen Sinn) „bis zum obersten Tellerrand" reicht. Allerdings haben die besonders musikkulturbeflissenen Marken schon früher stilbewußt etwas Pegel zurückgesteckt und sich damit bei Kammermusik ab und zu Knisterschelte eingehandelt, während die von Stilskrupeln unbehelligten Pegeldraufgänger um so mehr (gerechterweise) von Scheppern und Rillenspringern geplagt wurden.

Unter Insidern hält sich der Verdacht, daß es die letzteren waren, die zuerst begannen, auch bei Klassikaufnahmen die für HiFi-Ansprüche zu klein gewordene Spanne zwischen Übersteuerung und Grundrauschen mittels Kompressoren und Limitern zu überlisten. Aber davon später mehr.

Übrigens haben die Engländer für die spröden deutschen Fachwörter „Übersteuerung" und „Grundrauschen" die viel bildhafteren Ausdrücke „over-load" und „noise floor". Schade, daß auf Deutsch „Überladen" und „Geräuschboden" nicht so überzeugend klingen.

Wer spielt wann was?

Das waren noch Zeiten, als berufstätige Musiker fast ausschließlich an feste Gruppierungen gebunden waren. Der Erlös der Mühe würde zwar heute niemand mehr reizen, sein Instrument auch nur auszupacken, doch war man der Sorge enthoben, darüber nachzudenken, was man wann und wo zu spielen hatte.

Von der "Stadtpfeife" nach oben

Der größte Teil dieses Schicksals entschied sich schon in der „Stadtpfeife", dem gemeinhin üblichen Startplatz für spätere Orchestermusiker. Viele große Könner solch berühmter Klangkörper wie der ehemaligen Preußischen Staatskapelle hatten ihre Laufbahn unter den rigorosen Eintrichterungsmethoden einer Stadtpfeife begonnen. Musiker, die das hinter sich hatten und dann vielleicht noch das Training von 20 Jahren Orchestergraben im Opernhaus, spielen zu jeder Tages- und Nachtzeit alles, was nach Noten aussieht. Und davon dann das meiste noch auswendig.

Diese alten „Preußen" spielten es.

Als ich die Reste der besagten „Kapelle" das erstemal 1947 vor dem Mikrophon hatte, wurde mal nur so versuchsweise die „Diebische Elster" aufgelegt, ein Stück, um dessen virtuose Fallstricke selbst gestandene Berufsmusiker am liebsten einen Bogen machen. Diese alten „Preußen" spielten es. Auf Anhieb und hinreißend.

Und die Aushilfen, mit denen das Ensemble auf Sollstärke angereichert war, wurden vom Engagement ihrer alten Kollegen so mitgerissen, daß sie sich unmerklich in das Ganze einfügten. Aus dieser Besetzung wurde nach konsequentem Ausbau dann übrigens das für seine Virtuosität und Spielkutur sehr bekannte „RIAS-Unterhaltungsorchester".

Einordnung und Rollenverständnis

Ich erwähne diese Geschichte hier deshalb, weil Einordnung und Rollenverständnis so wichtige Attribute sind, um das jahrzehntelange Funktionieren eines komplizierten Orchesterkörpers zu begreifen.

An diesen Eigenschaften, wie auch in bezug auf Disziplin und Pünktlichkeit, wird von Ensemble-Musikern mehr verlangt als von manch anderen Berufen.

Ordnung muß sein

Alle festen Orchester sind streng hierarchisch gegliedert. Jeder hat seinen Platz, den er sich durch Vorspiel, Leistung und Zugehörigkeit zu erarbeiten hat. Natürlich ist nicht immer glasklar zu hören, ob Kollege X am dritten Pult nun besser geigt als Kollege Y am vierten. Aber in der Regel wird so eine Art natürliches Gefälle akzeptiert.

Auf jeden Fall aber muß schon offensichtlich (beziehungsweise offen-„hörbar") sein, daß die Konzertmeister (Stimmführer der ersten Geigen) sowie die Stimmführer aller anderen Instrumentengruppen die "primi inter pares" sind. Daß jemand durch Protektion auf einen besseren Platz kommt, dürfte im Orchesterbetrieb selten sein; besonders dort, wo das Gespielte sich unmittelbar in Honorar niederschlägt.

Die Mann(frau)schaft

Die Lebens- und Wirtschaftsfähigkeit eines in vielen Jahren zusammengewachsenen Klangkörpers verlangt natürlich auch die Absicherung gegen alltägliche Unbill wie beispielsweise Krankheit etc. Es müssen also für alles und jedes, wie auch für alle und jeden, Reserven da sein, auch für den Ersten Konzertmeister.

Es sind (fast immer) mindestens 71 Musiker

So kommt man denn bei einem normal besetzten Symphonieorchester (8 Pulte 1. Geigen, 6 Pulte zweite, 4 Pulte Bratschen, 4 Pulte Celli, 6 Kontrabässe, 4 Hörner, doppeltes Holz [2 Flöten, 2 Klarinetten, 2 Oboen, 2 Fagotte], 2 Trompeten, 3 Posaunen, 1 Tuba, 4 für Schlagwerk [Pauken, große Trommel, Becken, Triangel, Gong, Glocken, etc.], 1 Harfe) schon auf rund 71 Musiker.

Mit Reservebank

Viele Stücke erfordern mehr, manche weniger Besetzung. Da muß man je nach Repertoire sehr flexibel sein. Bewerkstelligt wird das mit festen Reserven oder einer genügenden Anzahl schnell verfügbarer Aushilfen. Bis solch ein Apparat zu routinierter Funktion gereift ist, gibt es mehr Zitterpartien, als das hochverehrte Publikum ahnt.

Planung ist (fast) alles

Wenn einem Orchester auch viel Improvisationsfähigkeit abverlangt wird, so ist doch das A und O ein Jahre voraus umfassender Spielplan. Ihn so aufzustellen, daß er dem zahlenden Publikum, den Dirigenten, den Mäzenen, den subventionierenden Behörden beziehungsweise Anstalten des öffentlichen Rechts, den Kritikern und schließlich auch noch den Musikern gefällt, ist Utopie. Auch im günstigsten Fall ist nicht mehr drin als ein Puzzle aus den Resten schöner Ideen und ein Berg hakeliger Hindernisse.

Um den Nervus rerum - das liebe Geld

Am meisten nach dem Publikumsmehrheitsgeschmack einstellen muß sich, wer am wenigsten bezuschußt wird. Eine Binsenweisheit. Und so kann man denn an den Spielplänen ablesen, ob (repertoireunabhängige) Zuschüsse mehr oder weniger reichlich fließen.

Unpopuläres Repertoire kann man gewiß nur dort anbringen, wo ein genügendes Maß metropolischer Kulturneugier oder eben ein Mäzen vorhanden ist, der für den Genuß bezahlt. Oder wo, wie der Spielplan des Rundfunk-Symphonie-Orchesters Hannover zeigt, ein Planungsgenie am Werke ist, dem es gelingt, Nono unterbrechungsfrei so zwischen zwei der schönsten Mozart-Kantaten einzubauen (und zwar nach der Pause), daß weder offenbar werden kann, wem der abschließende Beifall gilt, noch der Saal nach der Pause halb leer ist, und darüber hinaus noch deutlich wird, daß es von Mozart bis Nono doch Verständnisbrücken gibt.

Der Boß

So schön alle Theorien von Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung und sonstigen Selbsts sein mögen: Wenn es ums Alltägliche in einem großen Apparat geht, und ein solcher ist jede mit Menschen ausgestattete „Erwerbsgemeinschaft", dann geht es nicht ohne Linien für Verantwortung und Entscheidung.

Der Vorstand

So hat denn auch zumindest jedes professionelle Orchester seinen aus der Mitte der Mitglieder gewählten Vorstand. Dessen Sprecher vertritt die Mitglieder des Orchesters gegenüber dem Arbeitgeber - wer immer das auch sein mag - in allen das Ganze gemeinsam interessierenden Fragen. Hat der Klangkörper einen namhaften Chefdirigenten, dann können dessen Mitsprachewünsche schon recht frühzeitig einsetzen. Delikat wird es, wenn dessen Prominenz zu Dominanz mutiert. Dann bedarf es großer Sensibilität und kluger Taktik, um die Visionen des Stars mit den Lebensinteressen des Orchesters in Balance zu halten. (Herbert v. K. läßt grüßen.)

Die „Mucke"

Es muß wohl an der historischen Entwicklung des Musikertums liegen, daß die Angehörigen dieser Zunft bis heute eine unverkennbare Vorliebe für das Sofort-Inkasso zeigen, sofern die Umstände danach sind. Viele haben sogar ein ausgesprochenes Gespür, wo solche Umstände anzutreffen sind.

Das sind dann die sogenannten „Mucken", Nebenbei-Engagements von sakral bis Tanzdiele. Die Erfolgreichen kehren dann nicht ungern leicht ermüdet an das Pult ihres hauptberuflichen Brötchengebers zurück, wo ihnen das Extra-Honorar noch mit kollegialem Rivalschmeicheln versüßt wird.

Übrigens ist gar nichts dagegen einzuwenden, denn alle anderen Berufe tun es auch ... wenn sie können. Und wo liegt es näher als bei Musikern? Apropos Musiker - ich habe viele hochkarätige kennengelernt, die es gar nicht ungern hörten, wenn man von ihnen als „Echte Musikanten" sprach. Soviel Wertschätzung alter Bezeichnungen täte auch manch anderem Beruf gut.

Besetzung - wer entscheidet?

Die angestellten Betrachtungen sollten den Leser einstimmen auf die Beziehung zwischen Klangkörper, Technik und schließlich dem Hörer. Da ist es nicht unwichtig zu wissen, nach welchen Kriterien die Kräfte ausgesucht werden beziehungsweise zusammenkommen, die er dann am Ende zu hören bekommt.

Im Konzertsaal ist das in der Regel die Besetzung laut Dienstplan. Und ein Dienstplan achtet auf einigermaßen gerechte Verteilung von Zeit und besonderen Belastungen. Davon wird man nur bei wichtigen Anlässen abweichen. Solche Anlässe sind repräsentative Auftritte und nicht zuletzt die Einspieltermine für extra honorierte Aufnahmen bei Schallplatte und anderen Medien.

Da sind dann alle, einschließlich sämtlicher Reserven und Aushilfen, ohne Umstände verfügbar, auch wenn sie gerade eben erst einen vollen Dienst-Tag hinter sich haben. Für solche Termine auszusortieren, wer wann drankommt, erfordert schon ähnliches pädagogisches Talent wie das Bonbonverteilen im Kindergarten.

Der Agent bzw. die Agentur

Und dann gibt es ja noch die ständig umherreisenden Spezialisten und Solisten, die der Plattenproduzent manchmal für eine besonders schwierige oder spektakuläre Partie lieber hätte als den vorgesehenen Dienstplan-Musiker. In der Beziehung lassen aber die meisten Orchester gar nicht mit sich reden. Sogar der Chef selbst kann da auf Granit beißen.

Branchenkenner werden sich noch des Versuchs Karajans erinnern, im BPO (das sind die Berliner Philharmoniker) die erste Klarinette umzubesetzen. Allerdings waren da die Meinungen über die Qualitätsbegründung durchaus gespalten. Wenn es also auf diese Weise nicht geht, dann muß die Wahl, so man eine hat, auf ein solches Orchester fallen, das in den entscheidenden Stimmen mit der gewünschten Qualität besetzt ist.

Nicht ohne Grund arbeiten deshalb die großen Marken der Phonobranche gerne mit den besten Spitzen-Orchestern, weil sie mit denen, wenn es auch pro Sitzung teurer ist, die vergleichsweise attraktivsten Produktionen herstellen können. Wie überall bestätigen auch hier Ausnahmen die Regel. Aber solche Ausnahmen kann man nicht planen, und darauf können große Marken ihre Unternehmungen nicht aufbauen.

Solisten & Pultstars

Die große Stunde der Instrumentalstars naht, wenn Solisten gebraucht werden. Hier fällt die Entscheidung relativ leicht, weil es nur der Verabredung zwischen dem Solisten und dem Produzenten bedarf. Allerdings macht dieser die Rechnung ohne den Wirt, wenn da auch ein Star-Dirigent ist, der von der Solo-Besetzung seine eigenen Vorstellungen hat. So wird ein kluger Produzent nur Besetzungen zusammenbringen, von denen alle Beteiligten angetan sind.

Mit solchen Einzelkämpfern langfristige Katalogpolitik zu machen ist auch eine Doktor-Arbeit. Denn sie wollen sich ja nicht nur im Musikbewußtsein des Hörers ein Denkmal setzen, sondern „ihre Firma" auch ganz gerne als Schutzrevier gegen andere Interessenten sehen. Jedenfalls traf sich dieses Bestreben lange Zeit mit einem gleichgerichteten Interesse der jeweiligen Firma an Exklusivität ihrer Stars.

Honorare und Ansprüche

In diesem Spannungsfeld gedeihen Honorare und Ansprüche gemeinhin so lange, bis budgetär für weiteres Wachstum keine Luft mehr drin ist. Dann wird über Alternativen nachgedacht, die oft dahin gehen, daß der (die) Künstler(in) mit bestimmtem Repertoire zu anderen Firmen gehen darf - eine sogenannte „Repertoire-Exklusivität" - oder daß Verträge überhaupt nur auf Basis bestimmter Werke abgeschlossen werden.

In den letzten Jahren hat so der Drang nach Exklusivität abgenommen. Andererseits, der Reiz und der Sinn der Sache bleiben, vor allem für junge Künstler, denen in einer gut geführten Firma nicht nur der Weg an die Öffentlichkeit geebnet werden kann, sondern die dort auch günstige Umgebungsbedingungen für eine längerfristige, konsequente Entwicklung und Förderung finden.

Man nennt es Abwechslungsreichtum

In bezug auf Abwechslungsreichtum, Überraschungen, Verständigungsprobleme, Schrullen, Erwartungen, Begeisterung, Erfüllung, Entsagung, Enttäuschung, Gefühlsausbrüche, kurz alles so besonders Menschliche, dürften die Musikberufe, gemeinsam mit anderen darstellenden Künsten, und die Jobs derer, die damit zu tun haben, wohl einsame Spitze sein.

Als Abschluß eine Glosse

Auf dieser Ebene kann man auch eine Glosse verstehen, mit der ich diesen Abschnitt schließen möchte. Sie stammt von dem renommierten Pianisten Homero Francesch und wurde unter dem Titel „Fünf Briefe aus dem Künstlerleben" veröffentlicht. Hier der
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  • Brief einer Schallplattenfirma

    Haben Sie bitte Verständnis dafür, daß wir erst heute auf Ihr Schreiben vom Karfreitag vorletzten Jahres eingehen können. Ihre Repertoire-Vorschläge für eventuelle Neuaufnahmen wurden zunächst von unserer Brainstorming Marketing Subdivision begeistert aufgegriffen und diskutiert. Bei näherer Prüfung durch unsere Rechtsabteilung stellte sich jedoch heraus, daß alle von Ihnen genannten Werke - einschließlich der einhundertfünfundzwanzig Sonaten von Soler und achtzehn Nocturnes von Field - durch Vertragsklauseln mit unseren drei großen Exklusiv-B's (Brenzel, Bärenbaum und Ballon!) blockiert sind. Daß Sie diese Werke auf unsere frühere Anregung hin bereits einstudiert und mehrfach öffentlich gespielt haben, ist zweifellos ein für alle Beteiligten bedauernswertes Mißgeschick.

    Auch Ihre Anregungen für Aufnahmen mit Orchester können wir vorerst nicht realisieren, da unsere Vertrags-Klangkörper in Zukunft ausschließlich von Bärenbaum (seit vorgestern Hauptaktionär von BBB-Records) dirigiert werden, der seinerseits wiederum Solisten unter Exklusiv-Optionen mit Brenzel und Ballon! anstrebt.

    Es wird Sie freuen, daß vergangene Woche auf den Fidji-Inseln ein weiteres Exemplar Ihrer Debüt-Platte verkauft wurde. Das sollte Ihnen Auftrieb verleihen.

    Hochachtungsvoll
    BBB-Records

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Nicht ohne Pop

Ich bin bereits auf die wechselseitigen Beziehungen zwischen Komposition, Instrumentation, Stilarten und Akustik eingegangen, soweit sie für die Deutlichkeit der Wahrnehmung einer musikalischen Darbietung von Belang sind.

Diese Darstellung bliebe lückenhaft, wenn nicht auch das weite Gebiet der Pop-Musik und die dort entstandenen elektroakustischen Sitten und Gebräuche zur Sprache kämen.

Kommt Pop noch von populär?

Schon an dem Kürzel „Pop" entzündet sich Disput. Selbst in dem Sprachraum, in dem es erfunden wurde, wird Pop nicht für „seriöse" Musikstücke oder -gattungen verwendet, auch wenn diese offenkundig populär sind. Es muß wohl dem „Populären" in der Musik ein irgendwie prekärer Gout anhaften, der die Anhänger der seriöseren Spezies mehr oder minder auf Distanz hält.

Andererseits haben Prominente aller Spielarten nichts dagegen, wenn sie als „populär" gelten. Und die berühmten „Pop"-Konzerte in London, Boston, Tanglewood und anderen Stätten neuweltlicher Musikfreude pflegen die Grauzone zwischen E und U auf nachahmenswerte Weise, ohne davon kunstästhetischen Schluckauf zu bekommen.

Durch Pop zur Erkenntnis

Für den elektroakustischen Praktiker ist diese Grauzone und was dahinter Richtung Pop kommt jedoch eine unerschöpfliche Fundgrube und Spielwiese. Ich möchte sogar schlankweg behaupten, daß durch gründliche Betätigung in den „leichten" Klanggefilden besonders vorteilhaft jene Einsichten und Erkenntnisse reifen, die dann zur „wissend" kontrollierten Anwendung in den Fächern mit den höheren Weihen führen.

Die goldene Mitte

Umgekehrt macht jeder Praktiker im Studio mit klassischen Besetzungen unschätzbare Erfahrungen, wenn es zum Beispiel darum geht, von einer Streichergruppe die optimale chorische Balance herauszuholen. Es ist ja keineswegs so, daß für den späteren Hörer der Aufnahme allein schon durch Notation, Besetzung und Spielweise automatisch die richtige Balance entsteht.

Selbst wenn das oder die Mikrophone schulmäßig richtig aufgebaut sind und das Notenbild von einem Könner stammt, spielen immer Unwägbarkeiten mit, die den erhofften Akkord von Baß bis Diskant beeinträchtigen können. Und das gilt für alle Instrumente und alle Besetzungen, egal was, wo, wie und wann. Doch davon später mehr.

Peter K. Burkowitz im Jahr 1991

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