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stereoplay Kompendium 1988 - "Grundlagen der HiFi-Technik"
Es müsste aber "Grundlagen der Akustik" heißen.

von Gert Redlich im Januar 2014 - Unter der Chefredaktion von Karl Breh wurden ab 1984 bis etwa 1988 in jede Ausgabe der stereoplay so ziemlich in der Mitte blaue Seiten mit Grundlagen-Wissen eingeklebt. Diese Seiten wurde später nach Abschluß der ganzen Artikel in einem Kompendium zusammengefaßt. Nach meiner Meinung sind diese Artikel hier nicht Hifi spezifisch sondern allgemeine akustische Grundlagen. Einige Artikel verlangen volle Aufmerksamkeit und gezieltes "Verstehen Wollen" für diese hochkomplexe Materie. Die einzelnen Verfasser haben sich dennoch bemüht, immer wieder mit plausiblen Beispielen nachzuhelfen. Der Inhalt des Kompendiums steht hier.

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Grundlagen der HiFi-Technik XXXVIII (38)
Ursachen unterschiedlicher Hörergebnisse (3)

Vorwort : Die Deutschen sind schon rechte Nervenbündel, meint Hörforscher Moser von der HNO-Uniklinik Würzburg. Japaner scheinen zäher zu sein. Psychoakustische Phänomene bewirken sicher auch, daß verschiedene Kulturen bestimmte Klangeigenschaften von HiFi-Geräten hören - oder auch nicht.
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Es geht diesmal ganz allgemein um die psychoakustische Beurteilung von Geräuschen in verschiedenen Ländern und Gesellschaften des Erdballs.

Rund um den Ball, wen stört ein Knall?

Musik, klassische Orchestermusik, wird offensichtlich rund um den Globus überall gleich empfunden. Es wäre sonst nicht erklärbar, weshalb Musikaufnahmen von großen Orchestern und bekannten Dirigenten rundum reißendenden Absatz finden.

Aber die Frage, ob Geräusche ebenso selbstverständlich sind, überall, rund um den Ball, und gleich empfunden werden, bedarf einer näheren Untersuchung.

Auf unserem kleinen Erdball leben immer mehr Menschen immer enger zusammen, diszipliniert durch Normen und Verordnungen, zum Beispiel über die Lärmemission von Büromaschinen oder Kraftfahrzeugen. Da diese hochtechnischen Geräte heute aufgrund der internationalen Arbeitsteilung in den verschiedensten Ländern gefertigt und in wieder ganz unterschiedlichen Ländern benutzt werden, ist es notwendig, daß verbindliche internationale Normen existieren.

Geräuschbeurteilungen einfach darstellen

Solche Lärm- oder Geräuschbeurteilungen sollten in einer einfachen und verläßlichen Darstellung der Ergebnisse erfolgen. Es ist ja heute leider so, daß die Sprache des Fachmanns und die Sprache des Laien in der Tat zwei verschiedene sind.

Ein Beispiel für die Sprache des Fachmanns ist die Beurteilung des Straßenlärms in dB-A. Eine Änderung des Lärmpegels um 10dB-A entspricht dabei einer Verdoppelung der Lautheit, eine Änderung um 3dB-A ist wahrnehmbar. Was sagen diese Zahlen dem Fachmann?

In der Regel auch nicht viel mehr als dem Laien, denn Zahlen, aus dem Zusammenhang gerissen, sind bedeutungslos. Ist der Grundpegel relativ leise, so sind Änderungen von 3dB kaum wahrnehmbar. Ist der Pegel dagegen sehr laut, dann sind Änderungen um 3dB sehr deutlich wahrnehmbar.

Beispiele aus dem Alltag

Diese relativen Veränderungen auf der dB-Skala lassen sich dem Laien jedoch wesentlich verständlicher darstellen, wenn man beschreibt, wie eine Änderung des Mittelungspegels um 3dB im Alltag entsteht:
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  • Durch Verdopplung der Kraftfahrzeugdichte.
  • Durch Erhöhung des Lkw-Anteils von 5 auf 20% und Vermindern des Pkw-Anteils von 95 auf 80%.
  • Durch Fahrbahnänderungen: Übergang von Pflaster auf Asphaltdecke.
  • Verändern der durchschnittlichen Geschwindigkeit von 50 auf 80km/h.
  • Durch Abstandsänderung. Eine Straße, die vorher 15 Meter entfernt verläuft, liegt nach dem Ausbau nur noch 10 Meter entfernt.

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Es geht um die Lautheitsbewertung

Unser Schallempfinden ist sehr komplex. Bei der Lautheitsbewertung reagieren wir nicht nur auf die Energie des Schalls, sondern wir beurteilen auch seine spektralen Anteile. Das heißt, wir analysieren, ob der Schall mehr aus tiefen oder mehr aus hohen Frequenzanteilen besteht.

und deren Lästigkeit

Neben der Lautheit beurteilen wir aber noch die Lästigkeit. Ein Beispiel dafür ist der tropfende Wasserhahn im Bad. Tagsüber stört er niemand. Er wird durch die Geräusche des Hauses ausgeblendet. Nachts jedoch, wenn das Haus ruhig wird, kann man nicht einschlafen, weil er auf die Nerven geht.

Selbst gute Schallplatten können lästig klingen

Ein weiteres Beispiel für „lästig" aus der täglichen Praxis des HiFi-Fans: Eine Schallplatte, auch bei noch so guter Behandlung, hat im Laufe der Zeit eine gute Chance, einen Kratzer zu bekommen. Bei sorgfältiger Handhabung kann es sehr lange dauern, bis er plötzlich da ist, keiner war's!

Beim Abspielen der Platte entsteht dann etwa alle zwei Sekunden ein Knacks. Der muß gar nicht laut sein, aber er stört einfach, er ist lästig. Daß bei der gleichen Schallplatte das Verhältnis von Musik zum Rauschen im Laufe der Zeit immer kleiner wurde, das scheint niemand zu stören, das ist halt so. Das Rauschen stört eben weniger, weil es gleichmäßiger ist.

Ein Beispiel aus dem täglichen Leben: Ein Schreibmaschinengeräusch ist wesentlich lästiger als die Störung durch Flugzeuglärm. Viele Menschen sind durch die Schreibmaschine im Nebenraum mehr gestört als durch entfernten Fluglärm.

Den "Lärm" definieren

Wen stört nun eigentlich der Knall? Lärm belastet, sagen die einen, Rockmusik entspannt, meinen die anderen. Das technische Meßwesen bietet uns mehrere Möglichkeiten, Lärm zu definieren. Wir können seine Stärke messen, wir können die Dauer bestimmen, die Häufigkeit, mit der der Lärm auftritt, nicht zu vergessen die Tageszeit des Auftretens, die Frequenzzusammensetzung, etwaige Auffälligkeiten der Lärmquelle, zum Beispiel besonders hohe Töne oder ein eigenartiges Wiederholungsmuster.

Dann sind natürlich noch zu berücksichtigen die Ortsüblichkeit des Geräusches sowie die Art und die Betriebweise einer Lärmquelle. Dies sind Größen, die wir mit technischen Mitteln relativ einfach messen und beschreiben können.

Lärm kann physisch als auch psychisch beeinflussen

Der Lärm wirkt jedoch auf jeden einzelnen Menschen anders. Er kann den Gesundheitszustand sowohl physisch als auch psychisch beeinflussen. Er kann die Tätigkeit, die wir während einer Geräuschbelastung ausüben, beeinflussen. Wir können uns an den Lärm gewöhnen, und wir können unsere Einstellung zum Lärmerzeuger ändern. Diese letzten Punkte sind quantitativ sehr schwer zu beurteilen, sie unterliegen sehr stark subjektiven Einflüssen.

Jeder Mensch reagiert anders. Deswegen beurteilen zwei Nachbarn dasselbe meist unterschiedlich. Wie sehr klaffen dann bei Menschen verschiedener Kultureinflüsse die Meinungen über Lärmerzeuger auseinander? Diese Frage ist wichtig, denn viele Vorschriften werden heute in internationalen Gremien und Verbänden abgefaßt und haben übernationale Geltung.

Vergleiche über Lärm aus 1980-83

Kulturvergleiche zum Nachbarschaftslärm wurden in den Jahren 1980 und 1983 in Japan, Deutschland und England durchgeführt, und zwar von der Universität Osaka, Professor Namba, von der Universität Oldenburg, Professor Schick, und von der Technischen Universität München, Professor Zwicker.

Es wurden Unterschiede im Hinnehmen von Nachbarschaftslärm zwischen Japanern und Deutschen gefunden. Dieser Lärm hat die Nachbarn entweder belästigt oder er war so intensiv, daß er deutlich wahrgenommen wurde.

Deutsche (über-) reagieren anders als Japaner

Die Antworten der Deutschen lassen darauf schließen, daß es für sie bedeutend schwieriger ist, sich mit einer Lärmquelle abzufinden und sie zu tolerieren, als für die Japaner. Der Deutsche fühlt sich erheblich schneller belästigt und gestört!

Wird er durch Lärm vom Nachbarn belästigt, reagiert er wesentlich direkter. Der Japaner verhält sich in dieser Hinsicht weit toleranter. Aber er beurteilt den Nachbarschaftslärm entschieden kritischer. Der Deutsche greift in solchen Fällen auch viel eher zur Selbsthilfe. Er geht zum Nachbarn und beschwert sich über die Belästigung. Der Japaner empfindet das als unhöflich, man darf nicht einfach hinübergehen und sich beklagen!

Auch Begriffe sind weltweit nicht eindeutig

Wen wundert's bei solchen Studien, daß es Meinungsverschiedenheiten über die Bedeutung von Begriffen gibt. Die Zuverlässigkeit dieser Studien konnte durch wiederholte Messungen nachgewiesen werden. Bei diesen Geräuschen, die vom Nachbarn kommen und durch die der Nebenmieter sich belästigt fühlt, gibt es unterschiedliches Verhalten. Ich möchte nur einige anführen.

Hier ein paar Beispiele

Die Geräusche durch Mopeds oder Motorräder wurden in beiden Kulturen als lästig empfunden. Während aber nur 40% der Japaner Einwände erhoben, sind es fast 60% der deutschen Antworten, die die Mopeds lästig finden, und das Entscheidende ist, daß die deutschen Antworten bereits bei wesentlich leiserem Geräuschpegel der Mopeds und Motorräder erfolgten!

Durch Kinder fühlen sich die Japaner nur zu 20%, wir Deutsche dagegen wieder mit 30% und ebenfalls bereits bei wesentlich geringeren Lautstärken gestört.

Türenschlagen verübelten fast 50% aller Deutsehen, die befragt wurden; in Japan waren es nicht einmal 10%. Durch Heimwerken der Nachbarn fanden sich nur knapp über 20% der Japaner angegriffen; bei uns waren es aber fast 50%. Wir Deutsche reagieren wesentlich empfindlicher auf Störung.

Nur 10% aller Japaner fanden, daß sie sich nicht so gut oder überhaupt nicht an den Lärm gewöhnen könnten. Die deutschen Nervenbündel summieren sich auf 45% aller Befragten.

Unser Wort „Lärm" ist fast nicht zu übersetzen

Im multinationalen, multilingualen Rahmen ist es schwierig, einen Begriff wie „Lärm" zu definieren. Die englische Übersetzung „noise" trifft nicht die volle Bedeutung des deutschen Begriffs „Lärm", „noise" kann die Bedeutung „Schall" oder „Geräusch" zusätzlich haben.

In den internationalen Arbeitskreisen geht es also manchmal sehr oft um rein semantische Fragen und in zweiter Linie erst um die anstehenden technischen Probleme. Bei einer Zusammenarbeit mit einem so fernen Kulturkreis wie dem japanischen wurde ein weiteres Mittel angewandt, um nachzuprüfen, ob die Begriffe im Deutschen und Englischen mit den Beschreibungen im Japanischen einigermaßen identisch sind.

Alle Übersetzungen aus dem Deutschen oder Englischen ins Japanische wurden von anderen Übersetzern wieder vom Japanischen zurück ins Deutsche oder Englische übertragen, und die Begriffe wurden dann mit den Originalvorlagen verglichen. Es gab, wie zu erwarten war, keine völlige Übereinstimmung. Es wäre aber auch vermessen, wollte man hundertprozentige Deckungsgleichheit erwarten.

Internationale Gremien sollen "Lärm" definieren

Grundlagenuntersuchungen, die an Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen durchgeführt wurden, gelangen über die nationalen Standardlabors, in Deutschland die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig und Berlin, in die internationalen Gremien.

Für die Akustik gibt es in der Internationalen Elektrotechnischen Kommission (IEC) eine Arbeitsgruppe „Meßgeräte". Sie hat natürlich wieder Unterteilungen, um die einzelnen Sparten abzudecken. So eine internationale Norm zu setzen dauert natürlich Jahre; bis sich die einzelnen Mitgliedsländer auf einen gemeinsamen Nenner einigen können, vergeht viel Zeit.

Eine verbindliche Referenz-Hörschwelle ist jetzt "0dB"

Dennoch gelingt dieses fast Unmögliche sehr oft. Die Frage, wie gut oder schlecht ein Mensch hört, ist international eindeutig geklärt. Es gibt eine verbindliche Referenz-Hörschwelle für reine Töne. Bei den durch diese Norm definierten Meßfrequenzen, die in Oktav- und Halboktav- Schritten von 125 bis 8.000 Hz reichen, wurde für jeden Prüfton die Hörschwelle festgelegt und mit 0 dB-HL bezeichnet. HL steht für hearing level. Ein normalhörender junger Mensch sollte also bei allen Prüffrequenzen den Ton bei 0 dB-HL gerade wahrnehmen.

Theoretisch sollte es möglich sein, ein Gehör, das in Würzburg gemessen wurde, in Boston oder Tokio nachzumessen und zum selben Ergebnis zu kommen. Dabei werden sicher verschiedene Audiometer und ganz sicher verschiedene Kopfhörer verwendet werden. Dennoch sollte es bei entsprechend kalibrierten Meßgeräten nur Abweichungen von ±5dB geben.

Eigentlich sind es technische Fragen

Solche internationalen Normen bedeuten nicht, daß die Produkte, die dieser Norm entsprechen, überall gleich ausschauen. Es heißt nur, daß Meßgeräte in verschiedenen Ländern das gleiche Ergebnis zeigen müssen. 1kg in Würzburg, Boston oder Osaka muß immer 1kg auf der Waage bleiben.

Deswegen muß man auch fordern können, daß das Messen einer Hörschwelle an den drei Orten zum gleichen Ergebnis führt. Solche Meßgerätenormen sind relativ einfach unter einen Nenner zu bringen. Es geht hier in erster Linie um technische Fragen.

Doch wo liegen die Grenzen für Lärmbelästigungswerte

Schwieriger wird es, wenn es um einen gemeinsamen Nenner bei komplexen Größen geht, etwa um die Grenze allgemein verbindlicher Lärmbelästigungswerte. Wir erleben es heute täglich, daß die Lärmemission von Produktionsbetrieben stark reglementiert wird, während die Beschallung in der Freizeit nahezu unbegrenzt zulässig ist.

Wie steht es mit den Angestellten einer Disco? Sind sie nicht täglich der mehrfachen Lärmdosis eines Industriearbeiters ausgesetzt? Sollten etwa die Bedienungen in der Disco Schallschützer tragen? Oder sollte man die Freifeld-, sprich: Lautsprecherbeschallung in der Disco abschaffen und dafür jedem Besucher einen Kopfhörer aushändigen?

Erste „Lärmmessungen" Ende der 60er Jahre

Solche Fragen sind nicht neu, ich erinnere mich an eine meiner ersten „Lärmmessungen" Ende der 60er Jahre.

Wir hatten die Aufgabe, die Schallstärke auf dem Podium einer damals ganz bekannten Rockgruppe zu messen. Sie hatte bereits einen eigenen Ingenieur, der für die ganze Beschallungs- und Aufnahmetechnik zuständig war. Er wollte von uns wissen, wie ungesund die tägliche Dauerbeschallung mit „Sound" sei. Wir haben die Messungen gemacht und den Musikern empfohlen, sich Lärmschutzstöpsel in die Ohren zu stekken, um 15 bis 20dB des einfallenden Schalls zu dämpfen. Dieser Vorschlag wurde zwar angenommen, aber sofort umgangen. Der Ingenieur der Band mußte schleunigst ein paar Kilowatt mehr in seine Kraftverstärker investieren, denn die Musiker hatten das Gefühl, der Sound sei nun durch die Stöpsel doch etwas zu „schwach", zu „soft"!!

Eine Norm alleine reicht nicht

Die Schwierigkeit, die man rund um den Ball mit dem Knall hat, hat man auch mit dem Klang. Hersteller von HiFi-Produkten berufen sich in der Werbung ebenfalls auf nationale und internationale Normen, zum Beispiel in Deutschland die HiFi-Norm. Aber allein schon die vorliegende Zeitung stereoplay ist Beweis genug dafür, daß die Norm allein nicht ausreicht. Kloster-Kötter und Jansen schrieben 1980: „Lärm ist keine physikalische Größe."

Analog könnte man diesen Satz umformen und sagen, Klang, Wohlklang ist keine physikalische Größe. Jansen und Kloster-Kötter schrieben weiter: „Schall wird zu Lärm, wenn er das physische, psychische oder soziale Wohlbefinden der exponierten Personen stört."

Klang hat also mit "Wohlbefinden" zu tun

Wieder in Analogie könnte man sagen, Schall wird als angenehmer Klang empfunden, wenn er nicht physikalisch, psychisch oder sozial das Wohlbefinden des Zuhörers stört.

Ein Beispiel: Ein Kopfhörer mit einem zu strammen Bügel kann noch so gut klingen, er stört das Wohlbefinden des Trägers, und dieser Kopfhörer ist im wahrsten Sinne des Wortes nicht zu ertragen. Unabhängig voneinander haben mir verschiedene Hersteller hochwertiger Lautsprecher versichert, daß eine in Deutschland wohlklingende Box mit Sicherheit in Frankreich anders bewertet wird.

An einer in Frankreich als wohlklingend prämierten Box wird in Deutschland bemängelt, daß sie zuviel Höhen hätte und daß bei Sprache die „S"-Laute zu betont herausklingen würden.

Es gibt da Experimente mit Sprachaufnahmen

Aus eigener Erfahrung weiß ich, daß eine Sprachaufnahme, zu Zwecken der Audiologie mit höchster Präzision gemacht, das heißt - sämtliche Geräte auf möglichst linearen Frequenzgang kalibriert - als zu kalt, zu technisch empfunden wird. Diese Aufnahme wurde von den Tonmeistern in verschiedenen Studios bemängelt; die einen fanden, sie habe zu viele Höhen, die anderen wieder meinten, sie sei zu baßbetont.

Wir haben ein und denselben Sprecher zuerst von Tonmeistern beim Rundfunk und dann von Audiologen editiert. Die eine Aufsprache hat die Spielereien der Klangfilter in den Mischpulten voll ausgenützt, um dem Sprecher ein wohlklingendes Organ zu geben. Wir Audiologen haben versucht, den Frequenzgang möglichst exakt abzubilden, mit allen Stärken und Schwächen des Sprechers. Werden diese beiden Aufnahmen verglichen, dann sind die wenigsten Versuchshörer bereit zuzugeben, daß beide Aufnahmen vom selben Sprecher stammen. Jeder meint, die zwei Mitschnitte hätten auch zwei verschiedene Sprecher. Diese Aufnahmen sind enthalten auf der Audiometrie CD 1 von Westra.

Dieses letzte Beispiel aus unserem audiologischen Alltag zeigt, daß man gar nicht rund um den Ball gehen muß, um Unterschiede in der Hörempfindung nachzuweisen.

Unsere Ohren sind äußerst komplexe Klangtransformatoren

Unser Ohr ist mehr als nur ein Sinnesorgan für mechanische Druckschwankungen. Sie gelangen zwar rechts und links seitlich am Kopf über unsere Außenohren, das Trommelfell, das Mittelohr, das Innenohr zur Verarbeitung in unser Zentralnervensystem. Aber diese simplen mechanischen Gebilde, wie unsere Ohrmuscheln, sind schon äußerst komplexe Klangtransformatoren.

Wir unterscheiden rechts, links, oben, unten eben nicht nur aus der Laufzeit-Differenz der akustischen Schallquelle zu diesen zwei Empfängern, sondern unsere Ohrmuscheln und der Ohrkanal wirken als Klangfilter und verändern den Klangeindruck der Signalquelle mit der Richtungsänderung. Diese Klangänderung ist es, die uns so treffend die Richtung der Schallquelle verrät.

Etwa 30.000 Haarzellen sind 60.000 Analog-Digital-Wandler

Klangänderungen in dieser Feinheit aufzulösen geht eben nur, wenn der mechanisch-elektrische Schallwandler, das Mikrophon, mehr als ein technisches Mikrophon ist. Wir haben im gesunden Innenohr etwa 30.000 Haarzellen, das heißt, wir hören ständig mit 60.000 Analog-Digital-Wandlern. Es sind aber nicht Primitivwandler im technischen Sinn, die nur binäre Schaltstufen kennen, nein, unsere Nervenzellen können mehr als nur Informationen im On-Off-Betrieb aussenden. Jede dieser Nervenzellen kann praktisch ein PCM-kodiertes Signal abgeben!

Diese Haarzellen können auch vom nachgeschalteten Prozessor, sprich Zentralnervensystem, gesteuert werden. Wir können also tatsächlich auch bei Geräuschen, die uns interessieren, hinhören. Wir können natürlich auch das Gegenteil, wir können weghören.

Über den Begriff „hören"

Es ist schon interessant, wie der Begriff „hören" in unsere Sprache eingebaut ist und mit wievielen Vorsilben die Bedeutung der Tätigkeit „Hören" verändert werden kann.

Wir können zum Beispiel abhören, anhören, aufhören, wir können erhört werden. Wir können hinhören und weghören. Wir können natürlich auch zuhören. Wir können viel hören und doch nichts verstehen. Wir können wenig hören und alles verstehen. Mit dem Hören hat es so seine Bewandtnis.

Eine ganz wichtige Erkenntnis :

Mit dem Hören hat es aber auch so seine Rätsel, wir können nicht alles, was wir hören, physikalisch erklären.

Vieles können wir nur über unsere Empfindung beschreiben.
Die Wissenschaft der Psychoakustik besteht damit zu Recht; Akustik ist nicht nur ein Bereich der Mechanik, der Physik. Bekesey, der für seine akustischen Forschungen mit dem Nobel-Preis ausgezeichnet wurde, hat seine Laufbahn als Telefoningenieur begonnen. Über ihn erzählte man sich, daß er die Qualität einer Telefonleitung an dem Knacks beurteilen konnte, den das Ein- und Ausschalten der Verbindung verursachte. Das war das Telefon der frühen 20er Jahre.

Da die Empfindung des Schallereignisses „Knall, rund um den Ball" physikalisch nicht zu beschreiben ist, könnte man in Zukunft vielleicht einmal sagen: Beschreibe mir, wie du den „Knall" empfindest, und ich sage dir, in welchem seelischen Zustand du bist.

1984 - Ludwig M. Moser, Audiologie HNO-Klinik, Julius-Maximilian-Universität, Würzburg
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In der nächsten Technikbeilage: erhörtes und unerhörtes Neues aus Japan — Wie gut die Besucher der Stuttgarter HiFi-Messe hörten
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