Sie sind hier : Startseite →  Hifi Wissen und Technik→  Die Studio Technik→  Tonstudiotechnik 1974→  C. Schallaufnahme-Probleme 1

"Audio-Wissen von 1974" - Die Themen dieser Artikel sind:

Was war mit der analogen Audio-Studio-Technik machbar und was sollte bzw. mußte ein Toningenieur wissen und gelernt haben. Daß viele dieser Themen (wir schreiben zur Zeit 2016) bereits 35 Jahre alt sind und durch die schleichende Digitalisierung völlig überholt sind, bedeutet nicht, daß sich die physikalischen Grundlagen wesentlich geändert haben.

.

C. Die künstlerisch-technischen Probleme der Schallaufnahme und Schall-Übertragung

Wie bereits im Vorwort gesagt, soll es nicht Aufgabe dieses Buches sein, sich mit den künstlerischen Problemen der Tonaufnahme im einzelnen auseinanderzusetzen. Da jedoch einige dieser Fragen auch für die hier behandelten rein technischen Probleme von Interesse sind, kann auf ihre Erörterung nicht ganz verzichtet werden.

Das betrifft aber weniger die rein künstlerischen Probleme, als vielmehr solche der Umsetzung einer tonlichen Darbietung in solche Übertragungsgrößen, daß bei dem am Ende der Übertragungskette befindlichen Zuhörer ein optimaler Eindruck entsteht. Es handelt sich hier also um künstlerisch-technische Grenzfragen [156-159].

Wenn nun hier anstelle des sonst gewünschten „natürlichen Eindruckes" bei der Wiedergabe ein optimaler Eindruck gefordert wird, so deshalb, weil bei der einkanaligen Übertragung durch das Fehlen der richtungsbestimmenden Komponenten die Natürlichkeit verloren geht. Es wäre in diesem Fall auch widersinnig, von einer anzustrebenden natürlichen Übertragung zu sprechen.

Hinzu kommen außerdem die Beschränkungen der Wiedergabelautstärke und Dynamik (siehe Abschnitt F. IV), die auch bei der stereofonischen Übertragung wirksam sind. Es muß jedoch betont werden, daß grundsätzlich eine vollkommen naturgetreue Übertragung an den Orten möglich ist, an denen keine Beschränkungen bezüglich der stereofonischen Übertragung, der Verzerrungen, der Dynamik und der Wiedergabelautstärke eintreten.

Die fehlende Naturtreue kann durch entsprechende Maßnahmen der künstlerisch-technischen Gestaltung ersetzt werden. Diese sollen zweckmäßigerweise hinsichtlich der Akustik des Aufnahmeortes, der Mikrofonanordnung und der elektrischen Regelung getrennt betrachtet werden, wobei auf die gegenseitige Verknüpfung ein besonderes Augenmerk zu richten ist.

C. I. Optimale Akustik des Aufnahmeraumes

Bezüglich der Akustik des Aufnahmeraumes und zum Teil auch hinsichtlich der Mikrofonanordnung muß man sich zunächst darüber klar werden, ob man eine scheinbare Versetzung des Zuhörers in den Aufnahmeraum oder umgekehrt eine scheinbare Versetzung der Schallquelle in den Wiedergaberaum vornehmen will.

Bei einer einkanaligen Übertragung kann der Zuhörer nur dann den Eindruck haben, die Original-Schallquelle selbst zu hören, wenn deren räumliche Ausdehnung möglichst gering ist, so daß der Schall nur aus einer einzigen Richtung (abgesehen von den Reflexionen an den Wänden) einfällt.

Zu beachten ist hierbei, daß sich die Hallerscheinungen des Aufnahmeraumes mit denen des Wiedergaberaumes überlagern. Soll also der Eindruck einer Originaldarbietung im Wiedergaberaum erzeugt werden, so darf entweder der Aufnahmeraum nur einen geringeren Nachhall als der Wiedergaberaum besitzen oder die Mikrofonaufstellung muß so dicht an der Schallquelle erfolgen, daß der Nachhall subjektiv nicht in Erscheinung tritt.

Einkanalige Übertragung bei Einzelschallquellen

Aus diesen Überlegungen heraus ergibt sich, daß bei der einkanaligen Übertragung die gedankliche Verlagerung der Schallquelle in den Wiedergaberaum nur bei Einzelschallquellen ihre Berechtigung hat.

Bei ausgedehnten Schallquellen ist das jedoch nicht möglich, da beispielsweise die von einem Orchester gespielten symphonischen Werke mit einem relativ größeren Nachhall behaftet sein müssen, als ihn die Wiedergaberäume im allgemeinen besitzen. Das trifft besonders für Rundfunkübertragungen solcher musikalischer Darbietungen zu.

Das Wohnzimmer als Wiedergaberaum hat einen viel zu geringen Nachhall, um in ihm eine optimale künstlerische Wirkung, bei scheinbarer Versetzung der Schallquelle in diesen Raum hinein, zustande kommen zu lassen.

Der Eindruck einer Originaldarbietung

Außerdem wäre es für das Orchester und den Interpreten schwierig, in einem in diesem Fall notwendigerweise hallarmen Aufnahmeraum arbeiten zu müssen. Hier verzichtet man also besser von vornherein darauf, beim Zuhörer den Eindruck einer Originaldarbietung im Wiedergaberaum zu erwecken, und versetzt gewissermaßen den Zuhörer gedanklich lieber in den Aufnahmeraum selbst, obwohl das natürlich einen visuellen Widerspruch bedeutet.

Diese Überlegungen gelten natürlich grundsätzlich auch für eine mehr-kanalige Übertragung, bei der ja die Original-Schallquelle bei der Wiedergabe gerichtet wahrgenommen werden kann. Es wird hier nur eine wesentliche Steigerung der zuletzt genannten scheinbaren Versetzung des Zuhörers in den Aufnahmeraum zu erwarten sein.

Die optimale Nachhallzeit

Die Akustik des Aufnahmeraumes muß dem Inhalt der Darbietung angepaßt sein [160-165]. Das gilt bezüglich des Rundfunks nicht nur für reine Musikübertragungen, sondern auch für Hörspiele. Bei Musikübertragungen hat man festgestellt, daß die optimale Nachhallzeit des Aufnahmeraumes sowohl vom Musikstil [166] als auch vom musikalischen Tempo [167] abhängig ist.

So verlangt zum Beispiel symphonische Musik nach wesentlich größeren Nachhallzeiten als Kammermusik oder gar Tanzmusik, wenn eine optimale Klangverschmelzung erzielt werden soll. Kühl [166] hat durch umfangreiche Tests festgestellt, daß die optimale Nachhallzeit eines Aufnahmeraumes vorwiegend vom Musikstil, dagegen kaum von seiner Größe abhängt.

Den Tests zufolge verlangt klassische Musik - als Musikstück diente die Jupiter-Symphonie von Mozart - und moderne Musik (Strawinski) nach einer Nachhallzeit von rund 1,5s, während für romantische Musik - 4. Symphonie von Brahms - eine Nachhallzeit von 2,1s als optimal empfunden wurde.

Wie testet man soetwas ?

Zur Feststellung des Tempoeinflusses auf die optimale Nachhallzeit hat man zwei nachhallarm aufgenommene symphonische Werke - 1. Satz aus der Jupiter-Symphonie und 1. Satz aus der Symphonie in d-moll von Cesar Frank - einerseits mit verschiedenen Geschwindigkeiten wiedergegeben, wobei die Tonhöhe mit dem Springerschen Tonhöhen- und Laufzeitregler (siehe Abschnitt E. V. 1.3.6) auf dem ursprünglichen Wert konstant gehalten wurde, und andererseits mit der Nachhallplatte (siehe unten) mit Nachhall versehen.

Dabei zeigte sich, daß die Anzahl der positiven Urteile in Abhängigkeit vom Tempo, mit der Nachhallzeit als Parameter, die in Bild 68 gezeigten Kurven ergeben. Diesem Bild ist im wesentlichen zu entnehmen, daß sich das Maximum der positiven Urteile mit zunehmender Nachhallzeit nach geringeren Tempi hin verlagert, das heißt, eine größere Nachhallzeit eines Aufnahmeraumes verlangt nach einem langsameren Tempo und eine kleinere, als die optimale Nachhallzeit, nach einem schnelleren [167].

Über das nachträgliche Verhallen

Besitzt ein Raum, in dem eine Tonaufnahme erfolgen soll, nicht die gewünschte große Nachhallzeit, so kann man das aufgenommene Schallereignis auch noch nachträglich verhallen.

Bekanntgeworden sind hierfür vor allem drei Methoden [168].
.

  1. Der Hallraum : Nach der ersten kann man in einen - im Vergleich zum Aufnahmeraum - viel kleineren, aber wesentlich halligeren Raum einen Lautsprecher und ein Mikrofon bringen. Über den Lautsprecher wird das zu verhallende Schallereignis abgestrahlt und dadurch der Raum laufend erregt. Vom Mikrofon werden das abgestrahlte Schallereignis und der ihm nunmehr überlagerte Nachhall aufgenommen.
  2. Das Magnetband-Echo : Bei einer zweiten Einrichtung wird das Schallereignis auf einem magnetischen Tonträger aufgezeichnet und dieser mit einer größeren Anzahl über Dämpfungsglieder parallelgeschalteter Hörköpfe so abgetastet, daß sich eine scheinbare Verhallung des Schallereignisses einstellt [169, 170].
  3. Die Hallplatte : Die dritte und in der modernen Tonstudiotechnik (wir schreiben 1975) wichtigste Einrichtung stellt die Nachhallplatte dar, die unter D. I. 4 noch näher beschrieben wird. Eine dämpfungsarm aufgehängte Stahlplatte wird in Biegeschwingungen versetzt, die nach Aufhören der Erregung - genau wie die Energiedichte eines Raumes - erst nach und nach abklingen [171]. Die Wirkungsweise ist also eine ähnliche wie die eines Nachhallraumes. An die Stelle des Lautsprechers tritt hier der die Platte erregende Körperschallsender und an die Stelle des Mikrofons der Körperschallempfänger. Einer geringen Stärke der Platte zufolge (0,5 mm) liegen die Eigenfrequenzen sehr dicht beieinander. Bedingt durch die zweidimensionale Ausbreitung der Schallbiegewellen und ihre geringe Geschwindigkeit ergibt sich somit bei einer etwa 2m2 großen Platte eine Dichte der Spektren, die wesentlich größer als in Nachhallräumen und bei magnetischen Nachhallgeräten ist (A. III. 1.4.2). Im Gegensatz zum Hallraum ist bei der Nachhallplatte außerdem die Nachhallzeit veränderbar (Bild 124 b).

.
Das nachträglich verhallte Schallereignis kann nun entweder allein oder in einem beliebigen Verhältnis zusammen mit dem nichtverhallten Schallereignis gemischt aufgezeichnet oder gesendet werden.
.

Anmerkung :

Das ist natürlich die um 1975 herum aktuelle analoge und vor allem machbare Technik. Und diese Technik hatte jede Menge Einschränkungen. Hallräume gab es nur in ganz wenigen der ganz großen Aufnahemstudios der Schallplattenfirmen und in vielleicht einigen ganz wenigen Rundfunkstudios. Der Aufwand war viel zu hoch.
Die Magnetbandtechnik zur Echo- Erzeugung bzw. echoähnlichem Hall wurde von den spezialisierten Firmen wie zum Beispiel ECHOLETTE und DYNACORD entwickelt. Die großen Bandgerätehersteller von Studiomaschinen wie AEG/Telefunken und STUDER konten sich mit dieser Nische fast nicht beschäftigen. Denn richtigen Hall konnten die Geräte selbst mit 14 Wiedergabe-Tonköpfen und hohen Bandgeschwindigkeiten nicht liefern. Es war immer so ein ewiges Echo.
Auch die Hallplatten waren sehr aufwendig und wogen an die 250 Kilo nur für das Innenleben. Dazu mußte - meist im Keller - ein Raum mit einem dicken schweren gegossenen Fußboden erstellt werden. Je größer die Masse an Beton, desto unempfindlicher war die Hallplatte gegen Außengeräusceh und Vibrationen. Später gab es dann noch den EMT-Hall-Topf in der Größe eines großen Papierkorbes.

.

Die Akustik bei Hörspielen

Einen besonders wichtigen Einfluß hat die Akustik des Aufnahmeraumes auch bei Hörspielen, da sie hier einen ausgesprochen dramaturgischen Charakter besitzt.

Die Gestaltung eines Hörspieles muß so erfolgen, daß trotz des fehlenden Bildes beim Hörer eine so vollkommene Illusion erzeugt wird, daß er sich in die Handlung völlig hineinlebt. Er muß den Handlungsort aus der den Ton begleitenden Akustik ganz unbewußt entnehmen. Hörspielszenen, die sich im Freien abspielen sollen, müssen in sehr nachhallarmen Räumen aufgenommen werden. Daraus resultieren auch die hohen Anforderungen sowohl an die Anzahl der zu einem Hörspielkomplex gehörenden Aufnahmeräume als auch an die Variationsmöglichkeiten der Akustik [172].

Die Akustik bei Film und Fernsehen

Beim Tonfilm und Fernsehen kommt zu der an die Art des Schallereignisses gebundenen Akustik (vorwiegend bei Musik) noch die Bindung an den im Bild gezeigten Ort hinzu. Das gilt selbstverständlich nur dann, wenn die Schallquelle im Bild selbst mit erscheint.

Durch die nur eine visuelle und kaum eine akustische Wirkung hervorrufende Dekoration entstehen beim Tonfilm die Hauptschwierigkeiten für eine bildlich und tonlich aufeinander abgestimmte Übertragung. Der dem Ton anhaftende Nachhall wird nämlich vorwiegend vom großen Atelier bestimmt, während im Bild zum Beispiel nur ein kleiner Wohnraum gezeigt wird. Der Tonmeister hilft sich hier oft dadurch, daß er die Dekoration mit sogenannten „Schals" abhängen, das heißt rund um die Dekoration herum und auch über diese hinweg meterbreite Bahnen aus dickem Stoff anbringen läßt.

Durch diese Maßnahme werden jedoch nur hohe und zum Teil noch mittlere Frequenzen gedämpft, während der Nachhall bei tiefen Frequenzen hiervon nahezu unbeeinflußt bleibt. Man strebt deshalb in solchen Fällen einen möglichst geringen Mikrofonabstand an und verwendet auch aus Gründen der weitgehenden Ausschaltung rückwärtiger Störquellen gerichtete Mikrofone.

C. II. Mikrofonanordnung

Unter dem Begriff Mikrofonanordnung wollen wir im folgenden sowohl die Anzahl der bei einer Aufnahme verwendeten Mikrofone und deren Abstand von der Schallquelle als auch deren Richtcharakteristik verstehen.

Die Zahl der bei einer Aufnahme verwendeten Mikrofone muß möglichst klein gehalten werden. Das hat zunächst einen technischen Grund: infolge der Weglängenunterschiede von der Schallquelle beziehungsweise den Einzel-schallquellen zu den Mikrofonen ist der von diesen aufgenommene Schall mit unterschiedlichen Laufzeiten behaftet.

Frequenzabhängige Phasenunterschiede

Die Folge sind frequenzabhängige Phasenunterschiede, die nach der elektrischen Zusammenführung der von den einzelnen Mikrofonen abgegebenen Pegel, je nach der Frequenz, Pegelerhöhungen bis zur Verdopplung oder Pegelsenkungen bis zur Auslöschung zur Folge haben können. Bei zwei Mikrofonen kann das soweit führen, daß bei tiefen Frequenzen ein ganzer Bereich fehlt, wenn der Ausgang einer der beiden Mikrofone anders gepolt ist, da ja bei großen Wellenlängen noch keine merkbaren frequenzabhängigen Phasenunterschiede auftreten. Es ist demnach wichtig, daß die Mikrofonausgänge gleichsinnig gepolt werden.

Möglichst wenige Mikrofone

Auch aus einem anderen Grunde sollte die Zahl der Mikrofone klein bleiben. Nur große Übersichtlichkeit ermöglicht es dem Tonmeister beziehungsweise Toningenieur, die Funktionen und den Einfluß der einzelnen Mikrofone zu übersehen und notwendige Korrekturen schnell und wirkungsvoll anbringen zu können.

Das Streben nach Mono-Mikrofonie bei der Aufnahme musikalischer Werke (mit Ausnahme von Tanz- und zum Teil auch Unterhaltungsmusik) ist besonders beim Rundfunk üblich, und die weitgehende Realisierung dieser Forderung ist wegen der optimal dimensionierten Akustik der hierfür bestimmten Studioräume auch möglich.

Die Akustik des Aufnahmeraumes und die Polymikrofonie

Auch die Akustik des Aufnahmeraumes hat also einen Einfluß auf die Anzahl der jeweils zweckmäßigerweise anzuordnenden Mikrofone. Das ist leicht einzusehen, da man zum Beispiel bei einem zu großen Nachhall die Mikrofone an die Schallquelle näher heranbringen muß, als bei kleinerem Nachhall, wenn bei der Wiedergabe der subjektive Halleindruck in beiden Fällen wenigstens annähernd der gleiche sein soll.

Bei einer räumlich ausgedehnten Schallquelle, zum Beispiel einem großen Orchester, führt das dazu, daß ein einzelnes Mikrofon die unmittelbar benachbarten Instrumente bevorzugt erfaßt, während der Schall der entfernteren Einzelschallquellen nur mit kleinerer Amplitude einfällt.

Man ist also genötigt, mehrere Mikrofone einzusetzen, wobei zweckmäßigerweise jeweils einer Instrumentengruppe ein solches zugeordnet wird. Diese Art der Aufnahme bezeichnet man als Polymikrofonie. Diese Technik erlaubt sogar noch die Änderung des Beitrages der einzelnen Gruppen zum klanglichen Gesamtbild durch eine entsprechende Regelung am Mischpult.

Das Verhältnis vom direkten zum indirekten Schall

Ein vollständig befriedigender Ausgleich solcher vom Optimum abweichenden Nachhallzeiten durch eine entsprechende Wahl des Mikrofonabstandes und damit auch der Anzahl der Mikrofone ist jedoch nicht möglich, da der Mikrofonabstand ja nur auf das Intensitätsverhältnis vom direkten zum indirekten aufgenommenen Schallanteil einen Einfluß hat, aber praktisch nicht auf den zeitlichen Ablauf des Nachhallgeschehens.

Das eben erwähnte Verhältnis vom direkten zum indirekten, das heißt reflektierten Schall, stellt eine wichtige Größe in der gesamten Schallaufnahme dar [173]. Bei kugelförmiger Abstrahlung der aufzunehmenden Schallquelle ergibt sich die Energiedichte des Direktschalles aus der Schalleistung nach Gleichung (30) und (31) zu

Das Verhältnis beider bezeichnet man als Hallabstand [4].

Der Hallabstand gibt an, um wieviel der Direktschall aus dem diffusen Raumschall lautstärkemäßig hervorragt. Umgekehrt kann man natürlich auch den Abstand von der Schallquelle bestimmen, bei dem beide Schallenergien gleich groß werden. Dieser Grenzradius läßt sich auch berechnen.

C. III. Regelung

Handelt es sich um relativ kleine Absorptionsgrade, so kann man auch vereinfacht eine Formel schreiben.

Dieser rechnerische Ausdruck gibt uns die Möglichkeit, den Mikrofonabstand entsprechend der beabsichtigten Wirkung, die das Schallereignis bei der Wiedergabe hervorrufen soll, bereits von vornherein überschlägig festzulegen.

Die Polymikrofonie und die Hallabstände

Bei der Anwendung mehrerer Mikrofone (Polymikrofonie) ist zu erwarten, daß sich deren Hallabstände einander nicht gleichen. So wird zum Beispiel bei einer Orchesteraufnahme mit Gesang der Gesangssolist dem ihm zugeordneten Mikrofon häufig viel näher stehen als das Orchester dem in seinem Bereich aufgestellten Mikrofon.

Bei der Wiedergabe muß das dann den Eindruck erwecken, als ob sich der Solist und das Orchester in verschiedenen Räumen befanden. Bei Aufnahmen, die diese Erscheinung nicht zeigen sollen, muß also ganz besonders sorgfältig auf die richtigen Mikrofonabstände geachtet werden.

Der Einsatz von Richtmikrofonen

Ein Mittel, um bei gegebenem Mikrofonabstand den Hallabstand doch noch beeinflussen zu können, bildet die Verwendung gerichteter Mikrofone. Ein solches Mikrofon nimmt ja den Schall aus einer bestimmten Richtung bevorzugt auf, während es in den anderen Richtungen und damit gegenüber dem diffusen Schall wesentlich unempfindlicher ist.

Der an ihm wirksame Hallabstand ist also im Verhältnis zum Mikrofon mit kugelförmiger Richtcharakteristik bei gleichem Mikrofonabstand größer. Gleichzeitig bringt die Verwendung gerichteter Mikrofone den Vorteil mit sich, daß sich die von den einzelnen Mikrofonen aufgenommenen Schallbilder weniger gleichen, so daß die, infolge der Laufzeitunterschiede, auftretenden Klangverfälschungen geringer werden müssen.

Gerichtete Mikrofone sollten auch besonders beim Auftreten von Störschall angewendet werden. Der Störschallquelle, zum Beispiel dem Publikum beim Konzert oder bei der Filmaufnahme der (damals laute, später geblimte sehr leise) Film-Kamera, wendet man die unempfindliche, der Nutzschallquelle dagegen die empfindliche Seite des Mikrofons zu.

Große Dynamiksprünge und die Vorsorge durch Regelung

Trotz einer optimal gewählten Mikrofonanordnung wird ein aufzunehmendes Schallereignis aus verschiedenen Gründen häufig noch verändert werden müssen, wobei diese Änderungen an dem bereits in Spannungsschwankungen umgewandelten Schallereignis vorgenommen werden. Vorwiegend technische Beschränkungen verlangen zunächst eine Veränderung der Originaldynamik dann, wenn diese ein bestimmtes Maß überschreitet.

Während wir uns jedoch der Größe der elektrisch durch die Übertragungskette und akustisch durch die Verhältnisse am Wiedergabeort beschränkten Dynamik erst später ausführlicher zuwenden, gilt unser Interesse an dieser Stelle der Frage:

„Kann man durch eine bestimmte Art der Durchführung des Regelvorganges die Herabsetzung der Dynamik auf den technisch erforderlichen Wert in ihrer subjektiven Auswirkung mildern?"

Bereits Braunmühl und Weber [43] zeigten, daß dies dadurch möglich ist, daß man in Erwartung eines Fortissimos den Pegel schon vorher kaum merklich langsam soweit herab regelt, daß das crescendo möglichst unverfälscht erhalten bleibt.

In Bild 69 ist diese vorsorgliche Herabregelung als Kurve 2 dargestellt, ferner als Kurve 3 und 4 eine fehlerhafte Pegelregelung neben dem Verlauf des ungeregelten Pegels (Kurve 1). Sowohl Kurve 3, ganz besonders aber Kurve 4 zeigen, daß hierbei die größte Beeinträchtigung der dynamischen Wirkung eintreten muß, während nach Kurve 2 die dynamische Steigerung besser erhalten bleibt.

Pegelregelung und Frequenzgangkorrektur

Neben der Regelung des gesamten Pegels ist gegebenenfalls auch eine alleinige Regelung von bestimmten Frequenzgebieten des aufgenommenen Schallereignisses notwendig. Sie ist aus technischen Gründen besonders dann erforderlich, wenn zum Beispiel die linearen Verzerrungen eines Mikrofons kompensiert werden sollen.

Aber auch aus physiologischen Gründen kann eine solche Veränderung dann notwendig werden, wenn bei der Wiedergabe eine geringe Lautstärke zu erwarten ist, was ganz besonders für „Untermalungsmusik" und "Athmosphäre" zutrifft. Das kommt häufig im Tonfilm vor, bei dem den Dialogen Musik oder ein Geräusch unterlegt wird. Diese bei der Originalaufnahme ganz normal aufgenommene Musik wird bei der Mischung des Filmes im Pegel soweit abgesenkt, daß der Dialogpegel über sie hinausragt. Die Musik wird also im Filmtheater oder auch im Fernsehen mit geringerer Lautstärke wiedergegeben, weshalb bei tiefen Tönen eine Herabsetzung der empfundenen Lautstärke eintreten muß (siehe Abschnitt B. III. 1. 4.). Dieser Verlust kann nur durch eine gleichzeitig mit der Absenkung des Gesamtpegels erfolgende Anhebung der tiefen Frequenzen ausgeglichen werden.

C. IV. Übertragungswege

Bei der Übertragung über einen mit den heutigen Mitteln unschwer aufzubauenden, hochwertigen Übertragungsweg können die Verfälschungen der Tonhöhe, Klangfarbe und Dynamik so klein gehalten werden, daß sie kaum noch wahrnehmbar sind.

Abhören über Mono-Kopfhörer

Hört ein Zuhörer eine über einen solchen einkanaligen Übertragungsweg übertragene Darbietung zunächst einmal mit einem Kopfhörer ab, dessen beide Hörmuscheln elektrisch parallel oder in Reihe geschaltet sind, so wirkt auf beide Ohren theoretisch genau der gleiche Schalldruckverlauf ein. Das von diesem Zuhörer empfundene Schallereignis unterscheidet sich deshalb von dem, das ein an der Stelle des Mikrofons im Aufnahmeraum befindlicher Zuhörer wahrnimmt, vorwiegend nur durch den Wegfall der das Richtungshören ermöglichenden Intensitäts- und Laufzeitunterschiede. Die Einfallsrichtung des Schalles scheint hier durch das Fehlen dieser Unterschiede mit der Symmetrieebene des Kopfes übereinzustimmen, sofern überhaupt eine Richtung klar zu erkennen ist. Sie wandert somit bei jeder Drehung des Kopfes mit.

Die räumliche Übertragung einer akustischen Darbietung ist auf einkanali-gem Wege ebenfalls nicht möglich. Daran ändert sich auch nichts, wenn anstelle des Kopfhörers ein oder mehrere Lautsprecher für die Wiedergabe benutzt werden. Die registrierte Einfallsrichtung hängt dann nur von der örtlichen Beziehung zwischen dem Lautsprecher und dem Ohrenpaar ab und hat mit den räumlichen Verhältnissen der Schallquellenanordnung zum Mikrofon am Aufnahmeort keinerlei Zusammenhang.

Stereo - der praktisch nicht verwirklichbare Idealfall

Die stereofonische Übertragung ist dagegen nicht ganz so einfach, wie es auf den ersten Blick zu erscheinen vermag. Es treten dabei aufnahme-, übertragungs- und wiedergabetechnische Probleme auf, die eng miteinander verknüpft sind und die dazu führen, daß eine wirklich vollkommene stereofonische Übertragung praktisch nicht durchführbar ist [109, 131, 138].

Die Behandlung der im Zusammenhang damit stehenden Probleme kann also nur darauf ausgerichtet sein, daß man zunächst vom praktisch nicht verwirklichbaren Idealfall der stereofonischen Übertragung ausgeht und dann den technischen Aufwand auf ein tragbares Maß beschränkt. Es erscheint jedoch erforderlich, den Ausführungen darüber noch eine grundsätzliche Betrachtung über die Beziehungen des Schallquellenortes zum Aufnahmeorgan und zum Aufnahmeraum voranzustellen.

C. IV. 1. Räumliche Beziehungen bei der mehrkanaligen Übertragung

Eine stereofonische Übertragung kann grundsätzlich entweder so durchgeführt werden, daß die Beziehung zwischen dem Schallquellenort und dem Aufnahmeorgan - das die Stelle des Zuhörers im Aufnahmeraum vertritt - weitgehend unverfälscht bleibt, oder so, daß die Beziehung zwischen dem Schallquellenort und dem Aufnahmeraum (beliebiger Form und Ausdehnung) erhalten bleibt.

Die ersten Gedanken zum Kunstkopf

Der erste Fall setzt voraus, daß als Aufnahmeorgan die Nachbildung eines Zuhörerkopfes mit zwei Mikrofonen, deren Richtcharakteristiken möglichst mit der des Gehörs übereinstimmen müssen, als Ersatz für die beiden Ohren verwendet wird. Bei der Wiedergabe muß den beiden Ohren des im Wiedergaberaum befindlichen Zuhörers nur der ihnen zugehörige Schall getrennt zugeführt werden, das heißt dem linken Ohr des Zuhörers das vom linken Mikrofon und dem rechten Ohr das vom rechten Mikrofon aufgenommene Schallereignis. Da eine strenge Trennung jedoch nur mittels Kopfhörer möglich ist, müßte eine solche Übertragungsanlage wie die in Bild 70 schematisch gezeigte aussehen.

Der Schalleinfallswinkel und das binaurale System

Wir erkennen aus diesem Bild, daß die räumliche Beziehung zwischen dem Schallquellenort und dem Aufnahmeorgan, die durch den Schalleinfallswinkel definiert ist, auf die im Wiedergaberaum befindlichen Zuhörer so übertragen wird, daß ihr Richtungsempfinden die Schallquelle in bezug auf ihre eigene Kopfsymmetrie richtig lokalisiert.

Das bedeutet, daß der Schalleinfallswinkel der Kopfnachbildung gleich dem Lokalisierungswinkel des Zuhörers ist. Der vom Zuhörer wahrgenommene scheinbare Ort der Schallquelle ist jedoch sowohl vom Aufstellungsort des Zuhörers im Wiedergaberaum als auch von seiner Kopfhaltung abhängig, so daß bei einer Drehung des Kopfes der scheinbare Ort der Schallquelle auf einem Kreisbogen mitwandert.

Diese Art der Übertragung - die man auch als binaurales System bezeichnet - soll deshalb hier, in Übereinstimmung mit einem Vorschlag von Warncke [109], als kopfbezügliche Übertragung bezeichnet werden. Abgesehen von der Belästigung durch die Kopfhörer ist auf diese Weise eine weitgehend angenäherte echte stereofonische Übertragung möglich, was auch durch Versuche, die wegen der erstaunlichen Originaltreue einen nachhaltigen Eindruck hinterließen, bewiesen wurde.

Das Hörerlebnis und der geschlossene Höreindruck

Betont werden soll an dieser Stelle noch, daß diese durch die stereofonische Übertragung erzielte wesentliche Steigerung des Hörerlebnisses keineswegs auf der bewußten Verfolgungsmöglichkeit einer sich örtlich ändernden Schallquelle oder der bewußten Lokalisierbarkeit der verschiedenen Schallquellenorte beruht.

Es ist nämlich vielmehr die auch beim natürlichen Hören fast ausschließlich unbewußt erfolgende Richtungswahrnehmung, die mit den anderen bekannten Kenngrößen: Tonhöhe, Lautstärke und Klangfarbe, zu einem geschlossenen Höreindruck führt.

Das fällt zum Beispiel bei der Übertragung orchestraler Musik ganz besonders auf, da hier vom Zuhörer ja keineswegs jedes einzelne Instrument geortet wird, obwohl gerade hierbei die stereofonische Übertragung eine wesentliche Steigerung des Hörerlebnisses ermöglicht.

Wenn wir bei unseren Betrachtungen trotzdem immer wieder die Lokalisierbarkeit oder den Lokalisierungswinkel anführen, so deshalb, weil dieser ein Maß für die erhalten gebliebene Originaltreue des Höreindruckes - soweit sich dies auf den stereofonischen Anteil bezieht -bei der Übertragung darstellt.

Die Kopfhaltung des Zuhörers und der Lokalisierungswinkel

Aus den obigen Ausführungen geht hervor, daß bei der kopfbezüglichen Übertragung keine feste Beziehung zwischen dem Wiedergaberaum und dem Lokalisierungswinkel des Zuhörers besteht, da dieses Verhältnis von der Kopfhaltung des Zuhörers abhängig ist. In solchen Fällen, in denen es sich lediglich um eine reine elektroakustische Übertragung, beispielsweise beim Rundfunk, handelt, spielt das auch gar keine Rolle.

Der Zuhörer sieht hier die Schallquelle nicht. Das muß sich ändern, wenn, wie beim Tonfilm [131,132], auch das Bild mit übertragen wird. Hier muß der Lokalisierungswinkel unabhängig von der Kopfhaltung mit der im Bild erscheinenden Schallquelle übereinstimmen. Aus diesem Grund scheidet die Anwendung der kopfbezüglichen Stereofonie beim Tonfilm aus.

Der Begriff der raumbezüglichen Übertragung

Wir wollen uns deshalb in unseren weiteren Betrachtungen auf die Erhaltung der räumlichen Beziehung zwischen dem Schallquellenort und dem Aufnahmeraum bei der Übertragung beschränken. Sie soll analog dazu als raumbezügliche Übertragung bezeichnet werden und verspricht eine bessere Durchführbarkeit stereofonischer Übertragungen.

Es läge bei dieser raumbezüglichen Übertragung zunächst nahe, jeder Schallquelle im Aufnahmeraum ein Mikrofon zuzuordnen und dieses auf einen im Wiedergaberaum an analoger Stelle befindlichen Lautsprecher zu schalten. Ein solches Verfahren ist jedoch praktisch nicht durchführbar, da weder die Anzahl der Schallquellen noch ihre Lage im Aufnahmeraum bei verschiedenen Übertragungen konstant bleibt. Das müßte aber wegen der im Wiedergaberaum, zum Beispiel Wohnzimmer oder Kinotheater, nur einmal festlegbaren Lautsprecheranordnung verlangt werden.

Vorstellungen für ein brauchbares stereofonisches Übertragungssystem

Die Überlegungen, die zu einem brauchbaren stereofonischen Übertragungssystem führen, gehen deshalb besser von folgenden Vorstellungen aus. Man legt zunächst einmal im Aufnahmeraum zwischen die Schallquelle und den scheinbar anwesenden Zuhörer eine Hilfsebene 1 und ebenso im Wiedergaberaum zwischen die scheinbar vorhandene Schallquelle und den Zuhörer eine Hilfsebene 2 (Bild 71a).

Unter der Voraussetzung, daß der an allen Punkten der Hilfsebene 1 einfallende Schall von der Hilfsebene 2 wieder mit analog gleicher Richtung und Intensität abgestrahlt wird und die Form und Raumakustik des Wiedergaberaumes mit der des Aufnahmeraumes übereinstimmen, wäre eine vollkommene stereofonische Übertragung möglich.

Der Zuhörer im Wiedergaberaum kann dann seinen Ort und seine Kopfhaltung beliebig ändern, der Ort der scheinbaren Schallquelle bleibt trotzdem erhalten. Deshalb wird diese Übertragungsart, wie schon erwähnt, als raumbezügliche Übertragung bezeichnet.

Ein rein theoretisches Übertragungssystem

Dieses Übertragungssystem verlangt aber, daß die Hilfsebene 1 aus einer sehr großen Anzahl verschieden gerichteter Mikrofone mit jeweils scharf gebündelter Richtcharakteristik und die Hilfsebene 2 aus der gleichen Anzahl Lautsprecher mit ebenfalls scharfer Richtwirkung besteht.

In Bild 71b ist zur Demonstration ein Stück dieser Hilfsebene schematisch herausgezeichnet, woraus die erforderliche Zuordnung eines bestimmten Mikrofons zu dem entsprechenden Lautsprecher gut zu erkennen ist. Eine Übertragung mit derart vielen Schallwandlern und damit Übertragungskanälen ist aber praktisch nicht durchführbar.

Hier sind also Einschränkungen des technischen Aufwandes notwendig, ohne daß die stereofonische Übertragung eine wesentliche Störung erfahren darf.

Die Anzahl der Mikrofone optimieren

Eine tragbare Verminderung der Mikrofonzahl wird nun vor allem durch zwei Gegebenheiten erleichtert:

Einmal sind die Schallquellen, zum Beispiel Orchester oder Chor, in der Regel ohnehin auf einer horizontalen Ebene verteilt, und zum anderen ist das Ohr bei gerader Kopfhaltung gar nicht in der Lage, in vertikaler Richtung zu lokalisieren.

Die vertikale Hilfsebene kann somit zu einer horizontalen Hilfslinie zusammenschrumpfen. Sieht man von einem auf der Basis von Becker [139] vorgeschlagenen Übertragungs- und Speichersystem ab, so ist die Anzahl der Schallwandler auf der Hilfslinie und damit auch die der Übertragungskanäle für eine praktische Anwendung immer noch viel zu groß.

Es gilt also zu überlegen, inwieweit dieser Aufwand ohne störende Beeinträchtigung des Stereofonischen Charakters abermals herabgesetzt werden kann.

Die kleinsten wahrnehmbaren Richtungsunterschiede

Hierzu ist zunächst festzustellen, daß die Anzahl der Schallwandler und Übertragungskanäle nicht größer zu sein braucht als es den kleinsten wahrnehmbaren Richtungsunterschieden entspricht (siehe Abschnitt B. VI. 1).

Auch diese Anzahl wäre jedoch immer noch zu groß. Es erscheint deshalb angebracht, bei unseren weiteren Überlegungen von den praktisch durchführbaren Verhältnissen auszugehen. Dabei wollen wir uns zunächst dem einfachsten Fall, dem der zweikanaligen Übertragung, zuwenden [140].

C. IV. 2. Zweikanalige raumbezügliche stereofonische Übertragung

Für das Richtungshören sind im wesentlichen die an beiden Ohren auftetenden Intensitäts- und Laufzeitunterschiede maßgebend (siehe Abschnitt B. VI. 1).

Derartige Unterschiede müssen aber bereits bei einer zweikanaligen Übertragung auftreten, wie sie in Bild 72 a dargestellt ist. Es liegt deshalb nahe, in diesem speziellen Fall zu prüfen, inwieweit der stereofonische Charakter der Übertragung noch erhalten bleibt. Dazu müssen wir zunächst einmal für die Wiedergabe und später auch für die Aufnahme die Einflüsse der durch die Lautsprecheranordnung und Mikrofonaufstellung hervorgerufenen Intensitäts- und Laufzeitunterschiede getrennt untersuchen.

C. IV. 2. 1. Zweikanalige Wiedergabe

.

C. IV. 2. 1. 1. Lokalisierung durch Intensitätsunterschiede

Aus Bild 56 ist ersichtlich, daß innerhalb eines Winkels von ± 50° die empfundene Richtung proportional dem Logarithmus des an beiden Ohren entstehenden Intensitätsverhältnisses, d. h. proportional der Schallpegeldifferenz ist.

Nun wirkt aber jeder der beiden Lautsprecher auf beide Ohren und erzeugt also je nach dem Ort des Zuhörers und dessen Kopflage zwei sich überlagernde Intensitätsverhältnisse.

Nach Bild 72 b berechnen sich diese Intensitätsverhältnisse zu . . . .
und das gesamte an den Ohren des Zuhörers entstehende Intensitätsverhältnis bei gleichen, von beiden Lautsprechern abgestrahlten Schallereignissen beechnte sich aus

Jr2 Intensität der rechten Schallquelle am rechten Ohr
Jri Intensität der linken Schallquelle am rechten Ohr
Jl2 Intensität der rechten Schallquelle am linken Ohr
Jli Intensität der linken Schallquelle am linken Ohr

Bezeichnet man das von den beiden Lautsprechern abgestrahlte Intensitätsverhältnis mit .... und sieht das Produkt der von einer Schallquelle herrührenden Intensitäten "in erster Näherung" als konstant an, woraus sich ...... ergibt, so erhält man unter Benutzung der Gleichung (38) und der aus Bild 72 b ersichtlichen Winkelbeziehungen
......
die Gleichung für den auf die Winkelhalbierende von v (nicht auf die Kopfsymmetrieachse K) bezogenen Lokalisierungswinkel %w [109]
k = Proportionalitätsfaktor

Das alles müssen Sie nicht mehr verstehen, es dient nur der anschaulichen Komplexität der physikalischen Vorgänge.

Man kann also so gut wie alles vorher berechnen

Da der Lokalisierungswinkel durch die Winkelhalbierende W und die Verbindungslinie vom scheinbaren Schallquellenort zum Zuhörer gebildet wird und der Winkel d in der Gleichung (39) nicht vorkommt, bleibt der vom Zuhörer empfundene scheinbare Schallquellenort auch unabhängig von der Kopfhaltung, was das charakteristische Kennzeichen der raumbezüglichen Übertragung darstellt.

Der Lokalisierungswinkel in Abhängigkeit vom Intensitätsunterschied mit dem Hörwinkel v als Parameter ließe sich nun im Diagramm darstellen. Zweckmäßiger ist es jedoch, anstelle des Lokalisierungswinkels gleich den scheinbaren Herkunftsort des Schalles auf der die beiden Lautsprecher verbindenden Lautsprecherbasislinie in Abhängigkeit vom Schallpegelunterschied A Ll = 10 lg Vl darzustellen- In Bild 73 ist das geschehen, wobei die Mitte der Basis als Nullstelle und die Lage des scheinbaren Schallquellenortes in Prozent des von der Mitte gemessenen Lautsprecherabstandes angegeben ist (Kurven 1).

Für das Tonfilmtheater gilt :

Nach unseren Erkenntnissen über die „Richtungs-Wahrnehmung aufgrund von Intensitätsunterschieden", besitzen die Gleichungen (38) und (39) und Bild 73 nur für einen Winkelbereich von ±50° Gültigkeit. Das bedeutet, daß die Winkel ip und yj zwischen der Kopfsymmetrieachse und den Verbindungslinien des Zuhörers mit beiden Schallstrahlern nicht größer als 50° und der Hörwinkel v maximal 100° sein dürfen. Diese Bedingung ist aber im Tonfilmtheater durch den selbst unter ungünstigsten Bedingungen auf der ersten Sitzreihe meist nicht mehr als 100° betragenden Bildwinkel erfüllt.

Stereolautsprecher im Kino

Aus Bild 73 geht hervor, daß sich der scheinbare Ort der Schallquelle im mittleren Bereich - etwa der Hälfte des Lautsprecherabstandes entsprechend - nahezu linear mit dem Pegelunterschied des von den beiden Lautsprechern abgestrahlten Schalles ändert, darüber hinaus aber nur asymptotisch (also nur beinahe genau) dem stärker strahlenden Lautsprecher nähert.

Erst bei Schallpegeldifferenzen der Schallstrahler von etwas mehr als 16dB identifiziert der Hörer den scheinbaren Schallquellenort mit dem Ort des stärker strahlenden Lautsprechers. Daraus geht bereits ganz klar hervor, daß sich bei einer Wiedergabe stereofonischer Schallereignisse gleichzeitig mit dem Bild (Tonfilm) die Lautsprecher auch an den Bildkanten befinden müssen, da nur dann auch eine scheinbare Schallquelle an diesen Ort „gelegt" werden kann.

Nachprüfung theoretisch gewonnener Ergebnisse

Zur Nachprüfung dieser zunächst theoretisch gewonnenen Ergebnisse wurden Versuche angestellt, bei denen eine auf der Symmetrieachse der Lautsprecher in verschiedenen Abständen von demselben befindliche Person zu je einer Schallpegeldifferenz den empfundenen scheinbaren Schallquellenort feststellt.

Die Versuchsanordnung ist in Bild 74 dargestellt. Die Abstände der Zuhörer betrugen jeweils 5, 15 und 30m und der Abstand der beiden Lautsprecher voneinander 10m. Die Versuche fanden sowohl im Freien, als auch in Räumen mit verschiedenen Nachhallzeiten statt. Sowohl der Abstand als auch die Raumeigenschaften zeigten keinen wesentlichen Einfluß auf die Meßergebnisse. Aus diesem Grund sind in Bild 73 zu den rechnerisch ermittelten Kurven auch nur eine aus allen Versuchen gemittelte Kurve (2) und, im Vergleich dazu, noch eine von "de Boer" [106] ermittelte Kurve (3) wiedergegeben. Die Kurven bestätigen die Richtigkeit von Gleichung (39).

Wenn sich der Aufstellungsort verändert

Neben diesen Betrachtungen, bei denen wir zunächst nur von einer Änderung des Schallpegels des von beiden Lautsprechern abgestrahlten Schallereignisses und einem annähernd symmetrisch zu den Lautsprechern aufgestellten Zuhörer ausgingen, interessieren nun noch die Veränderungen, die sich bei einem davon abweichenden Aufstellungsort einstellen. Bezüglich der Lokalisierung durch Intensitätsunterschiede treten hierbei vor allem zwei verfälschende Erscheinungen auf.

Als wesentlicher Einfluß ist zunächst die örtliche Näherung des Zuhörers an einen der beiden Lautsprecher zu nennen. Er hört dadurch diesen Lautsprecher mit größerer Lautstärke, was eine Verschiebung des scheinbaren Schallquellenortes nach der gleichen Seite zur Folge hat. Mit zunehmendem Abstand des Zuhörers von der Lautsprecherverbindungslinie (Lautsprecherbasis) nimmt dieser Einfluß jedoch ab.

Der zweite Einfluß ist rein geometrischer Natur. Er kommt dadurch zustande, daß sich gemäß Bild 72 der Lokalisierungswinkel auf die Winkelhalbierende von v und nicht auf die Verbindungslinie zwischen der Mitte der Strecke Si S2 und dem Zuhörer bezieht. Dadurch scheint z. B. bei gleicher Schallabstrahlung beider Lautsprecher der Ort der scheinbaren Schallquelle fälschlicherweise in der Richtung der Winkelhalbierenden und nicht, wie richtig, in der Mitte der Verbindungslinie beider Lautsprecher zu liegen. Diese Verfälschung kann jedoch im Vergleich zur ersteren fast vernachlässigt werden. Da sich beiden verfälschenden Einflüssen noch die des nachfolgend beschriebenen Laufzeitunterschiedes überlagern, wollen wir auf die Möglichkeiten ihrer Unterdrückung erst nach dessen Behandlung eingehen.

C. IV. 2. 1. 2. Lokalisierung durch Intensitätsunterschiede - Wenn der Hörer nicht symmetrisch zwischen den Lautsprechern sitzt

Die bei der Wiedergabe bei einem nicht gerade auf der Symmetrielinie befindlichen Zuhörer zwangsläufig auftretenden Laufzeitunterschiede können ein Mehrfaches der beim natürlichen Hören maximal möglichen Laufzeitunterschiede annehmen. Trotzdem führt ihr Einfluß hier nicht zu einer so großen Verfälschung, wie dies aus Bild 53 zu erwarten wäre. Der Grund hierfür ist wieder darin zu sehen, daß jeder der beiden Lautsprecher auf beide Ohren wirkt.

Zur quantitativen Feststellung der Abhängigkeit des scheinbaren Schallquellenortes auf der Lautsprecherbasis vom Laufzeitunterschied wurde ebenfalls die Versuchsanordnung nach Bild 74 verwendet. Die von den beiden Lautsprechern wiedergegebenen Schallereignisse wurden dabei mit zwei Hörköpfen von einem in voller Breite besprochenen Magnetfilmband abgetastet, wobei der eine der beiden Köpfe in der mechanischen Bandlaufrichtung beliebig vorwärts und rückwärts verstellt werden konnte.

Bei dieser Messung hat sich praktisch ebenfalls wieder gezeigt, daß der scheinbare Schallquellenort nahezu unabhängig vom Zuhörerabstand und den Raumverhältnissen ist. In Bild 75 ist deshalb auch nur eine aus vielen Messungen gemittelte Kurve dargestellt, die die Abhängigkeit des scheinbaren Schallquellenortes von A t beschreibt.

Betrachtet man die eben genannte Kurve genauer, so stellt man fest, daß trotz der Summenlokalisierung bereits relativ kleine Zeitunterschiede - je nach dem Abstand des Zuhörers von der Lautsprecherbasis, etwa das Doppelte bis Dreifache des beim natürlichen Hörens auftretenden Zeitunterschiedes (Bild 53) - eine gleich große Verlagerung des scheinbaren Schallquellenortes zur Folge haben.

Erstaunliche Erkenntnisse bezüglich der Mittenposition

So läßt zum Beispiel ein Laufzeitunterschied von A t = 5 • KT4 s den Schallquellenort bereits von der Mitte der die beiden Lautsprecher verbindenden Linie um 50% des halben Lautsprecherabstandes nach außen wandern. Diesem Laufzeitunterschied entspricht ein Wegunterschied des Schalles von nur 15cm. Das bedeutet, daß - zunächst unter Außerachtlassung des Einflusses der dabei gleichzeitig auftretenden Intensitätsunterschiede - bei einem solchen seitlichen Abweichen des Zuhörers von der Symmetrieachse, das ebenfalls diesen Wegunterschied erzeugt, sich der scheinbare Schallquellenort auch um 50% von der Mitte nach außen verlagert.

Bei einem geringen Abstand des Zuhörers von der Lautsprecherbasis ist hierzu nur ein seitliches Abweichen von der Symmetrieachse um 7,5cm notwendig. Daraus ergibt sich, daß die Schallquelle wesentlich rascher von der Mitte zur Seite wandert als der Zuhörer selbst. Im vorliegenden Fall bedeutet das, daß dieser Effekt der stereofonischen Wiedergabe wesentlich abträglicher ist, als es die Verfälschungen des Intensitätsverhältnisses bei seitlicher Abweichung des Zuhörers von der Symmetrieachse sind.

Laufzeitunterschiede und Intensitätsunterschiede

Es zeigt sich also, daß die bei seitlicher Abweichung des Zuhörers von der Symmetrieachse zwangsläufig entstehenden störenden Laufzeitunterschiede zu den gleichen Folgen wie die dabei ebenfalls auftretenden störenden Intensitätsunterschiede führen.

Während aber eine Kompensation der letzteren mittels geeigneter Richtcharakteristiken der Lautsprecher leicht möglich erscheint, ist eine direkte Kompensation der störenden Laufzeitunterschiede ohne großen Aufwand kaum denkbar.

In gewissem Maße ist eine indirekte Kompensation der Laufzeitunterschiede möglich. Die Kompensationsmöglichkeit ist dadurch gegeben, daß die Wirkungen von Laufzeitunterschieden durch die von entsprechenden Intensitätsunterschieden, und umgekehrt, ersetzt werden können.

Man braucht zu diesem Zweck in einem Diagramm nur die Abhängigkeit der Schallpegeldifferenz von dem Laufzeitunterschied darzustellen, der jeweils den genau gleichen Richtungseindruck hervorruft.

In Bild 76 ist diese Konstruktion mit Hilfe der in den Bildern 73 und 75 gezeigten Kurven durchgeführt. Die Gültigkeit dieser Kurve wurde außerdem mit der in Bild 74 gezeigten Versuchsanordnung überprüft. Dabei wurde so verfahren, daß ein durch einen Laufzeitunterschied hervorgerufener Wechsel des scheinbaren Schallquellenortes durch eine Veränderung der Schallpegeldifferenz wieder aufgehoben wurde.

Aus diesen Messungen ergab sich allerdings, daß die Identität nicht bis zu beliebigen Werten von At besteht, da ab etwa 2 bis 3ms der Schall nicht mehr aus einer Richtung, sondern von beiden Lautsprechern gleichzeitig herzukommen scheint.

C. IV. 2. 1. 3. Kompensation verfälschender Einflüsse

Die durch Bild 76 aus den störenden Zeitunterschieden ermittelten äquivalenten Schallpegeldifferenzen überlagern sich den bei der Lokalisierung durch Intensitätsunterschiede auftretenden Verfälschungen.

Es stellt sich somit bei abweichender Aufstellung eines Zuhörers von der Symmetrieachse eine insgesamt größere Verfälschung ein, die sich am zweckmäßigsten durch eine entsprechende Richtcharakteristik der beiden Lautsprecher kompensieren lassen müßte (Bild 77).

Dabei muß aber in der Praxis der Einfluß der Raumakustik berücksichtigt werden [141, 142]. Diese Kompensation ist jedoch bezüglich der in äquivalente Schallpegeldifferenzen umgerechneten Laufzeitunterschiede nur bis zu Werten von etwa 2 bis 3ms (siehe oben) möglich. In unmittelbarer Nähe der Lautsprecherbasis beträgt der, vom Abstand der beiden Lautsprecher unabhängige, theoretisch maximale Kompensationsbereich demzufolge nur 3ms • 330m/s und das entspricht etwa 1m. Mit zunehmender Entfernung von dieser Basis verbreitert sich dieser Bereich, wobei die Größe der Verbreiterung vom Lautsprecherabstand abhängt.

Stereo mit mehr als 5m Lautsprecherabstand unsinnig

In Bild 78 sind für drei beliebig gewählte Lautsprecherabstände von 4m, 8m und 16m die Bereiche, in denen eine Kompensation der störenden Laufzeitunterschiede durch äquivalente Schallpegeldifferenzen überhaupt nur möglich ist, aufgezeichnet. Aus diesem Bild ist vor allem ersichtlich, daß sich der Kompensationsbereich mit zunehmendem Lautsprecherabstand schnell verschmälert. Die Größe des Lautsprecherabstandes ist somit bei der zweikanaligen stereofonischen Übertragung mit etwa maximal 5m begrenzt.

Kompensation bei tiefen Frequenzen

Der Kompensation der störenden Schallpegeldifferenzen ist dagegen rein theoretisch keine Grenze gesetzt. Die praktisch vollkommene Durchführung hängt vorwiegend nur von der Realisierbarkeit der hierzu erforderlichen Richtcharakteristik der beiden Schallstrahler unter Berücksichtigung des Einflusses der Raumakustik ab.

Bei allen diesen Betrachtungen ist noch zu beachten, daß das Richtungshören bei tiefen Frequenzen nur auf den Laufzeitunterschieden basiert (siehe auch Abschnitt B. VI. 1.4). Im Bereich tiefer Frequenzen ist also eine Kompensation der störenden Laufzeitunterschiede durch äquivalente Schallpegeldifferenzen nicht möglich. Um jedoch in diesem Frequenzbereich die verfälschenden Einflüsse der zwangsläufig auftretenden Laufzeitunterschiede auszuschalten, ist die Abtrennung der tiefen Frequenzen von den beiden Übertragungskanälen durch elektrische Weichen und die alleinige gemeinsame Wiedergabe derselben über einen Mittenlautsprecher erforderlich.

Nachsatz

Für den Bereich der Wiedergabe ging aus diesen Betrachtungen grundsätzlich die Möglichkeit einer - zumindest in einem bestimmten Bereich - ausreichenden stereofonischen Übertragung mit zwei Übertragungskanälen unter Berücksichtigung der Kompensation der verfälschenden Einflüsse hervor [143, 144].

Es ist nun eine analoge Betrachtung der Aufnahmeseite notwendig, um die Brauchbarkeit des gesamten zweikanaligen Übertragungssystems nachzuweisen [145, 146, 147}.

- Werbung Dezent -
Zurück zur Startseite © 2007/2024 - Deutsches Hifi-Museum - Copyright by Dipl. Ing. Gert Redlich Filzbaden - DSGVO - Privatsphäre - Zum Telefon der Redaktion - Zum Flohmarkt
Bitte einfach nur lächeln: Diese Seiten sind garantiert RDE / IPW zertifiziert und für Leser von 5 bis 108 Jahren freigegeben - kostenlos natürlich.

Privatsphäre : Auf unseren Seiten werden keine Informationen an google, twitter, facebook oder andere US-Konzerne weitergegeben.