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Diese Artikel stammen alle aus dem Test-Jahrbuch 1970

National Technics 100P

Obwohl der tangentiale Spurfehlwinkel bei Tonarmen, die nicht zu kurz und geometrisch optimal ausgelegt sind, keine im Hinblick auf Verzerrungen bedeutende Rolle spielt, hat sich der Verfasser stets für Tonarme interessiert, die eine Rillenabtastung unter den gleichen geometrischen Bedingungen gestatten, wie sie beim Schneiden der Folien vorliegen.

Er hat einen Tangentialtonarm

Tonarme, die so gebaut sind, daß die Abtastnadel exakt radial entlang eines Plattendurchmessers von außen nach innen geführt wird oder, was dasselbe bedeutet, die Tonarmlängsachse stets eine Tangente zur abgestasteten Rille bildet, nennt man Tangentialtonarme.

Theoretische Vorteile

Es hat schon verschiedene Ausführungen von Tangentialtonarmen gegeben. Sie brachten alle den Vorteil, daß der tangentiale Spurfehlwinkel über dem gesamten Plattendurchmesser null war, was gleichzeitig bedeutet, daß keine Skating-Kräfte auftreten können.

Aber auch Nachteile

Aber alle Modelle, die mir bislang bekannt wurden, hatten den schwerwiegenden Nachteil, daß der Tonarm samt der erforderlichen Parallelführung von der Abtastnadel von außen nach innen gezogen oder, besser gesagt, geschoben werden mußte.

Die Skating-Kraft vermieden - aber andere Nachteile

Als Reaktion auf die hierfür zu überwindenden Reibungskräfte drückt die Nadel stärker auf die Außenflanke der Rille als auf die Innenflanke. Man hatte zwar die Skating-Kraft vermieden, sich dafür aber eine andere Kraft eingehandelt, die gleich groß oder größer war und sich nur dadurch von dieser unterschied, daß sie auf die andere Rillenflanke wirkte.

Dies ist z. B. auch beim horrend teuren Marantz Plattenspieler der Fall, der trotzdem, wohl wegen des Markenprestiges, so manchen HiFi-Snob faszinierte.

Ein Vergleich mit dem Test Rabco-Tonarm

Neuerdings ist von einem amerikanischen Tangentialtonarm die Rede, der auf jeden geeigneten Plattenspieler montiert werden kann (vgl. Test Rabco-Tonarm, Seite 34). Bei diesem, von der Werbung in höchsten Superlativen gepriesenen Tonarm sorgt ein Steuermechanismus für den notwendigen Vortrieb.

Wie funktioniert er wirklich

Auch der Plattenspieler der japanischen Firma National, Modell Technics 100 P, den man schon längere Zeit auf verschiedenen Ausstellungen bewundern konnte, ist mit einem Tangentialtonarm ausgestattet (vgl. Bild im Titel).

Die Frage, ob ein Vortriebsmechanismus für den Transport des Tonarms während des Abspielvorgangs sorge, konnte nicht beantwortet und durch rein äußerliche Betrachtung nicht entschieden werden. Daher ließen wir uns das Ausstellungsstück zur näheren Untersuchung zusenden. Das Ergebnis ist so interessant, daß wir es unseren Lesern nicht vorenthalten wollen.

Der Tonarm des Technics 100 P

Der Tonarm des 100P ist mit Tonkopfhülse rund 205mm lang. Seine vertikale Bewegungsfreiheit erhält er durch ein Lager, über das er leichtgängig drehbar am zur Parallelführung gehörenden Träger befestigt ist. Durch Verschieben eines Gegengewichts hinter diesem Lager und durch Feineinstellung desselben können horizontale Balance und Auflagekraft eingestellt werden.

Der Tonarmkopf

Der Tonarmkopf entspricht der üblichen Norm. Er ist zur Aufnahme aller Tonabnehmer mit üblichen Befestigungsmaßen geeignet. Das Tonabnehmersystem ist auf einem Schlitten montiert, der nach Lockern der Rändelschraube (vgl. Bild im Titel) verschiebbar ist; hier nicht etwa, um den Überhang einzustellen, sondern damit dafür gesorgt werden kann, daß die Spitze der Nadel genau radial von außen nach innen auf einer Linie verläuft, die durch den Plattenmittelpunkt geht. Zur Kontrolle wird eine geeignete Schablone mitgeliefert.

Außerdem ist in die Abdeckplatte ein Stift eingelassen, den man herausziehen kann bis unter die Nadel. Eine Körnung zeigt die Stelle an, an der sich die Nadelspitze bei korrektem Einbau befinden muß.

Überraschende Eigenschaften

Dieser Tonarm hat einige überraschende Eigenschaften. Ist der Plattenspieler in Betrieb und verkantet man den Tonarm aus seiner zur Platte tangentialen Richtung, so bewegt er sich selbsttätig, bis die Tangente wieder hergestellt ist. Das tut er selbstverständlich auch, wenn man die Nadel in die Rille setzt und dabei den Tonarm aus seiner tangentialen Position heraus verkantet hat. Hat der Tonarm seine tangentiale Stellung erreicht, so wird er offensichtlich durch einen Antriebsmechanismus im genau richtigen Umfang von außen nach innen transportiert, wobei er immer tangential zur abgetasteten Rille steht.

Er funktioniert verblüffend einfach

Dieser Antrieb wird durch verblüffend einfache Mittel bewerkstelligt. Betrachten wir Bild 2: Auf der Plattentellerachse sitzt ein Kunststoffrädchen, über das ein Gummiriemen angetrieben wird, der seinerseits einen Zylinder von 20mm Durchmesser in konstante, nur von der Plattendrehzahl abhängige Umdrehung versetzt (Bild 1). Die Parallelführung des Tonarms wird durch zwei Metallstäbe erreicht, auf denen der Tonarmschlitten über geeignet geformte Kunststoffrädchen läuft. Mit diesem Schlitten ist ein Hebelarm solidarisch, der am vorderen Ende ein kleines Gewicht trägt und hinten ein kleines Rädchen aus Bakelit.

Steht die Lauffläche dieses Rädchens senkrecht auf dem sich drehenden Zylinder, so bleibt der Tonarm stehen, weil vom Zylinder auf das Rädchen keine Kraft' übertragen wird. Entfernt sich der Tonarm aber auch nur ganz wenig aus der tangentialen Position, so rollt die Lauffläche des Rädchens schräg auf dem sich drehenden Zylinder ab, und es entsteht eine seitliche Kraft, die den Schlitten so lange bewegt, bis Tonarm und Rädchen wieder streng senkrecht zur Zylinderachse ausgerichtet sind.

Auf diese Weise steuert der Tonarm selbst den erforderlichen Vortrieb, wobei an der Nadel nur diejenigen Kräfte auftreten, die erforderlich sind, um den Tonarm um einen winzigen Winkel aus seiner 90°-Stellung zur Zylinderachse zu entfernen.

Ein kräftefreier Vortrieb

Der eigentliche Vortrieb geschieht, bezogen auf die Abtastnadel, kräftefrei. So verblüffend einfach der Mechanismus erscheint, so ausgezeichnet funktioniert er. Ein kleiner Pinsel hält den Bakelit-Zylinder staubfrei, und ein kleiner Dauermagnet fixiert den Tonarm in einer angehobenen Position, sofern man ihn beim Plattenwechsel nicht in die Raste zurücklegen will.

Test der Abtasteigenschaften

Der Tonarm wurde mit einem Tonabnehmer Philips 412 ausgerüstet, dessen Abtasteigenschaften bereits am langen Sony-Arm geprüft wurden (vgl. Seite 48). Aus der Tabelle ist zu ersehen, welche Verbesserungen dieser Tonarm noch bringt. Die in Klammer gesetzten Zahlen entsprechen den Werten des Philips 412 am Sony-Arm. Aus der letzten Spalte ist zu ersehen, welche Pegel der Orchesterglocken auf der Shure-Testplatte bei den verschiedenen Auflagekräften abgetastet werden.

Bekanntlich gibt dieser Test Aufschluß über das Abtastverhalten von Tonabnehmer und Tonarm im Frequenzbereich um 10 kHz, während die Prüfung mit der dhfi-Platte Nr. 2 über das Abtastverhalten bei 300Hz informiert. Man sieht, daß das Abtastverhalten dieses Tonarms im unteren Frequenzbereich noch besser ist als das des ausgezeichneten Sony-Tonarms.

Im oberen Frequenzbereich ist der Sony-Arm, möglicherweise wegen seiner größeren effektiven Masse, dem National-Arm, zumindest in der Kombination mit dem Philips 412, etwas überlegen.

Ohne Skating-Kraft bewegungslos

Selbstverständlich bleibt der Tonarm auf jeder glatten Plattenoberfläche, wie man sie für gröbere Prüfungen der Skating-Kräfte verwendet, bewegungslos stehen. Skating-Kräfte können an diesem Tonarm nicht auftreten.

Mit Hilfe des Skatometers und einer Schallplatte mit Leerrillen kann man Aufschlüsse über eventuell vorhandene, radial gerichtete Kräfte erhalten, die als Reaktion auf die Reibungskräfte auftreten könnten, die für eine geringfügige Auslenkung des Tonarms aus seiner tangentialen Position zu überwinden sind.

Nun, das Skatometer zeigte keinen stufenartigen Ausschlag, wie man aufgrund des Mechanismus vielleicht erwarten könnte, der Zeiger bewegt sich vielmehr im wesentlichen um die Nullage in kleinen Ausschlägen. Der größte Ausschlag, den wir registrieren konnten, entsprach einer nach außen gerichteten, auf die Nadel bezogenen Kraft von 100mp (Millipond).

Das Laufwerk des 100 P

Die Achse eines sehr kräftigen Synchronmotors ist als Stufenwelle für die Geschwindigkeiten 33 1/3 und 45 U/min ausgebildet. Sie treibt über einen Gummiriemen den eher leichten Aluminiumteller über dessen Außenumfang an. Die Tellerachse steht fest und ist mit dem Chassis verbunden. Der Plattenteller ist mit einer Bronzebuchse versehen, die zusammen mit der festen Achse das Tellerlager bildet. Die feststehende Achse ist hohl und kann daher die Steckachse eines kleinen Innentellers aufnehmen.

Dieser Innenteller, von rund 90mm Durchmesser, kann, während sich der eigentliche Teller mit normaler Geschwindigkeit weiterdreht, durch Betätigen des rechts auf dem Chassis sichtbaren Flügelknopfes abgehoben und damit die Platte angehalten werden. Senkt man den Innenteller wieder ab, liegt die Platte wieder auf dem Hauptteller auf und dreht sich sehr schnell wieder mit der Nenndrehzahl. Eine Möglichkeit der Geschwindigkeits-Feinregulierung gibt es bei diesem Laufwerk ebensowenig wie eine eingebaute Stroboskopkontrolle.

Eigenschaften des Laufwerks

Obwohl wir uns in erster Linie für den Tonarm interessierten, haben wir natürlich auch die Eigenschaften des Laufwerks gemessen.

Wir erhielten:
Gleichlaufschwankungen
außen ± 0,13 % Ausreißer bis ± 0,16 %
innen ± 0,12 % Ausreißer bis ± 0,16%

Keine berauschenden Werte

Das sind Werte, mit denen man heute niemanden mehr entzücken kann. Aber fairerweise muß hier gesagt werden, daß der Plattenspieler schon auf mehreren Ausstellungen gestanden und vermutlich schon robuste Behandlung erfahren hat. Jedenfalls lassen dies einige Anzeichen vermuten. Aus diesem Grund dürften auch die Werte der Rumpel-Spannungsabstände enttäuschend sein.

Sie betragen bei diesem Exemplar:
Rumpel-Fremdspannungsabstand
(bei nasser Abtastung) 30 dB
Rumpel-Geräuschspannungsabstand
(bei nasser Abtastung) 53 dB

Bei Laufwerken mit Gummiriemen-Antrieb ohne Getriebe hängen Gleichlauf und Rumpelfreiheit entscheidend von der Qualität des Tellerlagers ab. Gerade dieses mag aber beim Testexemplar schon gelitten haben.

Zusammenfassung

Der National 100 P ist mit einem ausgezeichnet arbeitenden Tangentialtonarm ausgerüstet, der hervorragende Abtasteigenschaften aufweist, die sogar denen der besten Normaltonarme überlegen sind. Der Antrieb des Laufwerks müßte guten Gleichlauf und hohe Rumpelfreiheit gewährleisten. Daß diese Daten bei dem von uns getesteten Exemplar enttäuschend ausfielen, mag an dessen Vorgeschichte liegen.

Karl Breh 1970
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