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Die Telefunken Box TL800 (1973-1978)

Die große Telefunken Box TL800 hat ein paar Besonderheiten, die es zu erläutern gibt. Es gab nur wenige Hifi-Boxen (bei Telefunken), die über eine so lange Zeit von ca. Ende 1973 bis etwa 1978 angeboten (und auch gebaut ??) wurden wie die TL800. Und wir haben im Jan. 2017 ein Pärchen TL800 geschenkt bekommen, defekt natürlich. Deshalb dürfen wir da jetzt rein sehen und uns ausgiebig umschaun.

Angekündigt wurde die Box zur Funkaussellung im Sept. 1973 im Telefunken Prospekt 1973/74. Zumindest in Deutschland war es damals normal, daß solche Produkte dann auch lieferbar waren. Im Report 1979/80 wurde der Nachfolger, die Box TLX33, präsentiert, natürlich auch wieder "vier Wege" und jetzt mit tollen 230 Watt Musikbelastbarkeit - also viel mehr Power und vor allem jetzt mit den weltweiten 8 Ohm Impedanz.
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In 2017 sind das über 40 Jahre . . . .

Und nach 40 Jahren bekommen die Menschen wie auch die Gummisicken "ihre" individuellen "Falten und Risse". Zumindest bei den Menschen ist das zwar irreversibel und bremst zwar die Psyche - aber die Funktion nicht so sehr.

Bei den Lautsprecher-Chassis kann oder könnte man die Gummisicken erneuern bzw. austauschen. Wenn aber die Sicken sowohl der beiden Tieftöner wie auch der beiden Mitteltieftonlautsprecher anfangen zu bröseln und einzureißen, ist konsequentes Überlegen bzw. Nachdenken über Kosten und Nutzen des Hobbys angesagt.
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Was ist diese Box und die Reparatur noch wert ?

Darum ein Blick in die "Telefunken Report"s (die Hauszeit- schriften ala Grundig Revue) von 1973 bis 1978.

Es war die größte und bislang aufwendigste Hifi-Box im Telefunken- Consumerbereich. Telefunken baute (in anderen Werken natürlich) ja auch noch edle Studiogeräte und echte große Regielautsprecherboxen. Ob davon etwas abgefärbt hatte, konnte mir bislang niemand erläutern.

Für die angeblich 798.- DM bekam man schon "eine Menge Holz" und eine Menge Technik - immer für die Zeit von 1973 gesehen. Diese Vierwege Box mit einer richtig aufwendigen Frequenzweiche erkämpfte sich eine Menge Lorbeeren, die auch über Jahre immer wieder zitiert wurden.

Mit ca. 22 Kilo war sie gerade noch tragbar (transportierbar) und von der Optik paßte sie in diese Zeit gut rein.
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Bleiben wir nochmal bei den Lobeshymnen

Watt waren gefragt

Damals schon um 1970 herum begann der Siegeszug der BRAUN L710 sowie einzelner HECO Boxen und es begann auch die Legende samt der Geschichten vom sogenannten Taunus-Sound. Und auf einmal mußten alle Boxen "gleich" (gut) klingen, also vollkommen linear sein. In diese Richtung hin wurde auch die TL800 entwickelt, das Mithalten mit "den Anderen" war angesagt.

Aus zwei solcher "Tests" wurden Texte für die Werbesprüche in den TL800 Prospekt übernommen, und zwar, daß die Box ausgezeichnet sei. Natürlich wurde im Telefunken- Prospekt mit keinem Wort auch nur erwähnt, daß diese Ergebnisse eine bescheidene Halbwertszeit (Lebensdauer) von nur wenigen Monaten hatten. Das war nun mal das traurige Los der super tollen "Testsieger".

Doch damals war die Box noch "jung" und fing noch nicht an zu "schrumpeln". Denn jede Box hat 2 große Chassis mit Gummisicken. Und Gummisicken halten ja angeblich viel länger als die hochgelobten bröselnden Schaumstoffsicken.
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Die beiden TL800 im Jahr 2017

Der Mittel-Hochtöner ohne Strom
Die Litze bricht ganz leicht
Detailfoto - und dann ist es aus
Der Mittel-Tieftöner mit Rissen
Das Bass-Chassis mit Rissen
und hier nochmal ganz deutlich
die 130x130mm Platte des MT

Zuerst einmal sind in den beiden optisch gleichen Boxen unterschiedliche Chassis- Revisionen bei dem Tieftöner und dem Mitteltieftöner verbaut. Das ist nicht besonders glücklich. Die Impedanzen stimmen zum Glück. Weiterhin hat die Mittelhochton-Kalotte ein Alterungsproblem. Die weit außen liegenden lackierten Verbindungs-Litzen zu der Kalotten-Schwingspule brechen schon beim Berühren mit einem weichen Staubpinsel ab. Das ist ganz großer Murks.

Es sieht auch sehr trübe aus mit der legendären Gummi-Qualität der Sicken. Die erstaunlich glatten Sicken von Tieftöner und Mitteltieftöner sind an vielen Stellen bereits radial gebrochen und geschlitzt und der Bass (in einer geschlossenen Box) funktioniert so nunmal gar nicht mehr. Auch der Mitteltieftöner wird nur noch dünn klingen, denn auch dort sind die Sicken eingerissen.

Und somit sind die neunmalklugen ebay Spezialisten, die dafür noch 180.- Euro berappen, zwei schweren - aber nur noch wenig brauchbaren - Holzkisten aufgesessen (da der Umtausch allermeist ausgeschlossen ist), es sei denn, sie haben die Abdeckung hochgehoben und mal "unter den Rock" gesehen. Man sieht es mit einer Taschenlampe wie auch bei Lampenlicht und natürlich bei Sonnenlicht sofort. Die vier Gummisicken sind alle hinüber.

Meine beiden Geschenke haben noch eine abgerissene Zuleitung zur Mitteltonkalotte (siehe Text ganz oben) - inzwischen beide Mitteltonkalotten - und beide Mitteltieftöner sind natürlich dahin sowie beide Bass-Chassis auch.

Was aber noch viel schlimmer aufgefallen war, ist das dürre schmächtige 7m lange Lautsprecherkabel mit nur 0,5mm² Querschnitt und den schmächtigen DIN Steckern. Dann ist es kein Wunder, wenn da am Ende nichts mehr ankommt.

Und die damals zeitgleich angebotenen Telefunken Receiver hatten maximal gerade mal 2 x 30 Watt Sinus an 4 Ohm. Da ist jedes halbe Ohm an Leitungsverlusten gewaltig. Bei der BOSE 901 hatte ich das mal ausgerechnet, also was Leitungsverluste wirklich ausmachen.

Die Chassis Abmessungen sind diese hier :

der Tiefton-Lautsprecher mit Gummi-Sicke :
245mm der Metall-Korb - außen bis außen
230mm die Gummi-Sicke außen bis Sicke außen
190mm die Gummi-Sicke innen bis Sicke innen)
Gesamtbauhöhe 90mm

Mitteltiefton-Lautsprecher mit Gummi-Sicke : 129mm
Kalotten-Mitteltöner : mit 44mm Kalotte
im 130mm x 130mm Kunststoff-Chassis
Kalotten-Hochtöner: 30mm.

Von welchen OEM-Herstellern bzw. Chassis Lieferanten waren diese Chassis gebaut worden? Waren das wirklich Telefunken Eigenkonstruktionen ?
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Am Anfang war es ja gar nicht aufgefallen, die "Verschiedenheit"

Wenn die Litze gebrochen ist
der Spulendraht ist extrem dünn
so sieht es unter der Kalotte aus
Beim Versuch, das anzulöten
gibt es ein Loch

Da äußerlich nur die Sicken der Tieftöner und die Mitteltieftöner als wirklich defekt zu ersehen waren, ist "es" nicht aufgefallen. Doch auch der (erst mal einer) Mittel-Hochtöner (eine Kalotte) ist ja defekt, die Zuleitung ist abgebrochen, zuerst mal nur einer.

Dann ist aufgefallen, das ist nicht reparabel. Schaun wir uns mal die zweite Kalotte an. Beim ganz vorsichtigen Staubwedeln bricht da gleich die Zuleitung ab. Also scheint es ein Systemfehler durch Alterung zu sein.

Doch beim Vergleich der beiden Mittelton-Kalotten kommt raus, das sind zwar von den Abmessungen her nahezu gleiche Chassis, doch innen ist es doch sehr anders. Die innere Dämpfung auch bei Mitteltonkalotten scheint wichtig zu sein und das eine Chassis ist hinten offen, das andere ist ziemlich zu und mit einer kleinen Schraube versehen.

Beide haben hinter der Kalotte eine gewölbte Lochblende und dahinter in der Öffnung ist eine Menge Dämpfungsmaterial reingestopft.

Die Befestigung (Klebung) der eigentlichen mit elastischem Lack überstrichenen Stoff-Kalotte ist ebenfalls gänzlich anders gelöst. Das sind zwei verschiedene Modelle mit ganz sicher unterschiedlichen akustischen Eigenschaften.

Wie konnte soetwas im Werk bei Telefunken in Hannover durch die Endkontrolle gehen, außer, der Leidensdruck war bereits so hoch, die Kisten mussten einfach raus um jeden Preis. Oder aber die Motivation der Mitarbeiter war bereits soweit abgesunken, daß man es gerochen hatte, "der Laden" geht Pleite.

Im Zweifelsfalle hätte man die Boxen paarweise ausliefern müssen.
Jedenfalls so war das nicht korrekt. Die Vermutung liegt nahe, mit der Telefunken Steuerelektronik hatte man das sowieso nicht wahrgenommen, bzw. gehört.
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Auch die beiden Bass-Chassis sind verschieden ........ ?

Die Befestigungslaschen beide

Beim erneuten Befestigen der beiden reparierten Bass-Chassis ist es besonders aufgefallen. Das eine Chassis hat extrem wackelige sich verbiegende Befestigungslaschen, die sich beim Anziehen der Muttern stark verbiegen. Das ist natürlich Murks, was die Telefunken Monteure dort verbaut haben. Soetwas hätte nicht vorkommen dürfen. Irgendwie zeugt das von dem bereits damals vorhandenen Leidensdruck bei Telefunken, jede irgendwie machbare Verwendung von Material einzusetzen. Man ging vielleicht davon aus, daß die Tester der Hifi-Magazine solche deutschen Boxen nicht aufmachen und wenn doch, dann an der riesen Menge an Glaswolle bzw. dem Dämm-Material scheitern würden.
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Die Box ist (war) ausgestopft - prall ausgestopft

Das Gehäuse ist mit grau-gelber Minearwolle vollgepfropft, da geht nichts mehr rein. So prall gestopft hatte ich bislang noch keinen Lautsprecher gesehen und in den Händen gehabt. Natürlich muß das Material erst mal raus und die Handschuhe kann man danach entsorgen, denn die Glaswolle kitzelt gewaltig. Beim erneuten Befüllen wird aber zuerst die Putzwolle aus den Grundig 706 Boxen zum Zug kommen, ehe mit dieser Kitzelwolle nachgefüttert wird.
Das ist der Nachteil von absolut symmetrischen rechteckigen Holzkästen. Mit der Dämpfungsfüllung sollen die Gehäuseresonazen bekämpft werden.
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Wenn die Chassis (noch) in Ordnung wären . . . .

dann könnte diese Box an modernen Verstärkern mit 2 x 100 Watt Sinus an 4 Ohm durchaus gut klingen. Die mechanische Qualität der verbauten Chassis (bis auf die Befestigungslaschen des einen Bass-Chassis) macht einen guten Eindruck.

Was würde also das Refoaming kosten ? Rentiert sich das ? Was ist an der Frequenzweiche noch zu tauschen ? Ist die im Gehäuse dicht geschichtete Glaswolle noch zeitgemäß ? Also welcher Aufwand lohnt sich noch, diese Boxen zum Leben zu erwecken - außer der Frage nach dem nostalgischen Vergleich mit modernen Exemplaren.
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Ein paar weitere mustergültige Eigenschaften

Das Gehäuse ist sehr robust und massiv, jedoch mit allesamt parallelen Wänden. Ob es resoniert, müsste noch geprüft werden. Die Verschraubung der Chassis an der Schallwand mit massiven versenkten Schraubbolzen ist mustergültig. Da könnten sich andere wie Canton (Spax-Schrauben) eine Menge abschneiden. Die Frequenzweiche für die 4 Wege ist professionell dimensioniert und massiv befestigt.

Das Boxengehäuse hat auch etwas Besonderes

Allermeist werden (wurden) die Holzkästen (Kisten) einfachst zusammengeklopft oder zusammengeklappt.

Die Böswilligen sprechen auch von "zusammengehustet".

Doch bei den Gehäusen ist Zeit = Geld und die Holz-Kisten sollen so billig wie nötig und dennoch so attraktiv wie möglich sein.

Bei der Telefunken Konstruktion ist das anders. Alle 4 waagrechten Kanten sind aus verleimten massiven harten Rundbuche-Stäben - und dick wie Besenstiele - gefertigt. Die Seitenteile der Box sind entsprechend halbrund ausgefräst und sauber und massiv verleimt.

Damit gewinnt dieses TL 800 Gehäuse eine Stabilität - , die die meisten Gehäuse der großen Massenhersteller von Philips, ITT, Grundig, auch HECO, Canton und andere - unseres Wissen nach - nicht hatten.

Ob diese Stabilität sich auch akustisch bemerktbar macht, kann erst getestet werden, wenn die Box wieder verschaltet und ausgestopft worden ist.
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Refoaming durch einen Sponsor

Ein anonymer und vermutlich begeisterter Sponsor hat das Refoaming der beiden Mitteltieftöner und der beiden Bass-Chassis teilweise übernommen und uns eine Spende zukommen lassen.

Die vier Chassis sind bereits wieder fertig - Dank der Sound-Clinic in Ingelheim.

Die Mittel-Hochtöner werde ich aus zwei anderen 4 Ohm Boxen entnehmen, entweder die von der Grundig Box 706M oder die von der HECO P7302.
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