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Heute MTG "Microtech Gefell" GmbH , früher Neumann Gefell

Georg Neumann und Erich Kühnast

von Gert Redlich im Juli 2013 - Die Geschichte von Neumann Gefell beginnt mitten im 2. Weltkrieg etwa Mitte-Ende 1943, als Deutschland bereits auf der Verliererstraße marschierte und Berlin von Amerikanern und Engländern total eingebombt wurde. Irgendwann erwischte es auch die Berliner Werkstätten von Georg Neumann und ab dann war fast alles aus.

Georg Neumann suchte sich eine neue Ausweich-Lokation - möglichst weit vom Schuß - diesmal im wahrsten Sinne des Wortes. Das kleine Dorf Gefell liegt heute an der tschechischen Grenze, für uns Rhein-Mainer fast am Ende der Welt, weil wir einen riesigen Umweg fahren müssen.

Bereits Ende 1945 merkte Georg Neumann, daß Gefell doch nicht von den Amerikanern besetzt würde, nein die Amerikaner haben das von ihnen besetzte große Thüringen an die Russen "verschachert" (bzw. gegen einen kleinen Teil der ehemaligen Reichs-Hauptstadt Berlin "eingetauscht"). Anders kann man das auch im Nachhinein nicht nennen. Das war also doppeltes Pech.

1946 ging ein völlig frustrierter Georg Neumann doch wieder zurück nach Westberlin. Er hat sicherlich sorgfältig abgewogen - in welchem Teil Deutschlands bzw. der Welt er die besseren Entwicklungschancen für sich persönlich und seine Firma gehabt hatte. Über die Entwicklungen in der Ost-Zone bei den Russen gibt es im Fernsehmuseum mehrere sehr erhellende Lebensgeschichten - zum Beispiel "40 Jahre Gloriapalast" - sehr lesenswert.
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Man kann diese Entwicklung von zwei Seiten betrachten . . .

. . . nämlich aus der Sicht der in Gefell verbliebenen Betroffenen oder aus der Sicht der Unbeteiligten aus Westdeutschland. Es sind nicht alle Mitarbeiter ein Jahr nach Kriegsende mit Georg Neumann wieder zurück nach Berlin gegangen. Sein enger Vertrauter und Betriebsleiter Erich Kühnast blieb dort und weitere 40 oder 50 Mann. In Berlin war so gut wie alles kaputt und Wohnungen gab es sowieso nicht. Es gab daher gute Gründe, sich mit den neuen russischen Besatzern und derem rigorosen Regime irgendwie mühsam zu arrangieren.
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Der weitere Werdegang jetzt aus der MTG Chronik

Es war wirklich nicht einfach, in der SBZ eine Firma mit einem abwesenden Inhaber, zumal einem Klassenfeind aus dem kapitalistischen Ausland, zu führen. Eine Zeit lang funktionierte das Nebeneinander der beiden Neumann Firmen so leidlich, bis sich die Verhältnisse in Gefell zuspitzten. Erst wurde der Betrieb 1956 teilverstaatlicht, dann 1961 von Westberlin fast völlig abgetrennt und 1972 ganz in einen VEB (volkseigenen Betrieb) umgebaut, also jetzt total enteignet. Damit war der Markt in Westeuropa natürlich auch abgeschnitten und es kamen fast keine wertvollen West-Devisen mehr rein.
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Dazu ein paar Hintergründe aus "Westsicht"

Die "neue" VEB Mikrofontechnik Gefell mußte auf Befehl von oben (ob jetzt Ostberlin oder Moskau) auf das europaweit bekannte renommierte (kapitalistische) Neumann Logo verzichten und nun das "RFT" Logo aufdrucken.

Dabei spielte es drüben im damaligen Ossiland keine Rolle, daß im gesamten kapitalistischen Westen das Logo "RFT" immer mit minderer Qualität, ja nahezu mit Ausschussware, gleichgesetzt wurde bzw. verbunden war.

Uns Wessis fielen natürlich die (aus unserer Sicht) primitven "Neckermann"- und die billigen "Quelle"- Geräte (damals von der ostzonalen Aussenhandelsfirma Firma Bruns zu uns importiert) sofort ins Auge und die wurden von uns geringschätzig und abwertend als "Made in the Ostzone" tituliert.

Ab 1961 war es für den westdeutschen Normalo fast nicht möglich, die wenigen wirklich hochwertigen Rosinen wie die VEB Mikrotech Gefell Mikrofone (und auch damalige DDR Studiolautsprecher) richtig einzuordnen. Auf den Leipziger Aussenhandelsmessen der "DDR" (bei uns nach wie vor die Ostzone) mühten sich die Verkäufer sichtlich, auf die durchaus wettbewerbsfähige Qualität so mancher Produkte hinzuweisen. Es gelang aber selten.

Auch kamen wir Jungunternehmer gar nicht mehr auf die Idee, uns in Leipzig umzuschaun und den ganzen Willkür-Zirkus der introvertierten und frustrierten DDR-Grenzer und die hahnebüchnen Einreisevorschriften für den souveränen Staat "DDR" (bei uns nach wie vor die "Ostzone") über uns ergehen zu lassen und zu ertragen, jedenfalls nicht freiwillig.

Eine Glosse oder auch Legende besagte, daß (lange vor der Wende) ein VEB-Verkäufer in Leipzig, der von einem Wessi einen Großauftrag mit wirklich irren Stückzahlen schriftlich auf den Tisch bekommen hatte, beinahe aus dem Fenster gesprungen wäre. - Sein VEB Kombinat hätte diese Stückzahlen weder in auch nur absehbarer Zeit produzieren können geschweige jemals das notwendige Rohmaterial zur Produktion beschaffen können. Das war also "DDR live".

Viel mehr aufschlussreiche Stories stehen in dem Buch "Deckname Saale" von Gerhard Ronneberger, dem ehemaligen Direktor des staatlichen Aussenhandels der DDR und ganz erstaunlicherweise auch in Alexander Schalck Golodkowskis Memoiren. Ich habe sie beide gelesen, musste die Bücher aber zeitnah wieder abgeben. Das Buch von Ronneberger könen Sie hier lesen.
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Bei den Toningenieuren waren die DDR Rosinen schon bekannt.

So, wie sich die DDR Fernsehleute (und viele andere Fachleute aus den Ostblockstaaten) vor 1989 einmal im Jahr in Montreux in der Schweiz austauschten, waren in (ein-) geweihten Kreisen die Kondensatormikrofone aus Gefell sehr wohl bekannt und auch die Lautsprecher aus Geithain. Vor der Wende war es für deutsche Sender offensichtlich schwierig, solche Produkte zu kaufen. Nach der Wende sah das dann ganz anders aus.

Neben dem Profi-Bereich fanden auch im allgemeinen Konsumerbereich diese hochwertigen Produkte nur sehr schwer den Weg nach Westen. Das rächte sich bitter nach der Wende, als so gut wie alle VEBs in ein tiefes Loch fielen. Denn der protektionistisch geschützte Ostblockmarkt (basierend auf mehr oder weniger transparenten Verrechnungseinheiten) brach bei nun internationalen DM Preisen in sich zusammen. Auch der Westmarkt stockte, weil die Importeure nicht mehr billig zu Ostmark-Preisen einkaufen konnten. Es bahnte sich vielerorts eine mittlere Katastrophe an.
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Der lange Weg der Aufholjagd

Nach 1989 mußte sich MTG (jetzt Microtech Gefell GmbH) mit allen Wettbewerbern weltweit auseinandersetzen. Neumann Berlin war inzwischen (1991) von Sennheiser gekauft worden und die jungen Neumänner sahen den unerwünschten neuen Spitzenklasse- Wettbewerb mit ganz anderen Augen als der 1978 verstorbene Alteigentümer und Senior Georg Neumann. Wie der Autor gr bei seinen Zeitzeugen- Befragungen erfahren hatte, waren die Mikrofone aus Gefell absolut in der Weltspitzenklasse angesiedelt. Auf einmal spielten uralte Gebrauchsmusterrechte bei Gehäuseformen wieder eine Rolle und so manche völlig überflüssige und unnütze Rangelei wurde mit den beiden Sennheiser "Professoren" ausgetragen.

Neumann Gefell - also die MTG GmbH - heute :

Inzwischen hat sich die Zielsetzung und die Produktpalette etabliert und MTG hat seine Marktlücke besetzt, fast ebenso wie die Firma Schoeps in Karlsruhe.
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Jochem Kühnast, der 1961 von seinem Vater von Berlin nach Gefell geholt wurde, konnte nach der Wende dort in Gefell ein für DDR Zeiten hochmodernes Fabrikationsgebäude übernehmen und dort weitermachen. Zwar zwangsläufig aber auch aus eigenem Anspruch heraus wird dort nach wie vor auf höchstem Niveau entwickelt und produziert.

Immer mit dem Attribut "founded 1928 bei Georg Neumann", gegen das auch Sennheiser nichts einwenden konnte, ist inzwischen der europäische und vor allem der nordamerikanische Markt der Hauptmarkt für die Marke MTG geworden.

Heutzutage in den Zeiten des Internet ist die "besonders ruhige" Lage am Ende der Welt überhaupt kein Problem mehr. Da wird der doppelt isolierte schalltote Raum sowieso von keinem (Über-) Flieger mehr erschüttert.

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