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stereoplay Kompendium 1988 - "Grundlagen der HiFi-Technik"
Es müsste aber "Grundlagen der Akustik" heißen.

von Gert Redlich im Januar 2014 - Unter der Chefredaktion von Karl Breh wurden ab 1984 bis etwa 1988 in jede Ausgabe der stereoplay so ziemlich in der Mitte blaue Seiten mit Grundlagen-Wissen eingeklebt. Diese Seiten wurde später nach Abschluß der ganzen Artikel in einem Kompendium zusammengefaßt. Nach meiner Meinung sind diese Artikel hier nicht Hifi spezifisch sondern allgemeine akustische Grundlagen. Einige Artikel verlangen volle Aufmerksamkeit und gezieltes "Verstehen Wollen" für diese hochkomplexe Materie. Die einzelnen Verfasser haben sich dennoch bemüht, immer wieder mit plausiblen Beispielen nachzuhelfen. Der Inhalt des Kompendiums steht hier.

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Grundlagen der HiFi-Technik XXXVII (37)
Ursachen unterschiedlicher Hörergebnisse (2)

Audiologe Ludwig M. Moser von der HNO-Universitätsklinik Würzburg hält eine Moralpredigt.

Jung und alt, wie klingt's im Wald:

Sind die Geräusche des Waldes für einen 60- oder gar 80jährigen noch so wahrnehmbar wie für einen 20jährigen? Unser Gehörsinn altert wie alle unsere Sinne und wie unsere Organe. Es ist eine Tatsache, daß mit zunehmendem Alter die Empfindlichkeit für höhere Frequenzen zurückgeht. Weniger bekannt ist, daß mit zunehmenden Alter auch die Toleranz für laute Geräusche geringer wird.

Ein Waldspaziergang wird deshalb von jugendlichen Ohren anders registriert als von älteren Ohren. Das Gezirpe der Grillen mag für die letzteren schon unhörbar sein. Der Düsenjäger im Tiefflug wird von den Jugendlichen als lästig empfunden, von den 60jährigen aber als unerträglich laut.

Im ALter wird es "haarig", alles schrumpft

Das Hörfeld des Menschen schrumpft. In das Diagramm mit den Kurven gleicher Lautheit, den Isophonen, die für jugendliche Ohren im Alter um 20 Jahre bestimmt worden sind, wurde das typische Hörfeld eines 80jährigen Mannes eingezeichnet (Abbildung 1). Die Hörfläche ist deutlich sichtbar geschrumpft.

und nicht nur geschrumpft, auch noch verworfen

Sie ist jedoch nicht nur geschrumpft, sie hat sich auch verworfen, das heißt, das Hören ist welliger geworden, denn die Kurven gleicher Lautheit haben sich beim 80jährigen ebenfalls verschoben. Diese Änderungen des Hörempfindens erfolgen ganz allmählich. Keinem werden sie bewußt. Nur plötzliche Änderungen werden bemerkt. Zum Beispiel bei Erkrankungen des Ohres fällt auf, daß ein Ohr plötzlich leiser empfindet als das andere.

Die Verändeurngen kommen schleichend und unmerklich

Der altersbedingte Wandel des Hörempfindens kommt unmerklich.
Der satte Klang eines schweren Motorrads ist für den 18jährigen eine Lust, für den 80jährigen jedoch Frust. Dem 80jährigen ist dieser Klang wirklich unangenehm, unerträglich, ja er kann sogar schmerzhaft sein.

Dieser Schrumpfungs- und Verwerfungsvorgang des Hörempfindens gilt jedoch nur für die Vergangenheit. Wir können die Gegenwart nicht extrapolieren und sagen, daß ein heute 18jähriger mit 80 im Schnitt so hören wird, wie wir das in das Diagramm eingezeichnet haben. Die Arbeitsplätze wurden zwar in den letzten Jahren immer leiser, das Freizeitvergnügen jedoch immer lauter. Der Lärm am Arbeitsplatz unterliegt strengen gesetzlichen Vorschriften und Verordnungen. Der Lärm der Freizeit ist Eigensache.

Warum drehen Verkäufer immer voll auf ?

Auf der Stuttgarter HiFi-Messe 1986 habe ich in Super-Autoanlagen "Lärmpegel" von 115 dB gemessen. Dieser Lärmpegel darf laut Richtlinie VDI 2058 Blatt 2 bei Dauereinwirkung maximal 1,5 Minuten pro Arbeitstag auftreten. Danach ist eine Erholungszeit von mindestens 500 !! Minuten notwendig. Für 15 Minuten Lust der grauen Hirnzellen verlangen die Haarzellen des Ohres also 500 Minuten Pause. Bei 95dB(A) Lärmpegel darf die Einwirkungsdauer etwa 100 Minuten betragen, die Erholungszeit dafür ist aber 250 Minuten.

Da den Haarzellen diese Erholungszeiten heute fast niemals zugestanden werden, rächt sich das Ohr mit schnellerem Hörverlust. Es ist deshalb reine Spekulation, den heute 18jährigen auf den heute 80jährigen zu extrapolieren. Man kann aber annehmen, daß dieser 18jährige, wenn er 60 ist, wahrscheinlich deutlich schlechter hören wird als unsere 80jährigen heute.

Zur Warnung! Es pfeift!

Gibt es Warnsignale, die eine Überlastung des Ohres anzeigen? Solche Anzeichen kann es geben, sie müssen aber nicht bei jedem Menschen auftreten. Wer aber nach einem Discobesuch oder sonstigen lauten Lärmeinwirkungen ein Pfeifen, Summen oder Zirpen im Ohr hört, das längere Zeit nach Beendigung der Lärmbelastung anhält, der sollte diese Warnung nicht überhören. Der Fachausdruck für diese Ohrgeräusche heißt Tinnitus.

Tritt dieses Zirpen des Ohres nach großer Lärmbelastung auf, dann signalisieren die Haarzellen des Ohres Überlastung. Es tut nicht weh wie ein Muskelkater, es pfeift nur. Dieses Pfeifen kann man ausblenden, indem man sofort wieder laute Musik hört. Damit aber treibt man den Teufel mit dem Beelzebub aus, denn das Pfeifen ist ein Verlangen des Ohres nach Ruhe, nicht nach weiterer Lärmbelastung.

Mann kann das sogar selbst testen

Die moderne HiFi-Technik macht es möglich, daß jeder Musikgenießer praktisch sein Gehör mit seiner eigenen Stereoanlage überprüfen kann. Für die CD-Spieler gibt es spezielle Testschallplatten, die Sinustesttöne aufgezeichnet haben. Wenn Sie so eine Testschallplatte besitzen, können Sie ein einfaches Experiment durchführen: Wählen Sie auf dieser Testplatte die Frequenz 4 kHz an und hören Sie sich diesen Ton über Kopfhörer an. Als weitere Voraussetzung brauchen Sie nun einen Verstärker mit möglichst dB-linearem Potentiometer. Sie drehen nun den Lautstärkeregler so weit zurück, daß der 4kHz Ton unhörbar wird, und Sie erhöhen nun den Pegel so lange, bis dieser 4kHz Ton gerade wieder wahrnehmbar ist.

Etwas Geduld ist gefragt, aber dann

Dieser Versuch der Wahrnehmbarkeit ist mehrmals zu wiederholen, bis Sie ihre Schwelle bei 4kHz gefunden haben. Merken Sie sich die Stellung des Lautstärkereglers, viele haben eine dB Skala am Rand aufgedruckt, so daß Sie leicht den Zahlenwert markieren können. Wiederholen Sie diesen Test nach einer längeren Belastung, zum Beispiel Discobesuch, Musikhören mit Kopfhörer, Motorradfahren oder sonstigem Lärm. Die Pause zwischen Belastung und Durchführung des Experimentes sollte etwa 30 Minuten betragen. Wenn Sie weniger lange warten, wird das Ergebnis noch erschreckender.

Je länger Sie powern, desto länger die Erholungszeit

Nach einer Lärmbelastung, die über Stunden ging, sinkt die Empfindlichkeit bei 4 kHz ab, wahrscheinlich um 15 bis 30 dB. Je länger Sie Ihr Ohr dem Lärm ausgesetzt haben, um so länger dauert die Erholungszeit. Wenn Sie den ersten Wert mit gut erholtem Ohr gemessen haben, dann können Sie die obengenannten Zeiten an Ihrem eigenen Ohr selbst nachprüfen.

Machen Sie es bitte nicht mit voll aufgedrehtem Verstärker, die bisher genannten Schwellenverschiebungen waren zeitweilig. Bei großen Lärmeinwirkungen kann jedoch eine permanente Hörschwellenverschiebung eintreten. Bei empfindlichen Ohren kann der Mündungsknall einer Schußwaffe ausreichen, um ein bleibendes Andenken auf der Hörschwellenkurve zu hinterlassen.

Mensch sei leise, höre weise!

Ein Experiment, das schon 1956 von van Dishoeck beschrieben wurde, kann heute ebenfalls leicht mit einem CD-Spieler nachempfunden werden. Van Dishoeck benutzte einen Ton von 100dB über der Hörschwelle und 2.000Hz, mit dem er den Probanden 5 Minuten beschallte. Danach konnte er bei 3kHz einen Abfall der Hörempfindlichkeit messen. 80% der Probanden hatten eine Senke von 10dB. Aber rund 20% aller Probanden hatten eine Senke, die bis zu 30dB Hörverlust aufzeigte. Diese Gruppe war nach Meinung von van Dishoeck lärmgefährdet.

Das 4 kHz Loch im Gehör

Wer also beim Experiment mit der Schwelle für 4 kHz feststellt, daß er eine deutlich merkbare Schwellenverschiebung hat, der sollte sein Gehör genauer prüfen lassen. Wer 30 Minuten nach einem langen und lauten Discobesuch ein pfeifendes Ohr hat und im Selbstversuch bemerkt, daß seine Schwelle abgewandert ist, der sollte professionellen Rat einholen. Ihm gehört wahrscheinlich ein Paar von jenen 20% der Ohren, die auf laute Belastung sehr empfindlich reagieren.

Man kann alle Warnungen in den Wind schlagen

Was geschieht, wenn diese Warnungen in den Wind geschlagen werden? Ein überlastetes Ohr, das keine Erholungspausen hat, reagiert mit immer weiterem Abfall seiner Empfindlichkeit. Aus dem zeitweiligen Abwandern der Hörschwelle wird ein permanentes Absinken.

Eine Zeit lang kann man ausgleichen

Ein nachlassendes Gehör kann zunächst durch bessere Konzentration und durch besseres Hinsehen ausgeglichen werden: Was die Ohren nicht mehr auffangen, müssen die Augen fixieren. Auf diese Weise kann man auch mit vermindertem Hörvermögen noch lange Zeit einer Unterhaltung folgen.

Kommen wir zur Sprache

Sprache ist ein Kommunikationsmittel, das sich in Tausenden von Jahren ausgebildet hat. Sprache nimmt darauf Rücksicht, daß der Übertragungskanal oft gestört ist. Wir können uns in einer Menschenmenge unterhalten und verstehen dennoch unseren Gesprächspartner, weil die Information mehrfach übertragen wird.

Wir haben nur einen Mund zum Sprechen, die Wiederholung der Information steckt in den Worten und der Struktur der Sprache. Wir sagen mehr, als zum Übermitteln der Nachricht unbedingt notwendig wäre. Diese Redundanz bewirkt, daß wir alles dreimal sagen.

Alles warme Luft, nur ein Drittel ist Information

Wir sagen es in Wirklichkeit nur einmal, aber der Satzaufbau, die Wortzusammenstellung, all das bringt für den Informatiker eine dreifache Informationsübertragung. Grob gesagt: Alles, was wir sagen, ist warme Luft, nur ein Drittel ist Information. Bei manchen ist der Ausstoß von warmer Luft vielleicht noch höher. Manchmal jedoch ist der Übertragungskanal so gestört oder so eng, daß die natürliche Redundanz der Sprache nicht mehr ausreicht.

Die Telefontechniker hatten es zuerst ausprobiert

Ein Beispiel für einen sehr engen Nachrichtenkanal ist die Telefonverbindung. Frühzeitig haben die Telefontechniker untersucht, wie schmalbandig der Sprachkanal des Fernsprechers sein kann, damit möglichst viele Gespräche auf einer Leitung überübertragen werden können. Das ist der Grund, weshalb die Telefontechniker sich sehr früh mit dem Hören und der Sprache beschäftigt haben.

Die Verständlichkeit der Silben

Von Fletcher gibt es die bekannte Kurve, wieviel "Einsilber" bei einem Hochpaß oder bei einem Tiefpaß verstanden werden, wenn die entsprechenden Filter immer mehr beschnitten werden. Aus diesen frühen Untersuchungen hat sich ergeben, daß der Telefonkanal eine Bandbreite von 300Hz bis 3kHz haben soll. Er zeigt also ein Übertragungsverhalten, das etwa einem 60jährigem Ohr entspricht.

Eine Voraussage aus 1984

Keiner denkt daran, daß der 60jährige nur so hört wie über eine lange Telefonleitung, und deswegen kommt es zu den bekannten komischtragischen Verwechslungen. Die Aussichten sind gut, daß in etwa 20 bis 30 Jahren nicht nur 60jährige für Heiterkeit sorgen werden, es wird dann auch die 50- und 40jährigen getroffen haben.

die in 2012 leider bereits viel zu oft eingetroffen ist.

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