Begleittext einer Rückschau - "Über den deutschen Schlager"
Diese Biografie und historische Aufarbeitung des deutschen Schlagers wurde in 1978 von der Journalistin Monika Sperr geschrieben. Frau Sperr beschreibt in ihrem Vorwort ihre Sichtweise der Geschichte und der Ereignisse aus dem Blickwinkel des Arbeitermillieus. Aus Sicht des Rezensenten ist die gesellschaftspolitische Färbung mancher Absätze etwas zu einseitig und öfter die Tatsachen verfälschend. Diese Biografie sollte mit Bedacht und auch nachdenklich gelesen werden.
Überhaupt sollte man zum Vergleich der geschichtlichen Tatsachen um 1932/1933 herum das Buch des Amerikaners "H. R. Knickerbocker "German crisis" mit einbeziehen. Auch die "Aufzeichnungen von 1943 bis 1945" von Hans-Georg von Studnitz sind lesenswert.
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1900-1918
Als in der Silvesternacht des Jahres 1899/1900 das 19. Jahrhundert zu Ende ging, ahnten sicher nur wenige Menschen, daß dies viel mehr war als Ende und Anfang eines Jahrhunderts: nämlich der beginnende Untergang einer Weltordnung, in der die großen Patriarchen das alleinige Sagen hatten.
Von altersher, anscheinend wirklich seit »ewigen Zeiten«, hatten die »Stellvertreter Gottes auf Erden«, die Päpste, Kaiser und Könige mit ihren geistlichen und weltlichen Fürsten, die Geschicke ihrer Untertanen bestimmt. Selbstherrlich und rücksichtslos, hatten sie doch das angeblich von Gott gewollte absolute Herrschaftsmonopol.
Im Grunde war ihre Zeit schon lange vorbei, doch wollten sie es bis ganz zuletzt nicht wahrhaben. Seit Kopernikus und Galilei das mittelalterliche Weltbild zerschlagen hatten, indem sie dem bedingungslosen Glaubensgrundsatz von Kirche und Staat ihr besseres Wissen entgegensetzten, konnten sich die Patriarchen überhaupt nur noch mit brutalster Gewalt an der Macht halten.
Wer immer für das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die Menschenrechte kämpfte, wurde als Ketzer gehängt, als Hexe verbrannt, als Rebell erschlagen. Aufständische Bauern wurden genauso niedergemetzelt wie Andersdenkende oder Ungläubige, die deutschen Jakobiner ebenso verfolgt und gehetzt wie alle standhaften Demokraten.
Was Fürst Bismarck mit seiner beinahe schon gewaltsamen Vereinigung der deutschen Klein- und Kleinststaaten zu einem Deutschen Kaiserreich bezweckte, war auch ein Rettungsversuch der patriarchalischen Herrschaftsordnung in letzter Minute.
"Richtiger": letzter Sekunde. Die bösen Folgen sind bekannt: sie führten schnurstracks in den 1. Weltkrieg.
Der junge Paul Lincke und die böhmische Marschpolka
Wer aber dachte im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts, trotz Paraden, Kasernen, Sedansfeiern, Marschmusike und ständiger Verstärkung der preußisch-deutschen Truppen bis zu einer Gesamtstärke von rund 2,7 Millionen Mann (in Friedenszeiten!), schon an Krieg?!
Paul Lincke ganz bestimmt nicht, auch wenn er die Marschmusik so sehr liebte. Seine Marschmusike war freilich nicht die zackig-stramme preußische, sondern die viel lustigere böhmische.
Aus dem Deutschen Krieg von 1866 hatten Preußens Militärmusiker neue Töne mitgebracht: die böhmische Marschpolka. Schon als Junge soll Paul Lincke ganz versessen auf diese »böhmische Musik« gewesen sein.
Eigentlich wollte er selbst auch Militärmusiker werden, wurde wegen seiner Schmalbrüstigkeit jedoch abgelehnt, woraufhin er sich nach seiner Lehrzeit bei der Stadtkapelle von Wittenberg als Aushilfsmusiker verschiedener kleiner Tanzkapellen durch die Berliner Sommergärten und Gastwirtschaften nach oben musizierte und dirigierte.
Oben sein hieß, als Kapellmeister an ein großes Theater oder Variete engagiert zu werden. Das hatte Paul Lincke 1893 am Apollo-Variete in der Friedrichstraße, mitten im Herzen des Berliner Vergnügungsviertels, erreicht.
Das Haus war ursprünglich als Etablissement "Flora" gegründet, später zum Theater ausgebaut, kurz vor Linckes Engagement dann mit dem Namen "Apollo" als großes Revue- und Ballettheater neu eröffnet worden.
Es war ein echtes »Gründer«-Unternehmen: 172 Tänzerinnen, darunter 12 Solodamen, 30 Tänzer, dazu ein Orchester von 52 Mann. Zu jener Zeit war Paul Lincke schon eine Lokalberühmtheit in Berlin.
Das hatte er nicht nur seinen musikalischen Talenten zu verdanken, sondern in nicht unbedeutendem Maße auch seinem feschen Aussehen. Lincke war eine Frackschönheit, hieß überall, wo er zum Tanz aufspielte, anerkennend der »feine Paule«, soll darüber hinaus »mit seinem hochgebürsteten Bart, den schnellen Kopfbewegungen und dem leicht forcierten Blitzauge« auch noch dem jungen Kaiser geglichen haben.
Ein Pariser Künstleragent sah den feinen Paule im Apollo dirigieren, staunte, dachte: was für eine Sensation, wenn dieser Mann, der wie Wilhelm II wirkt, in einem Pariser Variete als Dirigent zu sehen wäre. So jedenfalls steht's in einem Lincke-Portrait von Walter Kiaulehn.
Wahr ist, daß der neue Stern am Berliner Unterhaltungshimmel tatsächlich zwei Jahre lang als Kapellmeister im Pariser Nobel-Variete "Folies Bergeres" arbeitete. Dort lernte er den musikalischen Geschmack der internationalen Revue-Schickeria kennen, holte sich für die eigene Musik sozusagen den letzten Schliff, denn mit Kompositionen, die allein die kleinen Leute bei ihren billigen Tanz- und Tingeltangelvergnügungen erfreute, war die ganz große Karriere nicht zu machen.
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Die Premiere von >Frau Luna< am 1. Mai 1899
Da mußte man schon die sektlaunige Oberschicht mit ihrem kapitalkräftigen Einfluß für sich gewinnen. Im Volke war Paule durch lustige Lieder wie >Hinterm Ofen sitzt ne Maus< oder >Auf dem Hängeboden<, mit Texten von Robert Steidl, die treffsicher und pointiert was vom Alltagsleben der arbeitenden Bevölkerung ausdrückten, längst ein gemachter Mann.
Doch erst, als er auch das erlebnishungrige Herren- und Damenpublikum der exklusiven Amüsierbuden für sich gewann, hatte er es tatsächlich geschafft.
Zurück aus Paris und wieder am Apollo schrieb Lincke zusammen mit seinem Freund, dem Schauspieler, Dramaturgen und Texter Heinrich Bolten-Baeckers, mit dem er bei früheren musikalischen Programmeinlagen fürs Apollo schon zusammengearbeitet hatte, seinen großen Hit >Frau Luna<.
Die Premiere am 1. Mai 1899 machte Lincke zum größten Star des Apollo, denn bei seinen Melodien kam es nicht hauptsächlich auf die Interpreten an, sondern ihr Komponist stand genauso, wenn nicht noch mehr, im Rampenlicht.
Er wurde jubelnd gefeiert und umschwärmt. Heute dagegen bleiben die Schlagerkomponisten, sofern sie nicht selbst singen, völlig im Hintergrund. Das Publikum kennt sie oft gar nicht. Sein Interesse gilt allein den Interpreten, den männlichen und weiblichen Schlagerstars.
Um 1900 jedoch, da auf der ganzen Erde erst 2,5 Millionen Schellackplatten (mehr kratzende als klingende Pioniere der nur langsam anlaufenden Schallplattenindustrie) verkauft wurden, Musik noch nicht Konserve war, überstrahlte der Ruhm erfolgreicher Unterhaltungskomponisten wie Paul Lincke, Victor Hollaender (Vater des später äußerst erfolgreichen Friedrich), Jean Gilbert, Rudolf Nelson oder Walter Kollo häufig den der Stars, die ihre Melodien sangen.
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Als die deutsche Welt noch in schönster Ordnung war
Da die Komponisten ihre eigenen Dirigenten waren, ihre Lieder und Revuen dem Publikum selbst vorstellten, standen sie freilich auch ganz anders im Rampenlicht. Mit welcher Eleganz Paul Lincke sich und den Taktstock zu bewegen wußte, trug zum Erfolg seiner Schlager mindestens ebensoviel bei wie heute Beliebtheit und damit Marktwert der einzelnen Schlagersänger.
Lincke wußte das sehr gut. Über die Premiere seiner >Frau Luna< schrieb er später:
- »Eine Premiere im Apollo-Theater, das war zu jener Zeit das größte gesellschaftliche Ereignis. Es flimmerte in den Logen und im Parkett nur so von Dekolletes, Brillanten, weißen Hemdbrüsten, Uniformen. Es war eine tolle Stimmung im Theater, noch bevor der Vorhang aufging. Dann kam ich, trat ans Dirigentenpult und hob den Taktstock. Aahs und Oohs, halb unterdrückte Ausrufe der Bewunderung gingen durch das Haus. So was hatte man noch nicht gesehen: Meine Hände steckten in schneeweißen Glacehandschuhen! Man applaudierte schon, bevor überhaupt der erste Ton der Ouvertüre erklang.«
Aus heutiger Sicht ist es sicher eine sehr biedermännische Welt, die Lincke und andere Unterhaltungskünstler seiner Zeit in ihren Liedern beschreiben. Es war eben ein ausgesprochen biedermännisches Publikum, an das sie sich wandten: vermögende Herren und Damen von Adel, dazu satte, zufriedene Bürger und Bürgerinnen, für die die deutsche Welt in schönster Ordnung war.
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Etwas von Damen aus »besseren Kreisen«
Wer in die tonangebenden Theater und Kabaretts ging, wollte sich amüsieren, sonst nichts. Wollte auf nette, was hieß: frivole Weise unterhalten werden, nicht denken, schon gar nicht nachdenken müssen.
Die Offiziere sollten möglichst elegant, die Zivilisten möglichst forsch, die Frauen nichts als schön sein. Man wollte die Sektkorken knallen, sich selbst in großzügiger Spendierlaune sehen und bewundern lassen: die feine Gesellschaft im feinen Rahmen.
Die Herren steckten am liebsten in Uniformen, Frack oder neuerdings auch Smoking, die Damen in großer Garderobe mit vielen rüschenbesetzten Unterkleidern und im Korsett. Die wallenden Prachtgewänder waren noch immer fuß- oder bodenlang, allerdings begann die Damenwelt sich allmählich recht unwohl zu fühlen in ihrem »schönen Gehege«.
Sie wollten nicht länger nur malerisches Beiwerk ihrer Herren und Meister sein, sondern selbständige Frauen werden. Die zunehmende Berufstätigkeit von Damen aus »besseren Kreisen« verlangte eine bequemere Kleidung: Kostüm, Reformkleid, Rock und Bluse brachten bessere, weil freiere Bewegung.
Die Suche nach einer anderen, besseren Welt
Auch die beginnende Wandervogelbewegung drückte mit ihrer Sehnsucht nach Luft, Natur und Freiheit gleichzeitig ihren rigorosen Protest gegen die bestehende profitlüsterne Patriarchenordnung aus. Mit der Klampfe in der Hand und seinen eigenen Liedern im Gepäck zog man hinaus in die Wälder, hinauf auf die Berge. Allein, in Gruppen, in Vereinen - auf der Suche nach einer anderen, besseren Welt.
Das Lied hatte damals eine viel stärkere Faszination als heute. Es gehörte nicht hauptsächlich in die Freizeit, denn die hatten die meisten ja noch kaum, es gehörte ganz selbstverständlich dazu: zum Alltag, zur Arbeit, zum Leben.
Kein namhafter Dichter der Zeit, von Frank Wedekind bis zum jungen Bert Brecht, der seine Gedanken und Gefühle, Wut, Entsetzen, Freude, Jubel oder Trauer nicht auch im Lied ausdrückte. Gesungen wurde überall: in Stuben, Küchen, Hinterhöfen, Vereinslokalen; auf Baugerüsten, Dächern, Straßen, Gassen, Plätzen.
Wann immer heute Auto- oder Kofferradios angestellt werden, da sang man damals selbst. Und bei jeder Kapelle, jedem Leierkastenmann, jeder musikalischen Darbietung sang man fleißig mit. Die Welt war eben noch nicht so laut wie heute, man hörte den anderen noch und wurde selbst gehört.
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Als etwas Aufsässiges aus England hereinschwappte
Auch die Forderungen der englischen Suffragetten nach öffentlicher wie privater Gleichstellung der Frau blieben in Deutschland nicht ohne Folgen, doch so aufsässig und radikal wie die englischen Frauen wurden die deutschen beileibe nicht.
Die »höheren Töchter« lasen weiter ihre vielen Trotzköpfchen- und Nesthäkchen-Romane mit Titeln wie >Herzblättchens Zeitvertreib<. Die »jungen Herren« durchstöberten, oft heimlich, weil es ihnen eigentlich verboten war, die aufregenden Abenteuerwelten Karl Mays.
Karl Hagenbeck gründete seinen Tierpark, der Vorbild wurde für viele ähnliche: Mit zunehmender Bedrohung durch eine vom Profitdenken vorwärtsgepeitschte Industrie und Technik brauchte die Natur ihre Naturschutzparks.
Käthe Kruses fein gekleidete Puppen eroberten die Jungmädchenzimmer und -herzen. Richard Steiff erfreute mit seinen Teddybären nicht nur die Kleinen. 1906 machte ein Schuster große Karriere: als falscher Hauptmann von Köpenick beschlagnahmte er die dortige Staatskasse, worüber die feine Gesellschaft mächtig empört war und die unfeine Gesellschaft herzlich lachte.
Zwischen oben und unten, den »gehobenen« und »niederen« Ständen klaffte ein tiefer Riß. Die deutsche Wirklichkeit war alles andere als die gemütvolle Idylle, als die sie so gern dargestellt und gesehen wurde.
Da macht der kleine Fritz Steppke in Linckes >Frau Luna< seine große Ballonfahrt zum Mond, wo er sich prompt in die unwiderstehliche Mondherrin verliebt, was ihm die Eifersucht sämtlicher Sternschnuppen und Planeten einbringt, die natürlich auch alle ran wollen an die schöne Frau Luna.
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Die Wirklichkeit war kein Operetten-Märchen
Die fliegerische Wirklichkeit der Zeit war allerdings kein Operetten-Märchen. Schon 1903 führten die Drachenversuche der Brüder Wright zum ersten bemannten Motorflugzeug, womit das von Wind und Wetter unabhängige Fliegen möglich wurde.
Die düstere Kehrseite der leuchtenden Medaille: von jetzt an wurde der Krieg nicht mehr nur zu Lande und zu Wasser, sondern auch in der Luft geführt. Auch wenn Lincke, Gilbert, Kollo und andere Erfolgskomponisten, die dem Hurrapatriotismus ihrer Zeit dann blind, ja geradezu fanatisch in zahllosen Kriegsoperetten huldigen sollten, in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts noch nicht an Krieg dachten, der Kaiser und seine Generäle taten es.
Menschenleben galten ihnen sowieso nicht viel. Weder in Kriegs-, noch in Friedenszeiten. So starben zwei Drittel aller Arbeiterkinder in den Industriegebieten Deutschlands um 1900 noch vor ihrem 15. Geburtstag!
Der 1888 verstorbene erste Kaiser Wilhelm dagegen hatte mit 93 (!) Jahren ein stolzes, wahrhaftig kaiserliches Alter erreicht. Seine Untertanen aber starben dahin »wie die Fliegen«.
Viele von ihnen hatten nie satt zu essen, waren wegen ihrer chronischen Unterernährung für jede Krankheit besonders anfällig, die katastrophalen Wohnverhältnisse gaben den meisten den Rest.
Durchschnittlich lebten sieben, acht Personen in einer Wohnküche mit Schlafkammer, darunter vielfach sogenannte Schlafburschen und -mädchen. Diese hatten den Schlafplatz eines Arbeitenden während dessen Arbeitszeit gemietet, was immerhin besser war, als auf der Straße zu liegen.
Waren die Wohnlöcher auch dunkel und feucht, oft richtig naß, die sanitären Einrichtungen ein einziger Alptraum, so boten sie doch ein Dach überm Kopf und ein bißchen menschliche Wärme.
Das Mietskasernen-Elend war den Behörden bestens bekannt, schrieben sich manche Amts- und Armenärzte mit ausführlichen Klageberichten doch fast die Finger wund, ohne allerdings viel mehr als gleichgültiges Achselzucken zu finden:
»Wegen der hohen Mietspreise sind die Leute genötigt, zahlreiche Schlafburschen aufzunehmen. Es herrscht dadurch, wie nicht anders zu erwarten, wüste Liederlichkeit ... Der Gesundheitszustand, besonders der kleinen Kinder, ist besorgniserregend schlecht.«
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Als die "Untertanen" aufmüpfig wurden
Der neue Wilhelm, Enkel des verstorbenen Kaisers, fand allerdings etwas ganz anderes besorgniserregend: die zunehmende Aufmüpfigkeit seiner Untertanen. Seit sich die Arbeiter in Vereinen und Gewerkschaften zusammenschlossen, ja selbst nicht davor zurückschreckten, einer »Verbrecher- und Meuchelmörder-Partei« wie der SPD beizutreten, mußte beinahe stündlich mit dem Schlimmsten gerechnet werden: Ungehorsam, Aufruhr, Streik!
Manche Streiks nahmen gefährliche Ausmaße an, selbst mit Waffengewalt waren sie kaum zu bändigen. So streikten die 9000 Textilarbeiterinnen und Arbeiter des kleinen Städtchens Crimmitschau in Sachsen im Herbst und Winter 1903 trotz Polizeiterrors, Verhaftungen und Verhängung des Belagerungszustandes sechs Monate lang für mehr Geld und den Zehnstundentag: »Eine Stunde für uns / Eine Stunde für unsere Familie / Eine Stunde fürs Leben!«
Dazu sangen sie der Obrigkeit auch noch frech ins Gesicht: »In Sachsen liegt ein Städtchen, das kennt fast jedermann .....« Wie sollte der gute Wilhelm bei so krassen Unverschämtheiten aus Volkesmund nicht wütend mit seinen Soldaten drohen?
Wer artig und gehorsam seine Untertanenpflicht erfüllte, brauchte den Zorn seines Kaisers bestimmt nicht zu fürchten, wer aber zu den bösen sozialistischen Buben und Mädchen gehörte, der sollte sich gefälligst nicht wundern, wenn Kaisers Soldaten eines Tages auf ihn schießen würden.
Schon bei seiner kernigen Rede zur Einweihung der neuen Berliner Kaserne des Kaiser-Alexander-Garde-Grenadierregiments am 28. März 1901 hatte Wilhelm seinen Soldaten zugebrüllt: »Wie eine feste Burg ragt eure Kaserne in der nächsten Nähe MEINES Schlosses auf, das ihr in erster Linie zu schützen stets bereit sein werdet. Ihr seid berufen, gewissermaßen als Leibwache, Tag und Nacht bereit zu sein, um für den König und sein Haus, wenn's gilt, Leben und Blut in die Schanze zu schlagen ...
Und wenn es jemals wieder dieser Stadt Berlin einfallen sollte, sich wie damals, im Jahre 1848, gegen ihren Herrscher in frecher Unbotmäßigkeit zu erheben, dann seid ihr, MEINE Grenadiere, dazu berufen, die Ungehörigkeit des Volkes gegen seinen König mit der Waffe in der Hand zurückzuweisen und mit der Spitze eurer Bajonette die Frechen und Unbotmäßigen zu Paaren zu treiben ...«
Die absolute Kaiser-Hörigkeit nahm kein Ende
Das Land Preußen regierte Wilhelm in doppelter Funktion: als Deutscher Kaiser und Preußischer König. Außerdem gab's noch immer 21 regierende Fürstenhäuser in deutschen Landen; sie traten erst beim Zusammenbruch des Kaiserreiches am Ende des verlorenen (ersten Welt-) Krieges endgültig ab.
Dem deutschen Volk kamen sie auch weiterhin teuer zu stehen, am teuersten der nach Holland verschwundene Kaiser:
»In den Jahren 1919/20 >entnahm< er aus seinem im Vaterlande zurückgebliebenen Vermögen genau 69.063.535.- Mark. Außerdem zahlte das geschlagene und völlig verarmte Deutsche Reich seinem teuersten Pensionär Monat für Monat rund 50.000 Mark Rente - erst unter der Reichspräsidentschaft Friedrich Eberts, dann unter der des Generalfeldmarschalls Paul von Hindenburg und von Beneckendorff ..., und schließlich auch unter der >Führer<schaft Adolf Hitlers« (Bernt Engelmann in >Wir Untertanen<).
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Der vorbereitete Weg in den ersten Weltkrieg
Auch unter dem zweiten Wilhelm, bei seiner Thronbesteigung 29 Jahre alt, gab's nirgendwo im Deutschen Reich Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, von Schwesterlichkeit ganz zu schweigen.
Die Frauen waren selbst vom Dreiklassenwahlrecht (das die Reichen enorm begünstigte) immer noch ausgeschlossen. Wie fabelhaft das nach der niedergemetzelten Revolution von 1848 dem Volke zugestandene Wahlrecht im Sinne der Herren von Adel, Kirche und Kapital funktionierte, zeigt ganz klar das Wahlergebnis von 1903:
Für 3 Millionen Stimmen erhielt die SPD 81 Mandate; Konservative und katholisches Zentrum mit zusammen nur 2,8 Millionen Stimmen waren dagen mit 154 Abgeordneten im neuen Reichstag vertreten.
Dort aber stritt man um noch mehr als die dringend notwendige gesellschaftliche Umwälzung und die politische wie soziale Gleichberechtigung aller Menschen, dort ging's vor allem um den Frieden.
Ein Krieg im 20. Jahrhundert war mit den vielen vorangegangenen Kriegen nicht mehr vergleichbar, weil die explosive industrielle und technische Entwicklung eine bisher kaum vorstellbare Tötungsmaschinerie in Gang setzen konnte.
Wer immer für das Recht der Menschen auf Leben, Freiheit, Gleichheit war, mußte gegen den Krieg sein. Gegen jeden Krieg, besonders aber gegen den, den der Kaiser längst plante: den Angriffskrieg gegen Frankreich.
Im Herbst 1904 hatte ihm auch sein Generalfeldmarschall Graf Alfred von Schlieffen dazu geraten. Nach seinem Plan sollte Frankreich sozusagen mit einer »Blitzaktion« überwältigt werden. Seither wurde dieser Krieg immer energischer vorbereitet.
Frankreich war schonmal besiegt, aber der Kaiser wollte mehr
Es ging nicht hauptsächlich um eine neue Demütigung des nachbarlichen Konkurrenten, sondern um die Stärkung der eigenen Position: in den Kolonien, im Welthandel, auf dem Weltmarkt.
Seit Deutschland ein Kaiserreich war, strebte es nach immer neuen Ufern und Profiten. Afrikaforscher wie Rohlfs, Junker oder Gustav Nachtigall hatten gute Vorarbeit geleistet. Jetzt wollte man - was erforscht und für gut befunden war - auch besitzen.
Schon 1884 hatte Carl Peters, wegen seiner Grausamkeit gegenüber den Eingeborenen »Hängepeter« genannt, Deutsch-Ostafrika fürs Vaterland »erworben«.
Mit List, Betrug, Alkohol, versteckter und offener Gewalt kamen immer mehr Kolonien und »Schutzgebiete« zusammen: Togo, Kamerun, Deutsch- Südwestafrika, dazu größere und kleinere Inseln in Ozeanien, in Asien das Pachtgebiet von Kiautschou.
Aus einem amtlichen Bericht der Zeit:
»..... so daß sein Kolonialbesitz der Ausdehnung nach unter den zehn in Frage kommenden Staaten heute die dritte Stelle (nach England und Frankreich) einnimmt. Derselbe umfaßt 2,597 Millionen qkm mit 11,864 Millionen Einwohnern.«
Vom Umfang her war das etwa fünfmal (!) die Fläche des Deutschen Reiches. Mit den Kolonien war in Deutschland dann wohl endgültig so etwas wie kollektiver Größenwahn ausgebrochen, angezettelt und am Leben erhalten von allerhöchster Stelle.
Gleich nach seinem Amtsantritt hatte der schneidige Wilhelm prahlerisch versprochen: »Ich führe euch herrlichen Zeiten entgegen!« Ohne Krieg ließen sich diese herr(!)-lichen Zeiten wohl nicht erreichen. Nach Meinung des Kaisers auch nicht mit den widerspenstigen Sozialdemokraten.
In einer Silvesterbotschaft schickte er zum Ende des Jahres 1905 seinem damaligen Kanzler Fürst von Bülow ein Telegramm, worin es hieß: »Erst die Sozialisten abschießen, köpfen und unschädlich machen - wenn nötig per Blutbad - und dann Krieg nach außen. Aber nicht vorher und nicht á tempo.«
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Die Soldaten des Kaisers wüteten
Statt der geplanten Hetzjagd auf die verhaßten »Sozis« gab's dann allerdings erst einmal unerwartete Schlachten in Afrika zu gewinnen, denn dort erhoben sich die Stämme der Herero und Hottentotten. Gegen ihre »Beschützer«.
Die Hereros machten nicht allzuviel Ärger, weil sie in die Wüste getrieben werden konnten, wo sie mit ihren Frauen, Kindern und allem Vieh qualvoll verdursteten. Die Hottentotten aber leisteten noch jahrelang heftigen Widerstand. Es war kein berühmter Erfolgskomponist der Zeit, der sich von ihrem Schicksal rühren ließ.
Moritz Peuschel, der mit seinem Klagelied >Der Negersklave< das traurige Los der afrikanischen Untertanen seiner Deutschen Majestät bedauerte, war keiner, auf den es ankam.
Erfolg nach Erfolg - für Paul Linke
Worauf es ankam, hatte Paul Lincke gleich nach seinem >Frau Luna<-Erfolg geschäftstüchtig begriffen: auf den Profit.
Wieviel mehr konnte er doch verdienen, wenn er die kommerzielle Auswertung seiner Musik nicht anderen überließ. Erkannt, getan: fix gründete der Gründer der Berliner Operette seinen eigenen, den Apollo-Verlag. Den führte er so klug und geschickt, daß dieser beide Weltkriege und sämtliche Inflationen ebenso munter überstand wie seine erfolgreichsten Schlager.
Der Marsch von der >Berliner Luft< beispielsweise, der schnell zu einer Art Berliner Nationalhymne aufstieg, oder das flotte Bummellied >Bis früh um fünfe, süße Maus<. Es wurde selbst von denen mit wahrer Inbrunst gepfiffen, gesungen und getrommelt, die nie bis morgens um fünfe bummeln konnten, weil sie um diese Zeit längst wieder raus mußten zur täglichen Arbeit. Der freie Sonntag setzte sich im Deutschen Kaiserreich erst ab 1907 allmählich durch, an den freien Sonnabend war damals noch überhaupt nicht zu denken.
Was für herr(!)-liche Zeiten für deutsche Unternehmer und kapitalstarke Besitzbürger! Ihnen gegenüber löste Wilhelm sein großartiges Versprechen voll ein.
Die großen Betriebe schluckten die kleinen und schlossen sich immer häufiger zu marktbeherrschenden Konzernen und Kartellen zusammen. 1865 gab's in Deutschland ganze vier Kartelle, um 1900 waren es stolze 300.
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Als Deutschland zu klein wurde
Für diese Mammutunternehmen war der inländische Markt längst viel zu klein, sie waren alle dick drin im internationalen Geschäft.
Hochkonjunktur hatte vor allem die deutsche Rüstungsindustrie. Krupp verkaufte seine Geschosse und Kanonen auch ins Ausland, besonders gern nach England, so daß im 1. Weltkrieg dann sehr viele deutsche Soldaten von echter deutscher Wertarbeit erschossen und zerfetzt wurden.
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Dazu Bernt Engelmann: »Soweit die deutschen Soldaten an der Westfront britischen Einheiten gegenüberlagen, hatten alle Granaten, mit denen sie beschossen wurden, Spezialzünder mit der Markierung >KPZ 96/04<.
Das bedeutete >Krupp-Patent-Zünder< und brachte der Firma Fried. Krupp in Essen nach dem Kriege sehr viel Geld ein, denn die Herren von der englischen Rüstungsindustrie waren korrekte Kaufleute.
Sie zahlten vertragsgemäß an Krupp je Zünder 1 Schilling und 3 Pence, und da niemand mehr sagen konnte, wieviele Zünder hergestellt und zur Explosion gebracht woren waren, ging man bei der Berechnung einfach von der Anzahl der vor britischen Frontabschnitten gefallenen deutschen Soldaten aus.«
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Due "guten" Geschäfte vor und nach dem 1.Weltkrieg
So einfach war das mit den guten Geschäften für die Herren von der Rüstungsindustrie. Da hatten es die Herren von der Vergnügungsindustrie schon schwerer. Krupp wurde seine Waffen immer los, konnte den vielen Aufträgen aus dem Deutschen Reich kaum nachkommen.
Wilhelm nämlich rüstete wie wild, brauchte zum »Schutz« seiner Kolonien in Übersee zudem eine große, starke Kriegsflotte. So wurde Deutschland denn auch zur See immer mächtiger und damit immer gefährlicher für England, die Nummer eins auf den Weltmeeren.
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Auch Pauli Linke bekam mal einen Abwärtsgang zu spüren
Was Krupp herstellte, war in jedem Fall ein Schlager, was die Unterhaltungskünstler schrieben, wurde dagegen oft überhaupt kein Schlager, auch wenn's hundertmal so genannt, so angepriesen wurde.
Selbst Paul Linckes Melodien wurden immer häufiger ein Flop. Wenige Jahre nach seinem sensationellen Aufstieg war seine große Zeit schon wieder vorbei, wobei er mit seinen alten Hits auch weiterhin enorm verdiente.
Sein >Glühwürmchen-Idyll< beispielsweise wurde von allen Tanzkapellen im In- und Ausland gespielt, sogar die russische Primaballerina Anna Pawlowa soll danach getanzt haben. Dem treudeutschen Paule Lincke folgte der mondäne Jean Gilbert, der eigentlich Max Winterfeld hieß, sich aber ein französisches Pseudonym zulegte, weils Französische damals »in« war in feinen Kreisen.
Zwar hatte das Vergnügungszentrum Berlin seinem großen Vorbild Paris inzwischen die Schau gestohlen, doch seit den Tagen des Sonnenkönigs war Paris die heimliche Sehnsucht aller, die zur »creme de la creme« gehören wollten.
Im deutschen Revue- und Kabarettschlager vor dem 1. Weltkrieg wimmelt es geradezu von französischen Worten und Begriffen. Selbst bei dem aus Ostpreußen stammenden »Urberliner« Walter Kollo, dem volkstümlichen Gegenpol zum weltmännischen Jean Gilbert, wird - selbstverständlich mit bim bam - das kleine Fräulein nicht zur Frau, sondern zur Madam'.
Da die Texter sich ebenso strikt wie ihre Komponisten-Freunde, meistens arbeiteten sie ja viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte zusammen, an den schlüpfrigen Geschmack der Lebewelt hielten, für die sie hauptsächlich schrieben, befaßten sie sich besonders gern mit der Reizwäsche kleiner Mädchen.
Da fallen Jupons und rascheln Dessous, was das noble Publikum natürlich viel mehr entzückte als plump fallende Unterröcke oder raschelnde Unterwäsche. Die zuhörenden Herren waren ja oft von Adel, hatten Stil und Charakter, da kam's auf Raffinesse an. Auf Takt, Noblesse, Eleganz. Daher die unverkennbare Vorliebe fürs Französische.
Galt Frankreich - und ganz besonders in punkto Flirt und Liebe - dem Lieblingsthema der exklusiven Vorkriegsgesellschaft doch von jeher als Vorbild an Geschick und Diplomatie. Ein anderes als das unermüdlich variierte, bis zur totalen Abnutzung wiederholte Verführungsthema scheint für dieses Publikum nicht existiert zu haben.
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Der Aufstieg des Jean Gilbert
Im Gegensatz zu Paul Lincke, dem »Gründer« der Berliner Operette, verstand es Jean Gilbert, der »Vollender« der Berliner Operette, ausgezeichnet, musikalische Einflüsse von draußen aufzunehmen und geschickt zu verarbeiten. Das gab seinen Melodien neuen Pfiff und Esprit.
Seine Musik wurde international und dadurch sensationell erfolgreich bei einem Publikum, das seine Nase immer vorn haben wollte. Die neuen Tanzrhythmen aus Amerika galten als heißer Tip: aus Nordamerika kamen Cake Walk, Two- und Onestep, Boston, aus Südamerika der feurige Tango, der um 1907 die Salons von Paris und London erreichte, ab 1912 mit Berlin dann ganz Europa in Ekstase versetzte.
Und jetzt wurde die ausgelassene »Negermusik« bekämpft
Die erste amerikanische Tanzwelle schwappte bereits vor dem 1. Weltkrieg über Europa hin, denn die USA waren inzwischen zur ersten Wirtschaftsmacht der Welt aufgestiegen: mit einer Menge anderer Waren exportierten sie auch ihre Musik nach Europa.
Damit brachen völlig neue, äußerst erregende Rhythmen in Walzer, Polka und Marschmusike ein. Wie sich Kirche und weltliche Obrigkeit einst gegen Ländler und Walzer gestemmt hatten, wetterten sie jetzt gegen die ausgelassene »Negermusik«.
Ein letztes Mal vereint schlugen Kaiser Wilhelm und Papst Benedikt XV. zu: der Tango wurde verboten. Mit welchem Erfolg, zeigt eine Äußerung des Kardinal-Vikars von Rom: »Es ist unerhört, daß dieser schamlose heidnische Tanz, der ein Attentat auf das Familien- und Gesellschaftsleben bedeutet, sogar in der Residenz des Papstes getanzt wird.«
Der Tango erwischte jeden; vielleicht hat selbst der Papst im stillen Kämmerlein heimlich danach getanzt? >Kriminal-Tango in der Taverne< - hoppla, dieses schöne Lied brummte unser Deutscher Ralf Bendix, und der kommt erst viel viel später dran.
Tatsächlich läßt sich die amerikanische Tanzmusik, wie sich letzten Endes auch alle deutschen Gesellschaftstänze auf Volkstänze und Volksmusik zurückführen lassen, zu großen Teilen auf die Musik der Neger zurückverfolgen.
Die afrikanischen Neger, von weißen Sklavenhändlern nach Amerika verschachert, brachten nicht nur ihre Lieder, sondern auch ihre Tänze mit. Da sie häufig, besonders in den Südstaaten der USA, total isoliert von den Weißen wie eine Art exotisches Federvieh im Hühnerstall gehalten wurden, erhielten sich ihre Lieder und Tänze lange in ihrer ursprünglichen Form.
Als die verschiedenen musikalischen Kulturen der aus vielen Ländern stammenden Weißen dann allmählich mit den verschiedenen musikalischen Kulturen der Schwarzen verschmolzen, erwies sich die Musik der schwarzen Amerikaner oft als das stärkere Element.
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Nochmal eine Erkärung zu den Ursprüngen der Tänze
Der Cake Walk beispielsweise (schon vor dem 1. Weltkrieg war Thurbans >Schorschl, ach kauf mir doch ein Automobil< in Deutschland ein Schlager), ursprünglich ein Plantagentanz der Neger, war in seinen ersten Anfängen nichts anderes als ein freudiges, ungezwungenes Umhergehen zur Musik des Banjo.
Als städtisches Gegenstück zum ländlichen Cake Walk entwickelte sich ab 1870 in Amerikas Großstädten der Ragtime. Er brachte das gehetzte »time is money«- Gefühl überforderter Großstädter auf heftige, fast gewalttätige Weise zum Ausdruck.
Der Ragtime war in Amerika nur kurze Zeit, in Europa nie populär, weil viel zu wild und explosiv, doch bildet er den Ursprung aller modernen Tänze, bis hin zu Boogie Woogie und Rock 'n' Roll. Der Tango war einst ein Tanzfest der Neger zu den Rhythmen kräftig geschlagener Trommeln, weit verbreitet in Brasilien und Uruguay.
Der Einbruch der neuen, aufputschenden Rhythmen in die eher biedere deutsche Tanzmusik bedeutete keineswegs das sofortige Ende von Walzer, Polka und schon gar nicht der Marschmusiken.
Alle diese Tänze bestanden und lebten weiter, nur spielten sie eine immer geringere Rolle gegenüber den immer neuen Tänzen aus Übersee. Auch verschob sich die Funktion des Walzers total.
Als musikalischer Ausdruck des aufstrebenden, die feudalistischen Fesseln sprengenden Bürgertums hatte er einst eine fröhliche, optimistische Grundstimmung gehabt. Jetzt wurde er immer langsamer und trübsinniger, zu einem ausgemacht weinerlichen Trostspender.
Ausnahmen bestätigen nur die Regel
Schöne Ausnahmen bestätigen hier wie überall nur die Regel. Was der Walzer sein konnte, bewies ein Außenseiter: Ralph Arthur Roberts mit seinem vergnügten Walzerlied über die unstete Liebe der Fahrensleut zur See >Auf der Reeperbahn nachts um halb eins .....<
Das Lied schildert den Landgang eines Matrosen, der in wenigen Stunden wieder an Bord, zurück zur Arbeit muß, sich vorher aber noch vergnügen möchte, wofür er seine ganze Heuer auf den Kopf hauen will.
Das Lied wurde nicht nur aus musikalischen Gründen, auch wegen seines warmherzigen Textes zum Hit. Und natürlich wegen der Flotte. Sie war Wilhelms Lieblingsspielzeug. Mit dem Ansehen der Flotte stieg auch das der Matrosen. Ihre Arbeitsbedingungen blieben trotzdem katastrophal.
Während es überall an Land mit Dampfkraft, teilweise sogar schon mit Elektrizität vorwärtsging, fuhren noch immer Segelschiffe über die Meere. Sie holten Baumwolle aus USA, Salpeter aus Chile, brachten Millionen Auswanderer nach Übersee.
Alle bekannten Shanties (>De Hamborger Veermaster<, >What shall we do with a drunken sailor<) waren Arbeitsgesänge der Matrosen, um bei den schweren Gemeinschaftsarbeiten den besten Arbeitsrhythmus zu haben. Die ersten seetüchtigen Motorschiffe (deutsche und dänische) waren erst ab 1912 unterwegs.
Seemannslieder waren ungewöhnlich beliebt. So wurde die Schauerballade >Des Seemanns Los< vom Untergang eines Schiffes in heulendem Sturm und tobender See von Generationen gesungen und erlitten. Auch Bert Brecht kannte, liebte, sang es, sogar noch in den 1920er Jahren. Tagebuchnotiz vom 2.9.1921: »Ich setze den steifen Hut auf. Orge und Hei verschleppen mich zum Hei. Dort singen wir das >Seemanns Los<.«
Es fehlte in keinem Leierkastenprogramm, auch Roberts >Auf der Reeper-bahn< machte seinen Weg über die Leierkastenmänner und das Tingeltangel und blieb, trotz der Salons, die es später auch erreichte, was es von Anfang war:, ein Volksschlager.
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Unbestreitbare Spitzenreiter des Jahres 1912
Unbestreitbare Spitzenreiter des Jahres 1912 aber waren der Tango sowie eine unbekümmert dahinhüpfende Melodie Jean Gilberts. Ihr Erfolg ist wohl nur mit dem der >Lili Marleen< im 2. Weltkrieg vergleichbar: >Puppchen, du bist mein Augenstern<.
Dieser Schlager übertraf an Erfolg alles, was es damals auf dem Gebiet der Unterhaltungsmusik gab. Der muntere Ohrwurm war von jeder Tanzkapelle, jedem Leierkasten, aus jedem Grammophon zu hören. Er verfolgte die Menschen in Deutschland, ja ganz Europa auf Schritt und Tritt, höchstwahrscheinlich bis in den Schlaf.
Überall pfiff, trällerte, jubelte, klang das >Puppchen<. Die Legende berichtet, daß im Ausland ein kaiserlicher Diplomat von der Militärkapelle der Ehrenkompanie mit dem >Puppchen< begrüßt wurde, weil man dort überzeugt davon war, es handele sich bei >Puppchen< um die deutsche Nationalhymne.
>Puppchen< war auch noch in anderer Hinsicht eine Ausnahme, ging es in diesem Fall doch einmal nicht um die mehr oder weniger frivole Verführung eines jungen Mädchens oder einer schönen Frau, sondern um einen jungen Mann - zuerst gesungen von Arnold Rieck, dem Starkomiker der Gilbert-Operetten.
Versteht sich, daß Jean Gilbert, »der König der modernen Operette! Der unumschränkte Herrscher im Reiche der Berliner Posse! Der Napoleon der Grammophonplatte!«, seinen Erfolg zu nutzen wußte. Wie Johann Strauß seinen Vater weit überflügelte, so ließ Jean Gilbert sämtliche Konkurrenten weit hinter sich. Er gründete sein eigenes Theaterunternehmen, schickte zeitweilig bis zu sechs Wanderbühnen gleichzeitig auf Tournee. Sie alle spielten an den Theatern im In- und Ausland, in geeigneten Wirtshäusern und Varietes seine Operetten, sorgten emsig für ihre weite Verbreitung.
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Der Napoleon der deutschen Unterhaltungsindustrie
Welche Mittel der unschlagbare Napoleon der deutschen Unterhaltungsindustrie darüber hinaus für seine fabelhaften Siege einzusetzen wußte, beschreibt Otto Schneidereit in seiner Berliner Operettengeschichte:
»Der Vorhang vor den Hintergründen dieser sensationellen Breitenwirkung wurde etwas beiseite gezogen, als Gilbert im Winter 1913/14 einen Prozeß gegen einen Wolf Mandel anstrengte. Als er mit seinem Start in Berlin Schwierigkeiten hatte, lieh ihm dieser Herr Mandel 28.000 Mark unter der Bedingung, künftig vom Einkommen Gilberts 25 Prozent zu erhalten. Bis zum Zeitpunkt des Prozesses hatte Herr Mandel 300.000 Mark eingenommen, woraus man schließen darf, daß Gilbert bis zum Beginn des ersten Weltkrieges über eine Million haben mußte. Bei dem Prozeß kam zur Sprache, daß Gilbert in der Zeit seines Aufstiegs allein für die Beeinflussung der Presse 60.000 Mark ausgegeben hatte, und das läßt die enthusiastischen Kritiken, die er stets erhielt, plötzlich recht verständlich werden.«
Korruption und Bestechung ware immer schon üblich
Jean Gilbert war keineswegs der einzige, der mit harten Bandagen arbeitete. Das Geschäft mit dem Vergnügen war eben alles andere als ein Vergnügen. War ein erbarmungslos geführter Kampf um Platzvorteile und Profite wie jedes andere Geschäft. Die Stars wurden hervorragend bezahlt, waren sie doch die »Zugpferde«. Die Gagen der vielen Namenlosen vom künstlerischen, technischen und Büropersonal waren fast immer jämmerlich, oft eher Almosen als Lohn.
Die vielen teuren Amüsierbuden waren ja aber auch alle nicht aus Jux und Tollerei gegründet worden, sondern weil ihre Besitzer auf große Gewinne spekulierten. Was in den Häusern passierte, war ihnen schnurzegal, solange nur die Kasse stimmte.
Die Dividende der Metropol-Aktiengesellschaft zum Beispiel betrug vor dem 1. Weltkrieg jährlich durchschnittlich 20 (!) Prozent. Dabei wurden nicht nur die Stars dieser Nobelherberge deutscher Revue- und Operettenpracht, darunter Fritzi Massary, Josef Giampietro oder Guido Thielscher, im wahrsten Sinne des Wortes fürstlich bezahlt, sondern auch der Herr Direktor Richard Schultz: mit 50.000 Mark jährlich (vor 1914 !!). Hinzu kamen eine 15prozentige Tantieme vom Reingewinn des Hauses sowie 1.000 Mark Repräsentationskosten.
Es waren stolze Gehälter da oben
Geld allein macht sicher noch nicht glücklich, doch erklärt die stolze Höhe solcher Gehälter den Inhalt der im Metropol und ähnlichen Häusern gespielten Possen, Revuen und Operetten, und das zu einer Zeit, da sich viele Arbeiter kaum die Margarine aufs Brot leisten konnten und ihre Kinder schlimmsten Mangel litten.
Possen, Revuen und Operetten und deren Titel waren Programm: >Ein tolles Jahr, >Der Teufel lacht dazu!<, >Chauffeur! Ins Metropol!<, >Donnerwetter, tadellos!<, >Hoheit amüsiert sich<.
Hoheit hatte auch allen Grund, sich zu amüsieren, ging's ihm doch blendend. Besser konnte kein Gott in Frankreich oder sonst irgendwo leben. Das Deutsche Reich des Jahres 1912 zählte nach offiziellen Angaben rund 30.000 Millionäre. Die zwei reichsten Menschen in deutschen Landen waren: Kaiser Wilhelm und Berta Krupp.
Gemessen an den vielen, die wenig oder nichts besaßen, war die reiche Lebewelt zwar nur eine kleine, doch beherrschte sie den Unterhaltungsmarkt und beeinflußte dadurch auch den Geschmack des Volkes ungemein. Trotzdem hat kaum etwas aus dieser Massenproduktion für seichte Schickeria-Lust den Untergang der feudalen Patriarchen-Welt am Ende des 1. Weltkrieges überlebt.
Viele Schlager gingen sang- und klanglos wieder unter
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, gingen auch die vielen Schlager eines Jean Gilbert oder Rudolf Nelson sang- und klanglos unter. Was überlebte, waren einige unverwüstliche Lincke-Titel, vieles von dem, was die beliebte Ciaire Waldoff, zärtlich »Berliner Pflanze« genannt, sang, die humorvollen Couplets des Volkskomikers Otto Reutter und die Lieder Walter Kollos, dem einige wirkliche Volksschlager gelangen.
Kollo wandte sich im Gegensatz zu Lincke, Gilbert oder Nelson nicht hauptsächlich an die amüsierfreudige Oberschicht, sondern an die vielen kleinen Leute. Seine handfeste Aufforderung an einen sich sträubenden Ehemann zum gemeinsamen Wäschemangeln mit seiner Frau ist eine echte Perle deutscher Schlagerkunst:
»Komm, hilf mir mal die Rolle drehn/ Du bist so dick und stramm / Genier dich nicht und zier dich nicht / Wir drehn das Ding zusamm.«
Der Refrain erlangte fast sprichwörtliche Bedeutung, war er vielen geplagten Ehefrauen doch tief aus dem Herzen gesprochen. Für sie war dieser 14tägige oder 4wöchige Waschtag mit Vorkochen, Waschen, Spülen, Aufhängen der großen Wäsche und ihrem anschließenden Mangeln und Bügeln eine wahre Arbeitshölle mit beißender Seifenlauge, zerschundenen Händen und quälenden Rückenschmerzen vom vielen Bücken.
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Der kleine Unterschied machts
In Kollos Schlagern strömt kein Sekt, geht's nicht ab ins Chambre separee, spielt das parasitäre Bummelleben der reichen Oberschicht keine Rolle. Während Gilberts Kavaliere ihre Damen ins teure Kempinski zum Hummer ausführen, laden Kollos Burschen ihre Mädchen in die nächste Schultheiß-Kneipe zu einem nahrhaften Abendessen ein.
Die bei Kollo und seinen Textern Bernauer/Schanzer geschilderten Freuden und Vergnügen liegen im Bereich der Möglichkeiten kleiner Leute. Seine Schlager drücken viel vom Stolz der arbeitenden Bevölkerung auf ihre schöne Stadt Berlin aus, die sie, die kleinen Leute, ja erbaut, deren Reichtümer und Schönheiten sie alle mitgeschaffen haben.
Kein Komponist der Zeit fand mehr Resonanz im Volke als Kollo. Seine Melodien wurden, ähnlich den Volksliedern, von Generation zu Generation weitergegeben, so daß viele noch heute Schlager sind. Wie sehr sich das Volk die Kollolieder einverleibte, zeigen auch die Parodien, mit denen es den harmlos-netten Texten mehr Deftigkeit und Realität verlieh.
Sicher auch ein Protest gegen die verniedlichende Welt des Vorkriegsschlagers, über deren Rand auch ein Kollo und seine Texter nicht springen konnten oder wollten.
Ein paar Beispiele abgewandelter Texte
Im Volkesmund wurde aus: »Die Männer sind alle Verbrecher/ Ihr Herz ist ein finsteres Loch/ Hat tausend verschiedne Gemächer / Aber lieb, aber lieb sind sie doch . . .«: »Die Männer sind alle Verbrecher / Ihr Herz ist ein finsteres Loch / Die Frauen sind auch nicht viel besser / Aber rein, aber rein muß er doch.«
Noch rabiater wurde Kollos zartes Frühlingslied >Es war in Schöneberg im Monat Mai< zum robusten Gassenhauer umgedichtet: »Es war in Schöneberg / In einem Puff / Ich hatt drei Mark bezahlt / Und kam nicht ruff / Da hat die fixe Maid / Mich schnell bepißt / Wie das in Schöneberg / So üblich ist.«
Musikalisch setzte Kollo die schnoddrig-schwungvolle Linie Paul Linckes fort, verstand es aber außerdem, wenn auch auf andere Weise als der spritzige, elegante Gilbert, die neuen musikalischen Einflüsse der Zeit zu nutzen und in seine Kompositionen mit einfließen zu lassen.
Wie Lincke, so bevorzugte auch Kollo die im Preußen-Deutschland so beliebte Marschmusik und wählte selbst für das heitere Spazierlied >Untern Linden< den Marschrhythmus. Bei Kriegsausbruch blieb Kollo genausowenig wie alle anderen Unterhaltungskomponisten von der allgemeinen »vaterländischen Begeisterung« verschont.
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1912 - Wenn der Wind sich dreht - es gibt Krieg
Selbst die vom Kaiser so oft gejagten und verhöhnten Sozialdemokraten, seit 1912 mit 110 Sitzen die stärkste Fraktion im Reichstag, bewilligten die geforderten Kriegskredite. Dabei hatte ihr Vorsitzender August Bebel einst geschworen: »Diesem System keinen Mann und keinen Groschen!« Doch Bebel war inzwischen tot. Sein Nachfolger aber war nicht der kämpferische Karl Liebknecht, der gemeinsam mit Rosa Luxemburg unermüdlich gegen den Krieg schrieb, sprach, demonstrierte, sondern der biedere Friedrich Ebert geworden.
1914 - und es gab Krieg
Der offizielle Kriegsgrund war die Ermordung des österreichischen Thronfolgerpaares durch serbische Studenten in Sarajewo. Der kleine Staat Serbien war dem großen Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn längst im Wege, weil Serbien die Freiheitsbewegungen der unterdrückten slawischen Minderheiten im habsburgischen Kaiserreich offen unterstützte, wobei es Rückendeckung von Rußland erhielt.
Als Österreich, durch einen gegenseitigen Schutz- und Trutzpakt mit Deutschland verbündet, den Serben den Krieg erklärte, obwohl das kleine Land ein von Österreich gestelltes Ultimatum, das Unterwerfung und Wiedergutmachung verlangte, in allen Punkten akzeptiert hatte, machten nach einigem Zögern auch die Russen mobil.
Der kriegslüsterne Wilhelm wartete noch ab, weil er eigentlich weder einen Krieg gegen Serbien noch gegen Rußland wollte, sondern den gegen Frankreich.
Frankreich aber hielt sich ebenso zurück wie England. So verlangte Wilhelm von Frankreich nicht nur strikte Neutralität, sondern als »Pfand« für die geforderte Nichteinmischung auch noch die freiwillige Übergabe der Festungen Toul und Verdun.
Der Kaiser wollte eben ganz sicher sein, daß Frankreich auf gar keinen Fall neutral bleiben konnte, damit er tatsächlich bekam, was er schon so lange wollte: den Krieg gegen Frankreich.
Was daraus wurde, ist bekannt: ein riesiges Massengrab quer durch Europa. Darin lagen nicht etwa der Kaiser und seine Generäle, sondern Millionen Namenlose.
Am Ende des Massensterbens hatten Deutschland/Österreich mit ihren Verbündeten 3,2 Millionen Tote und 7 Millionen Verwundete, Rußland/Frankreich mit ihren Verbündeten 5,5 Millionen Tote und 13,3 Millionen Verwundete zu beklagen.
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Und wieder ging's los mit Pauken und Trompeten
Bei Kriegsausbruch aber dachten in Deutschland nur wenige an die fürchterlichen Folgen. Los ging's mit Pauken und Trompeten und der vertrauten Marschmusik. Die Männer eilten in fast rauschhafter Begeisterung zu den Waffen und Fahnen. Die wenigen Stimmen, die sich im allgemeinen Hurrapatriotismus gegen den Krieg erhoben, wurden mit allen Mitteln obrigkeitsstaatlicher Gewalt zu unterdrücken versucht.
Das Vaterland war in Gefahr, ein Schuft, wer jetzt den Kaiser und sein Volk im Stich ließ! Die erste Kriegserklärung des Deutschen Kaiserreiches richtete sich gegen das zaristische Rußland - der Ritt gegen Osten aber galt schon von »ewigen Urzeiten her« als »heilige Pflicht«.
Dagegen hatten selbst Sozialisten und Liberale nichts einzuwenden, denn das zaristische Rußland war der Feind aller Freiheit und jeden sozialen Fortschritts. Verraten wurden die Sozialistische Internationale, der Befreiungskampf Lenins und seiner Bolschewisten gegen das zaristische Rußland im eigenen Land boykottiert.
Da nützte auch Karl Liebknechts mutiger Einmann-Protest nichts mehr. Er war der einzige, der die Parteidisziplin durchbrach, sich dem Fraktionszwang nicht beugte, vom allgemeinen Kriegstaumel unbeeindruckt blieb und unbeirrt gegen die Bewilligung der geforderten Kriegskredite und den Krieg stimmte.
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Rosa Luxemburg
Seine kühne Mitstreiterin, die durch nichts und niemanden einzuschüchternde Rosa Luxemburg aber wurde kurz nach Kriegsbeginn verhaftet und in das »Königlich Preußische Weibergefängnis« in der Berliner Barnimstrasse gebracht.
Für die »rote Rosa« war das nichts Neues. Sie wurde so oft in Festungs- oder Gefängnishaft gesperrt, daß dies selbst für damalige kaiserliche Patriarchenzeiten auffallend war. Da sollte nicht nur eine standhafte Demokratin zum Schweigen gebracht, da sollte ein Exempel statuiert werden: die Bestrafung einer Ungehorsamen.
War es doch eine FRAU, die es wagte, sich - und tapferer als jeder Mann im säbelrasselnden Preußen-Deutschland - in »öffentliche«, was hieß: Männerangelegenheiten, einzumischen.
Rosa Luxemburg aber ließ sich nicht zum Schweigen bringen. Nicht, solange sie lebte. Aus jeder Haft, aus jeder Zelle drang ihre Stimme ungebrochen nach draußen. So auch diesmal:
- »Städte werden zu Schutthaufen, Dörfer zu Friedhöfen, Länder zu Wüsteneien, Bevölkerungen zu Bettlerhaufen... Geschändet, entehrt, im Blute watend, von Schmutz triefend - so steht die bürgerliche Gesellschaft da. Nicht wenn sie, geleckt und sittsam, Kultur, Philosophie und Ethik, Ordnung, Frieden und Rechtsstaat mimt - als reißende Bestie, als Hexensabbat der Anarchie, als Pesthauch für Kultur und Menschheit - so zeigt sie sich in ihrer wahren, nackten Gestalt.«
Was da aus der Haft nach draußen geschmuggelt und veröffentlicht wurde, war der schmerzensreiche Aufschrei einer, die das ganze Elend des Volkes sah und erlitt.
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