Das Telefunken "studio center 5300 hifi" aus 1976/78
Juli 2022 - Diese große und schwere "Kompaktanlage" ist überhaupt nicht kompakt und wiegt gefühlte 25 Kilo, also eher das Gegenteil.
Was da bei Telefunken in 1975/76 konstruiert wurde und 1976 auf den deutschen Markt kam, hinterläßt ein sehr gemischtes Bild von super Ideen und miserablen Entwicklern. Wir haben ein ausgemustertes Gerät aus Berlin geschenkt bekommen und nach einem Tag vergeblicher (sinnvoller) Instandsetzung verschrottet. Es tut wirklich in der Seele des Hifi-Fans weh, ein optisch so beeindruckendes Gerät zu entsorgen. weil es einfach nicht mehr lohnt. Je weiter der Einblick fortschreitet, desto grösser ist die Enttäuschung und der Frust.
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Zu den Eindrücken außen und innen :
Sieht man das Gerät zum ersten Mal, kommt sicher ein bewunderndes "AHA", denn die optischen Spielereien - heute nennt man das "Haptik" - sind beeindruckend. Drucktasten, Leuchtdioden, Sensortasten mit integrierten LEDs, Flachbahn- Potentiometer und die lange UKW Skala in einer massiven Alu-Guß Frontplatte, das sah schon richtig gut aus. Der Senderwahlknopf - ein waagrechtes dickes Rad - ist ganz sicher von Marantz geklaut, die hatten das "Giro-Touch Tuning" schon Jahre vorher.
Doch deht man an diesem Rad, um den Sender zu wechseln, ist nichts mehr von einem edlen japanischen "Touch" zu fühlen, so schwergängig ist das Teil. Sowohl die Entwickler bei Marantz als auch bei SONY hatten das mit der leichtgängigen Senderwahl (mit Hilfe einer Schwungscheibe oder eines Schwungrades) wesentlich besser im Griff.
Auf der SONY STR 6120 Seite habe ich über meine ersten AHA-Erlebnisse von 1971 erzählt. Das mit dem Schwungsradantrieb bei SONY war absolut beeindruckend. Hier ist es genau das Gegenteil.
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Erstes Anschalten mit dem Regeltrenntrafo ....
Nach dem optischen Test ein Versuch, was noch funktioniert. Laut meinem Cousin aus Berlin hätte die Anlage bis zuletzt funktioniert. Das war aber sicher die verklärte Wahrheit der Erinnerung von vor 20 Jahren oder länger, denn so lange stand es im Keller. - Also alle 4 Potis kratzen wie verrückt und haben richtige akustische Löcher, an denen gar nichts aus dem rechten Lautsprecher raus kommt. Aus dem linken Lautsprecher kommt nur ein leises Knacken, kein Sound.
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Das Gehäuse - eine massive Kunststoffwanne und ein Rahmen
Der Ausbau des Plattenlaufwerks geht noch ziemlich flüssig mit den 2 großen roten runden Rändelschrauben/Muttern, die entfernt werden müssen. Dann wird es komplex. Im Servicemanual steht es versteckt, daß es da 4 + 1 Schrauben gäbe, 4 von oben und 1 von unten.
Beeindruckend ist das ALU-Spritzgussteil der gesamten vorderen Front. Es paßt vom hohen Niveau so gar nicht zu dem schwarzen Kunststoffkasten und ist das eigentliche Highlight der Optik.
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Weniger begeisternd sind die stilistischen Design-Rillen und Aussparungen, in denen sich jede Menge an Staub festgesetzt hatte. Es sieht einfach nur ungepflegt und schmuddelig aus und ist fast nicht zu reinigen außer mit Pressluft. Aber welcher normale Mensch hat in seiner Wohnung einen Kompressor samt Pressluftpistole ?
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Absolut daneben - die Beachriftung in Englisch
Es paßt wie die Faust aufs Auge, überall deutsche DIN Buchsen und deutsche Lautsprecherstecker und überall englische Wörter und Bezeichnungen drauf. Dieses Gerät war im Ausland einfach nicht zu verkaufen und dennoch wurde alles verenglischt.
Wer war das ? Die Japaner hatten es doch vorgemacht, DIN und Cinch funktioniert auch nebeneinander und Platz war da - auf der Rückseite in Hülle und Fülle.
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Die Konzeption der Einzel-Komponenten
Flachbahnpotentiometer waren zu der Zeit um 1975 "in" oder "cool". Wegen der Bauhöhe wurden sie waagrecht angeordnet. Die großen Drucktasten betätigen über lange Schubstangen ganz normale Tastenstreifen. Neu waren die grünen Leuchtdioden. Die Sensortasten für die UKW Senderspeicher waren absolut progressiv. Die von unten (unter dem Gehäuse) einzustellenden Frequenzen der Senderspeicher "fm1 bis fm7" mit den Plastiknippeln, das war bei dem Gewicht absolut unhandlich und wiederum Technik von gestern, also mehr als nur unglücklich. Es war eine Zumutung.
Das waagrechte Senderwahl-Rad war optisch erst mal toll, die Marantz Leute hatten es sehr erfolgreich als Alleinstellungsmerkmal für deren Receiver und Tuner eingeführt. Dieses hier geht aber recht schwer und klemmt. Die vielen optischen Anzeigeelemente konnten nur Spielkinder begeistern, waren aber optisch toll und bunt.
Der Plattenspieler mit dem 110 Volt Lenco Motor war ein Fehlgriff. Ob er wirklich bei Telefunken gebaut wurde ? Qualitativ könnte er gute Mittelklasse sein mit mit dem Shure M75MG Abtaster. Das Kassettengerät wird weiter unten "zerlegt".
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Das Innenleben und die Elektronik ...
Ist der Deckel (besser gesagt : der Rahmen) erst mal ab, fällt ein irrer Drahverhau auf - wie auch in den späteren Telefunken Steuergeräten von 1978. Wie bei SABA und WEGA auch, war da sicher auch ein Baukastensystem die Grundlage. Nachteil ist die große Anzahl der Steckverbinder und das rächt sich m Alter, wenn die versilberten Pins sulphatieren, schwarz werden.
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Ob zu der Zeit KW, MW und LW überhaupt noch gefragt waren, zumal die deutschen LS- und Dioden-Buchsen einen Export quasi ausschlossen, ist eine sekundäre Frage. Man hätte aber den Drehkondensator einsparen können und dazu eine ganze Tuner-Platine.
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Ein Schnittbandkern-Trafo - erstaunlich - erste Gedanken .....
Der Schnittbandkern-Trafo ist das Highlight dieses Gerätes und der ist sicher edel und leistungsfähig, zumal er sogar tauchgetränkt ist.
Die Fertigungs- / Wickel- Qualität beider Wicklungen auf den beiden Spulenkörpern ist oberflächlich gesehen wie aus einem uralten Bastelbaukasten oder aus der Lehrwerkstatt.
So wirr hatte nicht mal ich in meiner Schulzeit während des Ferienjobs Trafos gewickelt und ich habe viele Trafos gewickelt (und mir davon ein Rennrad gekauft).
Diese "Wickelqualität" sagt aber überhaupt nichts über die elektrische Qualität aus, es ist vorerst nur die Optik, die etwas irritiert. - Mehr über diesen Telefunken Trafo lesen Sie auf den Trafo-Seiten.
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Die Leistungsendstufe aus 1975
Im Prospekt beworben werden populistische "2 x 50 Watt". Der Endverstärker würde also 2 x 50 Watt abgeben, das ist aber die Musikleistung und auch nur bei 4 Ohm.
Die Dauerleistung an 4 Ohm ist nämlich nur 2 x 30 Watt und das steht ziemlich klein im Kleingedruckten. Im Service Manual steht gar nichts davon, also überhaupt keine technischen Daten.
In diesem Endstufenteil werden zwar modernere Darlington Transistoren verwendet, aber mit nur einer Versorgungsspannung von 50 Volt= und deshalb ist ein dicker Koppelkondensator am Ausgang erforderlich.
Diese uralte Schaltungstechnik ist seit fast 10 Jahren out. Das war damals in 1975 bereits alte Technik mit vielen Schwächen. Trocknet nämlich dieser Koppel-Elko aus, gibts keinen Bass mehr.
Die Innenverkabelung der Lautsprecherleitungen von der Endstufe zu den Anschlüssen ist wirklich arg dünn geworden. Die Steckverbinder sind alle innen korrodiert. Und die beiden (gleich großen) Elkos lassen optisch eine symmetrische Spannungsversorgung vermuten, dem ist aber nicht so.
Diese komische Vierkanal- Lautsprecherschaltung war genauso ein Krampf wie bei den Grundig- und DUAL Verstärkern gleicher Baujahre. Auch sieht man einen Reparaturversuch an einem Kanal, weil dort geschlampt wurde. -
Für den Kopfhörer gab es den ungeliebten Würfelstecker und das wars dann. Ausserhalb Deustchlands war das Teil einfach nur unverkäuflich.
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Ein Reparaturversuch mit Kontakt-Spray - leider .....
Als die Schiebebahnpotis im Lautstärkebereich anfingen, zu kratzen, muß ein Reparateur das mit "Kontakt 60" zu beheben versucht haben. Jedenfalls ist dieses schmierige Öl überall zu finden und die 4 Flachbahn Potentiometer sind völlig verklebt und haben den Staub jetzt erst richtig angesaugt.
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Der Plattenspieler in der Kompaktanlage
Wie das enthaltene Kassettengerät so riecht auch das Plattenlaufwerk nach einem OEM-Teil - vielleicht von Lenco. Jedenfalls ist die Nutzung eines 110 Volt Motors sehr befremdlich. Das findet man in keinem originalen deutschen Produkt. Wer das bei Telfunken akzeptiert hatte ? Es war sicher eine "billige" Lösung und solange alles funktioniert, fragt auch keiner danach. Das Chassis ist auch von der normalen Sorte und vielleicht noch Mittelklasse. Nach ausführlicher Betrachtung des Unterteils : Begeisterung kommt keine auf. Wie man damit den immer stärkeren Japaner Paroli bieten wollte ist mir schleierhaft.
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Das Kassettenlaufwerk ist auch eine Sache für sich.
Soweit ich das jetzt beurteilen kann, kommen weder Plattenspieler noch Kassettengerät aus einer Telefunken Produktion. Es sind zugekaufte OEM Produkte aus Fernost. Dieses Chassis kommt mit Sicherheit aus Japan oder taiwan.
Innen ist keine einzige Quelle bzw. ein Hersteller-Logo zu erkennen. Es gab aber in Japan und Hongkong mehrere OEM Hersteller ähnlich zur Firma Funai.
Das Kassettenlaufwerk ist aus meiner Sicht eine verunglückte Krampflösung. Mit nur einem Antriebsmotor und einem Hubmagneten wollte man eine Tipptastensteuerung vorgaukeln, die mit einem gewaltigen Aufwand an Mechnik realisiert wurde. Eine komplexe Mechanik, an der sich auch Grundig bei den letzen Spulen-Bandgeräten versucht hatte.
Die ganze Crux erkennt man daran, wenn Teile des sowieso schon wirren Kabelbaums mit Draht, dann mit Kabelbinder und dann mit einem Stoffstreifen zusammengebunden (gebündelt) waren. An das originale Chassis wurde bei Telefunken ein Stanzteil-Zusatz mit 5-Pol DIN Buchse und zwei Flachbahnpotis (für die Aufnahmepegel) angeschraubt.
Das ganze ähnelt dem ersten Kassettengerät von BRAUN, in dem auch ein billiges Japan-Chassis verbaut war, aber zum BRAUN Preis verkauft wurde und es ist den Testern und Kunden bitter aufgefallen.
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2022 - im Blick zurück - die Produktionskosten
40 oder 50 Jahre danach wird immer wieder resumiert, warum die deutschen Hersteller den Kampf um die Marktanteile so schnell und so vollständig verloren hatten.
Alleine der verlorene Blick der meisten großen deutschen Firmen auf den Weltmarkt - insbesondere den US Markt - hatte enorm geschadet.
Es gab in Europa nur 2 Firmen, die im Consumer- Audio-Bereich in den USA richtig erfolgreich waren. Das waren Studer / Revox (Schweiz und Löffingen) mit der A77 Bandmaschine und das war DUAL (aus St.Georgen) mit den damals weltbesten Plattenspielern.
Aber auch das ist und war vergänglich. In 2022 hatte der letzte Produzent von DUAL Plattenspielern (Fehrenbacher) Konkurs angemeldet. Das "war's" also mit "Made in Germany".
Und wer redet heute im Jahr 2022 noch von Revox Bandgeräten ? - außer bei uns im Tonbandmuseum.
Aber zurück zu den Telefunken Geräten. Gleich beim Öffnen schlägt der Ingenieur die Hände über dem Kopf zusammen. So viele Drähte kreuz und quer und so viele Steckverbinder und Platinchen, die muß doch jemand dort einbauen und verdrahten und später auch noch prüfen.
Hatte da keiner auf die Montagezeit geachtet wie in den Grundig Werken. Dort wurden die Montageminuten immer wieder akribisch überprüft und gezählt und durch die Prüfingenieure natürlich verbessert.
Dann finde ich auf jedem Modul in diesem Gerät einen Aufkleber. Hatten die Montage-Arbeiter so viel Zeit, um Bapperle aufzukleben ?
Wie bei so vielen Telefunken- und auch DUAL- und SABA- Geräten vermutet der Ingenieur die schnelle und umgehende Produktion der halbfertigen Labormuster - aus damals bereits drängenden Zeitgründen. Eines der besten und damals unerfolgreichen Beispiele ist leider der Telefunken TED Bildplattenspieler aus 1974, ein für Telefunken sehr kostspieliger Flop.
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Wolfgang Hasselbach von der BRAUN AG hatte mir erzählt, wie oft er bei seinen Chefs war und sie warnte, der Regie 510 Receiver zum Beispiel wäre noch nicht fertig durchkonstruiert und man solle ihn so nicht produzieren - und keiner hatte zugehört. So ging auch das über Jahre aufgebaute BRAUN Image fließend den Bach runter.
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Der Trafo mit 2,9 Watt Leerlaufverlusten
Den Trafo heben wir auf, um damit neue Digitalverstärker zu testen. Eine erste Trafo-Leistungs-Messung ist bereits fertig.
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Resume
Der Telefunken Konzern stand mit fast allen Divisions / Abteilungen / Sparten und Produkten mit dem Rücken zur Wand. Der mit der AEG verschmolzene behördenähnliche Konzern war über Jahrzehnte unterkapitalisiert und hatte arge Finanzprobleme. Ganz offensichtlich hatte sich Max Grundig direkt nach dem Ende des 2. Weltkriegs die besten unter den deutschen (teilweise "belasteten") Ingenieuren an Land gezogen, hatte sie gut bezahlt und vor allem, er hatte sie motiviert, wieder etwas zu schaffen. Im direkten Vergleich war Max Grundig allen anderen immer einen oder 2 Schritte voraus. Die anderen wie WEGA und SABA und weitere hatten ebenfalls große Mühe, mit Max Grundig Schritt zu halten.
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