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Die KlangBild Serie 1979 - "Die DIN 45 500"
Der Kopfhörer (KlangBild Heft 03/1979)

Die DIN 45500 war eine Norm, die viele Kontrversen hervorgebracht hatte.
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DIN 45500 - IM SPIEGEL DER NORM - Teil "24"

Es läßt sich nicht leugnen: Langsam nähern wir uns jetzt dem Ende unserer Serie über die Mindestforderungen an HiFi-Komponenten, die in den verschiedenen Blättern der DIN 45 500 niedergelegt sind.

Blatt 8 der Norm mit seinen vielen Anforderungen an Kombinationen und Anlagen hatte uns ja ziemlich lange beschäftigt. (Wir habend as übergangen, weil es bereits vorher schon besprochen wurde.) Doch es war eben auch eine Fülle von Material zu verarbeiten.

Blatt 9 hatte dagegen nur eine Materie zum Gegenstand - die Tonbänder für Spulen- und Kassettengeräte. So war der Beitrag in einem einzigen Heft - dem vorigen vm Feb. 79 - unterzubringen.

Mit dem vorliegenden Beitrag nehmen wir nun das letzte Blatt der Hi-Fi-Norm in Angriff. Es ist Blatt 10, das sich mit den Mindestanforderungen an Kopfhörer befaßt.

Doch gilt es gleich, eine Einschränkung zu machen: Die Überschrift des Blattes 10 lautet nämlich „Mindestanforderungen an dynamische Kopfhörer nach dem Tauchspulenprinzip", so daß man sich erst einmal fragen muß, ob der Forderungskatalog denn auch noch auf die sogenannten orthodynamischen (isodynamischen) Kopfhörer zutrifft, die schon seit einiger Zeit im Handel sind.

Denn diese arbeiten zwar „dynamisch" (also nicht nach dem elektrostatischen Prinzip, das eine separate Versorgungsspannung erfordert), aber eben auch nicht nach dem Tauchspulenprinzip. Dieses Prinzip, bei dem sich mit den Membranen verbundene Spulen in einem Magnetfeld bewegen, ist bekanntlich das „klassische" Prinzip des dynamischen Kopfhörers.
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Wofür Blatt 10 gilt

Ist also die Frage, ob Normblatt 10 auch für orthodynamische Hörer gilt, wahrscheinlich zu verneinen, so kann es überhaupt nicht strittig sein, daß das Blatt auf keinen Fall für die eben erwähnten Kopfhörer gilt, die nach dem elektrostatischen Prinzip arbeiten.

Und gerade bei denen fängt für viele anspruchsvolle Audiophile HiFi-Wiedergabe überhaupt erst an. In der Tat können gute elektrostatische Hörer in Frequenzumfang, Ausgewogenheit und Verzerrungsfreiheit echte Maßstäbe setzen. Sie werden dann auch von den besten dynamischen Hörern nicht übertroffen. Aber die Norm „will nichts von ihnen wissen" - zumindest nicht in der Überschrift und im einleitenden Text des Blattes 10.

Unter Punkt 1 werden nämlich nochmals die dynamischen Kopfhörer nach dem Tauchspulenprinzip erwähnt. Im weiteren Textverlauf tritt der Begriff dann aber nicht mehr auf; der Text ist also völlig „wertneutral" abgefaßt.

Es hätte dieser „einengenden" Überschrift eigentlich nicht bedurft, denn vergißt man sie einmal, so kann man den Normtext auf alle beliebigen Kopfhörer beziehen. Daß eine Extranorm für Elektrostaten geplant sei, ist zumindest dem Verfasser nicht bekannt. Sie würde ja auch allenfalls einige abweichende Zahlen enthalten.

Sprechen wir also im folgenden einfach nur von Kopfhörern und denken wir dabei der Ordnung halber an den Passus ... „Die Festlegungen gelten für den einzelnen Kopfhörer. Entsprechend werden auch bei Doppel-Kopfhörern in Datenblättern stets die Werte für den einzelnen Kopfhörer angegeben ..."
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Wie bei Lautsprechern: das Toleranzfeld

Nach dieser kleinen Probe „Amtsdeutsch" (wonach unter „Kopfhörer" die einzelne Hörmuschel und unter „Doppel-Kopfhörer" das komplette Gebilde zu verstehen ist) nun aber zu Punkt 2 des Normblatts 10. Er behandelt den Übertragungsbereich und fordert, daß dieser sich mindestens von 50 Hz bis 12,5 kHz erstrecken muß. Derlei ist heute eine „leichte Übung" für einen guten Kopfhörer.

Zumindest was die obere Grenzfrequenz betrifft, wird diese Mindestforderung deutlich übertroffen. Und dabei gilt ja bezüglich der Grenzfrequenzen dasselbe, was wir z. B. schon von den Mindestanforderungen an Lautsprecher im entsprechenden Normblatt kennen.

Es wird also wieder eine Kurve zugrunde gelegt, und diese Kurve muß in ein bestimmtes Toleranzfeld passen. Dieses Toleranzfeld muß man sich wie folgt vorstellen: Es hat eine „gedachte" Linie für 0dB (Bezugspegel, der sich bei einer Frequenz von 1 kHz ergibt) und - vereinfacht - zwei „dicke" Linien, die oberhalb und unterhalb der 0dB-Linie verlaufen.

Die obere verläuft in einem Abstand von 2dB zur Bezugslinie und die untere desgleichen - zumindest zwischen etwa 250 Hz und etwa 1200 Hz. Unterhalb 250 Hz fällt die untere Linie auf -5dB und oberhalb etwa 1200 Hz auf -7,5dB ab. Diese „Minuspunkte" sind - wie leicht zu erraten - bei 50 Hz und bei 12,5 kHz erreicht. Denn das sind ja die unter „Übertragungsbereich" erwähnten Grenzfrequenzen.
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Verschiedene Kurven

In das eben geschilderte Toleranzfeld muß nun die Übertragungskurve des jeweiligen Kopfhörers hineinpassen. Damit wird dieser Kurve doch etliche Freiheit gegeben.

Denn bei jeder beliebigen Frequenz darf der Pegelwert ja z.B. bis zu 2dB (das 1,26fache) höher sein als der Bezugspegel. Zwischen 250 Hz und 1200 Hz darf er auch um denselben Betrag niedriger sein, an der unteren Grenzfrequenz aber schon bis zu 5dB (das 1,78fache) und an der oberen Grenze gar bis zu 7,5dB. Das entspricht schon dem 2,37fachen!

Innerhalb dieser ziemlich weit gesteckten Grenzen darf die Kurve natürlich „Wellen schlagen" - und die können im ungünstigen Fall hörbare klangliche Unausgewogenheit bewirken.

Wenn jetzt von „Kurve" die Rede war, dann warim vorliegenden Fall eine Sollkurve gemeint. Typisch für Blatt 10 ist nämlich Punkt 2.2, der wörtlich lautet: „Bei dem Frequenzgang des Freifeld-Übertragungsmaßes wird unterschieden zwischen der für den Kopfhörertyp gültigen Soll-Kurve und der für einen speziellen Kopfhörer gültigen Ist-Kurve." Weiter heißt es dann, daß die Sollkurve des Freifeld-Übertragungsmaßes, bezogen auf den sich bei 1 kHz ergebenden Wert, in das Toleranzfeld passen muß - so wie es schon geschildert wurde. Zur sogenannten Istkurve werden wir gleich kommen. Wir gelangen aber nicht recht weiter, wenn wir uns nicht zuvor mit dem Begriff des Freifeld-Übertragungsmaßes beschäftigen.
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Ein neuer Normbegriff - das Freifeld-Übertragungsmaß

Dieser Begriff ist uns nämlich noch nicht geläufig, denn im Normblatt, das sich mit den Lautsprechern befaßt und in das er sachlich hineingepaßt hätte, taucht er nicht auf.

Indirekt hat die Sache aber schon mit Lautsprechern zu tun: Die Wiedergabe über Boxen soll mit einem bestimmten Schalldruck erfolgen. Beim Übergang auf Kopfhörerwiedergabe sollen vergleichbare Verhältnisse bestehen - auch hinsichtlich der Ausgewogenheit zwischen den Frequenzbereichen, also der Übertragungskurve.

Hier setzt die sogenannte Freifeldmessung an. Für sie wird erst einmal mit Hilfe eines Meßmikrofons am Hörplatz ein gleichbleibender Schalldruck hergestellt. Die hierfür an die Lautsprecher anzulegenden Spannungen werden
festgehalten, da ihre Werte noch benötigt werden.

Jetzt bekommt der Zuhörer die Testfrequenzen einmal über die Lautsprecher zu hören und einmal über den zu testenden Kopfhörer und so fort. Seine Aufgabe ist es nun, die an den Kopfhörer angelegte Signalspannung jeweils so nachzuregeln, daß ihm Lautsprecher- und Kopfhörerwiedergabe gleich laut vorkommen. Die eingestellten Spannungen (am Kopfhörer) werden ebenfalls notiert, und aus ihnen kann man jetzt das sogenannte Freifeld-Übertragungsmaß berechnen.

Weil diese Methode - wie leider so vieles bei Kopfhörertests - subjektiv ist, muß sie mit ziemlich vielen Personen durchexerziert und dann ein Durchschnitt aus den Ergebnissen ermittelt werden. Sie ist aber doch insofern verläßlich, als die Tendenz der Wahrnehmungen einigermaßen übereinstimmt.
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Die wirklichen Verhältnisse

Was eben mit „Tendenz" bezeichnet wurde, spiegelt nichts anderes wider als den ungefähren Verlauf der bei der Freifeldmessung gewonnenen Übertragungskurve. Doch macht Normblatt 10 eben - wie wir weiter oben erfahren haben - im Gegensatz zum Lautsprecher- Normblatt noch die Unterscheidung zwischen der Sollkurve und der Istkurve, zu der wir jetzt kommen.

Und jetzt geht es noch wesentlich „liberaler" zu: Laut Norm „soll" (nicht „muß") die Istkurve weitgehend der Sollkurve entsprechen. Das ist zumindest dehnbar, wird aber wieder eingeschränkt durch den Passus, daß bei jeder Frequenz etwaige Abweichungen der Istkurve von der Sollkurve kleiner als 5dB sein müssen.

Doch 5dB entsprechen ja, siehe weiter oben, annähernd dem 1,8fachen, und überdies dürfen wir nicht vergessen, daß die Sollkurve ja ihrerseits - besonders im untersten und im obersten Frequenzbereich - eine nicht unerhebliche Toleranz in Anspruch nehmen darf.

Im Extremfall können sich also z. B. bei 50 Hz die beiden erlaubten Minusabweichungen von 5dB addieren. 10dB bedeuten hier aber schon einen Pegelabfall um mehr als das Dreifache gegenüber dem Bezugspegel, der sich bei 1 kHz ergibt.

Spielen wir denselben Fall auch für die obere Grenzfrequenz durch, so kommen wir auf 7,5dB + 5dB = 12,5dB, was schon einem Pegelabfall um mehr als das Vierfache entspricht. So baß- und höhenschwach darf also im ungünstigsten Fall ein Hi-Fi-Kopfhörer nach DIN sein!
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Kupplerprüfung und Kurvensteilheit

Nochmals zurück zu der Vorschrift, daß die Abweichungen der Istkurve von der Sollkurve kleiner als 5dB sein müssen. „Dies kann", so dazu die Norm, „mit Hilfe eines Kupplers (siehe DIN 45 581) geprüft werden, wenn das Soll-Kuppler-Übertragungsmaß des Kopfhörertyps bekannt ist."

Ein Kuppler (auch „Meßkuppler") ist eine Vorrichtung zum Ermitteln des Übertragungsmaßes mit Hilfe eines kleinen Hohlraums, der das menschliche Innenohr simulieren soll.

Doch auch derlei Hilfsmittel sind noch nicht der Weisheit letzter Schluß. Zu kompliziert sind die Schalldruckverhältnisse bei den sehr nahe am Ohr arbeitenden Kopfhörern. Als objektive Instanz zur Gegenkontrolle kann der Kuppler aber ganz gut dienen.

Der letzte Satz des eben behandelten Punktes 2.2.2 lautet nun: „Der Verlauf der Istkurve darf an keiner Stelle mehr als 9dB je Oktave sein". Gemeint ist damit, daß die Kurve nirgends steiler ansteigen oder abfallen darf als um das hier angegebene Maß.

Was aber bedeutet nun „9dB je Oktave"? Nun - halten wir zunächst einmal fest, daß 9dB hier einem Verhältnis von etwa 1:2,8 entsprechen. Um dieses Verhältnis darf die Kurve also maximal ansteigen oder abfallen. Und „je Oktave" bezieht sich immer auf ein Intervall zwischen zwei Frequenzen, die sich um das Zweifache unterscheiden, also z. B. 50 bis 100 Hz, 2 kHz bis 4 kHz, aber eben auch abwärts, z. B. von 500 bis 250 Hz oder von 10 kHz bis 5 kHz und so weiter. So schwer begreiflich ist die Technik denn wohl auch wieder nicht - oder?

Joachim Stiehr im März 1979 KlangBild
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