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Ein Siemens Oktav-Bandpaß von 1938 - warum ?

Wenn wir die Entwicklung der Audio-Qualität und deren Weg zur Hifidelity betrachten, ist es immer wieder wichtig, sich in die Zeit von damals hinein zu versetzen. Und da wir einen echten historischen Boliden von 1938 geerbt haben, lohnt sich ein Blick auf die Technik von damals.

Die Schellackplatte war das Nonplusultra mindestens von 1930 bis 1941/42 (das verbesserte Magnetophon AEG K4 war geboren)- bei uns fast bis 1950 (als die LP herüber kam) und nur "Visionäre", "Träumer" und "Spinner" träumten von reproduzierbaren Qualitäten weit ausserhalb der machbaren 80 bis 7.000 Hz. Das war damals nämlich Hifi und es stand sogar auf den Platten und den Geräten drauf.

Solche "Menschen" saßen bei der AEG und im RPZ (Reichspost Zentralamt) und bei der RRG (Reichs Rundfunk Gesellschaft) und in der kleinen Firma Georg Neumann in Berlin. Dort experimentierte man mit deutlich besseren (Kondensator-) Mikrofonen und Frequenzgängen von 20 bis 18.000Hz.

Problem Nummer 1 war aber die Speicherung solcher Frequenzbereiche. Mit den ersten AEG Magnetophonen (K1 bis K3) von 1935 waren schon erstaunliche Meisterleistungen bis nahezu 9.000 Hz reproduzierbar, aber mit deutlich mehr Rauschen als bei der Schellackplatte.
Also war das vielleicht als ein Anfang zu sehen ..........

Die Neumann-Telefunken Flasche

Die Neumann Flaschen von 1935/36 konnten mehr.

Wenn man also weiß, daß die Schallplatten- Schneid- maschine sowieso nur 80 bis 7000 Hz verträgt, also warum den Aufnahmeverstärker und die Schneidklinge mit mehr quälen. Man mußte (weg-) filtern. Die berühmten Georg Neumann Kondensatormikrofone (Vertrieb durch Telefunken) konnten deutlich mehr, so viel mehr, daß sie nach 1945 immer noch lange Zeit Rundfunk-Standard waren und heute sogar wieder gebaut werden (in 2013 bei Neumann Gefell).

Und zum Einengen des Frequenzganges brauchte man hochwertige Filter und die kamen von den Physikern von Siemens. Dort saßen (unter anderem) die besten Ingenieure, denn Siemens bezahlte diese Theorie-Spezialisten, meist Physikdoktoren, ausnahmslos gut.

Die Entwicklung dieses Filters ist von 1938, das Handbuch vom Mai 1941 und die Kondensatoren - also die Produktion vom November 1943.

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Es gab natürlich noch mehr
I. Anwendungsgebiet(e) : (hier der Originaltext !!)

Die Vorderansicht
das Innenleben
der Drei-Ebenen Stufenschalter
gebaut im Nove. 1943

Mit dem Schalldruckmesser Rel msv 5d (Rel beschr 877) wird der Effektivwert des gesamten Schalldrucks am Ort des Mikrofons gemessen. In vielen Fällen ist es jedoch erwünscht, den in engeren Frequenzgebieten herrschenden Schalldruck zu kennen. Zu diesem Zweck schaltet man den Oktav-Bandpaß Rel msl 19b (Bild s. Titelseite) zwischen Kondensator-Mikrofon und Schalldruckmesser und siebt damit wahlweise bestimmte Frequenzteilgebiete aus.

Der Oktav-Bandpaß wird z. B. in Meßanordnungen zur Ermittlung der frequenzabhängigen Nachhallzeit von Senderäumen und Theatersälen verwendet *1). Auch ermöglicht er, was bei vielen Untersuchungen von Wichtigkeit sein kann, bestimmte Töne aus einem Störspiegel, der in benachbarten Frequenzbändern liegt, herauszuheben und sie so überhaupt der Messung zugänglich zu machen. Weitere ausführliche Angaben sind den unten genannten Aufsätzen *2) und *3) zu entnehmen.

*1) Fr. O. Vogel und P. Richter „Der Dämpfungsschreiber nach Neumann und seine vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten'1, Veröff,. aus dem Gebiete der Nachrichtentechnik (VN) 7. Jahrgang 1937, 4. Folge S. 649-651.
*2) H. G. Thilo und U. Steudel „Analyse von Geräuschen und ihr Zusammenhang mit der Lautstärke44. Veröff. aus dem Gebiete der Nachrichtentechnik (VN), 5. Jahrgang 1935, 1. Folge, S. 39 u. f.
*3) H. G. Thilo und E. Freystedt „Meßgeräte für Schalluntersuchungen 44, Siemens-Zeitschrift, Band 15 (1935) Heft 5, S. 153.

II. Elektrische Werte

Frequenzbereich ............... 37,5 bis 12.800 Hz

Durchlaßbereich:

Schalter S2 auf S1 auf „Bereich I" S1 auf ..Bereich II"
     
0 Durchgeschaltet über 0,7 N Durchgeschaltet über 0,7 N
1 37,5 bis 75 Hz 50 bis 100 Hz
2 75 bis 150 Hz 100 bis 200 Hz
3 150 bis 300 Hz 200 bis 400 Hz
4 300 bis 600 Hz 400 bis 800 Hz
5 600 bis 1200 Hz 800 bis 1600 Hz
6 1200 bis 2400 Hz 1600 bis 3200 Hz
7 2400 bis 4800 Hz 3200 bis 6400 Hz
8 4800 bis 9600 Hz 6400 bis 12800 Hz

- Eingangsscheinwiderstand (angepaßt an Kondensator-Mikrofon) etwa 600Ohm
- Ausgang (angepaßt an Schalldruckmesser Rel msv 5 d) abgeschlossen mit 600Ohm
- Dämpfung in der Mitte des Durchlaßbereichs etwa 0,7 N
- Dämpfung im Sperrbereich 1 Oktave außerhalb der Mitte eines Durchlaßbereichs etwa 2,7 N d. h. etwa 2 N über der Dämpfung in der Mitte des Durchlaßbereichs
- Höchstbelastung 1 mW

Handschriftliche Erklärungen von 1941 im Prospekt mit Bleistift eingetragen:
1 N = 8,686 dB
1 dB = 0,1151 N
0,7 N = 6,08 dB
2,7 N = 23,5 dB
2,0 N = 17,4 dB
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III. Wirkungsweise und Aufbau

Der Oktav-Bandpaß ist, wie Bild 1 zeigt, ein Bandfilter in T-Schaltung mit stufenweise veränderbaren Induktivitäten im Längs- und Querzweig. Für das ganze Frequenzband ist der Oktav-Bandpaß in zwei Filter aufgeteilt, mit den Induktivitäten L1, L2, L5 und den Kapazitäten C1, C2, C5 für Frequenzen bis 800 Hz (Stellung 1 bis 4 von S2) und L3, L4, L6 mit C3, C4, C6 bis 12.800 Hz (Stellung 5 bis 8 von S2).

Durch einen Kippschalter S1 mit zwei Stellungen („Bereich I" und „Bereich II") können die Kondensatoren in den Längszweigen um C7, C8 und C9, C10 und in den Querzweigen um C11 und C12 vergrößert werden. Dadurch verschiebt sich der mit S2 (im Bereich II) eingestellte Durchlaßbereich von der Breite einer Oktave (beim Umschalten auf Bereich I) um eine halbe Oktave nach tieferen Frequenzen. Durch die Verschiebung um eine halbe Oktave hat man den Vorteil, daß starke Spitzen an den Randfrequenzen eines Bereiches durch Umschalten zum nächsten Bereich noch erfaßt werden können.
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Bild 1. Die Schaltung des Oktav-Filters

Das Filter hat Ein- und Ausgangsübertrager (Ü1 und Ü2), deren Übersetzungsverhältnisse stufenweise so geändert werden, daß in allen Stellungen von S1 und S2 ein gleicher Ein- und Ausgangswiderstand von etwa 600Q in den verschiedenen Durchlaßbereichen erzielt wird. In Stellung 0 des Bereichschalters S2 sind Ein- und Ausgang über 0,7 N miteinander verbunden (Widerstände R1, R2).

Der Ausgang des Oktav-Bandpasses ist mit dem Widerstand R3 — 600 Q belastet. Durch Abgriffe an R3 wird die Dämpfung für alle Durchlaßbereiche auf den festen Wert von 0,7 N entsprechend der Zahl 2 gebracht, mit der die Ablesungen am Schalldruckmesser bei vorgeschaltetem Oktav-Bandpaß zu vervielfachen sind, um den im eingestellten Durchlaßbereich herrschenden Schalldruck zu erhalten.

Bei anderer Verwendung des Oktav-Bandpasses (ohne Schalldruckmesser) muß das an den Ausgang angeschaltete Gerät hochohmig sein (> 3000Q), um den Abschluß und den Abgleich der Lochdämpfungen nicht zu stören.
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Bild 2. Beispiel der Betriebsdämpfungen des Oktav-Bandpasses für 2 x 8 Oktaven

Bild 2 zeigt ein Beispiel für die Dämpfungskurven des Oktav-Bandpasses. Die ausgezogenen Kurven gelten für den Bereich II, die gestrichelten für den Bereich I. Das Gerät ist in einem Metallgehäuse mit abnehmbarem Deckel untergebracht. Auf der Frontplatte befinden sich der Kippschalter St („Bereich I. Bereich II") und der Stufenschalter S2 („0 bis 8"), ferner drei Klemmen für Eingang und Ausgang (die gemeinsame Klemme als Erdleitung). Die einzelnen Durchlaßbereiche sind auf einem Schild neben dem Schalter S2 zusammengestellt.

IV. Bedienungsanweisung

Zur Analyse von Geräuschen wird der Oktav-Bandpaß mit den entsprechenden Klemmen des Schalldruckmessers verbunden. Durch einen Schalter am Schalldruckmesser kann der Oktav-Bandpaß ein- bzw. ausgeschaltet werden. Ist der Schalldruckmesser nach den Angaben der Rel beschr 877 in Betrieb genommen, so werden am Oktav Bandpaß der Reihe nach alle im fraglichen Frequenzbereich liegenden Durchlaßbereiche entsprechend der Einstelltafel durch Umlegen von S1 nach „Bereich 1" und „II" und durch Weitershalten von S2 eingestellt.
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Die am Meßgerat des Schalldruckmessers abgelesenen Werte sind, wenn es auf die absoluten Meßwerte ankommt, mit 2 zu vervielfachen und nach Bedarf in einem Kurvenblatt mit logarithmischem Frequenzmaßstab über der Mitte des jeweiligen Durchlaßbereiches aufzutragen. Der Faktor 2 braucht nicht berücksichtigt zu werden, wenn man nur das Verhältnis der Schalldruckwerte der einzelnen Durchlaßbereiche kennen lernen will. Bei zeitlich stark schwankenden Geräuschen wiederholt man zweckmäßigerweise die Untersuchung einige Male und bildet aus den einzelnen Messungen Mittelwerte oder man nimmt den Mittelwert der Anzeige eines Bereichs bei Beobachtung über längere Zeit.

Bild 3. Beispiel für die Analyse der Geräusche eines Motors mit Schalldruckmesser und Oktav-Bandpaß

Ein Beispiel der Geräuschanalyse eines Motors mit Schalldruckmesser und Oktav-Bandpaß zeigt Bild 3. Die Meßpunkte sind in Abständen von je 1/2 Oktave aufgenommen. Durch ihre Verbindung erhält man ein anschauliches Bild des Frequenzverlaufs. Die so gewonnenen Analysierkurven des Schalldrucks lassen sich weiter auswerten, wenn man die Lautstärke des Geräuschs berechnen will. Dazu wird das Verfahren nach Fletcher benutzt, das in der bereits unter Abschnitt I erwähnten Arbeit von H. G. Thilo und U. Steudel „Analyse von Geräuschen und ihr Zusammenhang mit der Lautstärke" angegeben ist.

Um z. B. Frequenzbeschneidungen vorzuführen, kann der Oktav-Bandpaß vor einem Lautsprecher geschaltet werden; dabei ist zu beachten, daß der Generator niederohmig und der Verstärker hochohmig sein muß und daß der Oktav-Bandpaß vor dem Verstärker angeschlossen wird, um, ihn nicht zu überlasten (max. 1 mW).

V. Zubehör, Maße und Gewichte

Gegenstand Oktav-Bandpaß (37,5 bis 12.800 Hz)
Bezeichnung Rel msl 19b
Abmessungen in mm 470 x 205 x 250
Gewicht etwa 8 Kg - Listen Nr. 107530
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Und nochmal : Gerät und Texte sind alle aus 1939/40.

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