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Über die Geige gibt es viele Geschichten . . . .

Der 15. Jahrgang - 1894

Und um die Menge der Legenden und Myhten noch etwas anzureichern, - hier eine kleine uralte Artikelserie aus Zeitschriften von 1894 !!!

Das gebundene Buch mit den 24 Zeitschriften stammt aus dem Nachlass des Günter Bartosch, eines ZDF Mitarbeiters, der die Fragen und Antworten bei den damaligen ZDF Fernseh-Ratespielen auswählen, heraussuchen und vor allem auch auf ihren Wahrheitsgehalt verifizieren wollte und mußte.

In einzelnen nur jeweils wenige Seiten umfassenden Zeitschriften schreibt 1894 ein Dr. Alfred Untersteiner in 4 Artikeln, was es mit der Geige (zu seiner Zeit) so auf sich hat. Die Ausführungen sind in Serifen-Schrift gedruckt und das Papier ist eben echte 120 Jahre alt. Also mal sehen, ob das alles in EDV-Buchstaben umgesetzt werden wird.

Da in diesem Buch noch weitere sehr unterhaltsame Artikel aus 1894 enthalten sind ..... alles in altdeutscher Fraktur-Schrift ....

. . . . werden alle irgendwie mit Musik verbunden Artikel hier eingestellt werden - sofern das freeOCR-Tesseract OCR Porgramm mehr als 90% der Schrift erkennt. Sonst wird das Nachlesen der Serifenschrift auch mir sehr sehr mühsam. Es ist alles (bei mir) fast 55 Jahre her.

Mehr über die moderne OCR Fähigkeit (OCR = optical code reader), also das elektronische Erkennen dieser Seiten, steht hier.

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Aus dem Inhaltsverzeichnis

Artikel 1 aus 1894

"Die Erfindung der Geige" aus dem gebunden Werk von 24 Ausgaben der "Neue Musikzeitung", einem "Illustrierten Familienblatt" aus 1894. - Eingescannt und umgewandelt und Korrektur gelesen von Gert Redlich im Nov. 2014.
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Die Erfindung der Geige. (1 von 4)

Nach neuen Dokumenten (Anmerkung von 1894 !!) von Dr. Alfred Untersteiner.

Eine Frage, welche, obwohl seit Jahren Gegenstand eifriger Forschung, dennoch heute noch unentschieden ist, ist jene von der Erfindung der Geige. Während man früher beinahe allgemein "Gasparo da Salo" als den ersten Geigenmacher, von dem Violinen bekannt sind, annahm, neigt man sich jetzt mehr der Ansicht zu, daß die Geige deutscher Abkunft und ein Deutscher, Gaspar Duiffopruggar (eine Korrumpierung des Namen Tieffenbrucker), der Erfinder der Geige sei. Die deutsche Abstammung unseres Instrumentes wird von anderen auch deswegen angenommen, weil Fetis von einer Geige spricht, welche den Zettel: Joh. Kerlino anno 1449 getragen haben soll.

Obwohl nun die meisten, die sich mit dem Gegenstande befaßt haben, die Nachrichten, welche sie über Instrumente und das Leben der Erbauer bringen, nicht als zweifelhaft bezeichnen, stellt sich bei näherer Prüfung dieser Angaben heraus, daß sie meist widersprechend, anderen nachgesagt, ja oft rein erdichtet sind.

Nachdem aber heute auch in der Geschichte der Musik die wissenschaftliche Methode angewendet und selbst als Basis ästhetischer Studien die Quellenforschung als unumgänglich notwendig gefordert wird, ist es an der Zeit, endgültig mit den althergebrachten Legenden und dem Abschreiben von Notizen zu brechen, für deren Wahrheit kein Beweis erbracht und keine Quellen angegeben sind. Wie ost die in den älteren Werken enthaltenen Angaben unperläßlich sind, stellt sich speciell bei Prüfung unserer Frage heraus.

Die Nachrichten, welche wir beinahe bei allen Autoren übereinstimmend über Kaspar Duiffopruggar finden, sind folgende: Kaspar Duiffopruggar ist in Welschtirol (nach anderen in Bayern) im Jahre 1467 oder gegen das Ende des 15. Jahrhunderts geboren, kam nach Bologna, in welcher Stadt er durch einige Zeit den Geigenbau betrieb und begab sich sodann nach Paris an den Hof Franz des Ersten, welcher mehrere Instrumente bei ihm bestellt hatte. Weil er aber das Klima von Paris nicht vertragen konnte, etablierte er sich später in Lyon, wo er auch gegen das Jahr 1530 starb.

Woher stammen nun diese Nachrichten? Darüber, sowie über die Glaubwürdigkeit derselben giebt ein neu erschienenes, auf Grund neugefundener Dokumente verfaßtes Werk des Dr. H. Contagne Auskunft, welches von allen, die sich für die Geschichte der Geige interessieren, mit Freude begrüßt werden wird, weil durch dasselbe ein weiterer großer Schritt zur Klärung gemacht ist.

Die erwähnten biographischen Notizen finden sich beinahe wörtlich zum ersten Male in der "Biographie universelle ancienne et moderne" von Roguefort (1812), von dem sie Gerber in seinem Tonkünstlerlexikon (1812) höchst wahrscheinlich entnommen haben wird. Roguefort giebt keine Quelle an und es ist beinahe sicher, daß ihm nur das Bild von Kaspar Duiffopruggar von Woeriot aus dem Jahre 1562 bekannt war, welches durch die darauf befindlichen wörtlichen Angaben die Hauptnotizen lieferte, während Roguefort das Uebrige frisch erdichtete.

Das fraglichel Bild ist ein schönes Werk des bekannten Kupferstechers Pierre Woeriot aus Lothringen und stellt einen stattlichen, in bestem Alter stehenden Mann mit sehr langem Barte dar. Vor ihm liegen gruppiert mehrere Streichinstrumente, Lauten und Violen, darunter ein Streichinstrument mit 5 Saiten und Bänden mit F- oder eigentlich S-Löchern, in welchem man die Violine sehen wollte, obwohl die Aehnlichkeit eine sehr geringe ist.

Unter dem Bilde ist die Inschrift zu lesen: Gaspar Dujffoprugcar
Viva fui in sylvis, sum dura occisa securi, Dum vixi tacui, mortua dulche cano. Aeta. ann. XLVIII 1562.

ein echter uralter Geigenbauer

Aus diesen Angaben läßt sich die Geburtszeit unseres Lautenmachers konstatieren, welches somit das Jahr 1514 ist. Nachdem ferner aus weiteren Blättern des P. Woeriot hervorgeht, daß er um jene Zeit (1562) in Lyon lebte, ist anzunehmen, daß G. Duisfopruggar schon damals in Lyon sich etabliert hatte und in der Inftrumentenbaukunst einen guten Namen genoß, wenn ein Künstler von Ruf wie Woeriot sein Bild anfertigte.

Die von Dr. Contagne im Archive der Stadt Lyon gefundenen Dokumente lassen hierüber keinen Zweifel übrig. Dieselben sind sämtlich nach dem Jahre 1553 ausgestellt und betreffen hauptsächlich private Geld- und Steuerangelegenheiten. Der Name wird sehr verschieden geschrieben, und zwar bald Duiffoprocard, bald Duissoprugcar 2c.

In den im Jahre 1558 ausgefertigten "lettres de naturalite" von König Heinrich II. finden wir sowohl den Namen genauer angegeben als weitere Angaben enthalten, was um so wichtiger ist, als die Natur des Dokumentes als öffentliche Urkunde für die Richtigkeit der Daten bürgt. Jn diesen heißt es, daß Kaspar Dieffenbruger, Deutscher, Lautenmacher, von Fressin, kaiserlicher Stadt in Deutschland, gebürtig, seit vielen Jahren seine Heimat verlassen hat, um sich in Lyon niederzulassen 2c.

Hieraus geht unzweifelhaft hervor, daß Duiffopruggar aus Freising in Bayern gebürtig ist, wo man wahrscheinlich seine Geburt in den dortigen Büchern eingetragen finden könnte, - daß sein Name Tiefenbrugger war - und daß er im Jahre 1558 schon seit langer Zeit in Lyon lebte. Die genaue Nachricht über die Zeit seines Todes ist nicht gefunden worden; es läßt sich aber aus anderen Dokumenten mit aller Sicherheit schließen, daß Duiffobruggar kurze Zeit vor dem 16. Dezember 1571 gestorben war, so daß man mit aller Wahrscheinlichkeit das Jahr 1570 als das Todesjahr annehmen kann.

Duiffopruggar scheint bis in die letzten Jahre in sehr guten finanziellen Verhältnissen gelebt zu haben, welche aber plötzlich sich in Not umwandelten, als ihm seine Gründe enteignet wurden, ohne daß ihm und später seinen Erben die vom Könige Karl II. versprochene Enteignungssnmme und jährliche Rente bezahlt worden wären.

Die Schlüsse, welche sich aus diesen neuen Forschungen ergeben, sind nicht schwer zu ziehen, und wenn wir auch hiermit nur einen negativen Beweis für die Unhaltbarkeit der meist vertretenen Ansicht über die Erfindung der Geige gewonnen haben, müssen wir dem fleißigen und eifrigen Forscher dankbar sein, weil wir nun über einen Teil des Lebens Duissopruggartz wenigstens verläßliche Nachrichten besitzen.

So unangenehm es für die Besitzer von Geigen unseres Meisters sein mag, welche gewöhnt waren, dieselben als unschätzbare Kleinode zu betrachten, müssen diese Instrnmente oder wenigstens diejenigen, welche Niederheitmann in seinem sonst verdienstvollen Werke - Cremona - anführt, als "falsifizierte" bezeichnet werden, weil sie alle Zettel aus den Jahren 1510, 1511, 1514, 1515 und 1517, also aus einer Zeit entweder vor der Geburt Duiffopruggartz oder kurze Zeit darauf tragen und von Bologna datiert sind, sowie äußerst wenig oder keine Aehnlichkeit mit den auf dem Bilde Woeriots gezeichneten Instrumenten haben. (Forts. folgt.)

*Friedr. Niederheitmann, Cremona. Leipzig, Merseburger 1877.

Die Erfindung der Geige. (2 von 4)

Eingescannt und umgewandelt und Korrektur gelesen von Gert Redlich im Nov. 2014.
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Teil II. - Nach neuen Dokumenten (Anmerkung von 1894 !!) von Dr. Alfred Untersteiner.

Woher die angeblich von Duiffopruggar gebauten Instrumente stammen, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Contagne ist der Ansicht, daß sie sämtlich von dem berühmten Pariser Geigenmacher Buillaume und von anderen falsifiziert wurden, welche Ansicht einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit dadurch gewinnt, daß Vidal in seinem Werke "Les instruments a archet - Paris 1876" uns erzählt, daß Buillaume ein "Basso di Viola" von Duisfopruggar meisterhaft nachgemacht haben soll und daß er infolge des Gelingens mehrere andere Instrumente imitierte.

Die irrtümlichen Daten der Zettelinschriften können aus den falschen Nachrichten über den Meister von Roguefort stammen, in deren Sinn die Zettel geschrieben wurden. Ein weiterer Beweis für die große Wahrscheinlichkeit dieser Ansicht ist wohl auch in dem Umstande zu finden, daß - wenigstens soviel mir bekannt ist — bis in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts sich nirgends eine Notiz über eine Violine von Duissopruggar findet.

Die Unechtheit der von Niederheitmann angeführten Instrumente geht übrigens aus weiteren Erwägungen hervor, so z.B. aus dem Umstande, daß eine Geige aus dem Jahre 1517 anstatt der Schnecke den Porträtkopf von Duisfopruggar, genau nach dem Bilde von Woeriot des Jahres 1562, sowie daß eine weitere aus dem Jahre 1510 das Monogramm des Königs Franz des Ersten von Frankreich mit Königskrone trägt, obwohl Franz erst später König von Frankreich wurde 2c.

Daß Duissopruggar am Hofe Franz des Ersten gearbeitet und früher jahrelang seine Kunst in Bologna ausgeübt hätte, ist urkundlich absolut nicht nachgewiesen. Auch enthalten die von Canale und Bertolotti veröffentlichten Dokumente und Daten über Musiker und Instrumentenmacher jener Zeit am Hofe der Herzöge von Mantua, sowie die publizierten Register  über die Ausgaben der französischen Könige, welch erstere sich mit viel weniger wichtigen Gegenständen befaßten, absolut keine Notiz über Instrumente unseres Meisters, was wohl nicht recht anzunehmen wäre, wenn Duiffopruggar damals ein bekannter Geigen- und Lautenmacher gewesen wäre und wenn er, wie man behauptet hat, mehrere Instrumente für die Kapelle Franz des Ersten gebaut hätte, wovon eines auf dem Boden sogar ein Gemälde von Leonardo da Vinci tragen soll!

Und weil andere Lautenmacher, namens Duiffopruggar, welche nicht bedeutend waren, in Italien bekannt sind, klingt es unwahrscheinlich, daß gerade von dem bedeutendsten nirgends eine Erwähnung gemacht worden wäre.

Da aus den von Contagne mitgeteilten Archivsdokumenten hervorgeht, daß mehrere Kaufleute aus Augsburg, Ulm, Nürnberg nach Lyon übersiedelten und dort ihren Handel betrieben, ist nicht schwer anzunehmen, daß Gaspar Duiffopruggar mit anderen Landsleuten von seiner Heimat direkt nach Lyon gezogen sei, nachdem er die Lautenmacherkunst, die in der Heimat in Blüte stand, gelernt hatte.

Obwohl in mehreren Werken von Instrumenten, besonders Violen, Baßviolen und Bässen unseres Meisters, welche noch erhalten sind, Erwähnung gethan wird, ist diese Behauptung mit der größten Vorsicht aufzunehmen, da in Wirklichkeit kein einziges Streichinstrument existiert, welches einen authentischen Zettel trägt, und über den Erbauer dieser Instrumente nur Vermutungen vorliegen. Auch zeigen diese angeblich echten Instrumente ganz andere Merkmale, als die von Niederheitmann angeführten, und sind ziemlich roh gearbeitet.

Ob nach diesen Ergebnissen der Forschung die Annahme, Gaspar Duiffopruggar sei der Erfinder der Geige, berechtigt erscheine, muß ich dahinstellen, bemerke aber, daß es immerhin auffällig ist, daß in den aufgefundenen Dokumenten Duiffopruggar immer nur "faiseur des lutz" (Lauten) genannt und daß die Violine nie erwähnt wird. (Fortsetzung folgt.)

Die Erfindung der Geige. (3 von 4)

Eingescannt und umgewandelt und Korrektur gelesen von Gert Redlich im Nov. 2014.
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Teil III. - Nach neuen Dokumenten (Anmerkung von 1894 !!) von Dr. Alfred Untersteiner.

Ueber jenen Meister des Instrumentenbaues, welcher von einer starken Partei noch immer als der erste Geigenmacher angesehen wird, über Gasparo da Salo, besaßen wir ebenfalls bis in die letzte Zeit nur sehr karge Nachrichten. Nun ist infolge der verdienstvollen Arbeiten von Livi einige Klarheit auch in diese Frage gebracht worden. Nach aufgefundenen Dokumenten ist nunmehr festgestellt, daß Gasparo da Salo, aus der Familie Bertolotti stammend, im Jahre 1540 oder 1542, wahrscheinlich am 20. Mai 1540, in Sala, einem kleinen Städtchen am Gardasee, geboren ist.

Sein Vater, Francesco Santino Bertolotti, gebürtig aus Polpenazze bei Salo, erhielt, wahrscheinlich nach seinem Gewerbe, den Uebernamen Violi und Violino. Gasparo kam vermutlich gegen das Jahr 1560 nach Brescia, wo mehrere ausgezeichnete Jnstrumentenmacher, wie Girolamo Virchi, Pellegrino Zanetti, Giovanni—Montechiari u. a. m., lebten und wo er seine Kunst lernte. In einem Dokumente aus dem Jahre 1568 wird Gasparo bereits Maestro dei Violini genannt, eine jedenfalls wichtige Bezeichnung.

Aus anderen Dokumenten ersehen wir, daß Gasparo bald guten Ruf genoß und sich ein ziemliches Vermögen erwarb. Livi fand ebenfalls die Todesnachricht in den Verzeichnissen der Toten aus der Pfarrei St. Agata in Brescia; dieselbe lautet:

" a di 14 Aprile 1609 M. Gasparo di Bertolotti, maestro dei violini e morto et sepolto in San Joseffo."

Auch durch diese Nachrichten wird die Echtheit mehrerer Instrumente, die Gasparo da Salo zugeschrieben wurden, in Frage gestellt, weil die Jahreszahlen der Zettel der Lebenszeit des Meisters nicht entsprechen. Von ihm existieren aber immerhin mehrere Instrumente, so z. B. eine von "Ole Bull" früher besessene berühmte Geige, welche als echt gelten und sicherlich nicht neueren Datums sind.

Ein Beweis, daß Gasparo Bertolotti der Erfinder der Geige sei, ist aber ebensowenig als für Duiffopruggar erbracht, obwohl die erste Annahme entschieden berechtigter wäre, weil schon der Umstand, daß Gaßparo wiederholt maestro dei violini genannt wird, eine große Wichtigkeit hat.

An dieser Stelle mögen einige Bemerkungen über einen weiteren Meister des Geigenbaues erlaubt sein, obwohl sie direkt mit unserem Gegenstand nichts zu thun haben. Dieser Dritte, von welchem bis jetzt weder das Geburts- noch daß Todesjahr bekannt war, ist Giov. Paolo Maggini. Professor Angelo Berenzi hat sich mit dem Gegenstande eifrig beschäftigt und es ist ihm gelungen, genaue und authentische Daten zu ermitteln. Giov. Paolo Maggini ist am 25. August 1580 in Botticino Sera, einem kleinen Dorfe bei Brescia, geboren und ist höchst wahrscheinlich im Jahre 1632 gestorben.

Ob er Schüler Gasparo da Salo oder eines anderen war, ist nicht konstatiert, obwohl ersteres wahrscheinlich ist, nachdem Gasparo gerade um jene Zeit einen großen Ruf als Instrumentenmacher in Brescia genoß. Nach einem Steuerzettel vom 19. Oktober 1626 hatte Maggini seine Werkstätte in der Straße Bambasarie in der Pfarrei St. Agata in Brescia.

Giov. Paolo hatte zehn Kinder, unter denen aber jener Pietro Santo, welcher oft als berühmter Erbauer von Kontrabässen genannt wird, nicht vorkommt, und keines von ihnen hat die Kunst deß Vaters ausgeübt.

Diese Meister des Geigenbaues müssen als die ersten bezeichnet werden, welche Violinen bauten, solange nicht neue Beweise für die Priorität anderer erbracht werden. Daß dies für Gaspar Duiffopruggar der Fall sein könne, möchte ich nach dem Ergebnisse der bißherigen Forschungen wohl bezweifeln. Möglich ist es aber, daß der Gründer der Amatischule, Andrea Amati, über welchen ebenfalls genaue Nachrichten fehlen, Zeitgenosse des Gasparo da Salo gewesen sei, da derselbe laut einer gefundenen Urkunde im Jahre 1609 zu zweiter Ehe mit Angiola dei Migli schritt. Ich möchte aber die Ansicht des Monsignor Gaetano Bazzi, daß Andrea Amati schon im Jahre 1535 geboren sei, nicht teilen, weil laut der oben erwähnten Urkunde seine zweite Frau bei Schließung der Ehe erst achtzehn Jahre alt war und aus einem anderen Dokumente erhoben wurde, daß am 6. Mai 1610 eine Tochter des Andrea Amati, also eines damals 74jährigen Mannes, geboren wurde. (Schluß folgt.)

 * G. Livi Gasparo da Salo. Nuova Antologia (Augustheft 1891).

Die Erfindung der Geige. (4 von 4) (Schluß)

Eingescannt und umgewandelt und Korrektur gelesen von Gert Redlich im Nov. 2014.
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Teil IV. - Nach neuen Dokumenten (Anmerkung von 1894 !!) von Dr. Alfred Untersteiner.

Ueber Johann Kerlino, welchen wir eingangs erwähnt haben, fehlt jede Nachricht und nachdem die angebliche Geige von ihm aus dem Jahre 1449, wenn sie überhaupt je existiert hat, nach Ausspruch Guillaumes nur eine adaptierte Viola war, kommt er außer Betracht.

Niederheitmann erwähnt in seinem Werke "Cremona" (Seite 31) eine Geige aus seiner Sammlung mit der Inschrift: Johannes Cesarium Dominicus Romaminorum 1510. Schon die rätselhafte unerklärliche Diktion dieser Inschrift spricht, abgesehen von allen anderen Gründen, gegen die Echtheit dieses Instrumentes, welches wahrscheinlich späterer Konstruktion ist und mit einem falschen Zettel versehen wurde.

Sammeln wir die Ergebnisse dieser neueren Forschungen, so müssen wir anerkennen, daß keiner der erwähnten Meister den Anspruch auf die Erfindung der Violine erheben kann.

Ich bin der Ansicht, daß unsere Violine von keinem Meister allein erfunden worden, sondern das Ergebnis der von mehreren gesammelten Erfahrungen, von vielen Versuchen und Modifikationen ist. In der That ist auch kein Grund vorhanden, anzunehmen, daß die Violine wie Minerva aus dem Kopfe Jupiters herausgekommen sei, nachdem bei allen anderen Instrumenten und bei den meisten Erfindungen überhaupt der endgültigen Form immer Versuche und Verbesserungen vorausgehen.

Wir wissen, daß Violen in den verschiedensten Größen schon vor der Violine vorhanden waren, und diese mußten die Geigenbauer und die Spieler mit der Zeit auf den Gedanken bringen, ein Instrument zu schaffen, welches dem Sopran im Gesange entsprach. Die Frage erscheint somit bis zu einem gewissen Punkte eine müßige, nachdem selbst der Erfinder der Geige nur ein Nachahmer gewesen wäre.

Die Frage nach der Heimat der Violine

Fragen wir uns nach der Heimat der Violine, so möchte ich mich für Italien entscheiden. Das Wort Violino ist nur ein Deminutiv von Viola und ist entschieden italienisch. Diesem Worte begegnen wir nicht, wie Contagne meint, zum ersten Male in Frankreich (in der Form Violon), sondern in Jtalien und zwar noch früher, als man bis jetzt annahm. In einem Dokumente des Archives von Perugia wird Francesco de Firenze schon im Jahre 1462 "Cantarinus et Quittarista seu Violinista" genannt, wenn auch jedenfalls darunter nicht unsere Geige gemeint ist.

Das Wort Violino selbst findet sich in einem italienischen Dokumente vom Jahre 1562 und nicht, wie mehrere irrtümlich angeben, schon bei Lanfranco in seinem Werke "Scintille di musica" Brescia 1533. Italien ist das Land, wo die größten Geigenmacher aller Zeiten gelebt haben. Ist diese Thatsache an und für sich nicht ausschlaggebend, gerade so wie die Niederländer in Italien den Kontrapunkt lehrten und dort ihre schönsten Werke schufen, wäre es immerhin sehr sonderbar, wenn Fremde den Geigenbau in Jtalien zuerst ausgeübt hätten und daß sich in ihrer Heimat von den Anfängen ihrer Kunst keine Nachricht erhalten hätte, während wir in den Werken und Chroniken jener Zeit auch weniger wichtige Gegenstände besprochen finden.

In Italien wurden zum ersten Male Violinen im Orchester verwendet, wobei jedoch nicht verschwiegen werden darf, daß Monteverdi in seinem Orfeo (1607) gerade "duoi violini piccoli" verlangt, was aber auch eine besondere Geigenart betreffen könnte. Jmmerhin ist aber in dieser Frage das letzte Wort noch nicht gesprochen worden.

Erst seit den letzten Jahren beschäftigen sich die italienischen Gelehrten mit Quellenforschungen und es ist zu hoffen, daß noch manches Dokument zu finden sein wird, welches uns in den Gegenstand neues Licht bringt, nachdem nunmehr erwiesen ist, daß auch in Italien im Mittelalter und anfangs der neuen Zeit Musikantenzünfte und Korporationen mit eigenen Vorschriften und Statuten bestanden.

Abschließender Kommentar im Nov. 2014

Heutzutage würde man diese Artikel mit dem zweideutigen Spruch abschließen:

"Und nicht Genaues weiß man nicht."

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