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Editorial 1983-Heft 1 "Ausverkauf"

Chefredakteur Karl Breh schreibt zum GRUNDIG Verkaufsangebot :
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Karl Breh in 1983

Bis diese Zeilen erscheinen, könnten die Würfel schon endgültig gefallen sein: Grundig, die wichtigste Bastion der deutschen Unterhaltungselektronik, wäre dann für eine Summe zwischen einer halben und einer ganzen Milliarde Mark an den verstaatlichten französischen Branchenriesen Thomson-Brandt veräußert.

Damit hätte eine der größten Erfolgsstories der deutschen Nachkriegsgeschichte ein ebenso unrühmliches Ende gefunden wie zuvor schon die Familienbetriebe Max Braun, Wega, Nordmende, Saba, Dual und im Gefolge von Grundig wohl auch die AEG-Tochter Telefunken.

  • Anmerkung : Zumindest für Max Braun in Frankfurt und SABA in Villingen stimmt das gar nicht oder nur bedingt, wie die späteren Recherchen in 2012 ergeben haben. Zuviel wurde falsch überliefert und bewußt negativ interpretiert und mit Mythen und Legenden umwoben. Insbesondere von BRAUN und auch von SABA finden Sie inzwischen ausführliche Unterlagen auf den Museumsseiten.


Konnte man in den Fällen Nordmende, Saba und Dual noch froh sein, daß durch den Zugriff von Thomson-Brandt deutsche Arbeitsplätze wenigstens zu einem Teil gerettet und der Fortbestand der Traditionsmarken gesichert wurde, so hat der Fall Grundig doch eine ganz andere Dimension. Hier geht es um ein Unternehmen mit modernsten Fabrikationsanlagen und über 30.000 Beschäftigten, das zwar in den letzten zwei Jahren zusammengerechnet rund eine halbe Milliarde Verluste hinnehmen mußte, dennoch aber keineswegs pleite ist.

  • Anmerkung : Das war leider eine Fehleinschätzung aus Anfang 1983. Es war reines Wunschdenken, daß die Franzosen bei uns etwas aufrecht erhalten würden, das evtl. in Frankeich Arbeitsplätze kosten könnte. Und der gesamte Markt war 1983 immer noch im Abwärtsgang. Alle warteten auf die digitale Schallplatte. In 2014 ist von DUAL, SABA, WEGA usw. genausowenig übrig wie von GRUNDIG und Telefunken und AEG.


Max Grundig begründet seinen ebenso unerwarteten wie schockierenden Entschluß mit dem Argument, gegen die japanische Übermacht könnten nur europäische Zusammenschlüsse helfen, die ein Umsatzvolumen von mindestens sieben Milliarden Mark repräsentieren. Abgesehen davon, daß die Richtigkeit dieser Theorie keineswegs bewiesen ist, warum muß ein derartiger Zusammenschluß durch den quasi Totalausverkauf der deutschen Unterhaltungselektronik herbeigeführt werden?

Gibt es keine anderen Formen kostensparender, markterschließender Kooperation? Muß jetzt auch noch das Kreativitäts- und Entwicklungspotential für 32.000 Arbeitsplätze nach Paris verlagert werden? Dort scheint sogar eine sozialistische Regierung erkannt zu haben, welche Bedeutung der Elektronik für die Zukunft eines exportabhängigen Industriestaates zukommt. Den Kauf von Grundig bezahlt nämlich letzten Endes der französische Steuerzahler.

Soll unser Land durch diesen gewaltigen Potentialtransfer
noch weiter in die passive Rolle eines von ausländischen Brain-Trusts abhängigen Konfektionärs absinken?

Den japanischen Vorsprung bei Videorecordern kann auch die Einverleibung von Grundig und Telefunken in den Thomson-Brandt-Konzern nicht einholen, selbst dann nicht, wenn Philips kooperieren würde. Er beträgt gute zehn Jahre, die man in Europa vertan hat, und die in Fernost ausgebauten Produktionskapazitäten reichen aus, um den Weltbedarf zu Preisen abzudecken, die für das Video-2000-System ruinöse Auswirkungen haben.

  • Anmerkung : Auch das war leider eine Fehleinschätzung aus Anfang 1983. Zu der Zeit wußte fast Keiner - außer den Buchhaltern und Buchprüfern in den hintersten Zimmern der Deutschen Bank (Hauptgläubiger der AEG) - daß Telefunken und die AEG unrettbar bereits so gut wie pleite waren. Der marode Konzern war innen drinnen absolut unregierbar und chronisch unterkapitalisiert.


Wer der japanischen Herausforderung entgegentreten will, muß ziemlich weit in die Zukunft denken und Kreativität für neue Produktgruppen investieren. Das Reizwort heißt „Office Automation", und dazu gehören Heimcomputer, die im Verbund mit Fernsehgerät, Videorecorder und HiFi-Anlage die heimische UE-Station zur privaten Kommunikationszentrale ausbauen.

  • Anmerkung : So weit hatte Karl Breh als Physiker das bereits vorausgesehen. Die in die Jahre gekommenen Konzernlenker hatten diese Visionen nicht mehr, es hatte doch bisher alles so super funktioniert.


Ich fürchte, in unserem Land ist man vor lauter Aufregung über die Video-Flut, die ohnehin mit handelspolitisch vernünftigen Mitteln nicht mehr einzudämmen ist, auch in diesem Bereich dabei, den weltweiten Anschluß zu verpassen, wie zuvor schon bei Foto, HiFi und Video.

Oder hat Max Grundig vielleicht doch noch eine Karte in der Hinterhand? Der Grundig-Telefunken-Deal ist ja noch nicht gelaufen. Ihm stehen Altschulden in Höhe von 300 bis 400 Millionen Mark im Wege, die Grundig nicht übernehmen will.

Vielleicht finden sich angesichts des drohenden Ausverkaufs doch noch Retter in der Not, die das Hindernis aus der Welt schaffen. Grundig und Telefunken zusammen brächten es auch auf einen Umsatz von immerhin 4 bis 5 Milliarden Mark. Und Telefunken war schon immer gut für zukunftsträchtige, gewinnbringende Entwicklungen.

Darüber dürfte man derzeit in den Vorstandsetagen von Siemens und Bosch
und beim Bundeswirtschaftsminister nachdenken. Vielleicht gelingt es doch, die Kontrolle über das Entwicklungs- und Fertigungspotential dieser beiden so bedeutenden Firmen in deutscher Hand zu behalten.

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