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Die Loudness-Grundlagen - die Korrektur des Gehörs

von Gert Redlich im Feb. 2017 - Über die Korrektur unserer Ohren wurde schon viel geschrieben. Jeder wußte es natürlich besser als der vorherige Schreiberling. Und alle hatten Recht. Recht hatten sie alle deshalb, weil das Ohr eines jeden Lebewesens subjektiv anders hört.

Alleine bei den Hifi-Menschen fällt das subjektive Beurteilen sofort auf, wenn 3 (oder mehr) Hörer über eine soeben gehörte Edel-Hifi Super-High-End Anlage diskutieren. Denn 3 Zuhörer bedeuten : mindestens 7 Meinungen. Bei den stereoplay Tests 1987 (von kleinen Lautsprechern) muß das den Juroren ganz deutlich aufgestoßen sein, daß da einiges vom Konzept her nicht stimmen könne. So kam auch diese Zusammenfassung von Berndt Stark von der Brehschen Redaktions-Mannschaft bei stereoplay zustande.

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stereoplay 12/1987 - Lautsprechertest und
"Loudness ja, aber richtig"

Von den beschaulichen Kleinboxen zum Paarpreis von rund 1.500 Mark hatten sich die Tester audiophilen Hochgenuß versprochen - und waren nach dem Hörtest ziemlich enttäuscht. Schließlich war es doch beabsichtigt gewesen, die Ursachen für die klangliche Überlegenheit der teuren Minis herauszufinden. Und dann sowas. Kann guter Klang denn nur aus großen Kisten kommen ?

Ein Rogers LS2 muß wieder her . . . .

Die kleine Rogers LS2, die im Oktober 1986 die Redaktion begeistert hatte, sollte Licht in das Dunkel bringen. Also wurde schnell ein Pärchen zu einem letzten Quercheck in den Hörraum geholt. Und dann strafften sich die zuvor zerknitterten Lauscher der Tester wieder. Keinem der diesmaligen Tonkünstler gelang auch nur annähernd ein dermaßen vollendetes Klangbild wie der mit britischem Understatement gekleideten LS2. Trotz Abstrichen an die Tiefbaßgewalt erfreute die Rogers mit wirklich "audiophiler Fülle, Weiträumigkeit, Ortungsschärfe, Präzision und Durchsichtigkeit".

Warum klingt die kleine Rogers LS2 so super ?

Der Frequenzgang der Rogers LS2 verläuft ungewöhnlich gleichmäßig und dürfte für den ausgewogenen Klang mitverantwortlich gewesen sein.

Woran lag es, wenn keine Zauberei im Spiel war ? Das Meßlabor gab später bereitwillig Auskunft. Als auffallende Besonderheit der LS2 ermittelte der Gerätepark ein hervorragendes Impulsverhalten vor allem im wichtigen Grundtonbereich etwa zwischen 200 und 2.000 Hertz. Nur wenige der anderen Kandidaten konnten da noch mithalten: Interessanterweise waren es genau diejenigen, die sich im Hörtest durch hohe Ortungsschärfe ausgezeichnet hatten. Aber auch im Baß- und Hochtonbereich vermied die kleine Rogers übermäßige Eigenresonanzen.

Außerdem überzeugte die Rogers mit einem außergewöhnlich gleichmäßigen Frequenzgang zwischen 60Hz und 20.000Hz. Hier hatten sich selbst die Testsieger mehr Freiheiten herausgenommen. Sie bündelten im Mittel- und Hochtonbereich zudem auffällig und neigten zu deutlichen Interferenzen.

Was machen die deutschen Boxenbauer verkehrt oder anders ?

Bleibt die Frage, warum selbst puristische Boxenbauer nicht auf kleine Baß- und Höhenanhebungen verzichten mögen. Ist eine kräftige Tiefbaßwiedergabe bis 40 Hertz nicht möglich, so kann eine Betonung des mittleren Baßbereichs (um 100Hz) darüber hinwegtrösten. Da außerdem fast alle Hochtöner im Brillanzbereich gerichtet abstrahlen und weniger Energie abgeben, als es die Schalldruckkurve erwarten läßt, kann etwas mehr Pfiff um 10 kHz verlorenes Terrain zurückerobern.

Allerdings begnügen sich viele deutsche Lautsprecher nicht mit 2 bis 3 Dezibel Zugabe bei 100 Hz und 10 kHz, und manche setzen im Präsenzbereich (1 bis 4 kHz) auf asketische Zurückhaltung. Daß diese Effekte weniger fatal klingen, als es die Messungen vermuten lassen, dürfte mit den Gehöreigenschaften zusammenhängen.

Eigentlich ist alles ganz logisch nachvollziehbar

Die menschlichen Schalldruckempfänger (richtig cool, gemeint sind also die Ohren) reagieren auf mittelhohe Schwingungen am sensibelsten, und je leiser die Lautsprecherwiedergabe gegenüber dem Original wird, desto stärker verbiegt das Gehör den Phasen- und Frequenzgang des wahrgenommenen Tongemischs.

Die Kompensation dieser Gehörphänomene

Loudnesskurven, die mit Hilfe eines parametrischen Equalizers experimentell ermittelt wurden und bei verschiedensten Musikarten gehörrichtig wirkten. Abhörbedingungen: Verstärkerleistung 2 x 50 bis 2 x 100 Watt, Betriebsleistung der Boxen 5 Watt (93dB in 1m Abstand), effektiver Hörabstand 4 bis 5 Meter. Die gestrichelte Kurve deutet an, daß übliche Korrekturschaltungen bei mittelhohen Pegeln zu stark und zu weit in den Mitteltonbereich hinein wirken. Die linke dB-Skala bezieht sich auf die Leistungsdämpfung des Lautstärkereglers am Verstärker, die rechte dB-Einteilung nennt den mittleren Schalldruck am Hörplatz. (Quelle: Lautsprecher Handbuch, München 1986)

Vor allem Kleinboxen, die sich an Originalpegeln die Zähne ausbeißen würden, sind auf eine Kompensation dieser Gehörphänomene angewiesen. Im Idealfall würde die erforderliche Loudnesskorrektur aber im Verstärker vorgenommen, und zwar so, daß die Höhen- und vor allem die viel wichtigere Baßanhebung mit zunehmendem Pegel nachläßt. Bei Originallautstärke wäre der Gesamt-Frequenzgang dann wieder linear.

Bisher gibt es jedoch kaum praxistaugliche Loudnessschaltungen - die meisten wirken zu weit in den Mitteltonbereich hinein und führen zu einem wummernden, mulmigen Klang bei mittelhohen Pegeln.

Sie machen ihre eigene Loudness . . .

Deshalb sind zahlreiche deutsche Boxenhersteller inzwischen zur Selbsthilfe übergegangen. Der „Loudness-Frequenzgang" ihrer Schallwandler wird allerdings nur bei mittleren Lautstärken wirklich stimmen. Im Leisebetrieb sind die Bässe immer noch zu schwach, und bei voller Lautstärke wirken sie meist schon überzogen.

Trotzdem ist leicht einzusehen, daß sowohl Boxen mit linearem Frequenzgang als auch solche mit Baß- und Höhenbetonung tonal ausgewogen klingen können - je nach der Abhörlautstärke. Erst wenn es den Verstärkerleuten gelingt, ihre Kraftwerke mit einer wirklich gehörgerechten Loudnesskorrektur auszustatten, die die Differenz zwischen Original- und Abhörlautstärke konsequent berücksichtigt, dann werden Lautsprecher mit linearem Frequenzgang als die „einzig wahren" anerkannt.

Was ist oder wäre optimal ?

  • Übereinandergeschriebene Kurven gleicher Lautstärke nach Fletcher und Munson.
  • a) 90 Phon entsprechen ungefähr der mittleren Originallautstärke eines Konzerts. Kräftige Impulse werden noch 15 bis 20 Dezibel über dem Mittelwert liegen. Bei gleichem Schalldruck reagiert das Gehör auf Signale zwischen 1 und 5 kHz am empfindlichsten.
  • b) 80 Phon werden nur noch als halb so laut empfunden wie 90 Phon; trotzdem riskiert man bei diesem Abhörpegel bereits Äraer mit Familie und Wohnungsnachbarn. Um die tonale Balance zu wahren, muß bei 80 Hz bereits 3 dB Schalldruck zugelegt werden.
  • c) 70 Phon sind etwa halb so laut wie 80 Phon. Gegenüber dem Original (90 Phon) verlangen die Fletcher-Munson-Kurven sogar 10 dB Schalldruckanhebung bei 80 Hz.
  • Das Gehör ändert also mit der Lautstärke seinen Frequenzgang. Soll die Wiedergabe tonal stimmig wirken und nicht baßschwach und flau, so muß man entweder ständig mit Originallautstärke hören oder auf eine Loudnesskorrektur zurückgreifen. Ob die Kurven von Fletcher und Munson aus den 30er Jahren zu einer praxisnahen Auslegung der Korrektur beitragen können, ist allerdings umstritten.*


*Siehe hierzu: T. Holman and F. Kampmann, „Loudness Compensation: Use and Abuse", Journal of the Audio Engineering Society, 1978, Number 7/8, Seite 526 bis 536.

Unklar ist allerdings immer noch (Anmerkung : Das ist eine Aussage von 1987 !!), wie eine optimale Loudnesskorrektur auszulegen ist und inwieweit Abweichungen vom linearen Lautsprecherfrequenzgang subjektiv akzeptabel wirken. Beide Phänomene scheinen allerdings eng miteinander verwandt zu sein. Leider geben auch die weitverbreiteten Fletcher-Munson-Kurven keine befriedigende Antwort auf diese Fragen, denn sie wurden mit Sinustönen in reflexionsfreier Umgebung ermittelt. Untersuchungen mit breitbandigen Signalen (Musik, Terzrauschen) über Lautsprecher im Wohnraum bei normalem Hörabstand (etwa 4 Meter) führen demzufolge zu anderen Ergebnissen.
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Einige Erkenntnisse über Loudness

Vor allem sollte die Baßanhebung erst unterhalb von 200 Hertz beginnen, sonst wird das Klangbild dumpf und dröhnig, was bei Sprachwiedergabe enorm störend wirkt. Die Höhenanhebung sollte möglichst erst bei 8 Kilohertz einsetzen, sonst wird die Wiedergabe aufdringlich hell und scharf. Hebt man bei Lautsprechern nur die Bässe oder nur die Höhen an, so scheint die tonale Balance nicht mehr zu stimmen. Beide Anhebungen sollten außerdem etwa gleichstark sein und 3 Dezibel möglichst wenig überschreiten. Darüber hinaus stört eine Senke im Präsenzbereich (zwischen 1 und 4 kHz) weit weniger, als es der Frequenzgang zunächst einmal vermuten läßt. Auch hier reagiert das Gehör offenbar anders als objektive Meßgeräte.
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Klein aber fein mit 2 x 15 Watt
  • Anmerkung : Sehr zum Verdruß der 1000 Watt Power-Spezialisten habe ich hier auf diesen Seiten mehrfach geschrieben, daß ich (inzwischen seit vielen Jahren) bei mir in der Museums-Redaktion einen kleinen 2 x 15 Watt Verstärker von Onkyo und 2 JBL Ti 1000 Boxen betreibe - und zwar zu meiner vollsten Zufriedenheit.

    Der Onkyo A-905 hat keine Loudness-Korrektur, dafür aber ein zweistufige Bassanhebung unterhalb dieser 200 Hz und die beiden JBL Boxen haben eine "eingebaute" Loundness", wie immer man den überaus angenehmen Sound beschreiben sollte. Die Erkenntnis in dem obigen Absatz von Herrn Stark ist also bewiesene Realität und bei mir in Wiesbaden sofort vorzuführen.
    Übrigens auch der Accuphase C280L hat keine Klangregler und auch nur eine kleine Bassanhebung und ganz erstaunlich, der klingt überragend.

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Es geht also um gewollte lineare Verzerrungen

Trotzdem darf nicht vergessen werden, daß alle Abweichungen vom linearen Frequenzgang nichts anderes sind als (gewollte) "lineare Verzerrungen". Nur neigt das Gehör ebenfalls zu Signalverformungen, die aber von der Lautstärke abhängig sind. Diese Einrichtung der Natur verhindert zum Beispiel, daß der Luftzug bei Motorrad- oder Cabrioletfahrten als unerträgliches Dröhnen und Donnern wahrgenommen wird.

Bei der Musikwiedergabe muß diese Gehöreigenschaft zur Wahrung der tonalen Balance allerdings kompensiert werden, so nützlich sie im Alltagssleben auch sein mag. In Abhängigkeit von der Lautstärke wird aber nur der Verstärker eine vernünftige Frequenz- und Phasengangkorrektur bewerkstelligen können, die direkt mit dem Lautstärkeregler in Verbindung steht. Bei Boxen ist der „Loudnessfrequenzgang" allenfalls ein Notbehelf, der lediglich bei mittelhohen Pegeln gehörrichtig erscheint, sofern er nicht zur Kompensation schwacher Tiefbässe und gebündelter Hochtöne dient.

Außerdem sollte die Loudnesskorrektur nicht fest eingestellt, sondern variierbar sein. Denn wie der gehörrichtige Frequenzgang letztendlich auszusehen hat, hängt auch von der Originallautstärke, der Aussteuerung der Aufnahme, der Verstärkerleistung, dem Wirkungssgrad der Boxen und vom Hörabstand zur Schallquelle ab.

Berndt Stark im Dezember 1987
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